Was haltet ihr eigentlich davon das Zweihandwaffen -1 Parade geben?
Aus realweltlicher Praxiserfahrung ist das natürlich Unsinn, wenn man mit rein simulativen Erwartungen an die Waffen-Modellierung in SW-Regeln heranginge.
Diese -1 soll aber nicht wirklich was simulieren (denn dann wäre es ja eine offensichtlich BEKLOPPT-FALSCHE Simulation), sondern soll letztlich nur ein wenig die "Rüstungsspirale" bei den Charakteren dämpfen. - Ob das wirklich gelingt, ob das wirklich durch solche seltsamen "Nachteils-Eigenschaften" von manchen Waffen überhaupt gelingen KANN, das steht auf einem anderen Blatt.
Somit bleibt: Geschmackssache.
Es ist total unrealistisch - aber so ist ALLES, was irgendwie in Spielwerte gepreßt wird - und nicht nur in SW, sondern generell.
Es macht diese Waffen etwas weniger attraktiv als andere, fast denselben oder wirklich denselben Schaden austeilende Waffen, führt somit zum Hartholzharnisch-Problem: Manche Waffen sind einfach für bestimmte Arten des Kämpfen, bestimmte Stile DIE BESTEN und andere stellen eine blöde Wahl dar.
Die allerbeste Nahkampfwaffe ist natürlich das Katana - denn wir wissen ja alle, daß solche Waffen auch im wirklichen Leben einen PANZER SPALTEN können und den Träger unverwundbar machen, außer gegen andere Katana-Schwinger. - Aber abgesehen davon ist Panzerbrechend 2 und ein Schaden von +W6+2 schon heftig, da der W6 öfter explodieren wird und der Schadenszuschlag zusammen mit dem PB2 effektiv einen +4 Bonus = eine "geschenkte" Wunde bedeutet. HEFTIG. Aber eben genau das, was man sich so landläufig von einem Katana erwartet, das hier natürlich einhändig geführt angenommen wird, damit man ZWEI davon gleichzeitig einsetzen kann! - Und wenn man dann noch ein seelisch gebeutelter Dunkelelfen-Ranger-Halbvampir-mit-Sonnenbrille ist, dann hat man den Gipfel der Coolness erreicht. - Oder so.
Bei den Zweihandwaffen gibt es EINE Waffe, die wirklich die BESTE ist: Der Speer. Macht mit STÄ+W6 noch ordentlichen Schaden, hat Nahkampfreichweite 1", kostet fast nichts, wiegt kaum was und gibt auch noch Parade +1!
Danach kommt schon gleich die Hellebarde, von der die SW-Macher wohl nicht so recht wußten, wie solch eine Waffe eigentlich aussieht, denn eine Hellebarde ist jedem Europäer ja als eine ZWEIHAND-AXT plus ein ZWEIHAND-HAKEN plus ein ZWEIHAND-SPEER plus eine ZWEIHAND-STANGE geläufig. Ein wundervoller Hybrid, geeignet für unterschiedlichste Kampfesweisen, auf Reichweite und in der Nahdistanz, gegen Reiter und Fußtruppen, gegen Schwergepanzerte wie gegen Ungerüstete. Und in SW macht die Hellebarde STÄ+W8 Schaden, wie der Zweihandhammer, hat Reichweite wie der Speer, wiegt so viel wie die Zweihandaxt, kostet aber komischerweise nur die Hälfte (auch wenn eine Hellebarde signifikant MEHR Metall und MEHR Herstellungsaufwand erfordert), hat aber nicht den -1 Abzug auf die Parade der Axt. Dafür auch kein Panzerbrechend, was verwundert, wurden Hellebarden doch gerade zu diesem Zwecke mit dem panzerbrechenden Dorn/Hammerkopf ausgestattet.
Wenn man es genau nähme, tut man aber nicht, daher also nur wenn..., dann müßte die Hellebarde so viel Masse aufbringen wie eine Kombination aus Zweihandhammerkopf, Zweihandaxtkopf plus Speer. Sie müßte mindestens soviel Kosten, wie die teuerste dieser Stangenwaffen, da der Hellebardenkopf und die Schaftbeschläge einiges an Metallarbeiten erforden, die aufwendiger sind, als das Fertigen eines Axtkopfes für eine klassische (wikingische) Zweihandaxt. Sie müßte Reichweite 1" haben, da sie genauso lang wie ein Speer ist (ja, manche Speere waren länger, da geht es schon in Pike/Lanze über). Sie müßte mit dem Haken/Hammerkopf/Dorn Panzerbrechend 2 sein. Und sie sollte auf die Parade +1 geben, weil sie verdammt GUT in der Lage ist alles, was so an Nahkampfwaffen entgegengestellt wird zu parieren. Es ist immer ein "Geberende" der Hellebarde im Weg, das ein Angreifer erst einmal gekonnt überwinden muß. Vom Schaden her läge eine Hellebarde da, wo man auch die Zweihandaxt findet, denn sie IST ja eine Zweihandaxt "mit Extras" wie Speerspitze und Hammerkopf/Haken/Dorn.
Hellebarde
STÄ+W10, Reichweite 1", PB2, Parade+1, Zweihändig - Gewicht 7 (3,5 kg, das wiegt meine schwerste eigene Hellebarde, die eigentlich schon schwerer ist als eine weniger übungssichere Nachbildung), Kosten 300 (die Herstellung einer Hellebarde ist immer noch einfacher als die eines Langen Schwertes, es kann etwas weniger "schiefgehen" und die Materialien sind günstiger zu bekommen).
Wenn man sich gerade mal die Gewichtsangaben anschaut, dann haut es einen Waffenkampferfahrenen unter den Realweltbewohnern eh vom Hocker: Ein Langstock, der 8 Pfund = 4 KILOGRAMM wiegt, das ist schon eine "leichte Hantel" zum Gewichttraining, aber nichts, was man SCHNELL mit sauber kontrolliertem Start-Stopp-Punkt bewegen kann! - Die Gewichtsangaben in SW sind ALLE BEKLOPPT und so weit weg von historischen/heutigen Vorbildern, daß einem schon anders wird. (Schußwaffenkenner haben mir ähnliches über die diversen modernen Schußwaffen in SW geklagt - und die historischen Modelle, Bögen, Armbrüste und vor allem die Schleudern (die eigentlich JEDEM historischen Bogen gleichwertig waren) kommen auch schlechter weg, als man erwarten sollte).
Nun kann man hergehen, wie oben bei der Hellebarde, und ALLE SPIELWERTE einfach umbauen und an realweltliche Faktenlage anpassen.
Das ist aufwendig.
Und wozu all der Streß?
Dann sind die Waffen halt BEKLOPPT abgebildet und man sucht sich für seinen eigenen Charakter eine der wenigen sinnvollen Auswahlmöglichkeiten aus, die dem gewünschten Stil die richtigen Boni verpaßt. Schurken, NSCs und bewußte Luschen-Charaktere nehmen dann die offensichtlichen miesen Waffen. - Und gut ist.
Ein Normales Schwert verursacht STÄ+W8 Schaden ein Zweihänder dagegen grade mal STÄ+W10 Schaden. Ich finde das der zwei hände braucht ist Nachteil genug den das verbaut Optionen wie Schild oder zweite Waffe.
Benutzt man Schwert und Schild hat man zwei Parade mehr als wenn man einen Zweihänder benutzt und bekommt im Durchschnitt aber nur einen Punkt mehr Schaden. Benutzt man zwei Waffen kommt im Schnitt auch wesentlich mehr Schaden raus als mit einem Zweihänder.
Tja, dann nimm halt KEINEN Zweihänder!
Eigentlich ist ein Katana ja auch ein Zweihandsäbel, der aber im SW-Regelwerk nicht die "zweihändig" Anforderung hat. Dafür kann man aber JEDES Lange Schwert (was gemeinhin und fälschlich als "Zweihänder" bezeichnet wird) mit einer Hand führen. - Ein echter Zweihänder, wie man ihn aus dem 30-jährigen Krieg kennt (also ein Schwert mit enorm großer Fehlschärfe und Griff für vier Handbreiten) wird eh mehr wie ein Langstock geführt, denn wie ein Schwert. Der Unterschied im Einsatz zu einem Langen Schwert (mit Griff für zwei Hände) ist in der Fechttechnik enorm!
Auch hier wieder: Man KÖNNTE das alles umbauen. - Aber wozu?
Historisch ist ja die Verwendung des zweihändig geführten Langen Schwerts mit der Verbesserung der Harnischtechnik einher gegangen, welcher erlaubte auch ohne den Schild als Schutzwaffe mit seiner ANGRIFFSWAFFE, dem Schwert, gegnerische Angriffe abzulenken, sogenannte "Schirmschläge" auszuführen (ist was anderes als das "Parieren" späterer Fechtstile mit ganz anderen Waffen). - Mit Schwert und Schild hat man auf jeden Fall eine SICHERERE Bewaffnungsart vorliegend. Ein Schild ist schon eine ENORME Hilfe, nichts einstecken zu müssen.
Hat jemand aber eine sehr gut gearbeitete (spät-mittelalterliche) Rüstung, dann kann er sich den Schild sparen, denn die Rüstung sorgt verdammt gut dafür, daß man NICHT GETROFFEN wird. Rüstung macht einen nämlich schwerer zu treffen, weil sie nur sehr wenige, dedizierte Blößen überhaupt noch als mögliche Ziele eines Angriffs bietet (wie die Achselhöhlen, die Ellenbeuge, die Kniebeuge, den Visierschlitz, die rückseitige Öffnung des Panzerhandschuhs, usw. Das macht das Harnischfechten zu einer unschönen Angelegenheit, weil man schier nicht einen Wirkungstreffer erzielen kann, ohne auf sehr kleine, schwer zu erlangende Punkte einen nahezu perfekten Angriff zu setzen. Daher ist im Harnischfechten auch das Ringen so wichtig, denn ob der extrem hohen Beweglichkeit in einer guten Rüstung, kann man so gut wie alles machen, was auch im bloßen Ringen möglich ist - und Gelenke verdrehen, Würfe ausführen usw. bringt auch gegen Gerüstete etwas und schafft so die Vorteile, die man braucht, um dann an die eigentlichen Blößen heranzukommen und dort seinen Scheibendolch reinzuhämmern oder mit dem Halbschwert zuzustechen.
Wer ein zweihändiges Schwert in einen Kampf führt, der sollte GUTE RÜSTUNG tragen (oder über magischen Schutz verfügen oder einfach viel, viel, SEHR VIEL Glück mitbringen).
Und hier hakt es bei der Ausrüstung in SW abermals: Die Rüstungs-Werte sind ALLE SCHEISSE! - Die hatten noch gepaßt, als ein Langes Schwert eine Stärkeprobe +2 an Schaden machte und eine Plattenrüstung +3 Punkte auf die Robustheit gab. Da war Rüstungsschutz und Schadensbonus etwa gleichauf. - Mit der Einführung des neuen Nahkampfschadenssystems mit den zwei Würfeln hat sich der durchschnittliche Nahkampfschaden um ca. 3 Punkte erhöht, die Rüstungswerte sind aber GLEICH GEBLIEBEN! - Und daher passen sie kein Stück mehr zum heutigen Schadensmodell.
Eine der ersten Anpassungen, die ich - und die auch diverse Lizenznehmer - bei den Settingregeln vornehme, ist tatsächlich das Aufwerten der Rüstungen (am Einfachsten: Verdoppeln der Werte - man kann dann noch Zwischenwerte für +1, +3 und +5 einführen, so daß die Spanne von +1 bis +6 im Fantasy-Bereich vorliegt). - Ein Kämpfer mit einer +6 Rüstung KANN sich erlauben seine Parade zu vernachlässigen, ohne Schild anzutreten und mit einer Zweihandwaffe herumzufuchteln. - Problem gelöst, zumindest mit diesem Workaround. (Und die Rüstungs"gewichte" in SW sind natürlich auch ALLE BEKLOPPT, aber das wäre den nächsten tapetenlangen Text wert.)
Eine der größten Schwachstellen von SW ist die Ausrüstung. - Ich bin der Ansicht, daß hier SEHR SCHLAMPIG irgendein enormer Unfug hingeschmiert wurde (schon in der 1st Edition der SW-Regeln), der sich dann durch die bislang 6 Ausgaben hindurch gehalten hat und teils noch verschlimmbessert wurde (durch die Einführung des neuen Nahkampfschadensmodells, welches in Deadlands: Reloaded noch seine settingspezifische Berechtigung hatte, aber NICHT GENERELL auf alle Settings paßt, sondern sogar eher selten das erzielt, was beabsichtigt ist).
Waffenwerte sind auch alle verdammt ähnlich. Die Spanne, egal ob mit 1st Ed. Zuschlägen von +1 bis +4 oder mit Waffenwürfeln +W4 bis +W10, ist sehr eng und erlaubt kaum feine Abstufungen oder das - mit Auge Zudrücken akzeptable - Abbilden von realweltlich eng beeinander liegenden Waffenmodellen. Ob dies Schußwaffen sind, wo sich die Faustfeuerwaffen meist um 2W6 Schaden bei 12/24/48 Reichweite sammeln, mit wenig Unterschieden bei der Munitionskapazität, oder ob dies Nahkampfwaffen sind - die SW-Spielwerte geben einfach KEINE FEINEREN Unterschiede her.
Daher finde ich Settings, in denen nicht von realweltlichen Modellen mit Modellbezeichnung ausgegangen wird, sondern wo es heißt: Gun, Big Gun, Very Big Gun mit Schaden von 2W6, 2W8 und 2W10 respektive, deutlich geschickter.
Mir reichen eigentlich unter dem neuen Nahkampfschadensmodell folgende Nahkampfwaffen-Kategorien:
- Sehr leicht (Schlagring, Faustkeil, etc.) STÄ+1
- Leicht (Knüppel, Dolche) STÄ+W4
- Mittel (Leichte Säbel, Speere, Langstöcke) STÄ+W6
- Schwer (Lange Schwerter, Lanzen, usw.) STÄ+W8
- Sehr schwer (Hellebarden, echte (30-jähriger Krieg-)Zweihänder) STÄ+W10
Soll das Teil noch Reichweite, Paradebonus, Panzerbrechend oder andere Sonderfähigkeiten bekommen, kostet das extra.
Eine PERFEKT Umsetzung - für die alten SW 1st Edition Regeln - findet sich übrigens im
Low Life Settingband, wo es ein "Waffenkonstruktionssystem" gibt, das genau das obige erlaubt. Man baut sich seine Waffen anhand der gewünschten Eigenschaften zusammen. Und sie werden halt teurer, seltener, schwerer, je mehr Zeug man in sein "Oversized Schweizer Taschenmesser" reinpackt.
So etwas hätte eher ins SW-Grundregelwerk gehört, als die BEKLOPPTEN Angaben zu realweltlich konkreten Waffenmodellen! - Wie man sieht, hat SW gerade bei Ausrüstung noch ordentlich Raum für Verbesserungen.