Mein Lieblingsclan
Lieblingsclan also? Ich sehe schon den "Lieblingsbündnis-Thread" kommen
.
Im Grunde bin ich voll und ganz vom Rosenthal-Effekt überzeugt, aber im Endeffekt kann ein Vampir jedes Clans jedes Konzept verkörpern, wenn er es schafft, sich von den Stereotypen seiner Gesellschaft und seinen eigenen "angeborenen" Dispositionen loszureißen.
Klar, archetypisch ist natürlich der Mekhet ein unauffälliger Beobachter, ein Gelehrter, ein Orakel oder halt ein blitzschneller Assassine, weil ihm für diese Tätigkeiten das nötige Rüstwerk mit dem Kuss gegeben wird. Der Gangrel ist hingegen ein etwas einfach gestrickter Animist, ein intuitiver Mystiker oder der prädestinierte Bluthund des Prinzen. Im Gegensatz zum Mekhet ist er seltener intellektuell, weil seine Schwäche eben in seinem geringeren geistigen Potential liegt. Und die (zumeist regeltechnischen) Grundeigenschaften des Clans, in den man wiedergeboren wurde, setzen dabei klare Akzente. Aber es gibt mehr als genug Exoten unter den verschiedenen Clans.
Ein Ventrue kann ein duckmäuserischer Typ sein oder ein Daeva ein Stubenhocker mit Menschenangst. Es gibt auch Gangrel-Hierophanten, und die Clansbeschreibung im Regelwerk legt sogar für Nosferatu nahe, dass sich manche von ihnen gepflegter Garderobe und Konversation hingeben und in vielen Fällen sozial erfolgreicher sind, als manche Kollegen anderer Clans, weil sie ihre Nachteile durch ihren Ehrgeiz und Erfahrung wiedergutmachen. Ein Erzeuger kann sich ebenfalls in seinem Nachkommen irren oder gar keine Zeit für die Auswahl haben, also greift da das Argument des klassischen Rekrutierungsprofils auch nicht unbedingt, wenn sich der Gigolo-Daeva in spe nach dem Kuss als psychisches Wrack entpuppt, weil all seine Leidenschaft verloren gegangen ist oder er ein Leben im Dunklen nicht ertragen kann. Es gibt ja auch im wahren Leben Männer, die als Frauen geboren wurden und umgekehrt (das nennt sich dann "gender") oder Kinder aus armen Familien, die es bis zum Gipfel der Gesellschaft schaffen, obwohl ihr Weg steinig gewesen ist.
So, genug blabla drumherum. Wenn ich einen Char erstelle, bietet der Archetyp zusammen mit den clansspezifischen Eigenschaften (z.B. Disziplinen und die Schwäche) einen ertsen Orientierungspunkt für mich, welcher Clan das am Besten verkörpert, was ich spielen mag. Nennt mich Powergamer, aber wenn ich einen Verführer spielen will, dann fällt meine Wahl am Ehesten auf einen Daeva und am Wenigsten auf einen Nosferatu. Vielleicht haben die Clans, die in dieser Beziehung weniger extrem sind und auf ihr weltliches Potential zurück greifen müssen, noch einen speziellen Reiz... Es ergibt sich für mich also folgende Situation, was die Grundtypen der Clans (also ohne Blutlinien) angeht:
Daeva
Zunächst eigentlich sehr reizvoll. Ich spiele am Liebsten die intellektuellen Charaktere, gerne aber auch soziale Konzepte. Aber nach allem, was ich über die Fähigkeiten der Daeva weiß, eignen sie sich für soziale Konzepte genauso gut bzw. schlecht, wie alle anderen Clans. Ein Bonuspunkt auf Geschick oder Manipulation ist durchaus nett, um sich einen Vorteil zu sichern. Aber die Disziplinen gefallen mir so gar nicht. Zuerst einmal zwei körperliche Disziplinen, "auf Ghulniveau", sozusagen: Celerity und Vigor. Denke, das ist ein Anstoß für weitere Diskussionen (gewesen?), aber allgemein scheinen mir diese Disziplinen eher stiefmütterlich behandelt zu werden und haben auch kein so hohes (dramatisches) Potential, wie die anderen Disziplinen. Jedenfalls sind sie nicht gerade flexibel und für soziales Taktieren im Umgang mit normalen Menschen eher unbrauchbar, zumindest fällt mir nicht sehr viel ein, was man sozial, außer Imponiergehabe (mit der Gefahr des Maskeradebruches), damit anstellen könnte. Aber auch Majesty erweist sich als enttäuschend. Mit den Gefühlen der Menschen herumspielen können Daeva eigentlich nicht so gut, wie es zunächst erscheint. Majesty erlaubt es, in anderen Menschen positive Affekte gegen die eigene Person zu erwecken, vielleicht mit der Ausnahme von Majesty 2, welches sich auch für die Verstärkung von Konflikten und Einschüchterungsversuche auf längere Sicht eignet. Das Exaggerieren von Emotionen im Stil von Irrsinn 1 (aus der oWoD) oder das allgemeine Manipulieren von Emotionen, wie es "psychic Empathy" (Second Sight, 60f.) ermöglicht, gibt es für die Daeva erst im Zuge verschiedener Blutlinien, wie den Callisti...
Gangrel
Sind trotz- oder gerade wegen ihrer Eigenschaften sehr interessant zu spielen, sogar für intellektuelle Konzepte. Insbesondere der feste Glaube vieler anderer Vampire, die Gangrel seien stumpfsinnige und leicht zu manipulierende Haudraufs lässt trotz der daraus resultierenden Diskriminierung ein Überraschungsmoment offen. Das ursprünglich wilde und naturverbundene Prinzip wurde über die Blutlinien häufig in das Mystische übersetzt, was wiederum sehr gefällt. Gangrel eignen sich recht gut für den Kampf, insbesondere durch Protean 3 und Resilience, können aber auch als Spione dienen (Protean 4 und 5) oder selbst auf Informanten zurückgreifen (Animalism - oder triffst du dich etwa immer in einem hermetisch abgeriegelten, sterilen Raum mit deinen Gefährten und knallst jede annähernd verdächtig aussehende Katze oder Maus gleich ab?
). Ihre Schwäche behindert sie bei anspruchsvollen intellektuellen Aktionen, macht aber Denkakte nicht grundsätzlich unmöglich. Zur Not kann man ja auch Intelligenz vortäuschen. Nicht nur Gangrel greifen auf gekonntes Faken zurück.
Mekhet
Vielleicht überraschend für jemanden, der kopflastige Konzepte bevorzugt, aber Mekhet sind für mich eher weniger interessant, eben weil sie sich für schlichtweg alles eignen. Mekhet zu spielen ist m.E. ein wenig so wie auf Lehramt zu studieren (und das sage ich als angehender Lehrer
). Egal, was man machen will: Mekhet bieten für jedes Konzept eine brauchbare Alternative. Reizvoll ist an ihnen besonders, dass Mekhet über zwei sehr mächtige Disziplinen verfügen, die zur Aktivierung kein Blut benötigen und überhaupt größtenteils "kostenfrei" sind. Nebenbei eröffnet das den menschlicheren Konzepten eine Disziplinanwendung ohne größere Reue und seltenere Notwendigkeit eines Drinks.
- Mit Auspex können sich Mekhet soziale Vorteile schaffen, weil sie die Gefühle ihres Gegenübers nach Belieben scannen können (bei der nötigen Diskretion, versteht sich). Wenn sie etwas besser sind, können sie Visionen haben, Gedanken lesen und somit Informationen einholen oder ihre Gedanken projizieren, Telepatie nutzen und sich schließlich als eine Art Geist frei durch den Raum bewegen und Feinde ausspionieren, wenngleich Letzteres durchaus mit Risiken verbunden ist. Im Kampf bringt Auspex unter Umständen einen Initiativebonus, nicht zu vergessen, dass man mit Auspex 1 in völliger Dunkelheit sehen kann und normalen Menschen, sowie einigen Vampiren gegenüber schonmal einen enormen Kampfvorteil haben kann (ich glaube immer noch, dass das ein Tippfehler war).
- Obfuscate macht unsichtbar - entweder den Charakter selbst oder die Gruppe, wenn er es gemeistert hat. Und das ist schon eine wirklich mächtige Fähigkeit. Zudem ist sie, wie gesagt, gratis. Auch sozial und für Informationsbeschaffungen lässt sich Obfuscate über den "Familiar Stranger" nutzen. Dass man sich vor einem Kampf in eine vorteilhafte Kampfposition bringen und u.U. aus Kämpfen fliehen kann, ist auch keine schlechte Sache. Genaue Regelungen, unter welchen Umständen Obfuscate benutzt werden kann, um zu fliehen oder sich mehrfach hintereinander unsichtbar zu machen, gibt es meines Wissens nach nicht (?), also muss die SL den Gebrauch durch Hausregeln einschränken (ich habe das bei meiner Gruppe gemacht, weil einer wirklich exzessiven Gebrauch davon gemacht hat, was bei Menschen und Vampiren mit wenig Auspex schon sehr nervtötend war).
- Mit Celerity, wenn auch nicht kostenlos, kann man dann immerhin noch Kugeln ausweichen und Fernkämpfer durch plötzliches Auftauchen erschrecken. Ganz harte Hunde können auch gerne hinter fliehenden Vehikeln hinterher laufen (Nebenfrage: Was passiert eigentlich, wenn man mit Celerity eine Runde lang mit guten 50-100 Sachen durch die Gegend wetzt und die Wirkung dann nachlässt? Kommt man dann automatisch zum Stehen oder wird man dann durch den Wiedereintritt in die Welt des Trägheitsgesetzes zu einer Art lebenden Geschoss?).
Kurz: Mekhet sind Allround-Charaktere und bieten jedem Spieler eine Möglichkeit, sein bevorzugtes Konzept auszuprobieren. Wesentlich sind sie also was für profilübergreifende Konzepte.
Allgemein finde ich persönlich die Mekhet für ein wenig overpowered. Na, wenigstens brennen sie wie Zunder
.
Nosferatu
Nicht gerade mein Lieblingsclan. Hat sich durch das Remake deutlich verbessert (siehe Thread in diesem Forum), aber so richtig grün werde ich mit diesen Vampiren wohl nie werden. Teilweise sind sie für mich als NSC-Informanten und Antagonisten sehr reizvoll. Kann mich an einen (klassisch hässlichen) Nosferatu erinnern, der sich Informationen beschafft hat, indem er sich über Obfuscate 4 als die aktuelle Gespielin eines Daeva-Spielers ausgegeben hat und ihm, als er einige Stories später dahinter kam, noch mitteilte, er sei ein ausgezeichneter Küsser. Der Spieler war gar nicht glücklich
. Ansonsten kann man mit Nosferatu wegen ihrer häufigen Randstellung sehr schön zynisch sein und aus vielen Situationen das Fiese und Hinterhältige herausziehen, wenn es um Gefallen geht, die man einem der "besseren" Vampire tun soll. Die Kunst, finde ich, ist beim Spielen eines Nosferatu eigentlich gerade der Verzicht auf Nightmare, eine Fähigkeit, die sich grob betrachtet als ähnlich einseitig erweist, wie Majesty. Eigentlich habe ich meine Nosferatu immer gerne mit Animalism oder ein wenig Auspex ausgestattet.
Für Spielercharaktere finde ich den Nosferatu extrem anspruchsvoll. Eine Herausforderung, der ich mich bisher noch nicht gestellt habe. Vielleicht mal bei Gelegenheit.
Ventrue
Ventrue sind konzeptionell und von den im Profil umrissenen Gesellschaftsstrukturen her sehr nett für gesellschaftliche Charaktere. Aber da man als Spieler mit einem vergleichsweise schwachen und wenig einflussreichen Ventrue startet, ist man zwangsweise einer ziemlichen Macht-Durststrecke ausgeliefert, und das wiederum ist sehr nervig. Außerdem haben Ventrue-SCs meiner Erfahrung nach die Neigung dazu, sich die gesamte Gruppe zum Feind zu machen. Ironischerweise ist es dann auch ihre Clansschwäche, die ihre sozialen Kompetenzen und ihre Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit stark dämmt. Dominate kann eine sehr nützliche Disziplin sein, und Resilience verhindert, dass jeder dahergelaufene Bandit einen zu Klump haut. Weshalb die Ventrue jetzt auch das Reich der Tiere beherrschen (wenn Menschen für sie nur Vieh ist, was ist dann erst echtes Vieh für sie?), ist mir schleierhaft. Wahrscheinlich wollten die bei WW einfach nur nicht, dass die Gangrel über zwei einzigartige Disziplinen verfügen und haben die Disziplin dem nächstbesten Clan untergeschoben.
Irgendwie muss ich wohl noch dahinter steigen, was man mit so einem Ventrue als Spieler überhaupt anstellen kann.