Rund um Bücher "Sprachzensur" und Rassismus in Literatur und der Umgang damit.

"Uncle Ben" ist auch noch auf der Reisverpackung. Nur, falls das als nächstes kommt.

Haben halt erstmal nichts mit Rassismus zu tun, die Symbole.

(Dazu wird es erst dann, wenn man auf die veraltete Bezeichnung "Sarotti-Mohr" besteht, ohne sich selbst zu hinterfragen. Oder darauf insistiert, in Uncle Ben's einen Hausneger wahrnehmen zu wollen.)
 
Falls es dir hilft: Ersetze einfach "Leute mit anderer Hautfarbe" mal durch "Leute mit anderen Erfahrungen" und frage dich dann nochmal, ob eine Weigerung weiterhin sinnvoll wäre.

Es geht und ging nie um die Hautfarbe, sondern einzig und allein um die Erfahrungen, die man damit gemacht hat.

Wie sollen du und ich denn, wissen was alle Leute für Erfahrungen haben? Sollen wir auf einen Verdacht Kulturgut abändern? Wenn sich jemand meldet und begründet nachweist dass er davon einen Schaden hatte (der weiter geht, als "ich hab mich darüber geärgert", sonst will ich das Westernhagen "Der Dicke" in "Der mit schweren Knochen" ändert!), dann bin ich bereit das einzugestehen. Ich kann es nicht ausschließen, aber wenn jemanden etwas stört dann muss der sich schon selbst melden. Und das meinte ich mit: Man muss nicht immer einen geschädigten suchen. Wer wirklich einen Schaden hat, der muss sich selbst melden.

Wenn wir versuchen auf jede befindlichkeit Rücksicht zu nehmen, ohne dass die jemand den es betrifft auch sinnvoll und begründet artikuliert hat, dann kommt so viel Quatsch raus, wie er bei der political correctness so oft Blüten treibt. Vor nicht ganz so langer Zeit haben wir noch über den Streit um die Pixie-Bücher in Hamburg gelacht (ich glaube du auch), im Grunde ist das hier auch nichts anderes.
 
"Uncle Ben" ist auch noch auf der Reisverpackung. Nur, falls das als nächstes kommt.

Haben halt erstmal nichts mit Rassismus zu tun, die Symbole.

(Dazu wird es erst dann, wenn man auf die veraltete Bezeichnung "Sarotti-Mohr" besteht, ohne sich selbst zu hinterfragen. Oder darauf insistiert, in Uncle Ben's einen Hausneger wahrnehmen zu wollen.)
Offiziell ist es heute der "Sarotti-Magier der Sinne".
Für mich sah der immer aus wie ein arabisches Mohrenklischee aus dem Deutschland der 60er Jahre.

Mann, was bin ich aber auch doof...
Jetzt wo ichs weiß: Ganz klar - ein Magier der Sinne ist das.

...ich will ja nur mal einwerfen, dass 70% der Negerwitze, die ich in meinem Leben gehört habe, von Schwarzen über andere Schwarze, von Schwarzen über Weiße gemacht wurden, weitere 20% ironisch im Beisein von Schwarzen, die den Witz lachend aufgegriffen haben.

Während ihr noch alle über Schwarze diskutiert hattet, hatte ich über Jahre Jahre hinweg 3-5mal wöchentlich bis zu 8 Schwarze um mich.
Die gingen mit dem Wort ansich recht locker um - kommt eben drauf an, wer es wann und warum sagte.

Wie oben erwähnt, sehe ich das jetzt nicht als Argument, keinerlei Rücksicht nehmen zu müssen - ich wollte nur gebetsmühlenartige "aber für so nen Neger ist das ja vielleicht total schlimm" ein wenig dämpfen.
 
ich wollte nur gebetsmühlenartige "aber für so nen Neger ist das ja vielleicht total schlimm" ein wenig dämpfen.

Und warum solltest du das tun? So als Weißer?

Du glaubst doch garantiert nicht, dass "so'n Neger" das nicht alleine schaffen würde, aber dein Problem ist es im Grunde auch nicht. Warum also solltest du es dämpfen wollen?

Wenn du das beantworten kannst, weißt du auch, was in ganz ähnlicher Form dahinter stecken könnte, wenn Weiße versuchen, Worte wie "Neger" aus einem Kinderbuchklassiker zu verbannen.
 
Weil das eine gegen Fremde geht und das andere seinen Urspung in der "Rasse" hat. Fremdenfeindlich bin ich also wenn ich keine Franzosen mag (oder einen anderen Ausländer mit der gleichen "Ethnie") und Rassist bin ich wenn ich jemanden aufgrund seiner Rasse nicht mag (weil er schwarz, weiß, gelb oder grün ist).
Das ist falsch. Der Unterschied zwischen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit liegt woanders. Auch Vorurteile gegenüber der eigenen Ethnie können durchaus rassistische Grundlagen haben, ebenso können positive Zuschreibungen rassistisch motiviert sein.

Ein Rassist schreibt anderen Menschen bestimmte Eigenschaften zu, die von deren "Rasse" abhängen und unveränderlich sind. Damit sind hier nicht offensichtliche Unterschiede (wie z.B: die Hautfarbe) gemeint, sondern eher Werte (Loyalität, Fleiß, Bildung) und Fähigkeiten (z.B. Musik). Egal, wie ein Individuum aufgewachsen ist oder was es tut, ein Rassist wird ihm diese Werte und Fähigkeiten qua Abstammung immer zuschreiben.

Fremdenfeindlichkeit beschreibt zunächst einmal nur Furcht und Abneigung gegen Fremdes. Ein Fremdenfeindlicher hat Probleme mit Leuten, die anders aussehen, sich anders benehmen usw. Der Kern des Problems sind hier also keine inhärenten Eigenschaften von irgendwelchen Leuten, sondern deren abweichendes Verhalten. Wenn ein Fremdenfeindlicher sich an ein bestimmtes Verhalten gewöhnt, kann er dieses, Verhalten sogar akzeptieren - ohne dass dabei seine generelle Abneigung gegen Fremdes verschwände.

Dabei wissen wir nichts darüber, wie es ist, in einer Welt zu leben, in der elitäre Weiße Jahrhunderte lang dafür Sorge getragen haben, dass „weiß“ von den Weißen als „Standard“ angesehen wird. Wir wissen nur, wie es ist, diskriminiert zu werden. Ist aber nicht dasselbe.
Um es mal ganz stumpf zu sagen: Die Jahrhunderte sind vollkommen egal, wichtig ist lediglich, was aktiv erinnert wird - und das dürfte selten über drei Generationen hinausreichen. Wichtiger als jegliche jahrhundertelange Unterdrückung ist die heutige wirtschaftliche und militärische Vorherrschaft unserer (weiß dominierten) Gesellschaft.
 
Weil er hier mitschreibt und seine Bekannten nich:

Das würde doch bedeuten, dass Ioelet im Namen seiner schwarzen Bekannten - die hier gar nicht mitschreiben - das Bedürfnis irgend welcher Weißer - die hier auch nicht mitschreiben - dämpfen möchte, im Namen ihrer schwarzen Bekannten an einem Wort rumzunoergeln, welches in einem Kinderbuch steht, das ziemlich frei zugänglich ist und das in Deutschland so ziemlich jeder kennt.

Das ist schon irgendwie Humbug. ^_^
 
Jetzt bin ich verwirrt... :cautious: Aber beschreibt das (Deine Aussage, nicht meine Verwirrung. Obwohl...) nicht eigentlich die Crux des ganzen Themas?

Aber noch eine Anekdote zum Thema Rasse und Wahrnehmung und Eigenerfahrung:
In Chemnitz gab es einen Schwarzen, der mit einem Hakenkreuz auf der Jacke rumgerannt ist, auf der zudem noch stand "I hate my colour".
True story, bro...
 
Jetzt bin ich verwirrt... :cautious: Aber beschreibt das (Deine Aussage, nicht meine Verwirrung. Obwohl...) nicht eigentlich die Crux des ganzen Themas?

Es zeigt halt, dass etwas gut gemeint und trotzdem rassistisch sein kann. Zornhau hat auf der letzten Seite geschrieben, Rassist ist man, wenn man rassistisch denkt und handelt. Das wird dann unangenehm, wenn man sich vor Augen führt, was alles "rassistisch gedacht und gehandelt" ist. In einem diskriminierenden Wort plötzlich kein Problem mehr zu sehen, weil's in einem klassischen Kinderbuch steht, und anschließend "Höhö, Mohrenkopf!" zu spötteln, ist rassistisch gedacht und gehandelt. Macht Zornhau das zu einem Rassisten? Rennt der mit weißer Kapuze rum und zündet die Häuser von Schwarzen an? Das denkt doch (von uns) niemand. (Ioelets Bekannte, ob nun weiß oder schwarz, würden das vielleicht ganz anders sehen, wenn sie hier zum ersten mal mitlesen.) Ich lache liebend gerne über diskriminierende Witze. Weil sie diskriminierenden sind, sonst wären sie ja nicht lustig. Wenn ich so einen Witz erzähle, denke und handle ich doch auch rassistisch. Will ich deswegen ein Rassist sein? Nee, ganz bestimmt nicht. Und würde Ioelet im Namen seiner weißen Freunde den politisch korrekten Scheißdreck dämpfen wollen, um seinen weißen Mitmenschen klar zu machen, dass sie sich gerade gegen bestes Wissen und Gewissen rassistisch verhalten, dann wäre es ja auch in Ordnung irgendwie. Deswegen finden wir alle, wie wir hier sind, hysterische Political Correctness überhaupt so idiotisch: Sie ist rassistisch. Nicht bewusst rassistisch motiviert, klar. Aber trotzdem rassistisch. Wie politisch inkorrekt sein eben auch rassistisch ist. Oder als Weißer im Namen von Schwarzen sprechen. Wenn es Weiße machen, ist das so unglaublich idiotisch. Das erkennen wir bei hysterischen PoCos, aber nicht bei uns. Das wäre undenkbar, dann wären wir ja Rassisten.

Aber gleichzeitig sagen wir, das Wort "Neger" müsste in diesem Fall jetzt mal ok sein. War ja damals "ganz normal" und gehört eben in das klassische Kinderbuch. Änderung wäre Zensur. War auch damals halt rassistisch, ist heute noch rassistisch, ist im Grunde nie ok gewesen, ist auch heute noch nicht ok und es zu verteidigen im Namen der Zensur, weil's "ja in dem Fall nicht so schlimm ist" ist rassistisch gedacht und auch gehandelt. Ist einem aber unangenehm, sich selbst mit den gleichen, kritischen Augen zu betrachten, wie andere. Also verteidigt man die These dann sinnlos, anstatt sich im klaren darüber zu sein, dass man etwas auch gut meinen kann, und es trotzdem rassistisch ist. Und die Motivation dahinter den faktischen Rassismus nicht einfach verschwinden lässt. Und wenn man das getan hat, müsste man sich meiner Meinung nach bewusst werden, warum es ein sehr komplexes Problem ist, diese Worte im Buch stehen zu lassen, gerade weil man auf der anderen Seite aber auch gar nicht Unrecht hat damit, dass es ansonsten Zensur wäre und die Zensur von Büchern ebenfalls nur falsch sein kann. Es ist ein zweispältiges Thema. Das lässt sich nicht mit einem Sarotti-Mohr Witzlein entschärfen. Im Gegenteil. Aber mehr, als das zu realisieren, kann man eben auch nicht. Einen perfekte Lösung existiert nicht.

Glaubt eigentlich irgendwer, Nichtweiße würden sich so einen Kopf machen um solche Dinge? Ich jedenfalls nicht. Sind die deswegen besser? Schlechter? Vermutlich fällt es Weißen einfach bloß schwerer, mit der Tatsache klar zu kommen, dass sie ständig rassistisch denken und handeln. Vermutlich, weil sie irgendwo ganz genau wissen, dass es ihnen auf der Bühne des Lebens schon ziemlich gut geht. Klasse, solange wir noch ein schlechtes Gewissen haben, können wir doch prima an uns arbeiten, find ich so.

Aber noch eine Anekdote zum Thema Rasse und Wahrnehmung und Eigenerfahrung:
In Chemnitz gab es einen Schwarzen, der mit einem Hakenkreuz auf der Jacke rumgerannt ist, auf der zudem noch stand "I hate my colour".
True story, bro...

Und es würde niemand behaupten, sowas zu tun wäre "ok", weil's "der Schwarze ja auch tut". :D

Meine leider unlängst verstorbene Lieblingsoma hat mir mal von einem Schwarzen erzählt, der eine Frau aus ihrem Bekanntenkreis geheiratet hat. Meine Oma war eine liebevolle, dicke, fröhliche und freundliche Frau, die keinem Menschen etwas böses wollte und sich stets laut für türkische Mitbürger ausgesprochen hat, wenn es der Situation dienlich gewesen ist. Als sie mir von dem Schwarzen erzählt hat, meinte sie mit ihrer fröhlichen Stimme "Und der war wie ein normaler Mensch!"

Das war eine Erkenntnis. Eine gute Erkenntnis. Sie hat mir das erzählt, weil sie es schön fand. Weil sie vorher mit Schwarzen keinerlei Kontakt hatte. Es war im Grunde unglaublich diskriminierend. Aber meine Oma war keine Rassistin. Ist es deswegen weniger diskriminierend gewesen? Ist es "schon ok", weil meine Oma ein Klassiker gewesen ist, aus einer Zeit stammend, wo es "schon ok gewesen ist, Neger nicht als normale Menschen zu sehen"? Das denkt doch bitte niemand, der bei klarem Verstand ist.

Ich hab gelacht und meine Oma in den Arm genommen und ihr gesagt, dass sie sowas doch nicht sagen kann. Und sie hat erbost gesagt "Wieso? Der war ein ganz normaler Mensch." und wollte den Mann verteidigen. So war sie, meine kleine, dicke, (weiße,) diskriminierende Oma. Die hatte das Herz am richtigen Fleck. :)
 
Und würde Ioelet im Namen seiner weißen Freunde den politisch korrekten Scheißdreck dämpfen wollen,
Ich habe nichts "im Namen von" irgendwem sagen wollen. Ich fands nur etwas seltsam, dass es hier im Thread ein wenig so anklang, als seien alle Schwarze dazu verdammt ihr Leben lang Opfer zu sein, wenn nicht weiße Helden wie wir sie vor Pippi Langstrumpf bewahren - während meine Erfahrung sagt, dass es auch viele Schwarze gibt, die "Höhöhö, Mohrenkopf." kichern.

DIE sind halt eben nicht alle gleich.

War auch damals halt rassistisch, ist heute noch rassistisch, ist im Grunde nie ok gewesen, ist auch heute noch nicht ok und es zu verteidigen im Namen der Zensur, weil's "ja in dem Fall nicht so schlimm ist" ist rassistisch gedacht und auch gehandelt.
WTF???
Pippi Langstrumpf behandelt erstens nicht das Leben heutiger echter Schwarzer und zweitens hab ich das Buch nicht geschrieben.

Wenn ich sage:
"Gestern stand auf dem Flugblatt der NPD noch Neger drauf - heute zitiert die BILD das, schreibt aber, dort hätte Afrodeutscher gestanden. Die sollen gefälligst Neger schreiben, damit wir wissen, was da wirklich stand.",
dann soll ich mir bewusst sein, ich hätte rassistisch gedacht und/oder gehandelt?

Wenn ich sage:
"Pippi Langstrumpf erzählt nicht vom Zusammentreffen von Pippi und Martin Luther King, sondern Pippi im Zusammentreffen mit dem lebendig gewordenen schwedischen "Neger"-Klischee der 40er - und die Wortwahl unterstreicht das erstens, ist zweitens zeitlich authentisch und betont drittens beim Lesen direkt, dass an diesem Schwarzen-Bild aus heutiger Sicht etwas faul ist.",
dann steckt da mein unterschwelliger Rassismus dahinter?

Also verteidigt man die These dann sinnlos,
Hat alles seinen Sinn.
Das war eine Erkenntnis. Eine gute Erkenntnis. Sie hat mir das erzählt, weil sie es schön fand. Weil sie vorher mit Schwarzen keinerlei Kontakt hatte. Es war im Grunde unglaublich rassistisch. Aber meine Oma war keine Rassistin. Ist es deswegen weniger rassistisch gewesen? Ist es "schon ok", weil meine Oma ein Klassiker gewesen ist, aus einer Zeit stammend, wo es "schon ok gewesen ist, Neger nicht als normale Menschen zu sehen"? Das denkt doch bitte niemand, der bei klarem Verstand ist.
Doch, ich denk das.

Deine Oma stammte aus einer Zeit, in der sie ein anderes Bild vermittelt bekommen hatte. Sie hatte dieses Bild (vermutlich) bereits hinterfragt gehabt, konnte aber die Vermutung, Schwarze seien eben doch alle ganz normal, nie bestätigen, weil sie keinen kannte. Bei der ersten Gelegenheit einen besser kennen zu lernen, hat sie diese genutzt und sich darüber gefreut darin noch einmal bestätigt zu werden, dass mindestens schon einmal dieser Schwarze ein ganz normaler Mensch sei.

Ich hab nix gegen Menschen mit Vorurteilen.
Auch, die Aussage, das Schwarze nicht alle dumm sind und stinken, ist so lange subjektiv nichts anderes als ein Vorurteil, bis ich selbst Erfahrungen mit Schwarzen machen kann (wenn natürlich auch zufällig die objektive Wahrheit). Ich hab nur was gegen denkfaule Sturköpfe, die ihre Klischees festnageln, zur Wahrheit erklären, ihr Weltbild darauf aufbauen und dieses Weltbild als Basis ihrer Meinungen und Weisheiten verwenden, die sie dann wiederrum an die nächste Generation von Vollidioten weitergeben.

Ich hab gelacht und meine Oma in den Arm genommen und ihr gesagt, dass sie sowas doch nicht sagen kann. Und sie hat erbost gesagt "Wieso? Der war ein ganz normaler Mensch." und wollte den Mann verteidigen. So war sie, meine kleine, dicke, (weiße,) rassistische Oma. Die hatte das Herz am richtigen Fleck. :)
(y)
 
Vermutlich fällt es Weißen einfach bloß schwerer, mit der Tatsache klar zu kommen, dass sie ständig rassistisch denken und handeln.
Mit einer solchen Aussage wäre ich sehr vorsichtig. Heutzutage ist es gang und gäbe, dass heute starke Gruppierung, die einst in einer allgemein anerkannten Opferrolle waren, es gar nicht zulassen, dass die einstigen allgemein anerkannten Täter ihr heutig allgemein anerkanntes Fehlverhalten vernünftig aufarbeiten können UND damit sinnvoll abschließen dürfen, um gemeinsam neu anzufangen. Und das absurde ist noch, dass viele, die zur allgemeinen Gruppierung ehemaliger Täter gehören, das noch zusätzlich verhindern aus Angst, mit ihren (meist historischen) Vorgängern gleichgesetzt zu werden.

Da der Einzelne klare Abgrenzungen zu anderen Menschen braucht, um sich selbst definieren zu können, halte ich eine enge Auslegung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Toleranz, Akzeptanz und den ganzen anderen Schlagbegriffen für nicht förderlich in Diskussionen. Denn niemand kann solche engen Auslegungen erfüllen und somit ist jeder Diskussionsteilnehmer von vorneherein disqualifiziert, wenn es um solche Schlagwort-Themen geht. Aber solche Themen deshalb totzuschweigen oder mit "ihr könnt doch alle gar keine Ahnung haben, führt euch das mal vor Augen" ist sicherlich auch nicht richtig.

Sollen Bücher denn politisch und gesellschaftlich korrekt sein? Allgemein würden viele hier schreien, dass es das Vorrecht von Büchern ist, das eben nicht sein zu müssen. Dass man durch Prosa einer Gesellschaft auch politisch unkorrekt den Spiegel vorhalten kann (spontan fallen mir da "the Great Gatsby" und "Berlin Alexanderplatz" aus den 20gern ein) oder uns in Welten entführen können, deren Gesellschafsbild unserem so unähnlich-ähnlcih sein kann wie in Fantasy- oder Science-fiction-Literatur.
Und dann sollen Kinderbücher plötzlich doch weichgespült werden. Kinderbücher, mit denen wir, die wir uns tolerante Menschen schimpfen, erzogen wurden - oder etwa nicht? Oder ist das nur ein Aufschrei von Menschen, die zwar die Pippi Filme gesehen haben, aber niemals das Buch in der Hand hielten? Die, aufgrund der heutigen erziehungstechnischen Empfehlung, Kindern schon früh vorzulesen, verfrüht zu Kinderklassikern greifen, die sie nicht einmal kennen, und dann plötzlich die erschütternde Erkenntnis haben, dass die Bücher eben nicht weichgespült sind? Pippi Langstrumpf ist nunmal keine Prinzessin Lillifee, Ronja Räubertochter keine Emily Erdbeer, Bob der Baumeister kein Tom Sawyer und Thomas, die Lokomotive, ist kein Oliver Twist.
 
Den von aingeasil zitierten Satz finde ich auch krass problematisch. Das konsolidiert oder zumindest impliziert in gewisser Weise ein ethnisch gebundenes Gesamtverhalten und ist nicht minder rassistisch. Ich bin selbst "mixed-race", zähle aufgrund persönlicher Erfahrungen also in vielerlei Hinsicht zu den "Opfern", die hier angesprochen wurden und sehe darin etwas, das dezent übers Ziel hinausschlägt.

Zum Thema der Wortveränderung wurde meine Meinung schon ganz gut widergespiegelt: ich finde es sogar wichtig, dass die Werke unverändert bleiben und ich halte nicht einmal ein Vorwort für nötig: viel wichtiger ist es in meinen Augen, dass die Eltern, die das ihren Kindern vorlesen wollen, offen fürs Gespräch sind. In einem "wie soll ich das meinem Kind denn erklären?" steckt viel zu oft ein "oh Gott, dann muss ich mit meinem Balg ja reden!" drin, was deutlich problematischer ist, als dass Pippi Langstrumpf Prinzessin der Neger genannt wird. Die ganze Debatte um politische Korrektheit und ob oder ob nicht die Streichung solcher Wörter irgendeinen Nutzen verfolgt, ob und ob nicht "die Weißen" überhaupt berechtigt sind, das für "die Betroffenen" zu entscheiden lenkt für mich davon ab, dass es eigentlich ein ganz guter Moment wäre zu sagen: "Jaa, liebe Eltern. Dann nehmt das doch mal zum Anlass und reflektiert 1. besser darüber, was ihr euren Kindern wann zutraut und 2. ob eure Arbeit denn wirklich im reinen Vorlesen beendet ist."
 
aingeasil schrieb:
Mit einer solchen Aussage wäre ich sehr vorsichtig. Heutzutage ist es gang und gäbe, dass heute starke Gruppierung, die einst in einer allgemein anerkannten Opferrolle waren, es gar nicht zulassen, dass die einstigen allgemein anerkannten Täter ihr heutig allgemein anerkanntes Fehlverhalten vernünftig aufarbeiten können UND damit sinnvoll abschließen dürfen, um gemeinsam neu anzufangen.

QfT - der Zentralrat der Juden ist - übrigens als nahezu einzige religiöse Instanz hier in Deutschland - ständig von gefühlt irgendwie allem empört.
 
QfT - der Zentralrat der Juden ist - übrigens als nahezu einzige religiöse Instanz hier in Deutschland - ständig von gefühlt irgendwie allem empört.
Angesichts dessen, was unsere (Ur-)Großeltern-Generation mit deren (Ur-)Großeltern-Generation angestellt hatte, ist da eine gewisse Skepsis und Dünnhäutigkeit ja durchaus verständlich.

Und "pah, diese nachtragenden nervigen Juden übertreiben schon wieder", wie man es sinngemäß immer wieder zu hören bekommt, ist da mMn durchaus noch eine Stufe destruktiver als "wir waren böse, gebt ihnen alles was sie wollen". Bei den ganzen Rassismus-Debatten einen sensiblen, aber zugleich dennoch auch selbstbewussten* und konsequenten Mittelweg zu finden - damit tun sich viele sehr schwer.

Da wirkt der heutige verkrampfte Umgang mit Juden häufig eher wie ein Ablasshandel als wie ein offenes Miteinander im Bewusstsein einer schrecklichen Vergangenheit.

*("selbstbewusst" auch und vor allem im Sinne von "bewusst, was man selbst eigentlich denkt, will und tut")
 
Mit einer solchen Aussage wäre ich sehr vorsichtig. Heutzutage ist es gang und gäbe, dass heute starke Gruppierung, die einst in einer allgemein anerkannten Opferrolle waren, es gar nicht zulassen, dass die einstigen allgemein anerkannten Täter ihr heutig allgemein anerkanntes Fehlverhalten vernünftig aufarbeiten können UND damit sinnvoll abschließen dürfen, um gemeinsam neu anzufangen. Und das absurde ist noch, dass viele, die zur allgemeinen Gruppierung ehemaliger Täter gehören, das noch zusätzlich verhindern aus Angst, mit ihren (meist historischen) Vorgängern gleichgesetzt zu werden.

sage mal, willst du dir den gedanken nicht noch mal durch den kopf gehen lassen?
ich kann mir nicht helfen, aber für mich steht da das die (ehemaligen) opfer die (ehemaligen) täter daran hindern mit ihnen auf ein gleiches level zu kommen, bzw. "neu" anzufangen.

es fällt mir sehr schwer das nicht als täter/opfer umkehr zu lesen. zudem du implizierst das die (ehemals) betroffenen nun in der machtposition sind etwas garnicht erst zuzulassen.

wenn du magst würde ich gerne nochmal was dazu von dir lesen.

Den von aingeasil zitierten Satz finde ich auch krass problematisch. Das konsolidiert oder zumindest impliziert in gewisser Weise ein ethnisch gebundenes Gesamtverhalten und ist nicht minder rassistisch.

ich denke die frage wäre von was geredet wird. wird von benachteiligung geredet oder von privilegien. geht man davon aus (ich z.b. tuhe das) man als weisse person in diesem land vorteile davon hat weiss zu sein (also vor allem nicht "anders" zu sein), dann egibt sich also daraus etwas das alle weissen menschen hier gemein haben. das problem mit privilegien ist das weisse menschen sie meist nicht wahrnehmen - denn sie sind schon immer da, und es gibt nichts was man dafür getan haben müsste.
das mag bei den "hautfarbenen" pflaster anfangen die natürlich auf meinen hautton angestimmt sind und geht dahin das ich niemals gefahr laufen werde auf grund meiner hautfarbe bestimmte ethnisierte zuschreibungen (egal ob auf oder abwertend) erfahren werde obwohl ich das selbe tuhe, und ich kann mich somit überall mit der grösstmöglichen selbstverständlichkeit auhalten ohne je auf grund meiner hautfarbe aufzufallen.
das ist wie mit gehenden und rollstuhl fahrenden. was können die gehenden dafür das die bügersteige nicht flach sind? nichts, aber was soll denn schon auch dabei sein?
wobei der signifikannte unterschied der ist das rollstuhlfahrende tatsächlich andere bedürfniss haben als gehende. aber es geht bei dem beispiel ja auch um die wahrnehmung der eigenen lebensrealität und das sich diese für andere mitunter deutlich unterschiedet.

daraus ergibt sich für mich übrigens nicht anforderung zu helfen, sondern sich zu reflektieren und in ehrliche und ungeschönte dialoge über ausgrenzung und gewalt einzutreten. zuzuhören und zu lernen, auch wenn es manch mal weh tut.
 
Zurück
Oben Unten