AW: Spielleiterregeln
Und warum dann den Spielleiter dann nicht gleich ganz abschaffen
Das tun ja manche der brettspieligeren Spiele wie z.B. Capes.
Nur, man KANN einen Spielleiter NIE abschaffen, wenn man noch ein Rollenspiel spielen will.
Es ist vielmehr so, daß
nicht etwa der Spielleiter zum Spieler wird (denn dann hätte er ja auch das gute Recht sich einfach zurückzulehnen und sich bespaßen zu lassen - eine völlig legitime Art das Spiel zu spielen),
sondern es werden ALLE SPIELER ZU SPIELLEITERN.
Diese Spiele, die JEDEM Spielenden denselben Einfluß zugestehen, den üblicherweise ein Spielleiter hat, sorgen dafür, daß die Spielenden GLEICHERMASSEN Spieler UND Spielleiter sind. - Und da sich eine Handvoll Spielleiter am selben Tisch dermaßen in die Quere kommen werden, gibt es eben Regeln dafür, wer auf welche Art FAKTEN im Spielgeschen, in der Spielwelt schaffen darf. (Z.B. Biete-Mechanismus und begrenzte Ressourcen, oder Würfeln um die Erzählrechte, oder beides).
Wenn man also statt eines Spielleiters und vier Spielern nun fünf Spielleiter hat, ist somit auch DIE GESAMTE VERANTWORTUNG, die ein Spielleiter für das Laufen des Spiels hat, auf die Gruppe, d.h. auf jeden Einzelnen und das auch noch explizit übergegangen.
Wenn also jeder alles DARF, was ein Spielleiter normalerweise entscheiden und beeinflussen darf, dann ist es gleichermaßen auch so, daß jeder alles tun MUSS, was ein Spielleiter tun muß.
Es gibt Spieler, die NICHT selbst soviel entscheiden, festlegen, überlegen, gestalten WOLLEN. Diese Spieler wollen ÜBERRASCHUNGEN im Spiel erleben, ihnen unbekannte Dinge ENTDECKEN. - Die Verantwortung dafür, daß solchermaßen motivierte Spieler in spielleiterlosen Spielen zu IHREM Spaß kommen, liegt nun bei allen anderen Mitspielern. Denn NUR die anderen Mitspieler haben es dann noch in der Hand für Überraschungen, für neue Entdeckungen zu sorgen.
Und wenn zwei oder drei von vier Spielenden nun NICHT mit den Aufgaben, dem GESTALTUNGSZWANG, den die Übertragung der Spielleiter-Rolle auf jeden einzelnen mitsichbringt, klarkommen, dann haben diese Spielenden eben KEINEN Spaß.
Spiele, die von der Grundkonzeption her die Aufgaben/Rechte des Spielleiters auf ALLE Spielenden verlagern, sind
Spiele NUR FÜR SPIELLEITER.
Damit meine ich, diese Spiele setzen ein Interesse am Spiel voraus, welches den "Spaßfaktoren", die ein Spielleiter als für ihn das Begeisternde an der Spielleiterrolle nennt, ein hohes Gewicht FÜR ALLE SPIELENDEN gibt. - Also eben KEINE Nur-Spieler-Motivation wie "ich will halt nur mit meinen Kumpels mal ein wenig zocken und nicht viel dabei denken müssen", oder "ich möchte spüren, wie wir als Team, als Gruppe, als Gemeinschaft der Spielwelt gegen alle Widernisse unseren Stempel aufdrücken", u.a.
Warum werden solche Nur-Spieler-Motivationen von solchen Nur-für-Spielleiter-Spielen nicht adressiert?
Wenn jemand nur "konsumieren" möchte, d.h. nur mit der Motivation, daß er "die Achterbahnfahrt" genießen möchte, spielt, dann VERLANGEN die Spielleiteraufgaben, die er bei z.B. Universalis u.a. Spielen aufgedrückt bekommt, daß er entweder sich anstrengt und AKTIV GESTALTEND an der Spielwelt, an den geltenden Regeln der Welt, etc. MITARBEITET, oder zu allem, was die anderen Spieler sagen, einfach zustimmt. Damit hat er KEINEN Einfluß auf das Spiel der anderen. Wer nicht ARBEITET, der spielt bei solchen Spielen halt auch nicht.
JEDER weiß, daß Spielleitung ARBEIT ist. - Spielleiter machen sich diese Arbeit aus unterschiedlicher Motivation. Spielleiter ziehen gerade auch aus dieser Arbeit Erfolgserlebnisse. (Nicht nur. Bei WEITEM nicht nur daraus, aber eben AUCH daraus.)
Wer sich diese Arbeit, das AUSDENKEN von Spielweltelementen (und wenn es nur ein popeliger NSC ist, den sich ein Spieler ausdenken soll), nicht machen WILL oder nicht machen KANN (weil er kreativ auf dem Schlauch steht - ja, solche Leute soll es auch geben), dann ist das KREATIV-SEIN-MÜSSEN für diesen Nur-Spieler enormer Streß. - Das ist dann genau die Art von Spiel, die er eigentlich NICHT spielen will.
Er will MITMACHEN, aber nicht SELBST MACHEN MÜSSEN.
Klar, niemand MUSS wirklich. Dann sitzen eben (Erfahrung aus Universalis) ein oder zwei Spieler rum, während die drei anderen fleißig Gestalten, die Welt, NSCs, Szenen etc. Die anderen bieten fleißig, spielen gegeneinander ihre Ideen aus, und die beiden NICHT-Spielleiter am Tisch, die machen NICHTS! - Ihnen fällt auf die Schnelle nichts ein, was sie den Ideen der anderen hinzufügen könnten. Sie haben auch keinen Widerspruch gegen die Vorschläge der anderen vorzubringen, weil sie eigentlich lieber sehen wollen, wie sich das ganze entwickelt und sich überraschen lassen wollen. Aber sie KÖNNEN NICHT TEILHABEN, wenn sie nicht GESTALTEN.
Wer nicht den WILLEN dazu hat und wer nicht im Geringsten einen Hauch an Veranlagung dazu hat Welten zu erschaffen, NSCs zu erschaffen, Szenen auszudenken - eben das Gestalterische am Spielleiten auszuüben, für den sind solche spielleiterlosen Spiele nichts.
Und auch für die "Teamplayer", die es genießen, wenn alle Spieler einer Gruppe zusammen füreinander einstehen, gemeinsam mehr schaffen, als es ein Einzelner könnte, und einfach sich wie ein TEAM zu fühlen (im Sieg und in der Niederlage), dann bekommen sie das nicht aus einem spielleiterlosen Spiel. - Das liegt daran, daß JEDER für JEDEN ANDEREN die OPPOSITION bestimmt.
Im Spielleiterlosen Spiel gibt es KEINE SPIELER mehr. Und es gibt demzufolge auch KEINE SPIELERCHARAKTERE mehr.
ALLE sind Spielleiter. Alle Charaktere sind NSCs. - Die Spielleiter entscheiden über Wohl und Wehe der NSCs. Sie holen sich die einzelnen NSCs in einzelne Szenen. Sie haben durchaus ihre jeweiligen Pet-NSCs, die sie mit etwas mehr Aufmerksamkeit (und Ressourcen) behandeln, aber es ist NIE so, daß es eine in sich geschlossene Gruppe der SPIELER mit ihren Avataren (den SCs) in der Spielwelt gibt, die zusammen den REST DER WELT (den der Spielleiter spielt) erkundet, verändert, bekämpft. - Man bekommt kein WIR, wenn JEDER DER CHEF ist und jedem anderen in die Quere kommt.
Das sind beileibe nicht die einzigen Spielermotivationen, die von spielleiterlosen Spielen nicht oder nur sehr schlecht adressiert werden können.
Rollenspiel an sich ist IMMER ein Spiel mit verteilten ROLLEN: die Rolle des Spielers und die Rolle des Spielleiters.
Was die Charaktere für Rollen/Klassen/Archetypen etc. spielen, sind nur "Kostüme" für die Rolle des Spielers. Es sind die Äußerlichkeiten des Avatars des Spielers in der Spielwelt. - Rollen gibt es im Rollenspiel eigentlich immer nur zwei.
Vereinigt man beide Rollen zu einer, so hat man KEIN Rollenspiel mehr vorliegen, sondern etwas anderes. Ein Erzählspiel. Ein kompetitives Weltenbauspiel. Ein gestalterisches Gruppenspiel. - Eben ein Spiel, welches sich ausschließlich an Leute wendet, die Eigenschaften und Interessen von SPIELLEITERN haben.
Und das ist ja auch die Historie von vielen forge-igen Spielen: die Autoren wollen den Spielern mehr Elemente der Rolle des Spielleiters geben, weil die Autoren UND die Spieler (und ALLE TESTSPIELER!) nur aus der Gruppe der Spielleiter kommen. - Mein Eindruck: Bei der Forge SIEHT niemand die Nur-Spieler. Diese (auch mein Eindruck) weitaus größere Gruppe an Rollenspielern, die eben NICHT Spielleiter sein will, sondern anderweitige Motivation zum Rollenspiel hat, wird von der Forge komplett ignoriert.
Dort herrscht eine Atmosphäre, die einem Spielleiter grundsätzlich erst einmal Übles unterstellt.
Spielleiter sind die bösen Leute, die mit Allmachtsphantasien und Willkürgelüsten andere Spieler, die das Spielleitern viel besser könnten, weil sie viel kreativer sind, nur kleinhalten wollen. - Daher MUSS man die Spielleiter beschränken. Ihnen ihre "MACHTBASIS", das Gestalten-Dürfen, entziehen und endlich die Gestaltungsmittel als Eigentum aller gleichberechtigter Spielender "befreien".
Diese Sicht ist eine Wahrnehmung, die tatsächlich durch MANCHE (noch nicht einmal viele) Horrorgeschichten und unspaßigen Erlebnisse mit einigen Spielleitern gefüttert wird. - Manch ein Rollenspieler ist schon mal an einen Spielleiter geraten, der ihm das Spiel versaut hat, den Spaß genommen hat, etc.
Und daher sind nun ALLE Spielleiter böse.
So kommt es zumindest in den Darstellungen auch und gerade von Skyrock, 1of3, Myrmidon und anderen hier im Forum rüber. Und im Indies-RPG-Forum sowieso.
Das ist natürlich eine Sicht, die völlig unhaltbar ist.
Aber aus dieser Sicht auf die Rolle des Spielleiters kommt die "Befreiungsideologie", daß man den bösen Spielleitern durch Entzug ihrer Gestaltungsfreiheit auch ihr ureigenstes BÖSES mindern könne. Nur mit harten, mit drakonischen Mitteln kann man die bösen Spielerunterdrücker daran hindern, daß sie die armen Spieler knechten.
Am Besten wäre es, wenn es KEINE Unterdrücker mehr gäbe. - Wenn ALLE SPIELENDEN das GLEICHE RECHT zum einander knechten hätten.
Dann wären alle gleich und frei.
Dann wäre das Spiel endlich wieder gut und schön.
Dann ist JEDER der Spielleiter. Und die Spielwelten sind "spielereigene" Spielregionen. Und alle sind engagiert und kreativ und energisch am Gestalten, da das alle immer schon gewollt haben und nun auch alle endlich können dürfen.
Und wer das nicht schon immer gewollt hat, der ist halt ein reaktionäres Schwein, das von den Befreiungsgarden an die Wand gestellt wird. Zusammen mit den anderen Spielschädlingen, die "nur einfach mitspielen" wollen, oder die sich der "Spielweltflucht" beim gemeinschaftlichen Aufbau der Schönen Neuen Spielwelt (SNS) schuldig gemacht haben.
Diese Leute sind nur Hemmschuhe des FORTSCHRITTS.
Das sind böse Nostalgiker, die nicht gemerkt haben, daß nun eine Neue Zeit angebrochen ist.
Das Neue Rollenspiel ist zwangsläufig BESSER und dem alten, bourgeoisen Rollenspiel überlegen.
Wer das nicht einsieht und bejubelt ist ein Feind des Fortschritts, er ist ein
finsterer Geist und antizivilisatorischer Tyrann
Wer nicht für die SNS ist, der ist gegen die SNS!
Spielleiterregeln sind ein friedlicher Versuch das schöne neue Rollenspiel zu ermöglichen. - Sie sind ein anti-antizivilisatorischer Schutzwall. Sie BESCHÜTZEN doch die Spieler vor den finsteren Geistern der bösen Spielleiter-Bourgeoisie.
Das MUSS doch JEDER Einsehen! (Die Pflicht in diese Einsicht steht nämlich in den Rules-as-Written.)
Nur wenn die letzte Bastion des "Rollenfeindes", die herausgehobene Rolle des Spielleiters, endgültig gefallen ist, dann erst werden alle Spieler richtig glücklich sein können.
Dann ist das Neue Rollenspiel endlich in seiner realexistierenden Ausprägung für alle Gleichen gleichermaßen verfügbar und auch nur die einzige wahre und faire und glücklich machende Art des Rollenspiels.
Und daß es glücklich macht, steht auch in den Regeln.
Damit müssen alle Spieler zufrieden und glücklich sein.
Sie müssen.
Bist Du glücklich, Spieler?