AW: Erlernen von Disziplinen
Das Thema ging in eine etwas andere Richtung als ursprünglich geplant, dennoch war es sehr unterhaltsam
und interessant.
Ich möchte mich noch zu den 3 körperlichen Disziplinen (Stärke, Seelenstärke und Geschwindigkeit) und dieser besagten Selbstlerngeschichte äußern. Diese Regel kenne ich auch - habe sie irgendwo aufgeschnappt - finde sie aber ehrlich gesagt nicht so prickelnd. Warum sollten ausgerechnet diese Fähigkeiten quasi frei erlernbar sein und andere nicht. An dieser Stelle ergibt sich spieltechnisch eine gewisse Unfairness Clans (vor allem den Brujah) gegenüber, die diese Fähigkeiten als Clandisziplin haben, da jeder Hans-Franz die Möglichkeit hat, sie "aus sich selbst" heraus zu lernen. Was heißt aus sich selbst heraus? Sind diese Disziplinen so simpel? Wenn ja, dann warum?
Mir ist schon klar, dass das so in irgendeinem Regelwerk steht. Aber als alter DSA-Hase lernt man, die eine oder andere Regel kritisch zu betrachten und zu hinterfragen (Ich glaube es gibt kein Regelsystem, welches noch schlechter als DSA ist). Zumal auch in jedem (Vampire-)Regelwerk ganz am Anfang die goldene Regel steht, dass es keine Regeln gibt.
Ich habe mir persönlich Gedanken zu diesem "warum" gemacht. Ich denke, dass diese Sache mit unserer Assoziation "stark = dumm" zusammenhängt. Würde ein muskelbepackter Bodybuilder den Nobelpreis für Physik gewinnen, dann wäre das eine Sensation, die um die Welt ginge, weil wir (ähnlich wie bei hübschen Blondinen) jemanden der "kräftig" ist, automatisch für dumm deklarieren. Falls dieser Tatbestand nämlich nicht eintrete, so wäre unser Weltbild etwas zertört, was unser Verstand mit jener Sensation offenbar versuche zu kompensieren. Diese Assoziation liegt wahrscheinlich an der kulturellen Prägung und den Medien - vor allem in unseren Entwicklungsjahren. In Zeichentrickfilmen (guckt man als Kind ja sehr gerne) gibt es ganz häufig den großen und starken Dummen sowie den kleinen und dünnen Smarten.
Die Autoren von White Wolf sind meiner Meinung nach wahrscheinlich auch "Opfer" dieser Assoziation geworden, zumal der Medieneinfluss in Amerika generell sehr stark ist. Somit hat man sich wahrscheinlich gedacht, dass diese "körperlichen Disziplinen" sowieso ganz simpel seien, dass man sie einfach mit der Zeit aus sich selbst erlernen könne, und so hat man das ganze auch im Regelwerk verfasst.
Hier ist bzw. war die Rede von "körperlichen Disziplinen". Ist Gestaltwandel und Fleischformen keine "körperliche" Disziplin? Ich persönlich finde, dass dieser Begriff etwas schwammig ist.
Stellt euch vor, ihr hättet die nötige Muskelkraft, um einen Lastwagen anzuheben und würdet diesen Akt auch probieren. Was würde passieren? Es würde aller Wahrscheinlichkeit nach - trotz dieser Muskelkraft - im Rückgrat einmal was knacken, und die nächste Station wäre der Rollstuhl. Bei Vampiren mit Stärke passiert das nicht bzw. ich als Spielleiter würde bei einem Kainskind, welches aufgrund einer geringen Widerstandsfähigkeit sich generell schnell Verletzungen zuzieht, bei einem "Stärke-"Akt die Knochen nicht knacken lassen. Anders ausgedrückt würde ich als Spielleiter die Disziplin "Stärke" nicht nur als "pure Muskelkraft" bezeichnen sondern als eine mythische Fähigkeit, die es einem erlaubt, eine unglaubliche Kraft auszuüben, und dabei den Körper vor der damit zusammenhängenden Belastung schützt. Dieser "Schutz" sollte allerdings nur direkt mit dem Kraftakt zusammenhängen, da es sonst eine Überschneidnung mit Seelenstärke gäbe.
Ich würde die Disziplin Stärke auch nicht mit dem Attribut Körperkraft gleichsetzen.
Das wird, denke ich, nämlich bis auf die Tatsache mit den automatischen Erfolgen ganz häufig gemacht. Ich interpretiere das anders. Das Attribut "Körperkraft" ist tatsächlich ein Maß für die Muskelkraft und hängt direkt mit der Beschaffenheit des Körpers zusammen. Die Disziplin "Stärke" ist allerdings eine mythische Fähigkeit, die
unabhängig vom Körper ihren Ursprung im Blute Kains hat. Sie summieren sich zwar im Effekt, das entscheidende ist aber, dass es zwei unterschiedliche "Komponenten" sind. Somit ist diese Disziplin meiner Meinung nach genauso komplex wie z.B. Schattenspiele. Beide haben den großen Nenner, dass das Geheimnis dieser Fähigkeiten im Blut verborgen ist. Deshalb sollten beide Disziplinen nicht einfach frei "aus sich selbst heraus" erlernbar sein. Ich meine der Gedanke, einen Scheinwerfer auf die Wand zu richten, mit den Händen irgendwelche kuriosen Schattenspiele zu machen und den festen Willen zu haben, diese Schatten zu manipulieren, um dann die Disziplin zu erlernen, ist doch sehr weit hergeholt und würde in dieser Form "aus sich selbst heraus" auch nicht funktioniern. Warum sollte das ganze dann bei den anderen 3 Disziplinen gehen?
Meine Definition des Begriffs "Körperliche Disziplinen":
Körperliche Disziplinen sind mythische Fähigkeiten, die ihren Ursprung unabhängig vom Körper im Blut haben, sich aber direkt auf den Körper auswirken.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass es sich hierbei um meine persönlichen Ansichten handelt. Vielleicht wirken sie auf einige inspirierend, viellecht aber auch nicht. Im zweiten Fall hoffe ich, dass es es wenigstens interessant war, das ganze aus einem etwas anderen Blickwinkel zu betrachten.
mfG MacNeil