AW: Rollenspieltheorie in euren Augen
Meine Frage dazu steht noch im Raum. Wie genau stellst Du Dir das vor? Tipps? Turorials? Spiele? Workshops auf Cons? Alles zusammen? Ganz was anderes?
Wie genau?
Keine Ahnung. Sag Du's mir. - Noch besser: Was tust DU KONKRET dazu? Oder gehörst Du auch zu denen, die lieber nichts mit den "Breitensportlern" unter den Rollenspielern zu tun haben wollen, sondern lieber mit den exaltierten und aufgeklärten Schöngeistern der Theorie an sich?
Mal andersherum: Hast DU Dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie Du DEINE ganz persönlichen Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit Rollenspieltheorie so in die landesweite Rollenspielszene einbringen könntest, daß eben die - zumindest von mir gefühlte - Stagnation in den Achtzigern durch ewiges Wiederverwenden der alten Entwicklungs-"Blaupausen" für "neue" Rollenspiele ein Ende haben kann?
ICH bin KEIN Rollenspielautor und KEIN Rollenspieltheoretiker. Ich tue das, was ICH für mich als machbare Wege sehe, um den nächsten Heartbreaker, den nächsten Klon, das nächste "darke" Ungetüm so gut es geht abtreiben zu helfen. Das ist wie ein Zombie-Survival-Szenario, bei dem es immer mehr und immer gleiche noch nie lebensfähige Zombie-Rollenspiel-"Neu"-Erscheinungen bzw. -Projekte gibt, bei denen man schon gleich sieht, daß sie EXAKT SO 1981 als Midgard-Konkurrent hätten geschrieben worden sein können. Und damals wären sie sogar noch auf der karg mit Deutschsprachigem besetzten Rollenspielszene mit Kußhand genommen worden.
Ich bin neugierigerweise auf die Rollenspieltheorie-Artikel in den US-Foren gestoßen. Das ist lange her. Damals war ich neugierig und habe alles darin interessant gefunden, weil sie mir VERSPRACHEN mein Rollenspiel in meiner Gruppe BESSER zu machen.
Diese Versprechen wurden nicht nur nicht eingelöst, sondern es wurde ein separierender Jargon eingeführt, bei dessen naiver Verwendung man sofort übelst abge-flamed wurde (schlimmer noch als in manchen Linux-Foren, und das will schon was heißen). Zudem hatten drei Leute zu demselben Begriff mindestens vier Meinungen und je öfter man nachfragte, desto schwammiger wurde das, was eigentlich mit einem klar definierten Begriff ausgedrückt werden sollte. - Irgendwann hat man davon die Nase voll.
Und was die Nase anbetrifft. - Selbst wenn sich manche - und hier sind wir nun endlich bei den Forge-Foren angelangt - bemühen einen zivilen Tonfall zu verwenden, so ist das Niedermachen mit Killerphrasen, die "passiv-aggressive" Art wie dort mit tatsächlich HILFE- und RATSUCHENDEN Normal-Rollenspielern umgegangen wurde (und wird) alles andere als erträglich. - Das war die Zeit, wo ich wirklich nichts mehr von den anfänglich an den KONKRETEN Spielrunden und der HILFESTELLUNG für diese ausgerichteten Theorien gesehen habe.
Da wurde in reinster Form ANALYSE praktiziert. Analytiker, die alles auseinandernehmen, aber weder konkrete Ratschläge geben, noch diese in irgendeiner das Problem lösenden Form wirklich umsetzen wollen. - Man kommt mit immer neuen Kategorien nach immer wieder anderen Kriterien, alles neue Schubladen, wohin man die eigentlichen Probleme einsortiert, statt sie zu lösen oder vermeiden zu helfen.
Daher rührt meine Enttäuschung von "Den Theoretikern".
Sie haben sich AKTIV von den eigentlichen aktiven Rollenspielern "da draußen" ABGESONDERT und finden das auch noch gut so.
Soll ich nun etwa tolle psychologische Tips geben, wie man aus dieser Denke wieder herauskommt?
Nun das Problem liegt darin begründet, daß das Selbstverständnis eines Theoretikers hinsichtlich des Rollenspielens so aussieht, daß er durchaus der Überzeugung ist, daß er MEHR ÜBER DAS ROLLENSPIELEN AN SICH WEISS. Damit ist sein Rollenspielen ganz zwangsläufig das AUFGEKLÄRTERE. Da in unserer westlichen Zivilisation dem Aufgeklärten ein höherer Wert als dem ohne jegliches Bewußtsein und Kenntnis Ausgeübten beigemessen wird, ist dieser Theoretiker der BESSERE ROLLENSPIELER und die nicht-aufgeklärten die schlechteren.
Aus dieser Schere, die sich umso mehr aufklappt je mehr Beschäftigung mit Theorie und - vor allem - in den Cliquen und Zirkeln der Theoretiker (Gegenseitige Verstärkung durch die Gruppe) zunimmt, rührt die Herabsetzung IM MENSCHENBILD vom Normal-Rollenspieler her. - Der Normal-Rollenspieler ist der Schummel-, der Schlecht-, der Konsum-, der "Casual"-Rollenspieler. Und damit der SCHLECHTERE MENSCH!
Und hier ist DER FELSBLOCK in den Seelen der Theoretiker:
Sie MÜSSEN SELBST DEN KONTAKT ZU DEN NORMALROLLENSPIELERN WOLLEN!
Wenn sie das selbst nicht wollen ("Ich spiele nicht mit Casual Gamern."), dann brauchen wir uns nicht einmal Gedanken um konkrete Ausprägungen dieses "Handreichens" der Theorie zu machen. Da ist der betreffende Theoretiker immer noch nicht willens sich einmal (wieder!) in die Situation einer Normalrollenspielerrunde mit fünf Freunden, die sich jede Wochen zum DSA-Spielen zusammensetzen, hineinzuversetzen.
Erst wenn das mit den HINEINVERSETZEN klappt, dann kann man auch ermessen, WAS denn einem Normalrollenspieler tatsächlich etwas BRINGEN würde bei seinen wöchentlichen Spielrunden.
Wer sich nicht hineinversetzen mag in jemanden, der Rat sucht, der ist KEIN GUTER RATGEBER!
Und daher funktioniert das - mindestens mal hierzulande - mit dem Erkenntnis-Transfer von der Theorie in die Breite ÜBERHAUPT NICHT.
Und SCHULD, ja SCHULD!, sind die Theoretiker, die ganz konkreten Personen, die sich stets für etwas Besseres halten, als all die anderen Rollenspieler im Lande.
Ich hatte schon in anderen, längeren Beiträgen beklagt, daß sich die hiesigen Theoretiker überhaupt nicht in der moralischen Verantwortung sehen, etwas für die hiesige Rollenspiellandschaft zu tun. - Das ist das Gute Recht jedes einzelnen, was er stets für sich in Anspruch nehmen kann. - Und es ist aber auch JÄMMERLICH.
Da beschäftigt sich jemand seit Jahren mit Rollenspieltheorie, entwickelt ein Überlegenheitsgefühl gegenüber der dumpfen Masse an unerleuchteten Normalrollenspielern und - bleibt auf seinem bequemen, exaltierten Platz sitzen und schüttelt ab und an den Kopf, wenn mal wieder einer der Unerleuchteten meint ein eigenes Rollenspiel basteln zu müssen, und daß, wo doch die Theorie HIER und DA und DORT alles bereits durchgekaut hat, so daß es nicht der hundertste DSA-Klon hätte sein müssen! Wie doof von diesem "Autoren". Hätte er nur das Big Model verstanden! Hätte er sich im Jargon abprüfen lassen! Hätte er die Design Patterns mal so richtig studiert! - Der ARSCH! Wie kann er mich auf dem Theorie-Olymp eigentlich nur mit seinem saumäßigen Rollenspielchen belästigen! Soll er sich in den Dreck zurückscheren! - Aber vorher gebe ich ihm noch ordentlich eine mit - und zwar mit dickem Jargon, daß er auch überhaupt nichts davon hat. Und zum Schluß noch ein arrogantes: RTFM. Das wird's ihn lehren sich noch einmal zu erdreisten was eigenes auszudenken! Ha! Bin ich mal wieder toll!
Du fragst, ob es "Tipps? Turorials? Spiele? Workshops auf Cons? Alles zusammen? Ganz was anderes?" sein sollen.
Nein. - Denn die sind ALLE SELBSTVERSTÄNDLICH und die bekommt man auch von NICHT-THEORETIKERN (z.B. von mir).
Was es sein soll, ist der Versuch - zumindest mal ein Versuch - zu verstehen, wie eine normale Rollenspielrunde (ohne die Mehrinformierten Profi-Leistungs-Rollenspieler) so "tickt". Und das zu AKZEPTIEREN!
Und gerade die Akzeptanz ist es, die WIRKLICH SCHWER sein wird, je tiefer bereits der persönliche Graben der Überlegenheitsgefühle ist.
Interessanterweise hat Settembrini in einem seiner lichten Momente sehr gut erkannt, daß gerade DIE Rollenspieltheorie, wie sie hierzulande extrem von den USA-Theoretikern beeinflußt ist, auf deutsche Rollenspielverhältnisse nicht paßt. - Die Amerikaner hatten ganz andere Einflüsse in ihrer Rollenspiellandschaft, müssen mit ganz anderen Problemen, was das Öffentlichkeitsbild von Rollenspielern anbetrifft, klarkommen, etc. - Hier ist das anders.
Und hier versagen deutsche "Theoretiker". Settembrini bekommt nicht einmal selbst eine klare Beschreibung dessen heraus, was er unter ARS verstehen mag (wobei die inkohärenten Brocken, die er ab und an äußert sich um Klassen akzeptabler anhören, als alles, was Skyrock in seinen Manifesten(!) zu schreiben pflegt - und das noch nicht einmal der Wortwahl wegen, da beide als Verbal-Hooligans auftreten und sich hierin wirklich nichts geben oder nehmen).
Ich behaupte mal, daß die deutschen Normalrollenspieler die hierzulande verbreitetsten Rollenspiele spielen (DSA, SR, o/nWoD, D&D). - WO SUCHEN sie, wenn sie Probleme mit ihrem Spiel haben, oder wenn sie KEINE Probleme haben, aber ihr Spielen intensivieren, ändern, anders gestalten möchten, nach Tips?
Klar, auf den DSA-Foren, den SR-Foren, den o/nWoD-Foren, den D&D-Foren. - Wo sonst?
Und welchen Einfluß haben bei den dortigen "Gurus" die Erkenntnisse aus der Rollenspieltheorie?
0,0 - Nullkommanix.
Nein, gelogen!
Es gibt Leute, die die WotC-Spielleitertips lesen und z.B. bei den D20-Modern auf Inhalte stoßen, die so auch auf den Forge-Foren vor Jahren mal zu lesen waren. - Wie kann das sein?
Auch und GERADE die PROFIS, d.h. die Leute, die von Rollenspielen als Autoren LEBEN müssen, die machen sich seit eh und je Gedanken über Rollenspiele und Rollenspieler. - Und NUR SO ist es den bekannten Tausendsassas aus den USA auch möglich so völlig unterschiedliche Spiele zu entwerfen, die in ganz unterschiedlichen Richtungen hinsichtlich Regelsystem und hinsichtlich der Spielwelt und des favorisierten Spielstils gehen.
Und diese PROFIS sind bei den Theorie-Diskussionen nämlich EBENSO UNBETEILIGT, wie die Normalrollenspieler.
Woran das wohl liegen mag?
Und dann kommt der Cäsarenwahn. Nämlich die Selbstüberschätzung, daß man, nur weil man Jargon-Liturgien herbeten kann und sich über Modellvorstellungen so lange und so unverständlich auslassen kann, daß keiner mehr merkt, daß der modellierte GEGENSTAND schon völlig aus dem Blick geraten ist, meinen so manche, daß sie damit zwangsläufig zum AUTOREN von Rollenspielen prädestiniert sind. - Und das sind dann die Frankensteins-Monster unter den Rollenspielen, deren traurige Existenz als seelenlose Hüllen über kalter, theoriebasierter Technik leider viel zu selten der Mob mit Mistgabeln und Fackeln beendet. Sie werden vielmehr zwischen den anderen "Wissenschaftlern" herumgereicht, ausprobiert und wortreich gelobt. Und haben (hier möchte ich sogar sagen glücklicherweise) keinen Einfluß darauf, wie der größere Rest der Rollenspielautorenschaft Rollenspiele schreibt.
Was also könnte ich Dir denn auf "Wie genau stellst Du Dir das vor?" antworten?
Ich stelle es mir SCHLECHT vor die Denkweise und das Menschenbild von Leuten, die sich schon lange für etwas Besseres halten, umzukrempeln, daß ein Handreichen, ein Dialog, ein Befruchten, ein Aufblühen der deutschen Rollenspiellandschaften erfolgen kann.