Rund um Bücher "Sprachzensur" und Rassismus in Literatur und der Umgang damit.

Hab ich da eigentlich was falsches in Erinnerung, wenn ich mich zu erinnern meine, dass Pipi nicht nur "Negerkönig" und "Negerprinzessin" sagt, sondern diese Begriffe ihren Vater und sie selbst bezeichnen - die mal so ziemlich garnicht schwarz sind?

Ich mein:
Wenn man sich da über was aufregen muss, warum nicht über diese kolonialistische Arroganz mit der die zwei Weißen zum Adel der Südsee erhoben werden, oder?

Genau so einen Mist meinte ich, als ich oben schrieb, diese Zensoren wüssten nicht einmal, warum sie ein Wort stört. "Südseeprinzessin" ist in diesem Kontext doch kein bisschen weniger rassistisch.
 
es hat ja auch seinen grund warum ich kinder nicht jeden mist vorsetze, sondern kindgerechte medien verwende in denen es natürlich um probleme gehen darf, aber eben auch darum geht was so alles tolles geht. "pipi" darf ruhig eine echte heldin sein. es macht die figur nicht glaubwürdiger wenn sie "negerprinzessin" sagt, und damit ein fass aufmacht um das es in dem buch eigentlich garnicht geht. die soll das garnicht sagen (müssen) - weil die eben einfach toll sein soll und darf - so wie sie gedacht war.
Im Großen und Ganzen stimm ich dir ja zu.
Aber ehrlicherweise würde lieber ich als Vorleser die entsprechenden Stellen mit meinen Worten abmildern und meiner Tochter dann später die Möglichkeit geben, das so nachzulesen, wie es ursprünglich gedacht war, als im Zuge der "Aktualisierung des Bücher-Wortschatzes" eben nur noch bereinigte Ausgaben zu bekommen. Ich finde es beispielsweise überhaupt nicht verwerflich, wenn unsere Frau Schröder sagt, dass sie Kinderbücher so vorliest, wie sie es für kindgerecht hält und in diesem Zug auch Worte oder ganz Abschnitte weglässt.

Und ich finde es toll, dass du deinem Kleinen Pippi Langstrumpf vorliest. Aber ich denke halt auch, dass Kinder, wenn sie selbstständig lesen können, keine "artgerechten Worte" benötigen. Was man einem 5jährigen an Worten und deren Bedeutung noch zurecht vorenthalten möchte, das kann man einem 9jährigen durchaus nahebringen. Überall wird bemängelt, dass Kindern und Jugendlichen Sprachgefühl und Wortvielfalt fehlt - aber durch eine solche "Aktualisierung" des Wortschatzes wird eben dies noch forciert.
 
Heute gelesen. "Wichsen" wird auch ersetzt. Weil heute niemand mehr sagt "Schuhe wichsen" und das Wort nun mehrdeutig ist.

Der Satzbau von Schiller ist auch nicht aktuelle Grammatik, passen wir das auch an?
 
Ich sehe keine Geschädigten. Die Bücher gibt es seit Jahrzehnten, ohne dass sich jemand darüber aufgeregt hat. Warum sollte es da einen Geschädigten geben? Das sehe ich in unserer Gesellschaft auch als Problem: Es muss immer einen Schuldigen und einen Geschädigten geben - egal ob das sinnvoll ist oder nicht.


Hm..„Geschädigte“ gefällt mir als Begriff irgendwie auch nicht (mehr), da hast du Recht.

Es soll nicht an einem Begriff scheitern. Genauso gut hätte ich dich fragen können, welche Menschengruppe davon profitiert, wenn ein Klassiker wie „Der Herr der Ringe“ komplett in eine, sagen wir mal einfach „zeitgemäßere“ Sprache umgedichtet wird. Und welche Menschengruppe davon profitiert, wenn ein einzelnes, unzeitgemäßes Wort in einem Klassiker wie „Pippi Langstrumpf“ weggelassen würde.

Es gab laut Wikipedia im Jahr 2009 etwa 300.000 bis 800.000 Schwarze in Deutschland, 500.000 davon anscheinend mit deutscher Staatsbürgerschaft, 70.000 davon hier bei mir in Berlin, was zum damaligen Zeitpunkt bei 3,5 Millionen Menschen 2 % der gesamten Bevölkerungsdichte ausmacht. Zwei Prozent, also nicht besonders viele. Die fallen dramatisch auf.

In Deutschland schwarz zu sein bedeutet, schon auf einen halben Kilometer Entfernung als Mitglied dieser Menschengruppe erkannt zu werden. (Im Gegensatz zu den Homosexuellen, die zwar ebenfalls nicht unbedingt zahlenmäßig sind, aber zumindest den einen Vorteil haben, dass man ihnen nicht ansieht, dass sie homosexuell sind.) Es bedeutet, im Freundeskreis selbst einen ganzen Haufen Nichtschwarzer zu haben, wenn man sich nicht verstecken will. (Türken, Russen, Polen und selbstverständlich Deutsche können sich dahingehend den Luxus erlauben, zu klüngeln. Und sie haben eine größere Auswahl an potentiellen Freundschaften aus der gleichen Menschengruppe. Was mache ich denn als Schwarzer, wenn die drei anderen Schwarzen, die ich hier kenne, Idioten sind?) Es bedeutet auch, dass viele Menschen in Deutschland gar keinen persönlichen Kontakt zu dieser Menschengruppe haben, weil das statistisch gar nicht möglich ist. (Im Gegensatz zu den Frauen, die immerhin knapp 50 % der Bevölkerung ausmachen, und die zumindest einen ganzen Batzen Gleichgesinnter parat haben, bei denen sie sich auskotzen können. Und natürlich im Gegensatz zu uns Deutschen, die in Deutschland wohl kaum Probleme haben werden, Ohren zu finden, um sich über rassistischen Nazi-Bemerkungen aufzuregen, die ein derartig seltenes Event sind, dass wir nie müde werden, uns darüber lang und breit zu beschweren.)

In Deutschland schwarz zu sein bedeutet, ständig mit der eigenen Hautfarbe konfrontiert zu werden, ohne die geringste Möglichkeit, mal unterzutauchen. Man wird ständig von anderen Menschen angestarrt und „anders“ behandelt. Auch von russischen Frauen und homosexuellen Juden. Garantiert nicht von jedem, aber bei 98 % Nichtschwarzen recht vermutlich andauernd. Kinder reagieren aufgrund der Hautfarbe auf einen, wo sie von Frauen und Türken in Deutschland aufgrund der zahlenmäßigen Häufigkeit gar keine Notiz nehmen. Und man kennt zudem viel weniger Freunde im Bekanntenkreis, bei denen man sich mal schnell über diese Dinge austauschen kann, um sich Luft zu machen, die tatsächlich nachvollziehen können, was man überhaupt erlebt. Auch Frauen in Deutschland fragen sich, ob sie nun eine Absage für einen Job erhalten haben, weil sie nicht qualifiziert waren, oder weil sie diskriminiert wurden. Auch von den Arabern in Deutschland werden immer wieder mal routinemäßig die Taschen durchsucht. Aber sie haben Rückzugsmöglichkeiten, die einem Schwarzen in ganz vielen Fällen einfach verwehrt bleiben. (Und wie oben schon erwähnt, bedeutet „einen anderen Schwarzen kennenzulernen“ ja noch lange nicht, dass man mit dem persönlich überhaupt klar kommt.) Inder sind nicht besonders zahlenmäßig, und auch ziemlich dunkelhäutig, aber wer zur Hölle kennt denn eine abwertende Bezeichnung für einen Inder? Und wer zur Hölle druckst denn rum wie ein ritalierter Affe, wenn man in Deutschland mal das Wort „Inder“ aussprechen muss, wie es bei ganz vielen Deutschen der Fall ist, wenn man sie „Schwarzer“ sagen wollen, während einer im Raum ist? (Die Juden in Deutschland kennen das bestimmt auch ziemlich gut, das Phänomen...aber die sind in den meisten Fällen wenigstens weiß und erfahren vielleicht nicht so häufig das Gefühl, was verpasst zu haben, wenn sie in einen Raum kommen und plötzlich irgend jemand verstummt. Dafür hören sie sicherlich mehr Judenwitze, als ihnen lieb ist.) Und „die Asiaten“ sehen für uns Weiße in Deutschland wenigstens alle schon mal so gleich aus, dass die Häufigkeit ziemlich in die Höhe schießt, einen zu sehen. Da werden dann Thailänder, Chinesen, Japaner und Koreaner alle in einen Topf geworfen, was ein vollkommen anderes Fass aufreisst, aber zumindest starren deswegen vermutlich weniger Menschen in Deutschland Mandelaugen an, als sie es bei schwarzer Haut tun.*

Für die Schwarzen in Deutschland ist Diskriminierung, ob nun absichtlich oder unabsichtlich, also beileibe keine Angelegenheit, mit der sie keinen potentiellen täglichen Kontakt hätten und mit der sie in ganz vielen Fällen lernen mussten, alleine fertig zu werden. Wenn in einem schwedischen Kinderbuch in der deutschen Übersetzung von einem „Negerkönig“ die Rede ist, dann werden die sich wohl in vielen Fällen gar nicht so sehr nach außen hin darüber aufregen, wie die politisch korrekten und unglaublich weißen Vollidioten und Möchtegernhelden da draußen es tun.

Wenn aber selbst ein sympathischer deutscher Weißer wie du (oder ich, völlig Latte) schreibt, es gäbe bei dem Wort „Neger“ in „Pippi Langstrumpf“ gar keine Geschädigten und es müsse auch nicht immer einen Geschädigten geben und das wäre auch nicht immer sinnvoll, nach einem zu suchen und darüber zu sprechen, obwohl dieser deutsche Weiße in Deutschland nicht die geringste Vorstellung davon hat und auch gar nicht haben kann, was es bedeutet, ein Schwarzer in Deutschland zu sein, weil er so unglaublich weit weit weit weg von dieser Erfahrung ist, dass er, obgleich er beileibe kein Rassist ist und vielleicht selbst sogar schwarze Freunde hat, gedankenlos einen solchen Faux Pas rauszuballern in der Lage ist....dann sind wir an dem Punkt, an dem man sich als Schwarzer in Deutschland wirklich verloren vorkommt.

Das Wort "Neger" ist ein Auslöser, bei dem die weiße, nicht-rassistische Bevölkerung normalerweise laut aufschreien würde, aber in diesem Fall zu großen Teilen tatsächlich kein Problem darin sehen kann, dieses diskriminierende Wort im Buch stehen zu lassen, weil's "ein Klassiker ist", weil's "ja nichts an der Diskriminierung ändert, wenn es rausgenommen wird", weil's "ihnen auch nicht geschadet hat" und der größte Gag "WEIL MAN SICH DAMIT RUHIG AUSEINANDER SETZEN SOLL". Aha. Immerhin hat's uns soweit geschadet, dass wir - mich zu Beginn der Diskussion eingeschlossen -, in dieser speziellen Situation das Wort plötzlich nicht mehr als wirkliches Problem erkennen können. Und es hat scheinbar auch nicht dazu beigetragen, dass wir uns damit soweit auseinander setzen können, dass wir die Situation der Schwarzen lange genug wahrnehmen, um sie nicht mit einem ganzen Haufen anderer unabsichtlich der faschistisch-motivierten Buchverbrennung zu bezichtigen. Plötzlich scheint es so, als gäbe es diese alltägliche Diskriminierung nicht mehr. Für uns Weiße. Und dass wir das Feingefuehl fuer die Diskriminierung von Schwarzen an und abschalten können, weil wir selbst nicht betroffen sind, schmieren wir den Schwarzen damit nicht nur unbeabsichtigt daumendick aufs Brot, wir erwarten auch noch von ihnen, das auch zu können.

*Ein (weißer) Freund von mir erzählte mir unlängst eine Geschichte, bei der ein schwarzer Freund von ihm ständig von einem koreanischen Freund am krausen Haar betatscht wurde, weil er das, so wörtlich, "total cool" fand. Daraufhin machte ihn mein Freund darauf aufmerksam, dass der schwarze Freund ihm ja seinerseits auch nicht ständig an den Augen rumfingert und er sich gerade wie ein Trottel aufführt. Wieviele von uns wollten schon mal krauses, schwarzes Haar anfassen oder haben es getan und fanden es cool? Ich zum Beispiel. Auf die Idee, an Mandelaugen rumzuspielen, bin ich eigentlich noch nie gekommen. Eine drollige Geschichte. :D
 
Das ist ganz klar eine Nebenwirkung der Globalisierung.

Es gibt tatsächlich Leute, die sich zu Recht darüber beschweren, denn obwohl es eine höchst problematsiche Sache ist, bleibt es halt Diskriminierung. Dies sind allerdings alles alte Differenzen, die durch internationale Zusammenarbeit noch nicht beseitigt werden konnten und es, wenn wir Pech haben, nie werden. Als Beispiel könnte man anführen, dass das Wort "Eskimo", trotz seiner diskriminierenden Bedeutung immer noch in unserem Sprachgebrauch verankert ist. Okay, die Inuit werden icht ständig damit konfrontiert, was auch gut so ist. Ich will damit nur sagen: In ALLEN Kulturkreisen ist einne uralte, oft grundlose Fremdenfeindlichkeit vorhanden, die sich nicht von heute auf morgen verändern lässt. Leidtragende sind die, die in Ländern leben, wo sie aufgrund ihres Aussehens etc. diese Abneigung subtil oder offen zu spüren bekommen (Ein Mitteleuropäer hätte in China auch seine liebe Not mit der Tatsache, "Langnase" zu sein). Durch die Globalisierung haben sich sehr schnell die meisten Kulturen in große Hexenkessel werfen lassen. Da stoßen alle alten Vorurteile ungebremst aufeinander.

Dass sich Leute in Deutschland tatsächlich durch die Wortwahl in Kinderbüchern verletzt fühlen, zeigt vor allem, dass sie, wie Jack das eindrucksvoll beschrieben hat, nicht unbedingt so angenommen sind wie andere Minderheiten. Das heißt, wir stehen auch mehr oder weniger in der Pflicht, ihnen zu helfen, da sie schließlich ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Andererseits haben wir ja auch das Recht, unsere eigene Kultur zu schützen, die durch die aufgebauschte Debatte durch den Dreck gezogen wird, und das nicht etwa von den Betroffenen, sondern noch viel mehr von selbsternannte Altruisten und Moralaposteln. Wenn man die genannten Bücher nun nachträglich zensiert, und dies immer weiter betrieben wird, so werden ALLE, nicht nur die deutschen, Kulturgüter mit der Zeit abgestumpft und vereinheitlicht, was dem Konzept der kulturellen Vielfalt widerspricht.
Auch Leute wie der mittlerweile in die Jahre gekommene Otfried Preußler tun mir Leid: Als die "kleine Hexe" verfasst wurde, war die Wortwahl noch recht unbedenklich. Jetzt kann man ihre Schwächen zwar einsehen, aber dem Autoren bleibt keine Wahl, als die Werke, für die er alle Urheberrechte etc. besitzt, umschreiben zu lassen: Denn die Alternative wäre, bei SEINER EIGENEN Version zu bleiben und durch die Medien Schläge zu kassieren.

Ich halte es für durchaus in Ordnung, wenn "korrekte" Ausgaben der "kritischen" Bücher aufgelegt werden, aber sie dürfen NIEMALS die Originale ersetzen.
 
Ich halte es für durchaus in Ordnung, wenn "korrekte" Ausgaben der "kritischen" Bücher aufgelegt werden, aber sie dürfen NIEMALS die Originale ersetzen.
Und eben das wird passieren. Heutzutage findet man beispielsweise keine ungekürzte Fassung von "Sarah, die kleine Prinzessin" mehr in deutschen Buchläden. Hier steht es auch im Buch, dass diesen "leicht gekürzt" ist. Es ist verdammt schwer, die Originalübersetzung von "Herr der Ringe" oder "der Kleine Hobbit" zu finden. Afaik liegt das daran, dass es sich nicht lohne, eine kleine Originalaufage im Druck zu behalten.
Und hier ging es nicht um einzelne mittlerweile kritisch gesehene Worte.

Ich zweifle übrigens daran, dass die Verlage die entsprechenden Bevölkerungsgruppen befragt haben, was sie von den Originalen halten.
 
Ich auch.

Hinter den Änderungen werden (vermutlich) zwei Gründe stehen: Der Wunsch, "politisch korrekt" zu sein, und die Erkenntnis, dass man den Verkauf nochmal ankurbeln kann, wenn man die überarbeiteten Versionen an "politisch korrekte (weiße)" Menschen verkauft. Die einzige in meinen Augen akzeptable Motivation, diese Änderungen vorzunehmen - nämlich diesen Menschengruppen das Gefühl zu geben, Teil der Gesellschaft zu sein -, wird dabei ironischerweise gar nicht berücksichtigt. Und sobald Geld im Spiel ist, brechen die Dämme guter Vorsätze ohnehin (in der Regel).

Diese Worte stehen in den Büchern drin. Der Zigeunerjunge ist bereits in den Brunnen gefallen. Es wäre ein Kompromiss gewesen, im Vorwort deutlich zu machen, dass man heute nicht mehr so spricht, dass man damals so gesprochen hat, dass die Begriffe in den allermeisten Fällen von Unwissenheit und Furcht geprägt waren - weniger von Bosheit -, und man dies heute gemeinhin aufgeklärter wahrnimmt. Man hätte in Deutschland (!) noch die Vergangenheit mit einbeziehen und schreiben können, dass man die Worte eigentlich komplett entfernen müsste, aber aufgrund der nationalsozialistischen Geschichte Skrupel besitzt, mit dem geschriebenen Wort derartig zensierend zu verfahren. Es wäre ein Zeichen gesetzt worden, man gestehe sich ein, dass die damalige Furcht und Unwissenheit oft naiv oder einfach dumm gewesen ist, aber dass man gleichzeitig auch zur eigenen Vergangenheit stehen muss/will und die Erkenntnis getroffen hat, man könne solche Dinge nicht einfach dadurch ungeschehen machen kann, in dem man sie "mit Stumpf und Stil ausreißt". Eine kurze Entschuldigung also, ein wenig Einsicht, um mehr geht es doch gar nicht. Und man hätte das eigene Stigma (die deutsche Geschichte) einfach nutzen können, um die sensible Balance zwischen Akzeptanz der Vergangenheit auf der einen Seite und der gewonnenen Erkenntnis auf der anderen Seite deutlich zu machen. Ich glaube kaum, dass irgendein aufgeklärter Mensch aus einer der betroffenen Völkergruppen das Päckchen aus nationalsozialistischer Schuld belächeln würde, dass die Deutschen tragen, und trotz eines solchen offenen Zwiespalts erwarten würde, dass wir "mal in die Gänge kommen sollen, Bücher zu zensieren". Da dürfen wir nämlich auch mal "Ihr habt doch keine Ahnung davon." sagen. Denn das hat man als Nichtdeutscher tatsächlich nicht.

Aber gut, die Worte werden lieber komplett geändert, weil wir einen Haufen von politisch korrekten Menschen haben, die glauben, es mache einen Unterschied, ob man auf einen Schwarzen zeigt und "Neger" ruft, oder ob man stets betreten zur Seite schaut, sobald ein Schwarzer in die U-Bahn einsteigt, um "dem Neger" nicht das Gefühl zu geben, dass er Aussenseiter ist. (Was wir dadurch selbstverständlich ja trotzdem tun, wir machen es nur "höflicher". Politisch korrekt, eben.)

Political Correctness ist ein künstlich errichteter Zoo, in dem sich die (weißen) Menschen gefährdete Tierarten anschauen können, an deren Situation sie selbst Schuld sind, wo sie sich aber auf die Schulter klopfen können, weil sie meinen, durch "artgerechte Haltung" was zur Rettung der Fauna beigetragen zu haben.
 
Das heißt, wir stehen auch mehr oder weniger in der Pflicht, ihnen zu helfen, da sie schließlich ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind.

ich habe zustimmung für deinen post, aber der punkt mit dem "helfen" hat etwas sehr paternalistisches, und liest sich für mich in etwa so das rassismus ein problem der davon betroffenen ist (a.k.a. sie sind das problem). - auch wenn ich nicht glaube das das deine intention war.
ich denke in dem fall ist es eher angebracht sich mal an ihre eigene (weisse) nase fassen und sich zu überlegen von welchen privilegien man profitiert ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, was es auch heisst ohne diese privilegien hier zu leben und wie diese alltagsprivilegien aufrecht erhalten werden.

Denn die Alternative wäre, bei SEINER EIGENEN Version zu bleiben und durch die Medien Schläge zu kassieren.

naja, diverse grosse zeigungen haben sich gegen eine änderung ausgesprochen (ich weiss es von Der Welt und der FAZ). und da das öffentliche feedback (wie auch hier) oft ein eher ablehnendes ist, kann man vielleicht von einem umstrittenen thema reden, aber wohl kaum von möglichen "schlägen" durch die medien.
 
Ich hab mir noch nie soviele Gedanken über die Situationen der Schwarzen in Deutschland gemacht, um ehrlich zu sein. Mir tut seit Tagen deswegen das Gehirn weh.

Für mich und meine Einstellung hat sich der Thread jedenfalls schon dick gelohnt.
 
Stan: "Token, ich kapier's jetzt. Ich kapier's nicht. Ich dachte, ich würde verstehen, wie du dich fühlst, aber ich werde es nie verstehen. Ich werde es nie kapieren, was ein Schwarzer dabei empfindet, wenn jemand das Wort mit N ausspricht. Ich kapier's nicht."
Token: "Jetzt hast du's kapiert. Danke, Alter."

Super. ^^
 
Ich habe mich jetzt auch noch einmal ein wenig damit beschäftigt und noch über die beiden Bücher nachgedacht... mal primär von political correctness her:

Pippi Langstrumpf (ich beziehe mich jetzt mal auf die Filme - die Bücher hab ich nie gelesen) handelt von einem durch und durch anarchistischen Mädchen, dass in einer strengen Spießerwelt, in einer Zeit als Kinder zu gehorchen und funktionieren hatten, mit einem guten Herzen sämtliche Regeln bricht, Autoritäten in Frage stellt und sich mit seltsamen Typen abgibt.
Die hat sich mal nebenbei den Schulstoff (vor allem Rechnen) zu umgeändert, wiedewiedewie er ihr gefällt, hatte allein in einem großen Haus gelebt, während ihr Vater die Welt bereiste, ihre größte Fähigkeit ist ihre enorme physische Stärke. Sie hat sich mit den Lehrern angelegt und Ärzte verarscht. Exotisches und Fremdes war für sie nicht abschreckend, sondern sie wollte mit Begeisterung Piratin und Negerprinzessin sein und hatte Unmengen von fremdartig klingender Namen.

Aus rein heutiger Sicht, klingt das nach keinem Buch, das man HEUTE schreiben würde. Seit der Pisa-Studie wäre Pippis Mathematik-Einstellung eher bedenklich als komisch, die Respektlosigkeit gegenüber Lehrer traurige Realität, ihre körperliche Stärke gepaart mit ihrem respektlosen Auftreten gegenüber Erwachsenen besorgniserregend.
Dass sie sich mit Schwarzen abgibt, wäre heut keine Besondereit.
Ihr Vater ist ein krimineller Herumtreiber, der seine Tochter im Stich lässt.

Jetzt mal im Ernst: Pippi Langstrumpf nach Gesichtspunkten der PC zu betrachten ist doch wohl so ziemlich absurdeste Überhaupt.
"Pippi, sag mal - findest du es nicht unpassen "Neger" zu sagen? Unsere Lehrerin sagte, dass dürfe man nicht."
"Nein, wieso denn Annika - ich möchte so dunkel sein, wie es nur geht. So schwarz wie die Menschen in Taka Tuka Land und über und über behängt mit Schmuck."
"Aber, Pippi..."
"TORTENSCHLACHT!!!"

Pippi Langstrumpf IST völlig veraltet. Genauso wie Grimms Märchen völlig veraltet sind. Pippi spielt in einem Land, vor unserer Zeit. In einer Welt, als alles Fremde seltsam war. Die Thematisierung der Südseebewohner von Taka-Tuka-Land (!) in dem Buch ist völlig veraltet und klischeeüberladen. Pippi bildet den Kontrast zur xenophoben Welt indem sie sich voller Neugier und Begeisterung auf dieses Fremde stürzt. Da dann an der "Negerprinzessin" rumzuwurschteln, sich den Staub abzuklopfen und zu sagen "Vorher wars rassistisch - jetzt nicht mehr." ist völlig behämmert.
 
Die kleine Hexe:
Ich hatte eine Stelle mit den "Zigeunern" "Negerlein" in einem Artikel im Web nochmal gelesen. Der Kontext ist, dass die kleine Hexe einige "Negerlein" auf der Straße sieht - außerdem Eskimos, Chinesen und eben auch Zigeuner. Darauf stellt sie die Frage, ob denn der Zirkus in der Stadt sei.

Jetzt mal ernsthaft: Ja, das klingt hammer-rassistisch, wenn ich das heute auf der Straße sage, aber im zeitlichen Kontext der kleinen Hexe, ist das doch eine völlig verständliche Frage, oder?

Nein, es war kein Zirkus, sondern Fasching - die Kinder hatten sich nur verkleidet.

Verdammte Rassistenkinder? Nein: Kinder, die fasziniert von der Vielfalt der Welt sind.
Kinder aus einem Land, vor unserer Zeit.

Auch vor meiner Zeit. Pippi und die kleine Hexe waren bereits alt, als ich noch jung war - und ebensowenig, wie mich Grimms Märchen zu einem Anhänger der Monarchie machte, hatte ich als Kind Taka-Tuka-Land für DAS Beispiel echter schwarzer Menschen gehalten.
 
ähm, könnte es sein das du gerade nicht so "drin" bist in der kinderbuch szene?
ich versichere dir das es da durchaus angebote mit sehr starken und unangepassten kinderfiguren gibt. gerade erst gelesen "Prinzessin Rosamund, die Starke". und egal ob filme, bücher oder theaterstücke.
 
ähm, könnte es sein das du gerade nicht so "drin" bist in der kinderbuch szene?
ich versichere dir das es da durchaus angebote mit sehr starken und unangepassten kinderfiguren gibt. gerade erst gelesen "Prinzessin Rosamund, die Starke". und egal ob filme, bücher oder theaterstücke.
"Weil König und Königin einen Krieg nach dem anderen verloren haben und auch sonst von nichts eine Ahnung haben, leben sie nun in einem schäbigen Wohnwagen am Rande des finsteren Waldes."
Naja
1. klingt das jetzt auch nicht gerade nach unserer realen Welt
2. klingt es aber recht flapsig-modern - und "Neger" wird da sicher nicht gesagt, oder?

Ich verstehe deine Aussage nicht. Ich sage doch nur, das Pippi ihre Wirkung damals in einem anderen Kontext hatte - und die ganze Welt von Pippi sich eben auch in der Wortwahl der Bücher wiederspiegelt. Pippi lebt in einer Welt mit "Negern" und "Zigeunern".

Was ich sagen will:
Pippi hat heutzutage doch OFFENSICHTLICH nicht ansatzweise mehr den Anspruch, die Lebensrealität der Kinder wiederzuspiegeln. Klar sind da immer noch Thematiken drin, die Kinder aus ihrem Leben kennen, aber dass das in einer vergangenen Zeit spielt, merkt man doch, oder?
 
je nach alter hat sie natürlich den aktuellen anspruch für die kinder. kleine kinder sind Pipi Langstrumpf. ich kenne nicht wenige die sich pipi genannt haben (neben katze, prinzessin und bauarbeiter_in). da ist pipi dann absolut im hier und jetzt - eine entsprechende intellektuelle transformation wäre da auch gar nicht erwünscht.
für 10 jährige ist das anders, aber die stehen da auch schon nicht mehr wirklich drauf.
 
Aber genauso wie sie nicht wirklich Prinzessin von Berlin sein wollen, sondern vom Märchenland, sind sie eben auch die Negerprinzessin von Taka-Tuka-Land und nicht die Südseeprinzessin von Papua-Neuguinea.

Die modernisierte Sprache soll hier eine zeitgemäße political correctness schaffen, dabei ist die einzige Möglichkeit für mich aus heutiger Sicht diese arrogante Kolonialisierungsgeschichte vom weißen Seeräuberhauptmann, der von primitiven schwarzen Eingeborenen zum König ernannt wird zu ertragen (bzw. sogar fröhlich-grinsend zu genießen), eben die dass ich weiß, dass das kein reales zeitgemäßes Bild transportieren soll.

In einer Welt, in der "Negerprinzessin" einen exotisch-stimmungsvollen Klang transportiert, kann Pippi Thommie und Annika im Peter-Pan-Stil zu Abenteuern in der exotischen weiten Welt entführen. In einer Welt hingegen, wo aufgrund der PC auf diesen Begriff verzichtet wird, ist diese ganze Geschichte völlig daneben.

Der "Neger" in Pippi Langstrumpf ist ein exotischer edler Wilder - diese nicht mehr zeitgemäße Weltsicht wird durch das nicht mehr zeitgemäße Wort perfekt wiedergegeben.

Ich finde es weit weniger problematisch, wenn sich ein Kind als "Indianer" verkleidet und dümmliche Western-Indianer-Klischees bedient, als wenn es das tut und sich selbst als "amerikanischer Ureinwohner" bezeichnet.

Anmerkung, weil ich jetzt verstanden habe, worauf sich Ascasos Einwand mit der starken Prinzessin bezog:
Ich hatte mich wohl missverständlich ausgedrückt. Solch rebellische Charaktere wie Pippi sind sicherlich immer zeitgemäß. Aber sie rebellieren eben je nach Zeit und Umständen anders und gegen etwas anderes. Und sie sagen heute eben nicht mehr "Neger" - und das ist auch richtig so.
In Pippis Kontext hingegen, hat das seinen Grund.
 
ich glaube es geht nicht um politische korrektheit wenn man auf das wort "neger" in alten kinderbüchern verzichtet, sondern einfach mal wirklich darum die fortlaufende beleidigung und gewalt gegen people of color zu beenden.

aber ich kann die kritik des weissen kollonialismus sehr gut verstehen. mein schönstes beispiel dafür ist immer "wo die wilden kerle wohnen", ein weiterer klassiker der aber in diesem punkt so alles andere als ohne ist.

im falle von pipi gibt es zumindest in den filmen keinerlei schwarze menschen. das ist zwar wieder ein anderer punkt, aber es schwächt zumindest die ganze südsee-kolonial frage wieder etwas ab.

aber es ist schwer. man muss sich halt überlegen was man kindern vorsetzen will und auch selber kann. natürlich möchte ich das sie sich in der fantasie als grosse entdecker fühlen dürfen, und weiss aber gleichzeitig um die schwierigkeit dieser bilder in einem weissen kontext. meine persönliche strategie "dagegen" ist diversität. ich versuche viele perspektiven zu zeigen, in der so ein fall dann eben "nur" einer unter vielen anderen ist.

und ich kann verstehen wenn du sagst das ein wort wie "neger" bei pipi so etwas wie eine "daseinberechtigung" hat. für mich geht das, aber für meine kids ist das das jetzt und sie haben dabei nicht meinen hintergrund - zumindest noch nicht.
 
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