AW: Zu dick
Mich hält der Umfang des Spielmaterials auch oft vom Kauf ab.
Mich hält der Umfang weniger vom Kauf, denn vom Lesen ab. - Ich habe eh nur recht knappe Zeit für meine diversen Hobbys zur Verfügung. Und da lese ich manche Rollenspielprodukte nicht mehr komplett durch, wenn sie nicht wirklich flüssig und schlüssig geschrieben sind. - Ich kaufe mir oft Rollenspiele "zum Ausschlachten" für andere Rollenspiele, die ich tatsächlich spiele. Daher reicht es mir oftmals nur die interessanten Teile zu lesen.
Dennoch tut es mir weh, wenn ich ein 500+-Seitenmonsterbuch vor mir habe, bei dem ich sofort sehe, was alles hätte gekürzt, gestrafft und klare UND knapper gesagt werden können.
Früher, als Drucken augenscheinlich noch vergleichsweise teuerer als heute gewesen sein muß, da hatten die Verlage die Autoren sehr stark zu einer KNAPPEN Ausdrucksweise angehalten, um Seiten zu sparen. - Die KOMPLETTE Gamma World Erstauflage hat nur 59 Seiten Regelwerk mit Settingbeschreibung! Gamma World D20 hat etwa das ZWANZIGFACHE!
Ob das so sein muß, wage ich zu bezweifeln.
Savage Worlds zeigt, daß man auch knappere und dennoch vollständige Formate hinbekommen kann. Auch heute noch.
Ich bin bereit zum einstieg viel geld für EIN buch auszugeben.
Wenn ich mir sichersein kann, dass es alles ist was ich jemals zum spielen Brauchen werde.
Dann darf es ruhig auch etwas dicker sein. Sobald diese arbeit nämlich getan ist, kann man mit dem eigentlichen spielen loslegen.
Das hat tatsächlich etwas. - Wenn ich weiß, daß ich NUR DAS EINE Buch jemals lesen muß, um ALLES, was ich für meine Kampagne brauchen werde, zu kennen, dann bin ich eher bereit mich auch durch ein Seitenmonster zu kämpfen.
Aber: Meist scheitert auch in solchen Fällen das Durchkämpfen an praktischen Erwägungen.
Praktische Erwägung: Jede Stunde, die ich in das Lesen eines Seitenmonsters stecke, welches so umfangreich ist, daß es meine Spieler garantiert NICHT lesen werden, nutzt mir für das praktische Spielen nichts. Das ist zwar mit nettem Lesevergnügen verbrachte Zeit, aber keine, die meinem Willen zum PRAKTISCHEN Spielen etwas nutzt.
Artesia. - Ein wunderschön aufgemachtes, in nur einem einzigen Band erhältliches, komplettes Rollenspiel. - Ich bin auch noch Fan der Artesia-Comics und kenne den Hintergrund der Spielwelt einigermaßen (was davon in den Comics und Artikeln erläutert wurde). - Aber das Buch ist zum ABGEWÖHNEN. So viel Flufftext, so klein gedruckt (ermüdend für meine armen alten Augen), so viel KRAM, was man als Spielleiter und auch als Spieler wissen MUSS, um das überhaupt spielen zu können, das schreckt schlichtweg ab.
Eines der vermutlich ungespielt in meinem Regal vermodernden Rollenspiele.
Ich mag dicke (Rollenspiel-)Bücher, gerne auch mit reichlich Fluff. Allerdings haben diese mittlerweile wenig Chance von mir gespielt zu werden.
...
Ist es aber nur ein dünnen Buch, dann lese ich ganz klassisch von vorne nach hinten. Und diese leichte Kost würde ich dann auch eher spielen/leiten.
Eben. - Und ein Rollenspiel, welches auch tatsächlich gespielt wird (d.h. welches die Eingangshürde, daß es überhaupt erst einmal gelesen wird, genommen hat), das verkauft eventuell auch noch weitere Produkte (Abenteuer, Kampagnen, Quellenbände).
Du bist so 90er! In letzter Zeit werden Rollenspiele immer dünner.
Kann ich nicht feststellen.
Es trifft zu, daß EINIGE WENIGE Rollenspiele in knappem Umfang herauskommen. Funky Colts, Savage Worlds, usw. sind dabei ja wenigstens vollständig.
Was hingegen Mongoose mit den ZU DÜNNEN und sinnlos auseinandergeschnittenen RuneQuest-Bänden gemacht hat, das ist einfach Beschiß am Kunden.
Und wenn man die Opus Anima Ankündigungen bezüglich des anvisierten Umfangs des GRUNDBUCHES verfolgt hat, dann ist sogar sicher, daß KEIN TREND zu dünneren Büchern vorliegt, sondern Dicker-ist-Besser immer noch regiert.
Und ich kann das auch verstehen.
Es ist VIEL SCHWIERIGER einen Text inhaltsgleich aber KNAPP abzufassen. - Mir selbst gelingt die knappe Form auch nur unter Schwierigkeiten und Zeitaufwand. Wenn man flüssig vor sich hin schreibt, dann "fließt es einem aus der Feder".
Nur: Ein Autor, der sich auch nur als halbprofessionell präsentieren möchte, muß ein wichtiges Werkzeug in seinem "Schreibkasten" haben - das KÜRZEN.
Das "Eindampfen", das "Fett rauslassen", das "auf den Punkt bringen" - diese Eigenschaften unterscheiden die guten Autoren von den Leserlebenszeitverschwendern.
Dünne Systeme, wie Savage Worlds sind nicht die Lösung. Sie sind entweder nicht gut gerüstet oder nicht befriedigend einsetzbar.
Interessanterweise ist der beachtliche Erfolg von Savage Worlds genau daran gelegen: Es ist DÜNN (schnell zu lesen, lernen und für eine Spielrunde zu verwenden), es ist GUT GERÜSTET (genreübergreifend, klare Kernmechaniken) und daher BEFRIEDIGEND EINSETZBAR (manche spezialisierteren oder detaillierteren Regelsysteme wären da, wo Savage Worlds befriedigend eingesetzt werden kann, vermutlich sehr befriedigend oder "perfekt" einsetzbar - doch werden sie eben NICHT GESPIELT, weil der Zugang durch Umfang und Komplexität verbaut wird; daher ist "befriedigend einsetzbar" auch erst einmal als "wird in der Praxis auch tatsächlich gespielt" zu verstehen).
Und es geht nicht einmal nur um "Systeme".
Engel hat als ein einziger Hardcover-Band in seiner Erstauflage ausgereicht, daß man - auch OHNE System, sondern nur mit den Arkana-Karten - losspielen konnte. - Die später erschienenen Ordensbücher und Quellenbände WOLLTE man haben, aber man brauchte sie nicht wirklich zum befriedigenden Spielen.
Engel ist ein Rollenspiel ohne Regelsystem. Savage Worlds ist ein Rollenspiel ohne Setting. - Man kann mit beiden Produkten in der "Urform" auskommen, ohne Zusatzprodukte. - Aber bei beiden WILL man die Zusatzprodukte haben, sobald man mal losgelegt hat und auf den Geschmack gekommen ist.
In soweit finde ich einen Ansatz mit Zusatzbänden durchaus in Ordnung. - Es sollte nur so sein, daß der ERSTE Band, das Grundregelwerk, in sich vollständig und spielbar ist, ohne eine zu hohe Lese- und damit Einstiegs-Hürde dazustellen. - Lust auf mehr Informationen zu Regelsystem und Spielwelt kommt eher beim Spielen als nur durch das Lesen der "Papierform" eines Rollenspiels.