Rund um Bücher "Sprachzensur" und Rassismus in Literatur und der Umgang damit.

Kontext spielt hier einfach ne größere Rolle, als man es vielleicht bisher in der Diskussion hervorgehoben hat.

Das hatte ich ja auch schon vergeblich versucht anszusprechen, nämlich das der Kontext, also wie und in welchem Rahmen man sich verkleidet und schminkt sowie wie man sich gibt. Dieses sollte nicht außer Acht gelassen werden, und im Karneval würde ich da primär was anderes unterstellen als Rassismus und Diskriminierung; obwohl ich mit der rheinischen Variante dieses Brauchtums weder etwas anfangen noch mich mit anfreunden kann geht es der überwiegenden Zahl der Teilnehmer doch wohl darum, daß man friedlich und teilweise ausgelassen MITEINANDER feiert unabhängig von Faktoren wie Herkunft, Hautfarbe etc. Aber ich mag mich irren.

ERGÄNZUNG: Was man natürlich vorher machen sollte, ein wenig zu recherchieren als WAS man sich da genau verkleidet und das was die Kontexte sind. Und die meisten Karnevalkostüme basieren auf Überspitzungen und Klischees, weil es eben KARNEVALSKOSTÜME sind. Ein waschechter reenactor oder Museumsdorfdarsteller würde sich bei einem Karneval-Ritter (oder was auch immer) das klate Grauen bekommen - daher spricht man in diesem Bereich anstelle von "Verkleidung/Kostüm" von "Gewandung", das ist ein qualitativer Unterschied.
Was erlaubt ist ist heirzulande durch Gesetze eingeschränkt, z.B. durch das Verbot der Verwendung nationalsozialistischer Symbole und Uniformen.

Und Kinder haben zum Teil sehr genaue Vorstellungen davon wie Ihr Kostüm/ihre Verkleidung auszusehen hat, und da kann man nicht einfach was weglassen. ;)
 
Ich unterstelle da sogar gar nichts. Es ist nur so, dass die persönliche Motivation nicht immer eine große Rolle dabei spielen muss, wie das aufgefasst wird, was man tut.

Und wenn bei dem Verweis darauf, dass man beim Karnevalskostüm ein bisschen mitdenken sollte gleich der "dürfen wir jetzt schon gar nichts mehr hier?!"-Beißreflex kommt läuft auch irgendwas schief. Man muss sich nicht immer in seinen Rechten beschnitten sehen, wenn man darauf hingewiesen wird, die Bedürfnisse anderer zu achten. Ich versteh schon, offenbar kommen solche Verweise (gerade) hier gerne mal wie persönliche Kritik rüber aber tatsächlich dürfte es den Wenigsten hier darum gehen, irgendjemanden als Rassisten zu entlarven, der eine andere Meinung hat.

Es muss sich ja auch nicht ausschließen. Es gibt je nach Standpunkt offenbar genug Argumente, die alle Seiten unterstützen. Richtig und falsch gibt es in komplexen, sozialen Zusammenhängen sowieso selten. Genauso wenig sind Menschen, die Blackface beim Karneval unangebracht finden political correctnes Hipster und Gutmenschen, die sich sowieso nur was in die eigene Tasche heucheln. Damit macht mans sich auch ein wenig zu leicht.

Interessant ist allerdings, dass unterschiedlich historische Faktoren offenbar zu unterschiedlichen Urteilen führen. Das Judenkostüm geht gar nicht, das Zulu-Kostüm schon. Weil es hier im Land keinen Genozid an Zulu gab oder weil nicht genug davon rumlaufen, die sich beschweren könnten? Ich würde zu Halloween im Reservat in den USA jedenfalls nicht als "Indianer" gehen...
 
Interessant ist allerdings, dass unterschiedlich historische Faktoren offenbar zu unterschiedlichen Urteilen führen. Das Judenkostüm geht gar nicht, das Zulu-Kostüm schon. Weil es hier im Land keinen Genozid an Zulu gab oder weil nicht genug davon rumlaufen, die sich beschweren könnten? Ich würde zu Halloween im Reservat in den USA jedenfalls nicht als "Indianer" gehen...
Ich glaube da gibt es hierzulande bzw. überhaupt einen sehr großen Unterschied zwischen "Geht gar nicht, weil ich das moralisch falsch finde" oder "Geht gar nicht, weil ich Ärger bekommen würde". Vgl. dazu zum Beispiel die (geschätzte) Anzahl der Menschen, die schonmal einen Juden- bzw. KZ-Witz erzählt (nicht gehört) haben mit der derer, die es vor laufender Kamera tun würden.
 
Interessant ist allerdings, dass unterschiedlich historische Faktoren offenbar zu unterschiedlichen Urteilen führen. Das Judenkostüm geht gar nicht, das Zulu-Kostüm schon. Weil es hier im Land keinen Genozid an Zulu gab oder weil nicht genug davon rumlaufen, die sich beschweren könnten? Ich würde zu Halloween im Reservat in den USA jedenfalls nicht als "Indianer" gehen...
Nicht ganz, ich denke Isaac von York wäre kein Problem, Jud Süß hingegen schon.
 
Nicht ganz, ich denke Isaac von York wäre kein Problem, Jud Süß hingegen schon.
Mhmm. Das ist ein guter Punkt, den Du da aufwirfst: Es macht doch einen Unterschied, ob mal als Stereotyp geht oder als Individuum, oder? Also ein Kostüm als Shaka oder Gandhi ist doch vertretbarer als "Neger" oder "Inder"...
 
Nein, ich glaube eher ein Kostum einer speziellen Ethnie, Rasse, was auch immer wird dann schlimm, wenn deutlich wird, dass es abwertend gemeint ist. Also der Schacherjude, der Baumwollbimbo, der klauende Zigeuner und was weiß ich was.
 
Interessant ist allerdings, dass unterschiedlich historische Faktoren offenbar zu unterschiedlichen Urteilen führen. Das Judenkostüm geht gar nicht, das Zulu-Kostüm schon. Weil es hier im Land keinen Genozid an Zulu gab oder weil nicht genug davon rumlaufen, die sich beschweren könnten? Ich würde zu Halloween im Reservat in den USA jedenfalls nicht als "Indianer" gehen...
Ich denke im wesentlichen ist es der starke "man sollte es besser wissen"-Faktor, der je nach Umfeld bei verschiedenen Kostümen natürlich verschieden stark ist.
Es gibt ja durchaus Gründe DAFÜR sich schwarz anmalen zu dürfen. "Freie Kostümwahl" einfach mal so in den Raum geworfen oder auch "Demonstration von Sympathie", wenn man sich z.B. ausgerechnet als ein schwarzer Superheld verkleiden will. Oder auch "Entspanntheit im Umgang mit Hautfarben" oder so.

..und gleichzeitig gibts natürlich Dinge, die eher dagegen sprechen, wie vor allem das mMn Wesentliche "egal wie dus meinst: es könnte andere verletzen."

Wenn es nun darum geht, dass sich jemand in Castrop-Rauxel als Indianer verkleidet, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass das jemanden verletzt ziemliche gering. Deswegen sagt man da auch "Ja, klar, mach doch - stört doch keinen."
Wenn ich hingegen unbedingt darauf bestehe in einer KZ-Gedenkstätte im "Lustiger Rabbi"-Kostüm rumhüpfen zu wollen, dann WEISS ich und auch jeder andere, dass es verdammt naheliegend ist, dass sich jemand gekränkt fühlt. Ganz unabhängig ob "zu Recht" oder "was für ein empfindlicher Kerl", sollte da einfach auch dem unsensibelsten Kerl klar sein, dass es Leute verletzen wird.
Und dann ist eben die Frage ob die freie Kostümwahl, die Demonstration angeblicher Sympathie und die Entspanntheit im Umgang mit Juden tatsächlich rechtfertigen, dass man jemanden massiv kränkt.

Und wenn man dann "ja" antwortet, DANN sind wir uns wohl alle einig, dass das nicht unbedingt die sympathischste Einstellung von jemandem ist, der ja angeblich einfach nur ein total normales Faschingskostüm tragen will - denn aus so nem Faschingskostüm macht man in der Regel keine solche Prinzipienreiterei.

Also kurz, denke ich:
Wer in einer Gegend, wo sich nie jemand darüber beschwert hat als "Mohr" rumläuft ohne sich dabei was böses zu denken, ist mMn noch laaaaaaaange kein Rassist. Der geblackfacete Faschings-Mohr wird aber dann als rassistisch aufgenommen, wenn er zwanghaft und unbedingt und gegen alle Widerstände ohne erkennbaren Grund außer reiner Sturheit als geblackfaceter Faschingsmohr rumlaufen muss.

Wie aber schon beim Pippi-Thema wird das aber schnell komplexer, wenn andere Ideen mit reinkommen.


"Pippi" wenn mans unbedingt in einer 21.-Jhdt-Version haben will, sollte mMn am besten eine komplett überarbeitete Südsee-Darstellung bekommen - wenn mans schon political correct machen will, dann bitte nicht nur die Augenwischerei bei der Wortwahl, sondern auch ein bisschen die gönnerhafte Kolonialherren-Attitüde rausnehmen.
"Pippi" als historisches Werk der Literatur, beinhaltet "Südseeneger". Hat es immer und wird es immer.
Den geblackfaceten Monostatos in der Zauberflöte würde ich basierend auf der Interpretation des Werkes und der Symbolik der Figur jedem echten Schwarzen vorziehen. Dass Monostatos eben schon zu Mozarts Zeiten nicht für einen Mohren stand, kommt gerade durch Blackfacing besser rüber, als wenn ein Schwarzer das Lied über die Hässlichkeit der Schwarzen singt.
Und das Robert Downey Jr in Tropic Thunder einen Weißen spielt, der einen Schwarzen spielt, ist mMn ebenso künstlerisch legitimiert wie die Hautfarben-Wechsel in "Cloud Atlas".
Und die liebenswert-naive Sturheit eines kleinen Kindes, das UNBEDINGT auch schwarze Hautfarbe zum Kostüm will, ist mMn auch ein Punkt, wo ich denke, dass auch die meisten Schwarzen mit einem verständigen Lächeln reagieren, wenn sie nicht gerade noch vom letzten Streit mit einem Rassisten das Messer zwischen den Zähnen tragen.


Unangenehm wird es meist erst dann, wenns eigentlich ja voll unspektakulär, nichts besonderes und völlig normal ist... aber der Kostümträger mit Händen un Füßen dafür kämpft, wie voll unspektakulär, nichts besonderes und völlig normal sein Kostüm ist.
Ein einfaches "Ich finds cool mich so zu verkleiden, dass ich mal ganz anders aussehe - und ich wollte mal sehen, wie ich in schwarz aussehe. Ich will damit niemanden beleidigen. Tut mir leid, falls es so rüberkam." nimmt da sicher weit mehr Spannung raus, als ein halbstündiger Vortrag darüber, dass das eigene Kostüm VÖLLIG IN ORDNUNG sei.
 
Ein einfaches "Ich finds cool mich so zu verkleiden, dass ich mal ganz anders aussehe - und ich wollte mal sehen, wie ich in schwarz aussehe. Ich will damit niemanden beleidigen. Tut mir leid, falls es so rüberkam." nimmt da sicher weit mehr Spannung raus, als ein halbstündiger Vortrag darüber, dass das eigene Kostüm VÖLLIG IN ORDNUNG sei.
QFT

Da gab es neulich mal um meine Lokalband Knorkator ein Skandälchen, als sie ein Neger-Menschenfresser-Cover im Stil alter Illustrationen (Struwelpeter o.ä.) für eine Platte nahmen. Völlig unbedacht und unreflektiert, aber definitiv nicht bösartig oder gar rassistisch.
Als sie dann von einem People-of-color-Verein darauf angesprochen wurden, dass sie damit alte kolonialistische Diskurse weitertragen und dass das sehr unsensibel sei, hat Stumpen, der Sänger sich sehr eloquent und (dann doch) reflektiert auf dem Facebook-Account der Band öffentlich entschuldigt.
Worauf dann natürlich die üblichen Idioten aus dem Gebälk gekrochen kamen und von PC-Gutmenschenterror, "das wird man ja wohl noch machen dürfen", "Zensur", "Kunstfreiheit" und natürlich "Dann darf man ja bald garnüscht mehr" gefaselt haben. Das war schon erschütternd zu sehen. Wie intelligent und sensibel die Band selbst mit so einer Sache umgeht, und wie unheimlich stumpf ihre Fans reagiert haben. Also zumindest die meisten derer, die sich zu Wort gemeldet haben. Es gab ja auch Gegenstimmen. Aber das sah dann so ähnlich aus wie hier im Board.
Nachdem ja wie gesagt die Band schon deutlich gemacht hatte, dass sie der Ansicht sei, dass der Fehler auf ihrer Seite lag, nicht auf der des Betroffenenverbandes.
 
QFT

Da gab es neulich mal um meine Lokalband Knorkator ein Skandälchen, als sie ein Neger-Menschenfresser-Cover im Stil alter Illustrationen (Struwelpeter o.ä.) für eine Platte nahmen. Völlig unbedacht und unreflektiert, aber definitiv nicht bösartig oder gar rassistisch.
Als sie dann von einem People-of-color-Verein darauf angesprochen wurden, dass sie damit alte kolonialistische Diskurse weitertragen und dass das sehr unsensibel sei, hat Stumpen, der Sänger sich sehr eloquent und (dann doch) reflektiert auf dem Facebook-Account der Band öffentlich entschuldigt.
Worauf dann natürlich die üblichen Idioten aus dem Gebälk gekrochen kamen und von PC-Gutmenschenterror, "das wird man ja wohl noch machen dürfen", "Zensur", "Kunstfreiheit" und natürlich "Dann darf man ja bald garnüscht mehr" gefaselt haben. Das war schon erschütternd zu sehen. Wie intelligent und sensibel die Band selbst mit so einer Sache umgeht, und wie unheimlich stumpf ihre Fans reagiert haben. Also zumindest die meisten derer, die sich zu Wort gemeldet haben. Es gab ja auch Gegenstimmen. Aber das sah dann so ähnlich aus wie hier im Board.
Nachdem ja wie gesagt die Band schon deutlich gemacht hatte, dass sie der Ansicht sei, dass der Fehler auf ihrer Seite lag, nicht auf der des Betroffenenverbandes.
Wobei ich das Cover auch kenne und es eher so mit den Augen eines kritisch-zynischen Humors gesehen hatte. Das Bild war soweit ich mich erinner doch diese Nachstellung des Bildes aus der "anti-rassistischen" Geschichte im Struwwelpeter.

Kurzfassung:
Eine Gruppe Kinder mobbt ein "Mohrenkind", weil es so hässlisch schwarz ist. Da kommt der Heilige Nikolaus und sagt "das arme Kind kann doch nichts dafür, dass es so hässlich ist" und steckt die Kinder in ein Tintenfass, so dass sie selbst auch hässlich schwarz sind.

Die Story ist somit innerhalb eines veralteten Umgangs mit Schwarzen durchaus antirassistisch und menschenfreundlich gewesen - aber aus heutiger Sicht wirkt sie völlig widerlich rassistisch. Diese Kombination macht die Geschichte rückblickend höchst skurril. Und ich hatte das Gefühl, mit diesem verwirrenden Zwischenspiel zwischen gleichzeitiger völliger Unkorrektheit und gleichzeitiger Korrektheit, hatte die Band mit dem Cover einen ganz guten provokativen Treffer gelandet, der zum Lachen einlädt, es dann aber im Hals stecken bleiben lässt und stattdessen dann doch lieber zum Nachdenken einlädt.

Und so ein Cover ist es dann mMn durchaus auch wert stehen gelassen zu werden. (Haben sie es zurückgenommen?)
Die wichtige Frage ist nur eben, wie man das kommuniziert.
Und "Ihr doofen Neger - das ist doch garnicht rassistisch.", wäre wohl keine allzu intelligente Kommunikation gewesen, aber ist ziemlich genau die Argumentationsweise, die man bei sowas meist mitanhören muss.
 
Bei Knorkator würde ich nicht davon ausgehen, daß sie etwas unreflektiert und unüberlegt machen.
Zudem sie, wie im Video zu sehen ist, die Struwwelpetertexte vertont haben. Da ist die alte Illustration im ersten Moment eben auch naheliegend.

 
Ich würde zu Halloween im Reservat in den USA jedenfalls nicht als "Indianer" gehen...
Kommt darauf an wie man es macht, und jetzt lass bitte den dummen Tonto einmal außen vor. Warum kann ich nicht als Indianer gehen, wenn ich es absolut respektvoll und solidarisch mache? Da wäre der Indianer immer noch besser als wenn man als George Armstrong Custer oder Philip Sheridan ginge. Im Zweifelsfalle wäre es in diesem speziellen Falle doch eine gute Lösung, einfach mit den Leuten vorher zu reden.
Gibt hier ja z.B. auch in Deutschland Indianer-"Reenactors", die das absolut ernsthaft betreiben - ist deren "Kriegsbemalung" etwa eine rassistische und Diskriminerende Herabwürdingung der Urbevölkerung Nordamerikas?
Und so ein Indianer-Karneval-Kostüm hat normalerweise nicht viel gemein mit der echten Tracht eines echten Indianer, zumal es da auch viele verschiedene Stämme gab die sich in diesem Punkt unterschieden. Fragen gestaltet sich hier als schwierig, denn welchen Stamm willst Du fragen, und bei einigen ist das sogar unmöglich weil diese ausgerottet wurden.

Interessant ist allerdings, dass unterschiedlich historische Faktoren offenbar zu unterschiedlichen Urteilen führen. Das Judenkostüm geht gar nicht, das Zulu-Kostüm schon. Weil es hier im Land keinen Genozid an Zulu gab oder weil nicht genug davon rumlaufen, die sich beschweren könnten??
Teilweise wird es auch einfach ausgeblendet oder abgeblockt, weil in diesem Zusammenhang Dir unterstellt wird, damit das NS-Unrecht vergleichend zu relativieren und entschuldigen zu wollen. Das ist ziemlich vertrackt.

Eine neutrale, objektive und faktenorientierte Behandlung von diesen äußerst sensiblen Themen wäre sehr wünschenwert.
 
Und genau dieses "Ich nehme von allen Stämmen so irgendwie ein bisschen was, am besten auch schicke Accessoires die für einige Stämme heilige Symbole sind, und mische mir daraus meinen Fantasy Indianer" kommt in der Regel recht schlecht an.
Es gibt da diese Initiative "I am not a costume" - und ich kann persönlich schon verstehen, wenn ein Indianerkostüm oder andere auf ethnische Stereotype begründete Kostüme Abwehrhaltungen hervorrufen.
Zauberer, Prinzessinen etc. sind da schon eine ganz andere Kostümkategorie.

Trotzdem, wenn man eben in den USA lebt, viel in der indianischen Community rumkommt, und da mal rumfragt, ob eine respektvolle Darstellung eines klassisch gekleideten Mitglieds eines Stammes ok ist - warum nicht.
Kann ja durchaus sein, dass es wertschätzend rüberkommt, und wenn die einem dabei helfen es so zu machen, dass es passt - cool!
Man muss allerdings mit der Antwort leben können.

Und die meisten verbreiteten "Sexy Savage" Kostüme sind das allerdings nicht, und auch so ein Kopfschmuck kann falsch ankommen.

Ich mochte diese lange Begründung, warum das eben als schrecklich unfreundlich, unsensibel und ignorant rüberkommen kann, recht gern. Sie erklärt das zumindest auf eine für mich schlüssige Art und Weise.
http://nativeappropriations.com/2013/10/open-letter-to-the-pocahotties-the-annotated-version.html
 
Da stellt sich ja die Frage, warum das so ist.
Vor allem, da mir die Sichtweise der Rücksichtnahme so selbstevident vernünftig vorkommt.

Aber ich nehme an, der anderen Seite kommt es auch selbstevident vernünftig vor, ganz egozentrisch ihr Ding durchzuziehen.
Vielleicht kommen wir so ja etwas weiter. Jeder sagt mal, wie er sich selbst und die andere Position in der Dikussion einschätzt. So ganz ungeschminkt und subjektiv. Damit man mal ein Fremdbild bekommt.

Also:
Mir geht es um Rücksichtnahme. Um Achtung fremder Kulturen und Menschen. Darum, sie nicht mit Stereotypen ihrer selbst zu konfrontieren. Wenn ich Lust hätte, mich als ein (zufällig) schwarzer Charakter zu verkleiden, dann würde ich das eben ohne Facepaint machen, weil die Hautfarbe am Charakter wohl kaum das bestimmende ist. Ich wäre dann einfach ein weißer Nick Fury (hrhr).
Mich als ethische Stereotypen zu verkleiden kommt mir aus oben genanntem Grund nicht in die Tüte. Ich würde bei mir selbst sogar so konsequent vorgehen, dass ich mich auch nicht als Fantasy-Derivat eines ethnischen Stereotyps (Ferengi, Na'vi etc.) verkleiden würde. Und weil mir die Rücksichtnahme so wichtig ist und ich ein elender Peacenik bin, bin ich in dieser Richtung im Zweifelsfall lieber übervorsichtig als unsensibel.
Besonders in solchen Fällen, wo es weiß Gott noch genug nichtoffensive Alternativen gibt und ich mir wirklich keinen Zacken aus der Krone breche, einfach auf eine davon auszuweichen.

Der Gegenentwurf, der hier so vertreten wird, erscheint mir sehr egozentrisch und unsensibel. Vom Bewusstsein der eigenen Handlungsmächtigkeit getragen, werden da scheinbar aus Prinzip und ohne die Wirkung auf andere zu hinterfragen die eigenen Freiheiten verteidigt. Und zwar nicht nur über die Schwelle der Freiheit der anderen hinaus, sondern sogar so offensiv, dass der Befürworter der Gegenmeinung sich anmaßt, zu BESTIMMEN, wo die Schwelle der Freiheit und Betroffenheit des anderen zu liegen hat. Und was ein anderer als Rassistisch, verletzend oder entwürdigend aufzufassen hat und was nicht.
Und das ist, ehrlich gesagt, der Teil, der mich daran am meisten aufregt.
Dass die eigene Freiheit, sich zu verhalten WIE IMMER man möchte, so kompromisslos verteidigt wird, dass gar kein Platz ist für Rücksicht und Mäßigung. Ja sogar der Gedanke, dass der Verzicht auf das Recht sich als Klischee eines Afrikaners (oder Juden) zu verkleiden, völlig unsinnig sei, weil sich davon ja schließlich keiner angegriffen fühlen könne. Weil man selbst ja als weißer, heterosexueller Mitteleuropäer noch nie wirklich in der Situation gewesen ist, diskriminiert zu werden, scheint es offenbar völlig unmöglich zu sein, dass andere Menschen andere Erfahrungen gemacht haben und sich von solchen Darstellungen wirklich verletzt fühlen. Es ist diese unempathische Fantasielosigkeit, die mich vor allem ärgert. Weil ICH mich von Lederhosen und Naziuniformen als "Deutschen"-Verkleidung nicht angegriffen fühlen würde, ist es völlig absurd, dass sich ANDERE von Baströckchen und Schuhcreme als "Zulu"-Verkleidung angegriffen fühlen. Und wenn sie es doch tun, sind sie Heulsusen und sollen sich mal nicht so haben.

Habe ich es - von der auf meine Sichtweise gemünzten Formulierungsweise abgesehen - in der Sache soweit gut eingefangen?

Oder worum geht es euch eigentlich?
Warum findet ihr es so wichtig, euch Schuhcreme ins Gesicht zu schmieren?
Um das dürfen geht es ja nicht einmal.
Ist ja nicht strafbar. Oder geht es euch darum? Fühlt ihr euch von der Zionistisch-Islamistisch-Schwulen Gutmenschenweltverschwörung in eurer Meinungsfreiheit beschnitten?
 
Fühlt ihr euch von der Zionistisch-Islamistisch-Schwulen Gutmenschenweltverschwörung in eurer Meinungsfreiheit beschnitten?

Nein.

Rücksicht ist eine feine Sache. Jeder Mensch sollte rücksichtsvoll handeln und Kindern sollte es mitgegeben werden.
Aber manchmal wird vergessen, dass "Rücksicht nehmen" eine aktive Handlung ist, die von der handelnden Person ausgehen muss. Allzu oft wird Rücksichtnahme eingefordert - und dann funktioniert sie meist nicht. Das provoziert defensive Reaktionen. Das ist schon bei Kindern so. Ebenso ist Rücksichtnahme etwas persönliches: Ich nehme erstmal Rücksicht auf eine Person oder Personengruppe, die ich persönlich kenne. Und dann erst nehme ich Rücksicht auf eine Person oder Personengruppe, die ich nicht persönlich kenne. Kommt nun eine Person auf mich zu, die ich kenne, und erzählt mir, dass sie sich in ihrer Ethnie/Kultur/Reigion angegriffen fühlt, weil ich mich als Zulu/Inderin/Japanerin/generische Schwarze/Mullah/etc. verkleidet habe, dann ist es vergleichsweise einfach, auf die Person zu zu gehen und eine Lösung zu finden - vom Verzicht bis zur authentischen Anpassung, abhängig von meiner Intention bei der Kostümwahl. Kommt nun aber jemand damit an, dass ich potenziell irgendjemanden verletzen könnte, den ich gar nicht kenne und dem ich in meinem Kuhdorf zu 90% nicht begegnen werde... dann ist das so hochtheoretisch, dass der Geschmack des "Man darf ja gar nichts mehr" da sehr schnell durch kommen kann (Ich halte von diesem Totschlagargument, dass man dann gar nix mehr dürfe, übrigens nichts, falls das jetzt jemand denken sollte). Es mag hier übrigens durchaus einen Unterschied geben bei den Wohnorten - in einem multikulturellen Umfeld ist die Gefahr wesentlich größer, tatsächlich jemanden persönlich anzugreifen, als in einem homogenen Umfeld.

Wir sollten aber auch aufpassen, Rücksichtnahme nicht zu entwerten, indem auf alles Rücksicht genommen wird. Nicht nur, dass exzessive Rücksichtnahme das Potenzial aufweist, ebenso diskriminierend zu sein wie gar keine Rücksichtnahme. Wenn Rücksichtnahme schlimmstenfalls darin ausartet, dass eine neue Doktrinierung im Umgang mit Menschen(gruppen), die sich auf irgendeine Art von mir oder meiner Gruppe unterscheiden, betrieben wird, dann möchte ich das nicht unterstützen. Denn eigentlich sollte doch unser Ziel sein, dass alle Menschen nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich gleichwertig sein sollten. Dass Hautfarbe, Religion, sexuelle Ausrichtung, Kultur oder Herkunft wenn überhaupt dann eine untergeordnete Rolle spielen sollten, und ein erhobener Zeigefinger alla "du du du" fördert dieses Ziel nicht. Natürlich gehört dazu auch, dass ich mich als heterosexuelle Weiße in einer vorherrschen heterosexuellen weißen Gesellschaft nicht als der generische Bimbo aus dem 19ten Jahrhundert verkleide - gleichzeitig gehört aber auch dazu, dass der Schwarze in einer vorherrschend weißen Gesellschaft es nicht als Beleidigung auffasst, wenn ich mich als (erkennbar und nicht als Parodie!) Michelle Obama oder eine ähnlich bedeutende Persönlichkeit verkleide und Wert darauf lege, dass so viel wie möglich an meinem Kostüm stimmt, weil ich sie toll finde. An diesem Punkt sind wir noch lange nicht angekommen. Aber wir sollten darauf hinarbeiten. Und vielleicht kommen wir irgendwann auch einmal dahin, dass eine Parodie dann auch als Parodie erkannt und angenommen wird, anstatt als Diskriminierung oder Rassismus verschrien zu werden.
Ich frage mich manchmal, was die größere Beleidigung wäre: sich offensichtlich mit Hautfarbenänderung als eine bestimmte Person zu verkleiden - oder sich als eine Person mit anderer Hautfarbe auszugeben, und sie (in meinem Fall) weiß sein zu lassen.

Ein anderes Thema sind Stereotypen. Dadurch dass viele Stereotypen durch Angehörige anderer Kulturen geprägt wurden, haben sie immer etwas, was nicht korrekt sein kann. Ich kann jeden verstehen, der sich durch einen Stereotypen beleidigt fühlt. Das ist wie die legendäre Frage von stereotypen Amerikanern "Sind bei euch immer noch alle Nazis?" oder anderer aus meiner Sicht unsinniger oder sogar unwürdiger Fragen, die man am liebsten damit kontern möchte, ob die gegenüber denn alle einen an der Klatsche haben. Aber es wird auch übersehen, dass so mancher Stereotyp die Menschen dazu anregt, mehr darüber herauszufinden - insbesondere Kinder. Karl May hat beispielsweise in all seinen Büchern eigene Stereotypen erfunden, die wenig mit der Wirklichkeit gemeinsam haben. Aber er hat es, trotz der Überlegenheit der Weißen geschafft, die anderen so interessant zu halten, dass es die Indianereuphorie gab und immer noch gibt. Und selbst wenn das Bild vom edlen Wilden, wie es Barry mit Tigerlilly oder Asterix mit der großen Überfahrt bzw,. Asterix in Amerika zeichneten, so fern wie nur möglich von der Realität war und ist, so sehr haben sie zusammen mit May auch das Interesse an der teilweise grausamen Wirklichkeit bei den fernen Europäern geweckt.
Wenn ich mich entscheiden müsste, dann würde ich alle Stereotypen ändern, die andere als weniger Wert zeichnen. Der dumme Bimbo, der verschlagene Jude, der opiumsüchtige Chinese, etc. Die anderen Stereotypen, Märchenfiguren oder gar echte Persönlichkeiten, die durchaus mit eher guten Eigenschaften belegt sind wie der edle Wilde, Pocahontas, Mulan, etc., mögen vielleicht nicht perfekt sein. Aber gerade sie bieten einen Ansatzpunkt, eben diese Gleichbehandlung durch Verbundenheit mit den Figuren herzustellen. Anstatt darin eine Beleidigung zu sehen wäre es wünschenswert, wenn darin eine Chance gesehen wird - vielleicht brauchen diese Stereotypen dann nur die ein oder andere Schönheitsreparatur...

Ich denke, das ergreifen von Chancen, sich anzunähern, wird auf privater Ebene wesentlich exzessiver betrieben als auf den Ebenen die Gruppen umfassen - seien es religiöse, nationale oder kulturelle Gruppen. Das erschwert die Diskussion noch mehr, da auf diese Gruppenebenen aufgrund von übertriebener Rücksichtnahme jeglicher menschliche Aspekt außen vor bleibt. Da wird dann wesentlich schneller eine Beleidigung gewittert respektive versucht, jegliches Fettnäpfchen auszulassen, was oft einfach nur zur Beibehaltung des Status Quo führt und nicht zu irgendwelchen Lösungen.
 
Aingeasil schrieb:
Es mag hier übrigens durchaus einen Unterschied geben bei den Wohnorten - in einem multikulturellen Umfeld ist die Gefahr wesentlich größer, tatsächlich jemanden persönlich anzugreifen, als in einem homogenen Umfeld.
Das kann vielleicht wirklich eine Ursache des Konflikts sein. Ich komme ja aus Berlin und das ist eben sehr multikulturell. Selbst in den eher konservativen Randbezirken. Aber in der Innenstadt ganz besonders. In meiner Lebenswirklichkeit habe ich also tatsächlich jeden Tag mit Menschen aus aller Herren Länder zu tun.

Nicht nur, dass exzessive Rücksichtnahme das Potenzial aufweist, ebenso diskriminierend zu sein wie gar keine Rücksichtnahme.
Das leuchtet mir jetzt so ad hoc nicht ein. Magst du das näher ausführen?

Michelle Obama oder eine ähnlich bedeutende Persönlichkeit verkleide und Wert darauf lege, dass so viel wie möglich an meinem Kostüm stimmt, weil ich sie toll finde.
Das finde ich ja, wie schon erwähnt auch nicht problematisch. Weil mir der Schritt von der Karikatur einer konkreten Person zur Verballhornung einer ganzen Ethnie auch zu weit wäre. Nicht, dass man nicht beides gleichzeitig betreiben könnte natürlich (Michelle Obama mit Knochen im Haar), aber es gehört eben nicht per se zusammen. Nur ist eben die Hautfarbe bei einer konkreten Person in der Regel auch nicht das wichtige.
Aber vielleicht hab ich da auch zu sehr von mir auf den Rest der Menschheit geschlossen. Passiert mir ja öfter.

Ich denke, das ergreifen von Chancen, sich anzunähern, wird auf privater Ebene wesentlich exzessiver betrieben als auf den Ebenen die Gruppen umfassen - seien es religiöse, nationale oder kulturelle Gruppen. Das erschwert die Diskussion noch mehr, da auf diese Gruppenebenen aufgrund von übertriebener Rücksichtnahme jeglicher menschliche Aspekt außen vor bleibt. Da wird dann wesentlich schneller eine Beleidigung gewittert respektive versucht, jegliches Fettnäpfchen auszulassen, was oft einfach nur zur Beibehaltung des Status Quo führt und nicht zu irgendwelchen Lösungen.
Das ist sicher richtig. Und gerade deshalb vermeide ich im Alltag Gruppenzuschreibungen und operiere ausschließlich auf interpersoneller Ebene. Die Frage, ob "die Bulgaren" in unsere Sozialsysteme einwandern ist für mich in meiner Lebenswirklichkeit schlicht irrelevant. Genauso irrelevant wie der Gedanke, dass "die Schwaben" unseren Wohnraus wegkaufen und "die Bayern" ihre Kinder hier ohne Studiengebühren studieren lassen.
(In meinen dunklen Momenten geißele ich natürlich trotzdem "die Schweizer" dafür, dass sie unseren Steuerverbrechern Unterschlupf gewähren. Aber das versuche ich, auf ein Minimum zu reduzieren. Bin halt auch nur ein Mensch.)
 
Das leuchtet mir jetzt so ad hoc nicht ein. Magst du das näher ausführen?

War nicht an mich gerichtet, aber wenn ich eine Person aufgrund Ihrer Herkunft, Geschlechts, Behinderung usw. ständig anders behandele, als (vermeintlich) "normale" Menschen, kann dies eben auch verletzend wirken.

Es würde wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, in Gesellschaft von blonden Personen keine "Blondinenwitze" zu machen, weil dies diskriminierend wirken könnte.

Warum sollte man dann also in Anwesenheit eines Behinderten keine Witze über Behinderte machen (dürfen)?

Damit zeigt man ja auch nur, daß man diesen konkreten Menschen als "besonders" ansieht.

Und das können Betroffene als diskriminierend auffassen, wie ich bestätigen kann.

Natürlich reagiert da nicht jede Person gleich.
 
Niedertracht schrieb:
War nicht an mich gerichtet, aber wenn ich eine Person aufgrund Ihrer Herkunft, Geschlechts, Behinderung usw. ständig anders behandele, als (vermeintlich) "normale" Menschen, kann dies eben auch verletzend wirken.Es würde wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, in Gesellschaft von blonden Personen keine "Blondinenwitze" zu machen, weil dies diskriminierend wirken könnte.

Warum sollte man dann also in Anwesenheit eines Behinderten keine Witze über Behinderte machen (dürfen)?

Damit zeigt man ja auch nur, daß man diesen konkreten Menschen als "besonders" ansieht.

Und das können Betroffene als diskriminierend auffassen, wie ich bestätigen kann.
Achso. Ja klar.
Aber das ist nicht das, was ich mit Rücksichtnahme meine. Das ist simple Diskriminierung.

Ich würde aber zum Fasching auch nicht als Rollstuhlfahrer gehen.
Und Blondinenwitze sind auch in Abwesenheit von Blondinen doof.
 
Wenn ich abschätzen kann, dass mein diskriminierender Witz von einer betroffenen Person nicht als persönlicher Angriff gewertet und somit unkritisch betrachtet wird, dann mache ich ihn. Wenn ich nicht davon ausgehen kann, mache ich ihn nicht.

Das halte ich so bei Rollstuhlfahrern, Türken, Afrikanern, Juden, Lesben, Deutschen, Blondinen und Rollenspielern. Weil's in meinen Augen höflich ist.

Wenn ich mich irre, und der Witz hat wider erwartend doch verletzt, dann hoffe ich, dass meine Entschuldigung ausreicht, um die Wogen wieder zu glätten. Und nehme in Gegenwart dieser Person zukünftig Abstand davon, diese Art von Scherzen zu machen.

In keinem Fall würde ich Streit anfangen und lange diskutieren, dass ich den Witz machen darf und machen will, und dass die jüdische, dunkelhäutige, blonde, homosexuelle Rollstuhldeutsche sich mal nicht so haben soll.

Und ich will mir auch eigentlich nicht vorstellen müssen, dass das hier irgendwer großartig anders macht. Deswegen verstehe ich diese langen Diskussionen im Karussell auch nicht.
 
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