@Charakter-Wahl
Ich habe bisher noch nicht eine Vampire: Die Maskerade Pen & Paper Runde gesehen bei der ich in der Wahl der Klassen sowie der Punktegestaltung mich vollkommen anhand des Regelwerks hätte entfalten können.
Dem gegenüber habe ich auch bei Online-CRPGs das heißt MMOs noch nicht ein Spiel gesehen bei dem die Charakterwahl nachträglich eingeschränkt wird.
Tja, ich schon. Was sagt uns das?
Hinsichtlich des Singleplayer Modus ist es m.E. nicht möglich Pen & Paper allein zu spielen.
Was hat das mit dem Handlungsfreiraum zu tun? Ich behaupte ja nicht, dass Pen&Paper "die bessere Freizeitbeschäftigung ist". Natürlich kann man mit Computerrollenspielen Dinge, die mit Pen&Paper nicht gehen und andersrum. Ich behaupte lediglich, dass der Handlungsfreiraum in Letzterem um ein Vielfaches höher ist. Ich finde den Vergleich auf dieser Ebene sogar relativ unsinnig, muss ich sagen.
Ich habe mehrere Regelwerke gelesen bei denen Stereotypen sowie Klassen explizit für Nicht-Spielercharaktere vorbehalten waren und angeregt wurde das sich der Spieler bitte zwischen den anderen Stereotypen bzw. Klassen entscheiden soll. Ebenso wie mehrere Rollenspiele bereits im Text darauf hinweisen das wenn man eine bestimmte Region bestimmt bestimmte Stereotypen und Klassen nicht passen oder nicht zur Verfügung stehen.
Das habe ich ja bereits eingeschlossen. Und wie ich schrieb: das kann man ignorieren und trotzdem spielen. Welches Videospiel kennst du, in dem man die von den Entwicklern gesetzten Grenzen und Gesetze ignorieren und so spielen kann, wie es eigentlich nicht vorgesehen ist? Du kannst ein Spiel vielleicht Modden oder du kannst cheaten. Das ist allerdings nicht das Gleiche. Du könntest zum Beispiel spontan entscheiden, dass in Region XY die Rasse, die da eigentlich nicht so passt, durch einen Eroberungsfeldzug vor XY Jahren zur dominanten Herrschaft aufgestiegen ist. Bums.
Zeig' mir ein Videospiel, wo du sowas auch nur im Ansatz kannst.
Das Phänomen das man sich bestimmte Stereotypen oder Klassen erst freischalten oder bezahlen muss ist auch im Pen & Paperrollenspiel mitunter gegeben. Sei es das man über Ergänzungsbücher die Regeln sowie die Ausgestaltung weiterer Stereotypen oder Klassen erhält oder das eine bestimmte Klasse erst als Weiter-Entwicklung einer bestehenden erhältlich ist. (Legendärer Held, Prestigeklassen, höhere Karrierestufen etc.)
Gut. Das stellt allerdings voraus, dass man zum Beispiel entsprechende Klassen oder Stereotypen nur dann spielt, wenn sie im Buch und durch die Designer vorgegeben erklärt / erläutert und präsentiert werden. Man muss das nicht. Man muss in keinem Fall auf ein Splatbook oder ein Regelwerk warten, um irgendeinen Exot oder eine Prestigeklasse zu spielen. Im Videospiel
musst du die entsprechenden Punkte bezahlen oder das Ganze freischalten. In MMOs erst recht, da funktionieren Hacks, Cheats und Mods nicht so wirklich.
Weil es in der Regel keine Möglichkeit gibt die Alternativen Fortgänge zu beweisen bzw. praktisch zu erleben.
"In der Regel". Was würde einen davon abhalten, das dennoch zu tun? Mal andersrum: nehmen wir an Videospiel XY bietet dir zwei Optionen. A: du kannst NSC1 retten, B: du kannst NSC2 retten. That's it. Du kannst jetzt dich erst für das eine entscheiden, dann für das andere, wenn du lädst und neu spielst. Was aber, wenn du keine der Optionen wählen willst? Was, wenn du Beide sterben lassen willst, um irgendein anderes Ziel zu erreichen? Das Spiel sieht das nicht vor, es lässt es auch gar nicht zu. Du musst dich für eine der beiden Optionen entscheiden. Das ist deine ganze Entscheidungsfreiheit.
Im Rollenspiel hast du diese Einschränkung eben nicht. Und deswegen finde ich es persönlich auch so absurd, überhaupt davon auszugehen, dass ein Videospiel "mehr Freiheit" in der Entscheidung liefern könnte. Du kannst die Beiden sterben lassen. Klar, kannst du das. Du könntest auch entscheiden, zu versuchen, Beide zu retten und mit entsprechendem Würfelglück oder Ausgabe von Punkten oderoderoder es vielleicht sogar schaffen. Eine Einschränkung hast du hier nur und ausschließlich, wenn der Spielleiter (die Entscheidungsinstanz) das unterbindet.
Selbst dann könntest du ihn überzeugen. Du kannst diskutieren, kommunizieren. Du kannst andere Lösungsvorschläge anbringen. Du kannst einen Game-Designer nicht nachträglich bitten den Spielverlauf zu verändern (die Mass Effect Ending DLC Geschichte hier bitte nicht als "Gegenbeweis" anbringen, das war keine wirkliche Verlaufsveränderung, lediglich Fanservice mit ein paar Filmchen).
Du kannst sogar aus der Runde aussteigen und exakt das gleiche Abenteuer mit exakt den gleichen Charakteren und der exakt gleichen Situation theoretisch mit anderen Spielern erneut spielen und den Ausgang ändern. Es wird dir allerdings schwer fallen, Jemanden davon zu überzeugen, Mass Effect 3 für dich umzuschreiben, weil du findest, dass Kai Leng das Spiel runterzieht und seine ganze Konzeption fürn Arsch ist.
Das heißt unabhängig von Spielleitertyp kann man idR. nach einer Pen & Paper Runde nicht feststellen ob neben dem Verlauf des Spiels tatsächlich ein weiterer möglich gewesen ist. Mitspieler können behaupten das die Möglichkeit bestand, aber die Behauptung bleibt letztlich theoretisch da sie idR. nicht weiter bewiesen werden kann.
Es geht nicht darum, es zu "behaupten". Es geht darum, dass die Entscheidungsfreiheit
existiert. Theoretisch oder nicht, sie ist
da. Zumindest wenn man einen SL / eine Gruppe hat, die etwas abseits des festgelegten Handlungsverlaufs zulässt (und, wie gesagt, im Gegensatz zu anderen hier kenne ich ausschließlich solche Spielleiter).
In einem Videospiel ist die Handlungsfreiheit effektiv auf eine festgelegte Anzahl von Optionen begrenzt. Immer. Du kannst dich zwar durch Speichern und Laden umentscheiden, allerdings keine Entscheidung abseits dessen treffen, was vorgesehen ist und das Spiel trotzdem weiterspielen.
In dem Computerrollenspiel kann man vor der Wahl einen Save anlegen und sich entscheiden. Man betrachtet dann wie das Spiel weiterverläuft. Ist man an einem Punkt angelangt wo einen die Neugier packt kann man zu dem Save-Stand zurück gehen und verifizieren ob die Alternative Handlungsweise eine valide Option war. Das heißt man kann in diesem Fall praktisch beweisen das eine Alternative bestanden hat.
Der Beweis kann positiv auffallen, muss aber nicht. So sorgte es beispielsweise für Kontroversen als The Walking Dead (XBox, PC, PS) enthüllte das es in einer Szene keine Möglichkeit gab den Tod eines Teammitglieds zu verhindern obwohl ein anderer Anschein erweckt wurde.
Du zeigst ein Feature auf. Videospiele lassen zu, durch Laden & Speichern und wiederholtes Durchspielen alternative Handlungsstränge zu erkunden. Pen&Paper Rollenspiel in der Praxis vermutlich seltener. Das ist aber kein Beweis für größere Handlungsfreiheit, vielleicht eher dafür, dass Videospiele eine höhere Wiederspielbarkeit besitzen.
Ansonsten gibt es Spiele die stärker auffächern als Heavy Rain (Alpha Protocol, Way of the Samurai 3)
Auch die haben eine überschaubare Anzahl an Alternativen. Im Gegensatz zum Rollenspiel.
Es hat vor relativ kurzen im eigenen Genre Konkurrenz von
Beyond: Two Souls erhalten.
Wobei es sich dort weniger um Computerrollenspiele handelt als um mehr oder weniger interaktive Filme.
Ähnlich der TellTale Reihen "
The Walking Dead" sowie "
The Wolf Among Us".
Die Spiele bewegen sich dabei mehr oder weniger in einem eigenen Adventure-Genre.
Demgegenüber stehen Computerrollenspielen wie Alpha Protocol sowie Way of the Samurai 3, welche die Handlung neben den eher kurzen Action-Sequenzen sehr stark verzweigen und dabei mitunter auf wesentlich mehr als sechs unterschiedliche Handlungsbäume mit entsprechenden Enden kommen.
Ebenso Computerrollenspiele wie die Fallout-Serie, die Elder Scrolls-Reihe oder die bald kommenden Fortsetzungen zu Planescape: Torment oder auch Wasteland. Die mitunter einen mehr oder weniger guten Job darin machen einen relativ großen Sandkasten zu gestalten und nachhaltige alternative Entscheidungen zu ermöglichen.
Neben den unterschiedlichen Simulationen, seien es die Zombie-Apokalypsen, die Einsamkeit in Kanada nachdem Ausbruch eines Super-Vulkan, dem gestranded sein auf einer Insel und dergleichen mehr.
Das Gleiche wie oben: überschaubare Anzahl an Alternativen.
Du bringst selbst ein gutes Beispiel: The Elder Scrolls, Fallout.. die Spiele die mit "großer Freiheit" und "tu was du willst" werben. Dabei bieten sie effektiv lediglich die Entscheidung, in welche Richtung man sich zuerst bewegt und welche Quests man macht und welche nicht. Darüber hinaus vielleicht maximal eine oder zwei zusätzliche Entscheidungsoptionen. Das ist keine Freiheit. Das ist Entscheidungsmöglichkeit zwischen A, B, C, D etc. - wie in jedem anderen Videospiel auch.
Beste Beispiel: unser Elder Scrolls Morrowind Pen & Paper. Der direkte Vergleich fällt vernichtend für das Videospiel aus (war auch nicht anders zu erwarten, dürfte bei jedem Videospiel der Fall sein, wenn man es in ein Pen&Paper verwandelt). Wer unsere Charaktere sind, was sie erlebt haben, wie sie sich verhalten, wo sie herumlaufen und mit wem sie zu tun haben ist so viele Dimensionen von dem entfernt, was Morrowind als PC-Spiel erlaubt hat, dass es Unsinn wäre, das überhaupt ernsthaft zu vergleichen.
Nummer 1: Mein Spielercharakter ist ein Ordinator, also Teil einer Fraktion, der man im Videospiel nicht beitreten kann.
Nummer 2: Seine Familie kommt ursprünglich vom Festland, einen Teil der Spielwelt, den man im Videospiel nicht betreten kann und über den man so gut wie nichts weiß.
Nummer 3: Wir haben diesen Teil mit Geschichte und Leben gefüllt und dort gespielt, etwas, das selbst mit hunderten Stunden vor dem beigelieferten Construction Set nicht in dieser Form möglich wäre.
Und auch Beyond: Two Souls, The Walking Dead und The Wolf Among Us arbeiten mit den gleichen Mechanismen von Scheinfreiheit. Es ist immer das Gleiche:
- Du hast die Möglichkeit, eine Mission auf verschiedene Weisen zu lösen
- Du kannst verschiedene Dialogoptionen wählen
- Du kannst Einfluss auf den weiteren Verlauf nehmen, meist auf eine Handvoll verschiedene Weisen
- Du kannst entscheiden, ob du Gegner tötest oder gewaltlos ausschaltest
- Du kannst dich für links oder rechts entscheiden, für NSC 1 oder NSC2.
Es ist alles vorgegeben. Das liegt in der Natur der Sache. Wer Pen&Paper genauso spielt, der mag in der Entscheidungsfreiheit vielleicht keinen großen Unterschied sehen oder anhand der Speicher-und-Ladefunktion sogar einen "Überhang" beim Videospiel an Freiheit. Es ist aber noch immer nicht so, dass man Pen&Paper so spielen muss. Du
musst allerdings die Videospiele so spielen, wie die Entwickler es gerne hätten. Period.
Versuch bei Baldur's Gate einen Vulkanier zu spielen oder bei Super Mario Bros. nach links zu laufen. Du wirst schnell die Grenzen der großen Entscheidungsfreiheit erkennen.
Das heißt es gibt neben World of Warcraft mit dem sehr rigiden Quest-Design so etwas wie Guild Wars. Wo man die Welt über entsprechende Mega-Events tatsächlich leicht manipulieren kann. Auch so etwas wie Eve-Online wo man im Grunde hauptsächlich über die Interaktion mit anderen Spielern Spielspaß und Spielinhalte generiert.
Ja, das sind alles Entwicklungen der Marke "es gibt ein wenig mehr Entscheidungsspielraum". Das ändert nichts daran, dass sich das alles dennoch im vorgefertigten, eng gefassten Raum bewegt. Ich hab schon gelesen, dass es hier einige gibt, die fest behaupten, im Pen&Paper sei das nicht anders. Ich kann darauf immer nur antworten: wenn ihr nur solche Spielerfahrungen kennt, tut mir das leid. Es ist aber nunmal nicht immer und überall so. Und, frankly, ich glaube nicht, dass ich ausschließlich Exotenrunden kenne und ein allzu außergewöhnlicher Spielleiter bin, in der Hinsicht.
Ja. Weil man auf die Antwort hin: "Mein Charakter macht jetzt X"
Nicht verifizieren kann in wie weit das eine tatsächliche Entscheidung war oder man weiter auf Schienen geführt wird.
Weil theoretisch immer die Gefahr besteht, böse gerailroadet zu werden? Das ist ein wenig dünn.
Ich leite mehrere Vampire Stadtchroniken. Die NSCs, die da rumlaufen, sind von mir erstmal vorgegeben, genauso die Location, die allgemeine Spielsituation. Wenn ich einen meiner Spieler frage: "Was macht dein Charakter heute Nacht?" dann liegt die volle Entscheidungsfreiheit bei ihm. Er kann einem gewissen Pfad folgen, den er sich selbst festgelegt hat ("Heute Nacht treffe ich NSCxy um die Intrige yx fortzuführen"), der kann in der Regel spontan entscheiden, gewisse NSCs einzubauen, die er gerade braucht oder gerne hätte, er könnte sich dazu entscheiden, spontan den Weg oder Pfad zu wechseln, oder dafür sorgen, dass ein NSC, der ihm im Weg steht, verschwindet ("Heute bringen wir den Sheriff in Miskredit oder vernichten ihn"). Oder sogar die Stadt zu verlassen und was völlig anderes machen. Die Tatsache, dass er sich letztlich dann für eines dieser Dinge entscheidet, bedeutet doch nicht, dass es in Wirklichkeit überhaupt keine wirkliche Freiheit in der Entscheidung gegeben hat?!
Das gilt durchaus auch für Pen & Paper Rollenspiele die jeweils eine entsprechendes System haben das seine spezifischen Eigenheiten hat.
Nur wenn man es selbst zulässt.
Ich kann doch nicht ernsthaft die (völlige) Freiheit des Pen&Paper-Rollenspiels verfechten, im folgenden Satz aber anerkennen, daß sich Gruppen selbst beschränken (können).
Welche Form der Freiheit sollte es denn noch geben, wenn die einzige effektive Beschränkung nur durch den Handelnden selbst geschehen kann (Freiheit zur Beschränkung)?
Und, was mich schon die ganze Zeit interessiert: was ist eigentlich so schlimm daran, wenn Pen&Paper eine "absolute Freiheit" (was auch immer das letztlich sein soll) zulässt?
Was soll diese Ganze "ihr wollt es nur nicht wahrhaben"-Diskussion überhaupt?