AW: Moralische Bewertung im Rollenspiel
@ Georgios: Ich will dich wirklich nicht angreifen aber ich muss sagen ich habe das genauso verstanden wie Gaby. Wer in seiner Runde zulässt das ein Familienvater erschossen wird ist ein dufter Typ, wer erlaubt das die Chars auf 17 Jährige schießen ist ein degenerierter Psychopath mit einer schwer verzerrten Selbstwahrnehmung. Ich sage ausdrücklich nicht das du dies jemals behauptet hast, sondern ich sage das ich es so verstanden habe. Da du aber sagst es geht dir um den Umgang mit diesen Inhalten, nicht um das Vorhandensein würde ich mich sehr freuen wenn du mir das noch mal erklären könntest. Tut mir leid wegen der extra arbeit aber ich habe es wie gesagt nicht verstanden.
Es wäre hilfreich zu wissen, wie dieser Eindruck entstanden ist, aber egal. Ich drösel gerne noch mal auf, was ich genau meine. Die Gegenargumentation von AG gibt da einen schönen Einstieg, weil sie - wie auch die Leute, die nach Killerspiel-verboten schreien - total an der Realität des Mediums vorbei geht.
Die Verharmlosung der Inhalte findet nicht statt, weil Leute im Spiel erschossen oder getötet werden. Es ist schließlich nur ein Spiel. Wenn ich bei Super Mario Bros. am Ende des Levels Bowser in die Lava fallen lasse, würde auch niemand mit einem Funken Verstand in der Birne von Verharmlosung von Tierquälerei reden. Wir alle wissen, dass es nur ein Spiel ist. Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass es nur ein Spiel ist. Es ist eine grafische Darstellung eines abstrakten Vorgangs: unter Zeitdruck geprüfte Hand-Augen Koordination, die eine Siegbedingung und eine Versagen-bedingung kennt.
Meine Meinung von Rollenspielern ist nicht so gering - im Gegensatz zu AG - dass ich annehme, dass Leute diese Unterscheidung nicht immer im Kopf haben. Es ist nur ein Spiel. Die Inhalte des Spiels sind nur oberflächlich mit den Handlungen der Spieler verbunden. Sie sind eine Verpackung, die die Interaktion aufbessern soll und das ganze unterhaltsam macht.
Die Verharmlosung beginnt meiner Meinung nach dann, wenn man komplexe, schwierige und fordernde Themen in diesem Spielkontext abzubilden versucht. Es ist verharmlosend, wenn die Frage "Wie steht man zu Folter?" oder "Wie geht man mit Serienmord und ähnlichem um?" in einem Kontext gestellt wird, der von XP-Belohnungen, Aushandeln von Würfelboni, Austüfteln von Regelsynergien und ähnlichem dominiert wird. Das ist der Moment in der die Möglichkeit zur Verharmlosung exponentiell ansteigt. Sie ist keine zwingende Folge. Denn das eine folgt nicht unweigerlich aus dem anderen. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die differenziert und überlegt mit solchen Themen umgehen können, keine Anstalten machen diese Inhalte derart in das Spiel einfließen zu lassen, wie es hier gesagt wurde. Reine Erfahrungswerte, klar. Aber ich denke nicht, dass irgendjemand in diesem Thread seine Meinung auf etwas anderem aufbaut.
Es ist ein Spiel. Da kann man machen was man will. Aber unterm Strich ist man halt doch immer selbst dafür verantwortlich was in einem Setting passiert, was Charaktere tun und was NSCs tun. Wenn man sich daran erfreut eben solche Abgründe und Grausamkeiten in seiner fantasierten Spielwelt einzubringen, dann sollte man zumindest den Mut haben, dazu zu stehen. Ich bin sehr misstrauisch was Ausflüchte auf "Realismus" und "setting-bedingten Horror" angeht.
Vorhin wurde Saw erwähnt. Ich fand den ersten Teil recht langweilig und hab deshalb nicht mehr weiter geschaut, aber ich sehe daran, dass es zweifelsfrei Leute gibt, die sich eben gerne sowas vorstellen und sich zur eigenen Bespaßung anschauen. Diesen Umstand finde ich nicht peinlich. (Langweilg und etwas unreif, aber nicht peinlich.) Das wird das ganze erst, wenn man anfängt Saw oder eben diese "düsteren und harten" Spielrunden als echter, wahrhaftiger und "nicht weichgespült" zu bezeichnen. Denn dann wird das ganze prätentiös und peinlich. Eine Rollenspielrunde kann sehr vieles sein. Aber sie ist so gut wie nie echt, wahrhaftig oder "nicht weichgespült". Das liegt einfach in der Natur der Sache.