AW: SW Deluxe Edition - Eure Meinungen
Während ich bisher strikt nach EX/GE spielen konnte, müsste ich dazu allerdings differenzieren und dann über den jeweils geltenden Regelstand kommunizieren: Wie lästig!
Das ist eigentlich das Hauptproblem, das ich mit den Neuerungen in der SWDE habe.
Es ist ja gut, daß es ein paar gängige "Stellschrauben" jetzt auch offiziell im Regelwerk gibt, wie die diversen Abwandlungen der Incapacitation-Regeln von gritty bis heroisch-harmlos. Was aber schon einen Einsteiger vor ENTSCHEIDUNGEN stellt. Entscheidungen, die eine gewisse Urteilskraft erfordern, die man aber erst dann hat, wenn man das System in seiner "Default-Variante", seinen "Grundeinstellungen ab Werk" schon mal kennengelernt hat.
Dann erst kann man z.B. beurteilen, wie sich manche Dinge auswirken wie die kleine Ergänzung, daß Blast nun Heavy Weapon ist, oder daß man trotz Suppressive Fire den Vormarsch von gegnerischen Truppen eben NICHT (mehr) bremsen kann, weil an der Shaken-Bewegungsregelung gedreht wurde.
Und für die eigene Runde sind nun solche Entscheidungen schon nötig, außer man spielt nur NEUE Fertig-Settings, die auf der SWDE aufsetzen und diese Entscheidungen in den Settingregeln vorweg genommen haben. - Will man ältere Savage Settings spielen (egal ob von Lizenznehmern oder von Pinnacle selbst), dann MUSS man die doch recht umfangreichen Änderungen KENNEN, um zu wissen, was anders ist, wie es früher geregelt war, und was die FOLGEN der neuen Regeln sind. - Gerade die Folgen der neuen Regeln sind etwas, das sich auch auf die Spielbarkeit von Fertigszenarien bzw. Plot-Point-Kampagnen auswirken wird.
Beispiele hatte ich schon erwähnt: Mit Blast als echter Heavy Weapon Artillery ballert man gegnerische Befestigungen von jenseits der Bogendistanz einfach so weg. Das war beim nur direkt einsetzbaren Burst noch anders und hochgradig riskant. - Ein Szenario, wie viele in Hellfrost, das die Gegner in Deckung, in eine Befestigung usw. antreten läßt, wird durch die Möglichkeit auf große Distanz z.B. eine Torbefestigung aufzusprengen nun ganz anders laufen müssen. Entweder man "bessert nach", indem man irgendwie das Tor gegen Blast "härtet", oder man bessert nach, indem man sich Alternativen einfallen läßt, wie man trotz aufgesprengtem Tor noch das Szenario so in etwa wie ursprünglich gedacht weiterlaufen lassen kann. - Beides läuft auf mehr Arbeit hinaus.
Wie schon bei der deutschen SW-GE ein Problem, so auch bei der SWDE: die Aufnahmen viele neuer (insbesondere Combat) Edges zu den GRUND-Edges, die, wenn kein expliziter Ausschluß in einem Setting vorliegt, immer mit diesem Setting funktionieren sollten. - Solche neuen Edges, die auf diese Art unerkannt alten Settings untergeschoben werden und dort zu Problemen führen, gibt es ja auch in der SW-GE (Eisenkiefer - gehört in den SEHR heroischen, für die SCs SEHR ungefährlichen Settingbereich, ist aber nicht explizit bei Sundered Skies und Necropolis ausgeschlossen worden - auch wenn diese Settings beide NICHT diese PotSM-Harmlosigkeit aufweisen und dieses Talent dort einfach unstimmig ist).
Hilfreich für Einsteiger wäre hingegen eine Art "Empfehlung" bei den Edges (auch den alten), aus der hervorgeht, welche Edges für eher sehr heroisch überkandidelte Settings, welche für eher gemäßigt cinematische und welche für bodenständige oder gar "gritty" Settings empfohlen sind.
Wenn ich mir zum Beispiel das jedes Ganging-Up sprengende Edge zum risikolosen Rückzug anschaue, dann ergibt sich hier der Todeswalzer: Der Charakter hat Improved First Strike und Improved Extraction. Er steht rum, wird von Gegnern geradezu überrannt, kann aber JEDEM einen Angriff außer der Reihe reinhauen. Dann geht er mittels Improved Extraction einfach aus dem Knäuel der noch Überlebenden raus und läßt sie nächste Runde wieder kommen und sterben. - Will ich so etwas in Weird Wars II haben? Gewiß nicht. Oder in Necropolis? Keinesfalls. In Slipstream? Ja sicher! In Hellfrost? Eher weniger, bin aber nicht sicher. In Sundered Skies? Nein, paßt nicht zur "Gesamthärte" der Skies.
Solche Entscheidungen stehen nun bei JEDEM zusätzlichen Edge und JEDER zusätzlichen Power an, wenn man Settings vor der SWDE bespielen möchte.
Und auch bei den Skills muß man nun mehr überlegen. Guts war ja auch immer für die Kreaturen angegeben. Dort konnte also eine Kreatur Spirit W6 haben, aber als besonders hohe Kampfmoral besitzende Kreatur hatte sie Guts W10. Nun wird alles über einen Kamm geschoren. Will man Guts wie altbewährt als Moral-Wert einsetzen, dann läßt einen die SWDE im Stich, weil alle Kreaturen dort OHNE Guts-Angabe gelistet sind. Schade eigentlich.
Guts mußte gehen, aber Gambling ist geblieben. Gambling wurde in zahlreichen Threads im Pinnacle-Forum als der wohl überflüssigste Skill überhaupt herausgestellt. Ich kenne viele Savage Settings aus praktischer Spielerfahrung. Das EINZIGE Setting, in dem Gambling JEMALS halbwegs interessant war und auch tatsächlich von Spielern für ihre SCs gewählt wurde, war Deadlands:Reloaded (da insbesondere bei Huckster-SCs). Ansonsten ist Gambling etwas, das unter Common Knowledge fallen sollte, weil es nur Kolorit eines Charakterhintergrundes ist, aber nicht die essentiellen Kriterien zur Rechtfertigung eines eigenen Skills erfüllt: Es sollte mindestens jede zweite Sitzung an kritischer Stelle ein Wurf auf diesen Skill erforderlich sein. Ist es seltener der Fall oder gibt es - wie bei Gambling meist - KEINEN KRITISCH bedeutsamen Fall, an dem man ein Problem mittels dieses Skills löst, dann ist es keinen eigenen Skill wert.
Ich bin schon sehr unglücklich darüber, daß diese neue Guts-Vermeidungsregelung Weird Wars II zu einem lame-assigen Spirit-Wurf-Plüsch-Horror-Setting hat werden lassen. Guts in Weird Wars Settings ist geradezu ein DEFINIERENDES Element dieser Art von Settings. In WWII fehlt das aber. - Ein Vorbote, der schon damals auf die "Verschlimmbesserungen" der SWDE hinwies?
Mit der SWDE und den SEHR UMSTRITTENEN Neuerungen darin, wird man nun noch viel mehr Augenmerk beim Szenario-Schreiben darauf richten müssen, mit WELCHER VERSION der SW-Grundregeln und mit welcher "Positivliste" an für das Szenario erlaubten Elementen man seine Idee für ein Abenteuer abfassen und dieses dann spielen lassen möchte.
Anzugeben "Nach SW:EX 2nd Printing" reicht nicht mehr aus. Leider ist das die Folge von ZUVIEL Toolkit-Charakter und zuwenig Fokus darauf einen soliden, keine ständigen Anpassungen und Entscheidungen erfordernden REGELKERN zu liefern.
Bislang gab es noch keine Edition Wars bei Savage Worlds. Nun hat Pinnacle diesen harmonischen Zustand wohl für zu langweilig erachtet und eröffnet das Schlachtfeld für das unnötige Gemetzel, das Leute und deren Zeit und Schreibaufwände binden wird, welche ansonsten in neue Fan-Materialien, neue Abenteuer usw. fließen würde.
Wer gewinnt nun eigentlich an diesen Änderungen in der SWDE?
Wer hat DAS gewollt?