AW: Chancen für das Rollenspiel
Die Grenzen jedoch werden stetig kleiner, und deshalb verlassen auch so viele Leute unser Hobby.
Das "deshalb" möchte ich HEFTIGST bestreiten. - Es "verlassen" - meiner Erfahrung aus häuslichen Gruppen, aus dem Verein und aus Con-Gesprächen nach - weit mehr Leute das Pen&Paper-Rollenspielhobby, weil sie durch Beruf, berufsbedingte Reisetätigkeit, Familie, oder einen sich nach der Uni in alle Winde verstreut habenden Rollenspiel-Freundeskreis einfach keine Zeit oder keine Gelegenheit zum Pen&Paper-Rollenspielen mehr haben.
Die Anmeldung bei WoW ist für einige davon bestenfalls eine ERSATZBEFRIEDIGUNG, da WoW stets verfügbar ist und auch mal, wenn das Kind gerade nicht Betreuung braucht oder wenn man auf einem Auswärtseinsatz im Hotel sich rumlangweilen darf, reinpaßt. - Es ist aber nicht dasselbe und auch nicht, was wirklich gewünscht wird.
Ich habe viel mehr Rollenspieler ihren Würfelbeutel an den Nagel hängen sehen, weil sie Eltern geworden sind oder aus Berufsgründen wegzogen, ihre Mitspieler wegzogen, sie einfach keine Zeit mehr hatten.
Da sind WoW und andere Online-Spiele nur einer von vielen und NICHT der häufigste Grund. - Daher KEIN "deshalb".
Der interaktive Part des Rollenspiels bspw wird mit Ingame RP und Emoticons inzwischen schon fast ersetzt, Headsets sind auch beinah schon standard.
Nur wenn man ausgesprochen "seltsame" Pen&Paper-Spielerfahrungen gemacht hat, kann man meines Erachtens ERNSTHAFT glauben, daß der "interaktive Part" durch solche "Krücken" wie die oben genannten "ersetzt" würde.
Das sind alles - bestenfalls! - ZWEITE WAHL Kommunikationsmethoden, die - man sieht es ja sehr schön bei Forendiskussionen, die immer mal wieder zum Entgleisen neigen - GANZ ANDERE Eigenschaften haben, als die direkte Mensch-zu-Mensch-Kommunikation.
Wenn ich mich mit meinen Freunden in einem perfekten VR-Welt treffen kann, um zu spielen, wieso sollte ich erst koordinieren, dass wir an einem Tisch sitzen und Würfel rollen müssen? Feeling? Ja, Klar.
Ja. Es geht ums Spiel-GEFÜHL und darum, daß NUR das tatsächliche Beisammensein ein WIRKLICHES Beisammensein darstellt.
Ein Beispiel: Wer Leute aus diesem oder anderen Foren nur über ihre virtuelle Präsenz, über Foren-Rollenspiele, Online-Rollenspiele kennt, der erlebt OFT Überraschungen, wie diese Leute sind, wenn man sich mal auf einem Con oder andernorts PERSÖNLICH trifft und RICHTIG kennenlernt.
Wenn es nicht um das menschliche GEFÜHL ginge, dann bräuchte ja auch niemand Live-Konzerte, da diese total veraltet sind, man ja nicht anwesend sein muß, nur wenn man mal Musik hören möchte. Außerdem ist eine CD oder DVD jederzeit verfügbar und man muß nicht erst lange auf einen Tournee-Termin warten, sich Karten besorgen, hinfahren und andere Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen.
Das virtuelle "Treffen" ist eben NICHT ECHT und fühlt sich auch völlig UNECHT an. - Hier liegt der Unterschied eigentlich so klar auf der Hand, daß mich die Frage im Zitat oben wirklich wundert.
Nicht jeder ist ein Kontaktscheuer, nicht jeder ist ein Mensch, der Unbehagen im Beisammensein mit anderen Menschen empfindet, nicht jeder fühlt sich ohne direkte persönliche Kontakte wohl. - Das sind eher die AUSNAHMEN - und zumeist auch keine Rollenspieler.
Es gibt auch noch Leute, die Briefmarken sammeln und Napoleons Schlachten mit Zinnfiguren nachspielen. Wird es immer geben. Ein normales, zeitgemäßes Hobby, über Tradition hinausgehend, ist es trotzdem kaum mehr.
Zinnfiguren-basiertes Wargaming hat NICHTS mit irgendeiner Tradition zu tun.
Ansonsten könnte man gleich anfangen jeden SCHACH-Spieler ähnlich unhaltbar zu titulieren, da er ja wohl nur "aus Tradition" die Figuren über das Brett schiebt, wo man doch online viel praktischer virtuell Schach spielen kann.
Poker in Gegenwart anderer Leute zu spielen, wird ja wohl auch nur noch aus "Tradition" gemacht und ist nicht mehr "zeitgemäß".
Ich kenne einen SEHR AKTIVEN Tipp-Kick-Verein in der Gegend, der RASANTEN Mitgliederzuwachs verzeichnet. Eines der ältesten "Sport-Brettspiele" überhaupt, kann Tipp-Kick Leute richtig begeistern, richtig packen und ist Tipp-Kick ja auch stets auf den Spiele-Messen präsent (die Leute aus dem Verein hatte man auf der Süddeutschen Spielemesse treffen können). - Tradition? - NEIN! - SPASS! BEGEISTERUNG! Ein tolles SPIELERLEBNIS!
Für die Tipp-Kick-Spieler ist das Fußball-Konsolen-Gedaddel KEINERLEI Alternative.
und wenn sich Rollenspiele nicht umorientieren (vgl Zinnfiguren - Echtzeitstrategievideospiele), werden sie es irgendwann auch nicht mehr sein.
Du meinst, Zinnfiguren-Gießer, -Bemaler, und -Wargamer sollten sich besser an den Rechner setzen und Echtzeitstrategiehektikspiele betreiben, weil das "zeitgemäßer" sei?
Das fällt mir glatt die teuere Zigarre aus der Hand.
Nicht ROLLENSPIELE "müssen sich umorientieren", sondern bestenfalls die HERSTELLER von Spielen auf neue Märkte gehen. - Das läßt aber das Spiel an sich, das Pen&Paper-Rollenspiel unangetastet.
Es gibt ja immer wieder NEUE Spiele, NEUE Spielformen, die entstehen (oft auf Basis des technisch Machbaren - siehe die Konsolenspiele für "mehr Bewegung vor der Kiste"), die aber nur das Spieleangebot auf dem Gesamtmarkt BEREICHERN und ERWEITERN.
Was Du hier mit "umorientieren" vorschlägst, ist KEINE Erweiterung von MMORPGs um typische Pen&Paper-Rollenspiel-Eigenschaften, sondern ein "Umorientierung", also eine ÄNDERUNG der bisherigen Pen&Paper-Rollenspiele, die zur VERARMUNG des Hobbys, zur VERKLEINERUNG des Angebots, und zum VERKÜMMERN des Rollenspiels führt.
Wie gut so etwas aufgenommen wird, kannst Du Dir ja an der D&D 4E anschauen. - Da hatte WotC eigentlich "alles richtig" gemacht: Die Computerspieler dort abgeholt, wo sie sich in Begrifflichkeit und Rollen/Funktionen in einer Gruppe auskannten, die Sammelkartenspieler mit Powers, die nur sinnvoll über Karten verwaltbar sind, die praktisch genauso eingesetzt werden, wie das diese Kartenspieler kennen, die Miniaturenspieler mit einem Kampfsystem, welches (wieder) näher ans Tabletop gerückt ist als die zwischenliegenden D&D-Ausgaben.
Und die Reaktion aus dem Pen&Paper-Rollenspielhobby: Aufschreie der Entrüstung, Unzufriedenheitsbekundungen, Kaufzurückhaltung, usw.
Aber WotC HAT doch das D&D "umorientiert"! - Wieso ist das jetzt nicht so erfolgreich?
Wer das Hobby Pen&Paper-Rollenspiele kennt und schätzt, der will zwar Entwicklung, neue Ideen, mehr und andere Produkte, aber er will nicht die DEFINIERENDEN ELEMENTE seines Hobbys aufgeben müssen.
Der Vorschlag einer "Umorientierung" bedeutet einem Rollenspieler sein Spiel wegzunehmen und es ihm ZERBROCHEN zurückzugeben, ihn in Isolationshaft nur mit "Draht" nach draußen zu sperren, und ihm einreden zu wollen, daß das jetzt "zeitgemäß" sei.