Löwenclub Rollenspiel im Wandel der Zeiten

Dies Thema ist aus dem ehemalien Löwnclub veröffentlicht worden.
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Seht ihr - deswegen hat mein Erstlings-Abenteuer für labyrinth Lord auch eine deutliche Portion Augenzwinkern gehabt.

Bei den Franzosen fällt mir auch immer ihr sehr passendes und stylisches Layout auf - da können sie wirlich was. (Ebenso wie der absolut geniale Einsatz von Musik in ihren Filmen.)
 
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Zusätzlich zu der Spaltung in eine DSA vs. D&D-Szene (und im allerweitesten Sinne Konsumenten vs. Bastler) vollzog sich In den Achtzigern noch ein weiteres Schisma - Original vs. Übersetzung (was von Zornhau auch gerade im Thread Verfügbare deutsche Systeme in den 80ern? thematisiert wurde.).

Das deutsche D&D kämpfte an zwei Fronten; an der einen Seite musste sich ein ausländisches und vermeintlich niedere Instinkte bedienendes System gegen einen patriotischen und stimmungsvolleren Eigenbau behaupten, während auf der anderen Seite die Alten Hasen und Sprachgewandten die Originalversion schon aus Prinzip bevorzugten.
Letzteres ist ein Phänomen, unter dem später auch andere Rollenspiele - SR, ED, V:TM - zu leiden hatten und das auch in der Comic-, Buch-, TV- und Film-Landschaft zu finden ist. Es ist mir schleierhaft, welcher Grad der Hubris vorherrschen muss, wenn man sich nach drei Jahren Englisch-Leistungskurs berufen fühlt, eine professionelle Übersetzung beurteilen zu können -- was sich dann meist auch auf Sätze wie "Waterdeep, Candlekeep oder Bartertown klingen einfach cooler als Tiefwasser, Kerzenburg und Märkteburg" reduziert. Ist schon recht...
Und in einem ganz eigenen Elfenbeinturm waren jene, die über den ganzen D&D-DSA-Konflikt nur den Kopf schütteln konnten, weil sie Systeme spielten, die es nur in ihrer Ursprungssprache gab - allen voran RuneQuest, aber auch Harnmaster, diverse FGU-Spiele, Man Myth and Magic, Palladium Fantasy und Midgard!

Die Englischkundigen waren aber in der Frühzeit auch in der Überzahl. Die Regale der Spieleläden und die Versandkataloge waren übervoll mit englischen Büchern (es gab ja auch kaum etwas auf Deutsch), und das Zeug wurde gekauft! Neue AD&D Hardbacks gingen wie geschnitten Brot, der Dragon stand als Stapel an der Kasse, und Tom Loock hat in seinem Kataloock einmal geschätzt, dass 1985 allein in Deutschland monatlich 500 White Dwarfs verkauft wurden.
Es war normal, etwas Englisches zu kaufen und zu konsumieren.

Der Erfolg der beiden deutschen Einsteigerspiele (D&D und DSA) hat es dann langsam zum Kippen gebracht. Bis Mitte der Neunziger hat es sich eingestellt, dass sich in den Läden deutsche SR-Sachen leicht besser verkauften als die FASA-Originale. Bis Ende der Neunziger war das Dragon-Magazin so bedeutungslos geworden, dass wir es gar nicht mehr für die Ladenauslage bestellten, sondern nur noch für Abonnenten. Es war zu oft liegen geblieben. (3.0 hat dann auch diese Abonnentenzahl sinken lassen...)

Ab 2000 war die Situation so, dass Läden, bei denen keine beinharten Rollenspielfans an den Kassen saßen, ihr Sortiment bis auf die deutschen Linien Vampire, D&D, DSA, SR und vielleicht noch Midgard eindampften. Die Drehzahlen der englischen Sachen waren einfach zu schlecht; keiner konnte es sich leisten, das Kapital zu binden auf die Hoffnung hin, dass irgendwann mal jemand ein Tribe 8 oder ein Wraith kaufen wollte.
Natürlich gibt es heute noch Läden, die sich als Vollsortimenter verstehen, aber die haben (hoffentlich) ihre Kundschaft entsprechend erzogen und kultiviert. Das ist Arbeit.

Wenn wir heute an der aktuellen D&D4-Situation sehen, dass sich die deutsche Version schlechter verkauft als das (extrem preiswerte) Original, dann ist das eigentlich ein Warnzeichen. Es bedeutet nämlich nicht, dass Zornhau sich freuen kann, weil die Leute endlich wieder mehr Englisch sprechen/lesen, sondern dass die Spielerschaft, die Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger den Markt ausgemacht hat, nicht mehr vorhanden ist: Die Gelegenheitsspieler, deren Interesse nicht so tief geht, aus dem Rollenspiel ein Hobby zu machen, in die Subkultur einzusteigen und Produkte im Original (als erste, oder überhaupt) zu kaufen.
 
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Wenn wir heute an der aktuellen D&D4-Situation sehen, dass sich die deutsche Version schlechter verkauft als das (extrem preiswerte) Original, dann ist das eigentlich ein Warnzeichen.
Woran machst du das fest? Die englische Version ging gemäß WoTC sehr gut, dann wäre selbst ein durchschnittliches Ergebnis für die deutsche Version immer noch gut. Wenn du irgendwelche Zahlen hast, wäre es nett diese zu posten. Oder meinst du das sich Hierzulande die englische Version besser verkaufte als die deutsche?
 
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Ich möchte eben außer der Reihe noch ein kleines Zitat loswerden:

Knaurs Buch der Rollenspiele schrieb:
Der Markt ist kaum noch überschaubar. Es ist nicht zu erwarten, dass sich alle Spiele auf Dauer etablieren werden. Einige von ihnen sind einfach zu schlecht, andere sind zwar gut, aber von der Thematik her zu sehr an ein bestimmtes Thema angelehnt, um mehr als nur eine Handvoll Enthusiasten anzuziehen. Außerdem gibt es kaum noch neue Ideen; die Regelautoren suchen sich nur noch aus existierenden Rollenspielen die Teile zusammen, die ihnen am besten gefallen, oder sie neigen zu übergenauer Simulation und produzieren Spiele, die für die überwiegende Mehrheit der Spieler nicht mehr spielbar sind.
Das kann man eigentlich so auf heute übertragen. Im Vergleich also mit einer noch viel stärkeren Ausprägung.

Mittlerweile zeigt sich schon eine Gegenströmung zu einfachen Spielen hin, deren Regeln so aufgebaut sind, dass sie auch von einem völlig unerfahrenen Spieler mühelos verstanden werden können. Die beiden Musterbeispiele für diese neue Art von Rollenspielen ist das in Deutschland entwickelte Fantasy-Rollenspiel Das schwarze Auge und die völlig umgeschriebene Ausgabe von D&D aus dem Jahr 1983 [...].
Inwiefern unterschied sich denn das englische und deutsche D&D?
 
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Oder meinst du das sich Hierzulande die englische Version besser verkaufte als die deutsche?

Ja. Sie ist länger verfügbar, war vom ersten Tag an (zumindest in Webshops) unter Wert ausgepreist und ist heute sogar noch preiswerter zu erhalten.

Inwiefern unterschied sich denn das englische und deutsche D&D?

Mit "völlig umgeschriebene Ausgabe von D&D aus dem Jahr 1983" meint Werner Fuchs die große Überarbeitung des amerikanischen Basic D&D. Da diese Überarbeitung für Fuchs sehr frisch war, hat er sie nicht erklärt.

Basic D&D hat mit den Holmes- und Moldvay-Editionen von 1977 und 1981 zwei sehr eng verwandte Inkarnationen gesehen. TSR wollte für den Massenmarkt eine neue Version haben, die wirklich kinderleicht ist und schrittweise in die Materie einführt (mit einem Soloabenteuer kurz vor der Charaktererschaffung usw., glatterer Elmore-Grafik) und hat Frank Mentzer damit beauftragt. Das war die Rote Box, die wirn als erstes D&D kennen gelernt haben.
Konnte man das erste Basic D&D (Holmes/Moldvay) und auch Advanced D&D noch als Fortführung von OD&D sehen, war die Mentzer-Version (das B in BECMI) schon eine Abkehr und Neuinterpretation der OD&D-Regeln.
Das hat in den ersten fünf bis zehn Jahren in Deutschland kaum jemand gewusst; alle haben geglaubt, dass diese Basic D&D-Fassung tatsächlich die Vorstufe zu AD&D war. Tatsächlich war AD&D fünf oder sechs Jahre (je nachdem, ob man das MM oder PHB als die echte Geburtsstunde von AD&D ansieht) älter als Red Box D&D; in dem Jahr, in dem die Rote Box erschien, hat AD&D schon den ersten kosmetischen Wechsel durchgemacht und die professionelleren Easley-Cover bekommen.

Editions of Dungeons & Dragons - Wikipedia, the free encyclopedia
 
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Schöner Rückblick, Dirk!
Bist du in letzter Zeit aktiver denn je, oder fällst du mir nur auf, weil ich selbst wieder aktiver bin? ;-)

Ab 2000 war die Situation so, dass Läden, bei denen keine beinharten Rollenspielfans an den Kassen saßen, ihr Sortiment bis auf die deutschen Linien Vampire, D&D, DSA, SR und vielleicht noch Midgard eindampften. Die Drehzahlen der englischen Sachen waren einfach zu schlecht; keiner konnte es sich leisten, das Kapital zu binden auf die Hoffnung hin, dass irgendwann mal jemand ein Tribe 8 oder ein Wraith kaufen wollte.
Natürlich gibt es heute noch Läden, die sich als Vollsortimenter verstehen, aber die haben (hoffentlich) ihre Kundschaft entsprechend erzogen und kultiviert. Das ist Arbeit.

Ich würde dies noch an etwas anderem festmachen, als die Vorliebe der Rollenspieler hierzulande für deutsche Produkte.
Buchpreisbindung auf Seite der deutschen Produkte - nicht vorhandensein einer Buchpreisbindung bei den englischen Produkten.
Und direkt damit verbunden: Das Erstarken des Internethandels.

Es gab immer mehr Internethändler, die englische Rollenspiele zu verdammt günstigen Preisen anboten.
Viele (die meisten?) davon waren, wie ich sie gerne nenne, "Wohnzimmerhändler". Sprich: Es stand kein Laden dahinter, der von seinem Umsatz Miete, Personalkosten etc. zu bestreiten hatte. Es wurde eben nur bei Bedarf beim Großhändler zu günstigen Konditionen geordert, um es dann einfach an den Kunden durchzureichen. So nach dem Motto, jedes Buch ein extra 5er für den nächsten Urlaub.
Ein Laden, der ein breites Sortiment mit englischen titeln hatte, war bald immer mehr Informationsquelle für "Kunden", die dann doch online orderten, aber vorher schön im Laden mal durchblätterten, was sie denn so erwartet.

Ich erinnere mich noch genau, wie damals Beutelsend in berlin die Pforten dicht machte.
Da sagte ein kunde zu einem anderen "Ist schon schade, wie alte Läden schließen müssen. Ich glaube ja, das liegt an den Kampfpreisen im Internet. Echt jammerschade sowas.".
Eben jener Kunde hatte nur wenige Minuten zuvor verlauten lassen, dass er generell im Internet ordere.
Was soll man nun davon halten?

OK, das oben geschriebene war sicher nicht der Grund, warum Beutelsend die Pforten schloß (zumindest nicht der einzige). Und ganz auf nimmerwiedersehen ist der Laden, oder zumindest sein Inventar, ja auch nicht verschwunden...

Nun ja... ich wollte zumindest mal anmerken, dass das oben geschilderte sicher auch seinen Einfluss hatte.
Geiz ist geil. Da muss man sich zu behaupten wissen.


Gruß,

Timo
 
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Bist du in letzter Zeit aktiver denn je...

Ich habe eine Einladung erhalten und konnte mich nicht zurückhalten. Aber in einer so gediegenen Atmosphäre (gemütliche Ledersessel, das angenehm prasselnde Kaminfeuer, die angenehm-unaufdringlichen Diener, der exzellente Tee, die Scones...) streift man gern die Hektik des Tages ab, kommt man automatisch ins Sinnieren und Schwadronieren...

Ein Laden, der ein breites Sortiment mit englischen titeln hatte, war bald immer mehr Informationsquelle für "Kunden", die dann doch online orderten, aber vorher schön im Laden mal durchblätterten, was sie denn so erwartet.

Das gab es im Brettspielbereich aber auch. Im Spieleladen in Hannover habe ich regelmäßig Leute gesehen, die mit mehr oder weniger verstecktem "Adam spielt"-Versandkatalog unsere offenen Spiele begutachteten, sich dann Notizen in den Katalog machten, und verschwanden.


Timo, du kriegst in London nicht mehr alles mit. Das heißt jetzt "Wir HASSEN teuer!"
 
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Ja, jetzt haben wir hier viel über "damals" geredet.

Aber wie steigt man - Thema ist ja "Rollenspiel im Wandel der Zeiten" - HEUTE ein?

Hier mal Beispiele, wie man heute Leute für Pen&Paper-Rollenspiele zu begeistern versuchen müßte:

YouTube - "Sprinter" World Of Warcraft Spot Smudo Thomas D

YouTube - "Unsichtbar" World Of Warcraft Spot Smudo Thomas D

Klar hat WoW so viel Mittel für die Werbung, daß sie Ikonen des Pop-Business für die Werbung heranziehen können.

Aber WIE GEIL ist diese Werbung denn? Da bekomme ICH sogar sofort Lust WoW zu spielen.

Die zwei der Fanta-4 sind ja nun auch nicht mehr die Jüngsten, aber können immer noch ausgesprochene Popularität und Coolness für sich reklamieren. Das sind Zugpferde aus Deutschen Landen (tm), die exakt den richtigen Tonfall treffen, und die die BEGEISTERUNG für "ihren Charakter" ausdrücken.

Gerade diese Begeisterung für den eigenen Charakter kommt in den zwei Spots sehr mitreißend rüber. Das will man auch fühlen, das will man auch erleben, so cool will man auch sein - und man KANN es sein! Wie? WoW.

Pen&Paper-Rollenspiele haben zwar nicht dieselbe optische bzw. Multimedia-Komponente wie WoW, aber haben mit graphischer Gestaltung, mit Miniaturen, mit Szenerien, usw. jede Menge zu bieten, was Leute interessieren, faszinieren, BEGEISTERN könnte.

HEUTE steigt man über solche Werbung, über die Elektronik-Abteilungen der Kaufhäuser, wo man Konsolenspiele probespielen kann, über das Internet in das große Umfeld der Rollenspiele ein. - Nur ist das eben aus Sicht der Pen&Paper-Rollenspiele die Peripherie (die für sich genommen schon lange weit zahlreicher besetzt sein dürfte, als der "Kern" des traditionellen Pen&Paper-Rollenspiels). Und es wird, wenn sich die Pen&Paper-Verlage und die freien Initiativen wie Projekt Odyssee usw. nicht GEMEINSAM mehr Präsenz, mehr Sichtbarkeit(!) verschaffen, keinerlei zu Pen&Paper Wechselnde und auch keinerlei zusätzlich noch Pen&Paper-Spielende geben.

Ohne die Sichtbarkeit, die Pen&Paper-Rollenspiel früher in den normalen Spieleläden, bei den Kaufhäusern in den Spielwarenabteilungen, oder im gängigen Buchhandel einmal (für kurze Zeit) hatte, wird es unscheinbarer werden und zu einem reinen Ewig-Gestrigen-Nerd-Hobby verkommen wie Echt-Dampf-Modelleisenbahn-Hobby, wie Zinnfiguren-Gießen-und-Bemalen, wie Serviettenringe-Schnitzen.

In die für "Normalkunden", wie Eltern oder Großeltern (die am meisten Kohle für Spielsachen für ihre verzogenen E(n)kel locker machen), ausgesprochen abstoßend wirkenden "Hobby-Shops", die genauso seriös aussehen wie der Hanf-Laden mit den schmierigen Alt-Hippies um die Ecke oder der Comic-Shop mit lauter Sex&Violence in der Auslage, wo man nicht mal eben für eine harmlose Micky-Maus-Ausgabe reingeht, wird man nämlich diesen wesentlichen Teil der Kundschaft, die problemlos beim Mediamarkt irgendwelche Konsolenspiele für den Nachwuchs zu Weihnachten erwerben wird, NICHT reinbekommen.
 
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Endgeil. Vor allem die Brille von Thomas D's WoW Figur.

Begeisterung ist ansteckend - und das kann man auch ausnutzen. Neben der Sichtbarkeit in Läden gab's noch nen entscheidenden Grund, warum Leutchen mit Rollenspiel angefangen haben - weil's genug Missionare gab und Möglichkeiten in eine Gruppe einzusteigen... Ich habe jahrelang in verschiedenen Kultur- und Jugendhäusern offene und öffentliche Rollenspielabende veranstaltet - da konnte jeder einfach mal reinschnuppern. Und wenn's den Leuten Spaß gemacht hat, sind die dann in die eine oder andere Gruppe reingerutscht.

Ich verrate euch mal ein Geheimnis: Es gibt gar keine Einstiegshürde bei Rollenspielen. Rollenspiel sind weder schwieriger als andere Spiele noch irgendwie anspruchsvoller. Aber eines brauchen sie alle, damit sie für Interessenten attraktiv sind: begeisterte Mitspieler. Ist die Gruppe motiviert und menschlich okay, dann geht auch der unbedarfteste Noobie bald ab wie eine Rakete und spielt wie einer der Großen. Weil Menschen so funktionieren: Bildet sich erstmal ein Team, dann werden auch die Außenseiter integriert, gefordert und gefördert - und füllen voll ihre Rolle aus.

Wir haben vor einigen Monaten eine D&D 4 Runde aus dem Boden gestampft - und die trifft sich mittlerweile zweimal im Monat, teilweise öfter: weil's richtig Böcke macht und wir - fühlbar wie sichtbar - davon begeistert sind. Sicher - wir nehmen nicht alles ernst und die Metagaming-Sprüche gehen Hand in Hand mit den ingame markigen Worten. Aber es rockt einfach. Und plötzlich melden sich Kollegen und alte Kumpels wieder und melden auch Interesse an (wenn nur das Kind schon etwas älter wäre...).

Rollenspiel muss - wie der Skat- oder Pokerabend - ein Event, ein Ritual sein. Natürlich auch ein Vorwand, um sich auszutauschen und ein Gläser Wein oder Flaschen Augustiner dabei zu leeren.

Tod den nerdigen Gamer-Cons in muffigen Kellern oder stimmungstötenden Sporthallen, mit monoten monologisierenden Spielleitern, die weder mehr als einen Tonfall hinkriegen und an ihren Stuhl geschweisst erscheinen. Es lebe das Rollenspiel-Event mit Grillen und Party, lachenden Spielern am Tisch und nem Spielleiter, der plötzlich aufspringt und wütende Tiraden des Obermotzes in den Himmel brüllt.

Zornhau dürfte wissen, wovon ich rede: Gerade die Biberacher Rollenspielszene war dafür berühmt. Coole Events, tolle Leute, ne klasse Gemeinschaft. Und überhaupt kein Problem mit dem Nachwuchs: denn der wurde nach und nach integriert anstatt ausgegrenzt oder ignoriert.

Jede bescheuerte Skatrunde, die was auf sich hält, schafft es, einmal im Jahr auf nen Männerabend auf ne Hütte zu fahren - und da nen Mordsgaudi zu haben und ihr eigenes Ding zu machen.

Und das haben wir auch gemacht - und müssen wir weiterhin tun. Dasrituelle Rollenspielevent für die oiden Jungs zwischen den Feiertagen, der Rollenspieltrip auf die Berghütte oder in die Toscana.

Und: drüber reden, Bilder zeigen, Storys erzählen. Begeisterung weiterverbreiten.

Wir Menschen sehnen uns immer noch nach dem Besonderen, einzigartigem, das den Alltag aufbricht: Für die einen ist es ihr großer WoW-Raid, für die anderen mag es das lustige Rollenspielwochenende mit Spanferkelgrillen, mittelalterlichen Gerichten und Metprobe sein - und nem coolen Programm nebenher, dann kommen auch die Interessenten mit, die auch nur mal reinschnuppern wollen.

Was wir machen können, ist gute PR - aber das hilft nur, wenn das Produkt stimmt. Und ein Produkt verkauft man, indem man zum einen die Vorteile des Produkts kommuniziert, aber in erster Linie dadurch, dass man ein Erlebnis verkauft. Und daran müssen wir arbeiten. Wie Kollege Zornhau immer betont: Rollenspiel sind nicht die Bücher, Rollenspiel ist das Spielerlebnis, die gesamte Nutzungssituation: Und wenn die Begeisterung schafft, dann klappt's auch mit den interessierten Nachbarn.
 
AW: Rollenspiel im Wandel der Zeiten

Die Fanta 4 sind auch ein Familienereignis, bei dem letzten Konzert in Bochum war dort von 6-60 alles anwesend. Aber das Video von Ozzy ist auch zu empfehlen "But I've been the prince of darkness since 1979" hätte auch von jeden Alt-Rollenspieler stammen können. Und schließe mich meinen beiden Vorrednern an - Begeisterung ist der Schlüssel.

YouTube - Ozzy Osbourne World of Warcraft Commercial TV Ad
 
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Meine Herren, wann sind Sie ins Hobby eingestiegen und wie waren Ihre Erfahrungen?

Mir ging soeben auf, dass ich ja gar nicht auf die ursprüngliche Frage geantwortet hatte!

Mein Einstieg ins Rollenspiel muss so 1988 gewesen sein... "Die Helden des schwarzen Auges", die zweite Edition von DSA, war gerade frisch erschienen, und einem Kumpel von mir von seinem Onkel ans Herz gelegt worden.
Innerhalb eines Jahres hatten wir alle DSA Boxen beisammen, und darüber hinaus schon über den Tellerrand geschaut - beispielsweise mit AD&D. Ja... wir haben damals unser Taschengeld recht einseitig investiert... ;-)

Ansonsten hatte ich auf meiner Website schon einmal meinen rollenspielerischen Werdegang zumindest ansatzweise niedergetippt:
Erinnerungen
(Bei wir war also auch HeroQuest mit verantwortlich.)

Gruß,

Timo
 
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Berichte über den Einstieg ins Rollenspiel? Gerne, liebe Kollegen, gerne. Es wartet hier gerade eine unangenehme Arbeit auf mich und da lenke mich doch viel lieber ab, indem ich mich mit einem Cognac in den Ohrensessel setze und aus dem angestaubten Nähkästchen plaudere.

Es begab sich vor langer, langer Zeit zu Anfang der 80er, dass der Vater eines Mitschülers uns als "Dungeon Master" in D&D einführte. Ich erinnere mich noch heute sehr lebhaft, wie unfassbar faszinierend und fesselnd das alles für uns war. Diesen Eindruck kann ich heute nur noch bedingt nachvollziehen, denn eigentlich ist an unserem ersten Spieltag nichts passiert. Ein paar Charaktere wurden ausgewürfelt, ritten auf eine Burg zu und ein aus dem Burggraben auftauchendes Rostmonster (sic!) segnete kurz darauf das Zeitliche. Dennoch: ich brannte lichterloh.

Meine Kumpel und ich haben uns direkt mit flammendem Eifer und in unendlicher Kleinstarbeit an eine Wort-für-Wort-Übersetzung des damals nur englischsprachig erhältlichen D&D gemacht. Auf der zugehörigen, roten Box prangte ein roter Drachen, der Zeichner hieß Larry Elmore und wir haben ihn gottähnlich verehrt. All die Mühen und Plagen waren völlig egal und schnell vergessen, denn jedes neu übersetzte Wort sorgte für diverse "Ohs" und "Ahs" und das Staunen nahm kein Ende.

Einmal die Woche erkundeten wir mit besagtem Vater irrwitzige Dungeons und das war das absolut Größte. Sehr zur Verwunderung meiner anfänglich höchst skeptischen Eltern vergaß ich an diesen Spieltagen sogar den Sport komplett. Wäre Deutschland in einem WM-Finale gewesen, ich hätte das Spiel nur für einen kurzen Blick auf die nächste Dungeontür direkt in den Wind geschossen.

Meine Eltern wurden trotz der damals lauter werdenden, hanebüchenen, aber verbreiteten Vorwürfe gegen Rollenspieler (Satanisten & co.) gnädig gestimmt durch den Eifer, mit dem wir uns an die englischen Übersetzungen machten. Als dann später D&D auch auf Deutsch erschien, war dieser Bonus zwar verflogen, aber da war es bereits zu spät. Viel zu spät (übrigens waren wir in der Zwischenzeit zu DSA desertiert).

Kurz darauf stieß dann eine gewisse Sabine Weiss zu uns, die mit ihren schon damals tollen Illustrationen unserem inzwischen existierenden und zugegeben sehr gurkigen Fanzine zumindest einen gewissen optischen Reiz verlieh. Ein interessantes Detail am Rande ist vielleicht, dass auch unser zweiter Illustrator dem phantastischen Genre bis heute als Comiczeichner verbunden geblieben ist und der andere Organisator vom Blättchen mittlerweile Inhaber einer Vertriebsfirma für phantastische Filme ist. Und auch ich bin ja, wenn schon nicht beruflich, so doch zumindest noch voller Eifer dabei, wie man sieht.

Lustigerweise habe ich Sabine übrigens 2007 auf meinem ersten Con seit mehr als zehn Jahren wiedergetroffen (der ersten RPC in Münster) und festgestellt, dass auch sie sich noch immer leidenschaftlich mit dem ganzen Quatsch beschäftigt und unter anderem für DSA zeichnet. Die Welt ist klein.
Auch die Jungs von DSA habe ich in der damaligen Zeit natürlich mächtig verehrt und besonders zu Werner Fuchs pflegte ich ein spezielles Verhältnis (wenn auch er mit Sicherheit nicht zu mir; vermutlich erinnert er sich nicht mal mehr an mich). Meine Beziehung zu Werner Fuchs ist deshalb so speziell, weil ich irgendwann glaubte, der Mann sei Gott und zwar nicht nur ein ganz gewöhnlicher Gott wie Larry Elmore, sondern noch VIEL MEHR! In meiner Heimat Münster gab es damals nämlich dummerweise keinen Laden, der eine nennenswerte Auswahl an Rollenspielartikeln zu bieten hatte. So machten wir uns alle zwei Monate auf den beschwerlichen Weg nach Mekka, in den Fantastic Shop. Werner Fuchs stand da für gewöhnlich selbst hinterm Tresen, hatte schon damals graue Haare und irgendwelche Paisleyhemden an. Seine Kompagnons habe ich nie gesehen. Er erduldete meistens freundlich, bisweilen mit Humor, manchmal aber auch nur tapfer bis latent genervt die kultische Verehrung von uns Fanboys.

Mitte/Ende der 80er erwuchs parallel neben dem Rollenspielen auch ein Interesse an SF sowie eine Leidenschaft für psychedelische Musik (die sich bis heute gehalten hat, wenngleich das Elektrische weitgehend dem Elektronischen gewichen ist). In der entsprechenden Presse tauchte dabei häufiger mal der Name Werner Fuchs auf und ich dachte lange an einen Zufall, bis ich schließlich eines Besseren belehrt wurde. Dass er insbesondere zusammen mit seinen Freunden Jeschke und Hahn beim Thema SF die Funktion eines Leitmediums innehatte, war mir damals klar. Dass er neben der Gründung von DSA und der beschriebenen Rolle in der deutschen SF aber zusätzlich auch noch eine DER Instanzen zum Thema Psychedelia war, fand ich schon fast ein bisschen frech. Wollte er der Restwelt denn gar kein spannendes Feld überlassen, welches er nicht selbst schon bis in den letzten Winkel erkundet hatte...?

Meine Begegnungen mit Werner Fuchs beinhalteten insofern immer eine Menge unkritischer Heldenverehrung, die ich mir im jugendlichen Eifer jedoch nicht anmerken lassen wollte, um nicht uncool zu wirken (remember the 8ts?), wodurch eine derartige Verkrampfung entstand, dass der gute Mann mich vermutlich entweder für einen grenzdebilen Volldeppen oder für ein Prachtexemplar aus der Riege maulfauler SF-Komplettnerds halten musste. Seufz. In meinem bisherigen Leben gabs eigentlich nur eine einzige weitere Situation, in der ich ähnlich desaströs auf mein Gegenüber gewirkt habe. Durch Zufall lernte ich nämlich bei einem Besuch in New York über Freunde einen meiner absoluten Helden persönlich kennen: John S. Hall. Ich war so überrascht und perplex, dass ich abgesehen von einem gestotterten Wort des Respekts nur wenig rausbrachte. Er sagte danke und ging weiter, sniff.

DSA verlor ich dann gegen Ende der 80er aus den Augen und widmete mich anderen Systemen. Nach wenigen Wechseln in der Gruppe spielen wir nun mittlerweile seit rund 15 Jahren in unveränderter Zusammensetzung, haben aber erst 2006 DSA für uns wiederentdeckt und sind schwer beeindruckt von der Entwicklung sowie dem aktuellen Niveau der Publikationen.

Und so nahm das Schicksal seinen Lauf und nach einer halben Ewigkeit macht es wieder grossen Spaß, die kleinen und großen Geschichtchen um das Rollenspiel mitzuverfolgen – und das seit neuestem am liebsten im Löwenclub, wo sich zivilisierte Gentlemen freundlich austauschen und den Staub und Lärm der Netzwelt weit hinter sich lassen.

À votre santé!
 
AW: Rollenspiel im Wandel der Zeiten

Meine Herren, wann sind Sie ins Hobby eingestiegen und wie waren Ihre Erfahrungen?

Es war 1983, ich war gerade 15 Jahre geworden und noch ziemlich grün hinter den Ohren.
Durch eine Reportage (wohl anläßlich des Launches von D&D im Herbst gedreht) aufmerksam geworden tigerte ich ein, zwei Tage lang um den Glaskasten unseres lokalen (HG) Vedes-Fachgeschäftes bevor ich die 60 DM (?) für die Rote D&D Basis-Set Box hinblätterte und mich zu Hause ans Lesen machte.

Ich war begeistert.

Von regelmäßiger SF und gelegentlicher Fantasy-Lektüre (die wenige Fantasy-Literatur die ich bis zu dem Zeitpunktz gelesen hatte vermochte mich nicht wirklich für das Genre zu begeistern), schon an das außergewöhnliche (an die, zum Setting passende, Suspension-of-Disbelief) gewöhnt war ich von der Interaktivität der Rollenspiele begeistert.
Mark Brandis, Valerian und Veronique aus der Bücherei. Heinlein, Niven, Moorcock, Anderson, Vance. Söhne der Erde. Terranauten. Perry Rhodan, uvm.

Ich hab mein Taschengeld zum größten Teil in noch mehr Zellulose investiert. :D

Rollenspiele kamen mir da sehr gelegen.
Endlich "selbst" Abenteuer erleben. Schwert schwingend böse Kreaturen besiegen und die Prinzessinen rettet. Yay!

Schon am nächsten Tag hab ich bei einem Kumpel in der Nachbarschaft geklingelt um ihm die neueste Errungenschaft zu zeigen und ihn für die neue Freizeitaktivität zu vereinnahmen. Das klappte zunächst ganz gut. Während das bei meinem Kumpel aber eher ein Strohfeuer war, war in mir das Feuer dauerhaft entfacht. D&D, Sternengarde und DSA hatten wir damals ausprobiert. Immerhin kannte der einige Leute die neben Briefspielen ( "It`s a Crime" z.B.) auch RSP spielten. Mit denen hab ich dann ein paar Jahre später unvergessliche MERS und später Rolemaster Erlebnisse auf Mittelerde gehabt. Da war ich aber schon ein "alter" Rollenspieler.

Ich weiss nicht mehr wo ich die Ankündigung gelesen hatte, jedenfalls war die erste Rollenspielveranstaltung eine im Novotel Frankfurt/Main, damals in der Nähe des Kaiserleikreisels befindlich, stattfindende Einführunsgrunde. Nicht so sehr das Rollenspielerlebnis dort, das ist nicht wirklich in meinem Gedächtnis haften geblieben, sondern die für Schüler happigen Preise für ein 0.2 L Glas Cola sind haften geblieben.

Nicht viel später war ich auf dem Drachenferst (das muss so die zweite Inkarnation desselben gewesen sein) in Wiesbaden und
erlebte zum ersten mal wie begeisternd Rollenspiel wirklich sein kann. Davor war es doch mehr ein verkapptes Tabletop gewesen. Halt ohne festen Spielplan aber mit festen Regeln. Kopfkino war schon da, aber doch fast nur im Kopf. Jetzt erlebte ich mit das es Spieler gab die doch tatsächlich in der ersten Person, quasi als der SC, sprachen. Davor war das alles graue Theorie gewesen. Und das, vom Spielleiter selbst erstellte, Abenteuer erst! Nachdem sich die Gruppe in einer Stadt zusammengefunden hat um einen Auftrag in einer Kneipe zu erhalten (ja, wie originell, das war mir damals Schnurz, dazwischen nicht, heute wieder...) machte sich die Gruppe auf die Suche. Irgendwo fanden wir auch eine Pyramide in der es dann durch ein, sich veränderndes, Labyrinth ging. Ein paar Schätze,. nebst Giftfallen, fanden wir natürlich auch. Beenden konnten wir das nicht, zum einem Spieltermin nach dem Con wollte ich zwar noch per Radel fahren, verfranste mich aber auf dem Weg völlig. :rolleyes:

Ich war also von Rollenspiel abseits der berüchtigten Monty-Haul-Kampagnen (den Begriff kannte ich da noch nicht) angefixt. Einzig eine permanente Runde mit Leuten die wirklich Rolle spielten fehlte mir noch.

Ich war ein bis zweimal die Woche per Radel von HG in Frankfurt und da gab es einen kleinen Spieleladen in der Textorstrasse 60, der auch in einem der damals auch das Rollenspiel goutierenden Spiele-Magazine (Fanzine trifft es besser, man konnte es immerhin im lokalen Vedes-Laden tatsächlich kaufen) , Pöppel-Revue war es glaub ich, in einer Anzeige erwähnt war.
Da fuhr ich dann hin und konnte meinen Augen kaum trauen, knapp ein Quadratmeter voll Rollespielkram. Abenteuer, Regelwerke, Zinnfiguren. Da hing ich also fast zwei mal wöchentlich rum, blätterte in den Regelwerken und Abenteuern, sofern offen, kaufte auch mal was (Beschäftigte mich mit der wichtigen Frage wieso am Ende des Taschengeldes noch so viel Monat übrig war?). Ab und an kauften auch andere Rollenspiele oder Zubehör dazu. Mit einem der dort verkehrenden Rollenspieler fing ich ein Gespräch an, nach so einer halben Stunde verlagerten wir das nach draussen, muss so gegen 16:00 gewesen sein. Als die Inhaberin des Ladens in der Textorstrasse gegen 18:30 Uhr den Laden schloss standen wir immer noch draussen und unterhielten uns immer noch angeregt. Inzwischen war ich zu der Rollenspielrunde eingeladen worden. So gegen 19:30 beendeten wir unsere Fachsimpeleien und ich radelte nach Hause. Am nächsten Donnerstag war es dann soweit und eine Rollenspielrunde die schon längere Zeit zusammen spielte, ich war da, zusammen mit meinem neuen Bekannten der jüngste, hat mein Leben verändert. :opa:

Am ersten Abend durfte ich einen SC eines nicht anwesenden Spieler führen und wurde der beinahe von einem Ettin gefressen.
Anderthalb Jahre spielten wir relativ regelmäßig zusammen. Manchmal auch CoSims wie "Warrior Knights", "Diplomacy" (Mann, da saugte ich aber!) oder "Civilization". Meistens jedoch AD&D. Nach so zwei Jahren zerbrach die ursprüngliche Gruppe, in anderer Besetzung hab ich bei einem der von einem Auslandssemester zurückkehrenden Spieler/SL weiter mitgespielt. Nach ein paar Jahren kam ich dann wieder zu einer Runde mit dem ursprünglichen Spielleiter zurück. Kurz darauf wechselten wir von AD&D 2nd Edition auf GURPS.
Bei dem, ersten, Spielleiter von damals spiele ich heute noch. Wenn auch die Inzidenz deutlich gesunken ist. :)
 
AW: Rollenspiel im Wandel der Zeiten

Das Exemplar für 1,31 (+ 3 Euro Porto) habe ich mir schon gesichert, denn ich habe das Buch leider vor 3 Jahren verkauft und es mittlerweile einige Male bereut.
 
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