Ioelet
I am Iron Man!
- Registriert
- 10. Oktober 2009
- Beiträge
- 5.506
Ich hatte zwischen Weihnachten und Silvester ein nettes Abendessen bei einem älteren Ehepaar. Der Mann, bereits über 80, hatte währenddessen u.a. von einer Hochzeitsfeier erzählt auf der sie gewesen waren. Eine Hochzeit zwischen zwei Männern.
Mit etwas verlegenem Gesichtsausdruck hatte er mir gegenüber später angemerkt, dass ihn das früher sicherlich einmal gestört hätte - damals, direkt nach dem Krieg, dessen Folgen seine Familie hart getroffen hatten, meinte er hätten sich die Leute (und eben auch er selbst) so sehr an die wenigen Dinge geklammert, die konstant geblieben waren, dass sie so etwas ungewöhnliches einfach nicht akzeptieren wollten. Er hatte hinzugefügt, dass er heute garnicht mehr wirklich begreifen könne, wie er damals das so ablehnen konnte, da er längst begriffen habe, wie normal und schön das doch sei, wenn sich zwei Menschen finden - ungeachtet des Geschlechts.
Ich fand das saustark, wie er das so ausgesprochen hatte.
Und hätte er dies im Beisein eines Schwulen gesagt, hätte ich diese ehrlichen Worte sogar NOCH beeindruckender gefunden.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die mit ihrer Vergangenheit genauso umgeht. Offen, ehrlich und selbstkritisch.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die klar und deutlich sagt:
"In den 40ern herrschte in Europa ein Schwarzen-Klischee vor, das aus heutiger Sicht dämlich ist. Das Verhalten der weißen Bevölkerung war damals zu einem großen Teil völlig respektlos. Die Sprache, die damals verwendet wurde, ist gerade jene, die wir heute als rassistisch bezeichnen, und vermeiden da sie Assoziationen mit der damals vorherrschenden Einstellungen weckt. Ja, in den 40ern war ein rassistisches Schwarzen-Bild SO üblich, dass selbst Pippi Langstrumpf, die sich in ihrer Zeit für einen neugierigen, offenen Umgang mit Schwarzen einsetzte, heute wie ein rassistisches Relikt wirkt.
Diese Vergangenheit ist real. Wir haben sie in Büchern dokumentiert, die überall erhältlich sind. Zu dieser Wahrheit, zu diesen Fehlern stehen wir.
Heute schreiben wir andere Bücher."
... und nicht:
"Aaaaaaaach, die Pippi hatte doch nie was böses sagen wollen - ersetzen wir doch einfach "Neger" durch Südsee, dann ist die heile Welt der 40er wieder hergestellt."
Gerade wenn man bedenkt, dass das ganze Taka-Tuka-Land dringeblieben ist und man nur an der Fassade rumgewerkelt hat, finde ich das nicht nur unnötig oder übertrieben - nein, ich finde es ziemlich ekelhaft.
Die Neger-Klischees bleiben erhalten... nur der Begriff ändert sich. Nächstes Jahr bringen wir das Buch nochmal raus und schreiben scheinheilig "maximalpigmentierte".
Die Vergangenheit WAR rassistisch. Die kleinbürgerliche Spießerwelt gegen die sich Pippi auflehnt war erst recht rassistisch. Pippi verwendet den Wortschatz ihrer Zeit, in einem Handlungskontext, der für das Bild dieser Zeit revolutionär ist (ihr weißer Vater herrscht nicht als Plantagenbesitze oder Präsident über die Neger, nein, er sieht sich selbst als "Negerkönig"; Pippi ist nicht schockiert, sondern begeistert von der abenteuerlichen Fremdartigkeit der Neger).
Je mehr ich jetzt hier diskutiert habe, desto mehr wurde mir bewusst, WIE klasse ich es finde, wie sich Pippi dort angesichts der ganzen Vorurteile um sich herum verhält. Wie aufgeschlossen, begeistert und positiv sie mit dem Bild vom primitiven Insel-Neger umgeht.
Pippi Langstrumpf beschreibt einen Zwischenschritt vom alten Rassismus zum offenen respektvollen Umgang mit Schwarzen. Und da es nur ein Zwischenschritt war, liest man dort eben auch noch viele Fehler heraus.
Eine Pippi Langstrumpf, die modern geschrieben ist, aber dennoch das selbe Weltbild hat, wirkt hingegen wie eine dumme weltfremde rassistische Nervensäge.
Entweder interpretiert man sie als Kind des 21. Jhdts und verurteilt ihre ganze Weltsicht als veraltet und rassistisch oder man sieht sie als das Kind der 40er, das sie ursprüglich war (und im Originalwerk auch immer bleiben wird), das das Weltbild der 40er mit Begeisterung und Leidenschaft sprengt.
Wollen wir dazu stehen, dass wir diese Sprengung dringend nötig hatten, oder lieber so tun als sei die Welt schon immer so gewesen, wie sie heute ist?
Wollen wir wirklich ein altes Buch einfach umschreiben, nur weil uns heute nicht mehr gefällt was darin steht?
Mit etwas verlegenem Gesichtsausdruck hatte er mir gegenüber später angemerkt, dass ihn das früher sicherlich einmal gestört hätte - damals, direkt nach dem Krieg, dessen Folgen seine Familie hart getroffen hatten, meinte er hätten sich die Leute (und eben auch er selbst) so sehr an die wenigen Dinge geklammert, die konstant geblieben waren, dass sie so etwas ungewöhnliches einfach nicht akzeptieren wollten. Er hatte hinzugefügt, dass er heute garnicht mehr wirklich begreifen könne, wie er damals das so ablehnen konnte, da er längst begriffen habe, wie normal und schön das doch sei, wenn sich zwei Menschen finden - ungeachtet des Geschlechts.
Ich fand das saustark, wie er das so ausgesprochen hatte.
Und hätte er dies im Beisein eines Schwulen gesagt, hätte ich diese ehrlichen Worte sogar NOCH beeindruckender gefunden.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die mit ihrer Vergangenheit genauso umgeht. Offen, ehrlich und selbstkritisch.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die klar und deutlich sagt:
"In den 40ern herrschte in Europa ein Schwarzen-Klischee vor, das aus heutiger Sicht dämlich ist. Das Verhalten der weißen Bevölkerung war damals zu einem großen Teil völlig respektlos. Die Sprache, die damals verwendet wurde, ist gerade jene, die wir heute als rassistisch bezeichnen, und vermeiden da sie Assoziationen mit der damals vorherrschenden Einstellungen weckt. Ja, in den 40ern war ein rassistisches Schwarzen-Bild SO üblich, dass selbst Pippi Langstrumpf, die sich in ihrer Zeit für einen neugierigen, offenen Umgang mit Schwarzen einsetzte, heute wie ein rassistisches Relikt wirkt.
Diese Vergangenheit ist real. Wir haben sie in Büchern dokumentiert, die überall erhältlich sind. Zu dieser Wahrheit, zu diesen Fehlern stehen wir.
Heute schreiben wir andere Bücher."
... und nicht:
"Aaaaaaaach, die Pippi hatte doch nie was böses sagen wollen - ersetzen wir doch einfach "Neger" durch Südsee, dann ist die heile Welt der 40er wieder hergestellt."
Gerade wenn man bedenkt, dass das ganze Taka-Tuka-Land dringeblieben ist und man nur an der Fassade rumgewerkelt hat, finde ich das nicht nur unnötig oder übertrieben - nein, ich finde es ziemlich ekelhaft.
Die Neger-Klischees bleiben erhalten... nur der Begriff ändert sich. Nächstes Jahr bringen wir das Buch nochmal raus und schreiben scheinheilig "maximalpigmentierte".
Die Vergangenheit WAR rassistisch. Die kleinbürgerliche Spießerwelt gegen die sich Pippi auflehnt war erst recht rassistisch. Pippi verwendet den Wortschatz ihrer Zeit, in einem Handlungskontext, der für das Bild dieser Zeit revolutionär ist (ihr weißer Vater herrscht nicht als Plantagenbesitze oder Präsident über die Neger, nein, er sieht sich selbst als "Negerkönig"; Pippi ist nicht schockiert, sondern begeistert von der abenteuerlichen Fremdartigkeit der Neger).
Je mehr ich jetzt hier diskutiert habe, desto mehr wurde mir bewusst, WIE klasse ich es finde, wie sich Pippi dort angesichts der ganzen Vorurteile um sich herum verhält. Wie aufgeschlossen, begeistert und positiv sie mit dem Bild vom primitiven Insel-Neger umgeht.
Pippi Langstrumpf beschreibt einen Zwischenschritt vom alten Rassismus zum offenen respektvollen Umgang mit Schwarzen. Und da es nur ein Zwischenschritt war, liest man dort eben auch noch viele Fehler heraus.
Eine Pippi Langstrumpf, die modern geschrieben ist, aber dennoch das selbe Weltbild hat, wirkt hingegen wie eine dumme weltfremde rassistische Nervensäge.
Entweder interpretiert man sie als Kind des 21. Jhdts und verurteilt ihre ganze Weltsicht als veraltet und rassistisch oder man sieht sie als das Kind der 40er, das sie ursprüglich war (und im Originalwerk auch immer bleiben wird), das das Weltbild der 40er mit Begeisterung und Leidenschaft sprengt.
Wollen wir dazu stehen, dass wir diese Sprengung dringend nötig hatten, oder lieber so tun als sei die Welt schon immer so gewesen, wie sie heute ist?
Wollen wir wirklich ein altes Buch einfach umschreiben, nur weil uns heute nicht mehr gefällt was darin steht?