Das ist es ja, Ihr rettet sie nicht, Ihr bekommt nur erzählt das Ihr sie gerettet habt
Sorry, aber du rettest die Welt auch nie wirklich. Das Spiel ist nicht echt. The cake is a lie!
Aber ich verstehe, worauf du hinauswillst. Ist im Nachbarthread schon ziemlich ausführlich (und natürlich von einer bestimmten Seite großteilig ignoriert) ausgebreitet worden:
Wenn der SL eigenmächtig dreht und die Spieler übergeht könntest du
vielleicht Recht haben.
Bei obsessiver Regelkonformität und zementartig gefallenen Würfeln, sind es halt dann die Regeln, die dir erzählen, dass du die Welt gerettet hast. Whoopdidoo.
Das wird obsolet, wenn die Gruppe gemeinsam das Spiel gestaltet und darüber entscheidet, wie die Regeln ausgelegt und wann sie ausgesetzt werden. Da entscheidet die Gruppe, ob sie entscheiden, dass sie die Welt retten, ob die Würfel das tun, der SL, oder der Pizzabote, der gerade ungünstig klingelt, sodass sich irgendjemand erschreckt und vor Schreck den Rollenspieltisch und den teuren Spielleiterschirm zerstört.
Nur lässt sich halt mal, sorry Jace, von keiner dieser Entscheidungen irgendeine überlegene Reife oder fortgeschrittener Entwicklungsprozess ablesen. Bereits der Versuch ist ein wenig fragwürdig, da er lediglich der eigenen Erhebung dient und nur darauf hinaus läuft, dass man halt doch keine anderen Meinungen neben der Eigenen gelten lassen kann. Und das diese Unfähigkeit sogar soweit geht, dass man anderen erzählen muss, wie sie ihr Spiel zu spielen haben.
Weil es nicht nur eine Spielsituation direkt beeinflusst, sondern auch direkt Auswirkungen auf das Metagame zeitigt, weil es eine Spielkultur der Beliebigkeit befördert, in der grundlegend die gemeinsame Regelbasis erodiert wird, was letztlich dazu führt, dass Vertrauen in System und Mitspieler zum Fenster rausfliegt. Denn wenn letztlich andere Faktoren als die Wahrscheinlichkeit den Zufall bestimmen wollen, landen wir ganz schnell bei maskierter Willkür, die auf lange Sicht niemanden weiterbringt, und die mit Sicherheit eines Tages euren Spielspaß zerstören wird.
Wie soll ich denn das Vertrauen in meine Mitspieler verlieren, wenn ich mit ihnen gemeinsam entscheide? Es handelt sich eben nicht, wie du - und andere - ständig meinen, um einen eingebildeten Gruppenkonsens oder die eingebildete Fähigkeit des Spielleiters, die Motivationen der Spieler zu erraten. Es handelt sich um einen tatsächlichen Konsens. Eine gemeinsame Entscheidung. Die unter anderem daraus erwächst, dass die Gruppe gemeinsam das Spiel gestaltet und eben kein SL als Obermeier hinterm Schirm die Entscheidungen alleine trifft.
Und die maskierte Willkür ist ein guter Punkt. Die ist in meinen Augen in jedem Fall da und lässt sich durch keine Regel der Welt abschaffen.
Es sei denn man spielt tatsächlich nur noch mit Zufallstabellen und einem "Spielleiter", der halt nur noch dafür da ist, die Würfe für die NSCs zu übernehmen. Dann gibt es vielleicht noch ein wenig Willkür auf Seiten der Spielerentscheidungen, aber auch die können sich ja dann sehr genau an den Wahrscheinlichkeiten der Tabellen ausrichten.
Das ist
eine Art zu spielen. Und wenn das Spaß macht, kann man das gerne tun. Aber sie ist weder überlegen, noch "besser".
Der Wunsch danach, dass die Regeln jegliche Aufgabe der Kommunikation übernehmen, Konflikte schon im Vorfeld vermeiden und Willkür oder andere unangenehme Verhaltensweisen unterbinden, ist mir nicht unbekannt. In der hier im Forum dargestellten Radikalität halte ich ihn allerdings immer noch für ein aus schlechten Erfahrungen und Traumata erwachsenes, subjektiv festgelegtes Ideal, dass dann willkürlich auf andere übertragen wird. Natürlich wird dann auch Jeder, der sich dem Ideal nicht anschließt, als potentieller Teil des verhassten Unrechtserlebnisses betrachtet.
Letztlich kannst du nicht wissen, was meinen Spielspaß zerstören wird, oder den meiner Gruppe, weil du nur aus eigener Erfahrung argumentieren kannst. Aus einer subjektiven Perspektive, die eben bei deinem eigenen Wirkungs- und Erfahrungsfeld aufhört. Es ist ein üblicher Fehler, anzunehmen, man könne diese Erfahrungen nahtlos übertragen, vor allem wenn man glaubt, einen größeren Durchblick zu haben, als andere. Die anderen sind halt alles nur sheeple, die einen gewissen Denkprozess noch nicht hinter sich gebracht haben und deswegen noch nicht erleuchtet oder erwacht sind. Hatten wir das nicht letztens schonmal in einem anderen Thread?
Guck dir einfach mal an, wie viele Leute unter Streß stehen, weil sie es nicht schaffen, widersprüchliche soziale Verhaltensweise auszubalancieren. Ein sehr schönes Beispiel sind da die "freiwilligen" Überstunden, die man nur schiebt, damit man von den Kollegen nicht als Drückeberger angesehen wird. Und genau das geschieht auch beim Spiel mit Gruppenkonsens, einerseits will man kein Spielverderber sein, andererseits findet man das Würfeldrehen doof. Dieser Streß fällt bei expliziten Regeln weg. Zumindest meine Erfahrung bestätigt das auch, Gruppen, in denen die Würfel zählen wie sie fallen und die Regeln gelten wie vereinbart, spielen deutlich entspannter als Gruppen, bei denen das im Fluß ist.
Wer so ein Problem in einer Rollenspielgruppe nicht kommunizieren kann und sich stillschweigend und leidend bedeckt gibt, um "kein Spielverderber" zu sein, hat in meinen Augen noch ganz andere Probleme. Aber du hast es schön zusammengefasst: für einige gleichen möglichst neutrale und perfekte Regeln wohl soziale und kommunikative Defizite aus. Das ist schön. Diejenigen, die diese allerdings nicht haben, haben ohne diese Regeln halt leider auch einfach keinen Stress.