AW: Pen & Paper-Rollenspiel am Ende (von Frank Heller)
Hallo ihr Blutschwertler!
Ich gelangte heute rein zufällig auf dieses Thema und habe mich größtenteils durch die vielen Beiträge gelesen.
Obwohl das Thema derzeit keinerlei neue Beiträge erfuhr, hatte es mich doch soweit angesprochen, dass ich nun meine Meinung kundtun möchte.
Selbst spiele ich seit etwa 15 Jahren RS und begann meine Karriere als Shadowrunner und obendrein noch als SL. Inzwischen spielte ich auch DSA und habe andere wie Midgard, Arcane Codex, Myranor und Rolemaster kennengelernt.
Zum Thema:
Ich finde es nur natürlich, dass ein Verlag seine Kosten und Umsätze im Auge behält. Sowas ist aus wirtschaftlichen Gründen ganz normal und auch angebracht. Ob das RS tot ist oder bald sein wird, kann ich nicht schlussendlich beantworten. Aber auch ich vermute, dass es wohl kein vergleichbaren Hype mehr geben wird.
Meiner Meinung nach hat das viele Ursachen:
1.) Als ich mich damals mit SR beschäftigte steckten Online- und/oder PC-Spiele eigentlich noch mehr in den Kinderschuhen, da -in meinem Bekanntenkreis kaum PCs zu Hause rumstanden, geschweige denn Onlinezugänge vorhanden waren. Ich empfand es damals als ziemlich unangenehm, dass das Shadowrun-GRW so viele Seiten umfasste und man sich durch ein so enormes Reglement quälen musste. Die erste Charaktererschaffung sowie der erste Run war eine Katastrophe. So viele Fragen von Spielern, auf die man keine Antworten wusste (das dürfte dem einen oder anderen bekannt sein). Die Regeln waren komplex, mit denen ich am Anfang (bescheiden ausgedrückt) völlig überfordert war. Aber der Ehrgeiz und die Neugierde waren größer. Vielleicht hatte ich auch einfach mit meinen Mitspielern Glück gehabt, denn wir hielten durch und wurden mit vielen, schönen und lustigen Stunden entlohnt.
--> Fazit: Ich stimme zu, dass die meisten Rollenspiele einfach für Einsteiger ungeeignet sind!
2.) Meine Erfahrung mit DSA waren niederschmetternd, da der SL die Anweisungen des Abenteuerbandes exakt einhielt und keinerlei Flexibilität zeigte. Es stand schließlich nichts in den Regeln bzw. Abenteuer darüber drin. Es ging soweit, dass die Spieler mittlerweile bereits den 12. Großcousin ihres urpsprünglichen Charakters spielten (ja, es ist ein wenig übertrieben). Der Bezug zum Charakater wurde nie ganz hergestellt.
Dadurch war es den Spielern mittlerweile ziemlich egal, ob bzw. wann ihr Charakter stirbt. Das habe ich in unseren SR-Runden nie erlebt. Jeder hing an seinen Charakter(en), auch wenn der eine oder andere starb.
Eine spätere DSA-Gruppe kämpfte gegen Götter, wogegen die Zwölfe ziemlich erbärmlich aussahen, aber starben beim Versuch einer Stadtwache zu entkommen, die alle zusammen grundsätzlich nicht einen der Spielercharaktere hätten besiegen können.
--> Fazit: Viele SL und Spieler haben den Wert ihres Charakters nie schätzen gelernt. Was meiner Meinung nach sehr bedauerlich ist, da es doch gerade einen wesentlich höheren Reiz und Vorteil gegenüber dem PC-Spiel ausmacht. In einem PC-Spiel kann ich "wilde Sau" spielen. Wenn ich versage, dann lade ich das Spiel neu.
Das zeigt mir allerdings auch, dass viele Spieler (und das zeigen auch meine Erfahrungen anhand anderer Gruppen) sich nach mehr als dem schnöden vorgegebenen Regeleinheitsbrei sehnen. Wie es oben angesprochen wurde: Selbstverwirklichung! Damit meine ich nicht, dass die Spieler im realen Leben nichts erreichen würden, sondern dem Drang nachgeben können ein Held zu sein! Ein Rollenspiel sollte dem also Rechnung tragen und viel Flexibilität bieten. Quasi die Ergonomie der RS muss verbessert werden. Das RS-System muss sich den Belangen der Spieler beugen und nicht umgekehrt!
3.) Es dauerte nicht lang und ich entwickelte eine "eigene Welt" für DSA. Es war nichts vorgegeben und mit jedem Abenteuer fügte sich unsere Welt neu zusammen. Und obwohl ich seit vielleicht einem Jahr nicht mehr so aktiv bin, höre ich noch heute, dass drei andere Gruppen immer noch daran rumbasteln und sich in dieser Welt (eigentlich mehr eine Region) ihren Spaß haben.
--> Fazit: Ein Regelwerk sollte nur Hilfsmittel sein und nicht das letzte Wort. Ich denke, dass die meisten erfahrenen Spieler und SLs irgendwie und irgendwann an einen Punkt kommen, wo sie eine Adaption ihrer Lieblingswelt schaffen. Nicht zuletzt um ihre Spieler zufrieden zu stellen, sondern auch eigene Gedanken einfließen zu lassen. Versteht mich nicht falsch! Ich bin heute noch immer beeindruckt von der Anzahl der SR-Quellenbücher und auch der DSA-Bände, aber eher aus Sammlerleidenschaft als aus spielerischen Gründen. Allerdings wer an diesen Punkt angekommen ist, wird auch kein aktiver Käufer mehr sein.
Wie kann man RS retten (sofern es nötig oder möglich ist)?
Ich denke, die PC- und Onlinekonkurrenz ist ziemlich groß und erreicht alle Teile der Welt und das mit einem Mausklick. Es ist oft kostengünstiger als PnP und hat einen schlagenden Vorteil: die Visualisierung. Sie ist nunmehr ein wichtiges Kriterium geworden. Fernsehen/Kino statt Bücher, PC statt PnP. PC-Spiele sind oft intuitiv, d. h. ich muss mich nicht durch hunderte Seiten von Regelwerken lesen, um dann vielleicht mehr Fragen als Antworten zu haben, was ziemlich demotivierend ist. Auch ist man unabhängig von Terminabsprachen und kann es ganz gemütlich jeden Tag nach der Arbeit, Schule oder Uni ein paar Stunden spielen.
--> Fazit:
- Die Verlage sollten sich wesentlich mehr mit ihrer Basis auseinandersetzen, bevor sie Quellen- um Quellen oder Abenteuer- um Abenteuerband veröffentlichen. Das gehört einfach zur oben erwähnten Ergonomie und nicht zuletzt zum Service und Support. Anderfalls kann man auf die Nase fallen, wie einige neue Editionen diverser RS deutlich machten, denn sie werden nicht von ihren Käufern akzeptiert!
- Es gibt auch so viele Spieler, die in Foren, Blogs und dergleichen aktiv sind. In Signaturen oder auf ihren Webseiten könnten sie die Werbetrommel rühren, die auf die Verlage oder die Rollenspiele aufmerksam machen, aber das sieht man nur selten. Aber es immer nur von den Verlagen verlangt dahingehend aktiv zu werden.
- Es bedarf zudem ein Umdenken in Bezug auf die Komplexität von RS (Bsp. Runenklinge). Vielleicht muss man sich auch von dem eingefleischten "PnP" etwas lösen, wenn man mehr Umsatz erzielen und neue Kunden an Land ziehen möchte. DSA-Games hat dahingehend schon mal einen Schritt geleistet. Ein Browsergame anzubieten, was auf ein PnP fußt.
- Ich habe in den letzten Jahren immer wieder die Diskussion im Netz verfolgt, wo es um das "richtige RS" oder das "richtige Schreiben von Abenteuern" geht. Soweit ich das beurteilen kann ist der Kanon der, dass man nicht ein Buch schreibt, mit denen alle zufrieden sind. Die Diskussion über Powergamer oder Storyplayer. Es ist doch absurd darüber zu diskutieren (auch wenn nicht uninteressant). Es scheint genügend Spielgruppen zu geben, die entweder das eine oder das andere favorisieren. Die RS sollten das berücksichtigen oder beide Segmente mit ihrem RS bedienen (bspw. durch einen gesonderten Online-Download-Service für Powergamer). Für ein PC-Spiel kann ich mir Trainer oder sogar höher stufige Charakter runterladen, da kräht kein Hahn danach. Warum also nicht auch im PnP? Sind wir -die RS-Gemeinde- so borniert? Es geht um ein Spiel und nicht um die Suche nach dem heiligen Gral.
- Weiter bin ich der Meinung, dass zwischen Dinosaurier und Neueinsteiger ein wesentlicher Unterschied besteht: der Anspruch. Ein Neueinsteiger will nur einen kurzen Überblick haben und dann mit wenig Aufwand losspielen. Er interessiert sich nicht für den genauen Würfelmechanismus und auch nicht für Hintergründe, die er ohne zusätzliches Material gar nicht verstehen kann. Der Dinosaurier hingegen achtet peinlich genau auf politische oder spieltechnische Hintergründe. Das Würfelsystem muss dabei ein ausgefeiltes berechenbares und mathematisch korrektes System darstellen. Es werden Wahrscheinlichkeiten berechnet und ausgewertet (was nicht selten gerade von den sog. Storyplayern beachtet wird). Den unterschiedlichen Anspruchsgruppen gerecht zu werden ist alles andere als einfach. Damals reichte es meist aus eine Skizze auf ein Blatt Papier zu malen und die Helden dorthin zu schicken. Heute muss alles sehr kinematisch sein und einen übergeordneten Plot folgen. Warum? Am Beispiel freier Rollenspiele (wie Dungeonslayers), das in vielen Sprachen übersetzt wurde und noch wird, scheint es eine relativ große Fangemeinde zu geben. Was meine Vermutung bestätigt. Ein einfaches Rollenspiel mit übersichtlichen Regeln und genügend Platz selbst aktiv zu werden, wird wohl über kurz oder lang die "alteingesessenen RS" ablösen (wenn auch nicht vollkommen). Denn jeder von uns denkt auch ein bissl wirtschaftlich. Weshalb Geld ausgeben für etwas, was mich vielleicht nicht interessiert oder in meinem Regal einstaubt? Es gibt viele kreative freie RS, die sogar zum Teil qualitativ hochwertig sind.
Das ist meine und aller Wahrscheinlichkeit nicht eure Meinung, aber das wollte ich jetzt einfach los werden.
Ich wünsche euch noch viel Spaß in dem unendlichen Dickicht der RS-Welten.
Grüße