AW: Back to the roots?
Wenn das Rollenspiel au dem Wargaming entstanden ist und vermehrt Rollenspiele Tabletopelemente nutzen (Battlemat, Miniaturen), kehren wir dann zu den Anfängen zurück?
Battelmöpse gab es die ganze Zeit hindurch, wird es wohl noch ne ganze Zeit geben. Spiele, die wo keine Battlemat benutzen gibt es auch schon ne ganze Weile und wird es auch noch ne ganze Zeit geben.
So ist es.
Die Darstellung von Kampfszenen kann dabei vom reinen "Imaginieren" ohne jegliche visuelle Hilfsmittel, über sehr informelle Darstellungen von Positionierungen wie "der grüne M&M ist der Reporter, der rote M&M ist der Kultist mit der Axt und der Radiergummi ist das Ding, was da aus dem Plantschbecken voller Blut gekrochen ist", bis zu mehr oder weniger tabletop-artigen Visualisierungen gehen.
Das sehr informelle Darstellen ist meist aus der Not geboren, daß eben NIEMALS WIRKLICH eine echte gemeinsame Vorstellung von Raum, Positionierung, Entfernungen, Reichweiten etc. allein im "Gedankenraum" möglich ist. Nur Erzählspiele, die dem jeweiligen Erzählrechteinhaber das Recht geben Positionsänderungen, Raumelemente, Szenerien etc. zu ändern, zu verschieben, hinzuzuerfinden etc. haben das Problem nicht.
Aber z.B. Cthulhu kennt sehr wohl das Problem des "teleportierenden SC". Da hat sich die Gruppe schön brav (doof) getrennt, einer untersucht das Obergeschoß eines unheimlichen Hauses alleine, ein anderer untersucht das Erdgeschoß und der dritte SC ging in den Keller. Nun passiert dem im Keller etwas, bzw. er begegnet irgendwelchen unbeschreibaren Dingen dort, und *schwupps* ist der SC aus dem Obergeschoß direkt neben ihm und will sofort eingreifen und mitmischen. - Das kenne ich aus ALLEN "erzählerisch-stimmungsorientierten" Rollenspielen, die nicht konsequent von vorneherein eine Battlemat oder ähnliche Darstellungsmethoden empfehlen/vorschreiben. - Und das NERVT ERHEBLICH. Vor allem, wenn mal mehr als eine Handvoll Spieler am Tisch sind, alle JETZT und SOFORT was machen wollen, und nirgendwo Positionierungen, Entfernungen etc. ersichtlich sind. - Da können die Handouts noch so schön wie Originaldokumente aus den 20ern aussehen, bei diesem Chaos hilft nur eines: Battlemap her, Stockwerke skizzieren, die guten alten CoC-Investigator-Zinnfiguren (noch immer nicht angemalt) herausholen, und dann ist klar, daß der Knilch aus dem Obergeschoß erst 10 Kampfrunden später im Keller sein wird - gerade noch rechtzeitig um seinen Sanity-Check zu versieben, wenn er den grausam zerfleischten Leichnam seines Investigator-Kollegen sieht.
Ich habe - aus obigem Frust mit "dauer-teleportierenden" SPIELERN - Cthulhu und ab und an auch Engel mit Battlemap gespielt, weil auf die GEMEINSAME, GLEICHARTIGE Vorstellung KEIN Verlaß ist und es mich weit mehr in der Geschichte stört DIESELBE Räumlichkeit, DIESELBEN Positionen der SCs, STÄNDIG abfragen und erst lang und breit ausdiskutieren zu müssen, bevor auch nur eine popelige Kampfrunde weitergeht oder eine popelige Arkana-Karte gezogen wurde.
So gesehen waren für mich diese Visualisierungshilfsmittel nicht nur NIE WEG, sondern sie waren IMMER UNENTBEHRLICH für flüssiges Spielen.
Wenn man sich die Fülle an Rollenspielen der letzten 35 Jahre anschaut, dann hat ein gewisser Teil sicherlich in seinem Kampfsystem die Grundannahme, daß taktische Positionierung zum Spiel dazugehört und somit klar und ohne Streitereien und Diskussionen visualisiert gehört. So verkauft man u.a. viele Miniaturen nicht nur an Tabletopspieler, sondern - bei manchen Modellen GERADE - an Rollenspieler.
Figuren kann man anfassen. Und man kann sich mit einer EIGENEN Figur weit mehr identifizieren, als mit einem doofen Papierformular voller Zahlenwerte, welches nach einer Weile vor Cola-Flecken, Chipsfingerabdrücken und Radiergeschmier eh nicht so ansehnlich ist, wie die eigene, selbstbemalte Miniatur des eigenen Charakters.
Die Miniaturenverwendung im Rollenspiel war jedenfalls nie weg vom Fenster. - Alternativen wie Pappcounter (Midgard, Star Frontiers), 2D-Aufsteller (GURPS) , 3D-Faltfiguren (Deadlands) und neuerdings eben die vielen Kunststoff-Miniaturen gab es schon immer und wurden auch immer schon eingesetzt.
MANCHE, nicht einmal viele, Regelsysteme haben KEINE TAKTIKELEMENTE. Das sind die EINZIGEN, die wirklich ohne Visualisierungen auskommen können. - Andere "tun nur so", erzeugen aber eben solche kranken Phänomene wie den obigen "teleportierenden Cthulhu-Investigator".
Ein Rollenspielautor sollte es sich - so meine ich - VORHER GUT ÜBERLEGEN, ob und WARUM er ein Kampfsystem in seinem Regelwerk OHNE Figuren und Karten einführen möchte. - Gute Gründe gibt es zwar, aber oft geht das Regelwerk (die FAKTEN des Crunch mit klaren taktischen Optionen, detaillierten Bewegungsraten, Deckungsmodifikatoren etc.) und das "Gelaber" des Autoren zu "erzählerischen" Regeln, "cinematischen" Regeln, "stimmungsvollen" Regeln KOMPLETT AUSEINANDER.
Ein Regelwerk, welches taktische Elemente enthält, impliziert, daß man sie auch BENUTZT. Wenn man diese Elemente, wie z.B. Halbe Drehung, Leichte Deckung, Flankenangriff, usw. im Regel-Crunch findet, und es FEHLT die Möglichkeit sie umzusetzen, weil hier auf die "gemeinsame Vorstellungskraft aller Guten Rollenspieler (tm)" verwiesen wird, dann hat der Autor seine Arbeit schlecht gemacht.
Es gibt Regelwerke, bei denen solche taktischen Elemente, genaue Positionierungen, etc. WIRKLICH VOLLKOMMEN EGAL sind, weil sie tatsächlich nur Erzählrechteverwaltungsregeln darstellen, oder anderweitig dem Spieler das Entscheidungsrecht über solche - in diesem Falle - Ausschmückungen einer Szene geben (z.B. HeroWars/HeroQuest, Engel). - Durch das Entscheidungsrecht über solche Elemente bekommt der Spieler jedoch auch die VERANTWORTUNG für die KONSISTENZ des Beschriebenen SELBST Sorge zu tragen. Das nimmt ihm hier weder Spielleiter noch das Visualisierungshilfsmittel ab. - So etwas KANN klappen, und es kann mächtig schiefgehen. Das ist dann sehr von der Persönlichkeit der jeweils miteinander Spielenden abhängig (von der "Chemie" der Spielgruppe).
Beides, Regelwerke MIT taktischen Elementen und vorausgesetzter Darstellung mittels Karten und Figuren, UND Regelwerke OHNE taktische Elemente mit allein erzählerischer Ausschmückung der Szenen, hat es jedenfalls schon lange gegeben. Und beides ist auf seine Art immer noch aktuell und war auch niemals weniger aktuell.