Ein paar Gedanken:
1) Wer ist überhaupt die Zielgruppe? Die Antwort beeinflusst IMHO Art und Weise der Werbung ungemein. Will man Jugendliche erreichen, findet man diese eher auf Facebook, denn in einem Spielzeuggeschäft. Will man Studenten erreichen, gehen diese vielleicht eher bei Amazon schoppen, denn in einem Buchgeschäft. In beiden Fällen haben wir Zielgruppen, die eine Offline-Welt gar nicht mehr kennen. Vielleicht will man aber auch ehemalige Spieler - Erwachsene zwischen 30 und 50 - wieder aktivieren? Wie spricht man diese an?
2) Ein Grundfehler, den IMHO die meisten Systeme machen (egal ob für Anfänger oder nicht), ist anzunehmen, dass der Spielleiter (SL) das Spiel bereits kennt und den anderen helfen und alles erklären kann. Das verurteilt alle Ideen wie z.B. Rollenspiele als Impluskauf anzubieten, zum Scheitern. Es verlangt, dass das Wissen mündlich tradiert wird und beschränkt so die Verbreitung. Dies muss sich ändern, wenn man Rollenspiele unabhängig von einem Sponsor verbreiten will.
Anfängerspiele müssen erklären, wie man ein guter SL ist. Eine Video-Serie auf Youtube scheint mir ein guter Ansatz zu sein. Um die 400.000 Leute schauen Wil Wheaton alle 14 Tage dabei zu, wie er ein neues Spiel vorstellt. Verkäufe der entsprechenden Spiele schnellen danach in die Höhe. Zwischen 100.000 und 300.000 Leute haben Chris Perkins und insbesondere Acquisitions Incorporated (wieder mit Wil) beim D&D-Spielen zugeschaut. Immerhin 37.000 Leute haben Mr.
Watchitplayed (eine liebenswerte Serie) beim Erklären und Mansions of Madness oder Wrath Of Ashardalon (nicht direkt Rollenspiele, aber immerhin...) zugeschaut.
3) Regeln sind IMHO gar nicht das Problem. Ich gewinne keine neuen Spieler, weil Regelsystem X nun so toll ist, sondern eher die Faszination für ein Setting. Meinetwegen noch über ein denkwürdiges dichtes Spielerlebnis. Die Diskussion über Anfängersysteme scheint sich aber hauptsächlich um Regeln zu drehen. Wenn sie zu komplex erscheinen, dann immer, das ist kein Einsteiger-Problem.
Paizo hat sich IMHO mit ihrer Pathfinder Beginners Box viel Mühe gegeben, den Einstieg in das System so einfach wie möglich zu gestalten. Das Ding gefällt auch mir. Letztlich gefielen mir die Pathfinder-Regeln nicht, aber Paizos Abenteuerpfade würde ich gerne erleben.
4) Vieles an Regeln oder Ritualen, an die wir uns als Spieler seit 10, 20 oder 30 Jahren gewöhnt haben, kann überdacht und auch geändert werden, wenn wir uns von der Idee trennen, dass alles in einem papierenen Buch stehen muss, dass man von vorne nach hinten lesen muss. Jedes erstzunehmende Computerspiel hat ein Tutorial eingebaut, dass einem Spieler beibringt, wie das Spiel funktioniert, ohne das dieser auch nur eine Zeile Regelwerk lesen muss. Wo sind diese interaktiven Tutorials für Tischrollenspiele? Ich vermeide absichtlich den Begriff Pen&Paper. Wieso muss ich die Spielwelt nur aus Worten erfahren, warum nicht auch mit Bildern, Tönen usw.? Warum nicht als interaktives Buch, als App auf dem Smartphone oder Tablet? Und warum nicht mehr wie Warhammer, dass durch Karten und interessante Würfel mehr Sinne anspricht.
5) Statt den immer wieder erwähnten 15-jährigen anzusprechen, halte ich es für interessanter, verlorene Erwachsene Spieler wieder zu gewinnen: Sie sind die finanzkräftigste Gruppe und wir verbliebenen Spieler finden da eher potentielle Mitspieler.
6) Ich glaube nicht, dass ein irgendwo kommentarlos beigelegtes Rollenspielregelwerk jemanden mit höherer Wahrscheinlichkeit dazu bringt, sich das System zu erarbeiten und es mal mit Freunden zu spielen, als das dieser einem Geschäftsmann aus Kenia hilft, ein paar Millionen € zu verschieben.
Stefan