AW: Gygax-Spende abgelehnt
Ja, finde ich. Wohlwollend unterstelle ich dem Spiegel Online den Textauszug unglücklich gewählt zu haben und dem Buch eine Chance in seiner Gänze inhalsreicher zu sein. Leider ist der Auszug schon so niederschmetternd polemisch, dass ich mich nur schwer dazu durchringen könnte, das vollständige Werk zu lesen.
Warum also ist der Text verblödet?
Nun, zum einen gibt sich der Autor, seineszeichens einflussreicher Journalist, ganz elitär und spricht einer ganzen gesellschaftlichen Bewegung die Intelligenz ab.
Broder schrieb:
Die Aufhebung von Privilegien, wie dem Zugang zur Öffentlichkeit, führt nicht automatisch zu einer Demokratisierung des öffentlichen Diskurses, sondern zu dessen Analphabetisierung.
Mag das zwar auf Wohlgefallen treffen, so muss doch jedem hier, der diesen Satz zu unterstützen wünscht, klar sein, dass er sich laut Broder in die Kategorie "Idiot" einordnet, macht er doch öffentlich seine Meinung bekannt, ohne dafür ausreichend qualifiziert zu sein.
Später prangert er an, ob nun zitiert oder bekräftigt, dass wir einem Selbsthass unterliegen, andere "zivilisatorische" Errungenschaften Einzug halten lassen und unsere eigene Kultur unterminieren. Setzen wir unsere eigenen "zivilisatorischen" Errungenschaften ein, beispielsweise, dass wir einen in Abschiebehaft Befindlichen nicht an ein Gericht ausliefern, von dem wir keinen fairen Prozess (in unserem Bild von Fairness) erwarten, wird das ebenso kritisiert. Wöllte man Broder hier Böswilligkeit unterstellen, so könnte man den Vergleich zwischen potentiellem Terroristen und Staatsschmarotzer ziehen, und die Frage in den Raum stellen, ob ein Ausweisen nicht generell eine gute Sache wäre... Nicht das Broder das hier schreibt. Er provoziert diesen Gedankengang nur durch den Aufbau der Argumentationskette.
Stattdessen stellt er einerseits den Gedankengang in den Raum, wie es sein kann, dass europäische Firmen (die in erster Linie auf Wirtschaftlichkeit bedacht sind) sich von "westlichem" (in diesem Falle das Machwerk eines ebenso grotesken Fanatikers) Gedankengut im Inland und im Ausland distanzieren, und dass nur, weil es die Gefühle von potentiellen Kunden verletzt? Ja, wie kann das eigentlich sein? Ungehörig!!
Er trampelt alsbald auf den Disziplinen der Psychoanalyse und der Volkswirtschaftslehre herum, und kommt zu einem völlig sinnfreien und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon vielfach widerlegtem Schluss:
Broder schrieb:
Toleranz widerspricht der menschlichen Natur so, wie es ihr widerspricht, die Beute zu teilen.
Allein durch eine Korrelation zwischen der Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Ablebens und der Menge an Konflikten die ein Lebewesen austrägt, ist diese Aussage fraglich, und wird durch das Nachreichen eines:
Broder schrieb:
Man macht es nur, wenn man sich davon einen Vorteil verspricht.
darüber hinaus jeglicher Aussagekraft entbunden.
Alles in allem hat Broder es in diesen zwei Seiten geschafft in ungefährem Bildzeitungsniveau ein Bild der Angst vor dem äußern Einfluss zu zeichnen, einer Flutwelle an Fremdkultur und -einfluss, von der wir überrollt werden, der wir uns widersetzen und zur Liebe unserer eigenen Zivilisation zurückkehren sollten. Das wir dabei in gleichem Maße Nike, Burger King, Demokratie, Kapitalismus, Bomben und viele andere Kulturgüter (oder doch zivilisatorische Güter) abwerfen und die gleiche Art der Meinungsmache ob dieser ungewollten Veränderungen auch auf jeder anderen Seite vorherrscht (wobei dies keinesfalls eine Rechtfertigung dafür wäre, es genau so zu machen), blendet er, zumindest in diesem Auszug, vollständig aus.
Vielleicht bin ich auch einfach nur zu tolerant für Broder.
Außerdem, und deshalb hatte ich den Link gepostet, gehts bei der Spendengeschichte hier im Thread eben auch um die Frage, wie mit Intoleranz von seiten einer religiös motivierten Gruppe umzugehen ist.
Sie ist, wie auch bei einer politisch motivierten Gruppe, zu ignorieren, solange sie keinen von uns in seinen persönlichen Freiheiten einschränkt. Selbstverständlich hat eine Gruppe das Recht Spendengelder anzunehmen und abzulehnen, je nachdem wie es ihr beliebt und wie das die internen Richtlinien und externen Gesetze für sie vorsehen. Als Privatperson und potentieller Spender bleibt einem da nichts anderes übrig als es ohne den Rollenspielbezug zu versuchen, oder das Geld einer anderen Organisation zu spenden (und in diesem Punkt stimme ich mit Dir vollkommen überein).
Darüber zu lamentieren, über sie her zu ziehen, oder in sonst einer Weise zu kritisieren, weil sie unser Geld nicht annehmen wollen... naja... das liest sich alles in allem wie das irrwitzig polemische Geblubber aus dem Broder-Auszug.