AW: Wie tot ist Pen&Paper-Rollenspiel eigentlich?
Das kommerzielle Pen and Paper befindet sich meiner Ansicht nach aufgrund der Inkompetenz der Verlage, die es nicht auf die Reihe bringen, ein anständiges Marketing-Konzept auf die Beine zu stellen, auf dem absteigenden Ast.
Das größte Problem ist, daß PnP relativ unbekannt ist und Produkte, die man nicht kennt, werden auch nicht gekauft.
Klar, die Verlage als Schuldige zu identifizieren ist leicht (und ja auch wenigstens zum Teil durchaus korrekt). Aber die Verlage sind es NICHT ALLEIN.
Was ist denn mit den ROLLENSPIELERN selbst?
Was tun die Rollenspieler denn selbst zur Verbreitung (d.h. ZUKUNFTSSICHERUNG) ihres Hobbys?
Im Tipp-Kick kann man sehr schön sehen, wie durch öffentliche und daher SICHTBARE Spielfreude und Aufgeschlossenheit seit ca. 30 Jahren beständig die Zahl der aktiven Spieler wächst. Und Tipp-Kick ist gegen über dem Nischen-Hobby Rollenspiele eine noch wesentlich kleinere Nische.
Eigentlich hätten ja ALLE etwas davon, wenn Verlage, egal ob groß (und arrogant) oder klein (und ARROGANTER!) oder noch kleiner (und oft wesentlich aufgeschlossener), Unabhängige, Veranstalter (von Cons), Rollenspielvereine, Rollenspielgemeinschaften, Rollenspielforenbetreiber und die AKTIVEN ROLLENSPIELER im Land an DEMSELBEN Strang zögen.
Natürlich darf man (und SOLL man) in den Belangen des Rollenspiels anderer Meinung sein und sich bis aufs Blut in Streitgesprächen ereifern können. So etwas ist für mich Zeichen des Engagements im Hobby.
Aber für eine Zukunftssicherung des Rollenspielhobbys gehören eben nicht nur einzelne Verlage oder einige wenige Rollenspielvereine dazu, sondern es gehört eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit für INTERESSENTEN, für Neugierige, die gerne einmal wissen wollen, was eigentlich Rollenspiele sind, dazu. - Immer nur im eigenen Keller im "Spielzimmer" zu hocken, Würfel zu kullern und Pizza zu essen, lockt NIEMANDEN zum Rollenspiel. Was kann man den gegen diese "Unsichtbarkeit" tun?
In Neu-Ulm findet diesen November wieder eine große Veranstaltung statt, bei der man alle nur erdenklichen SPIELE (Brett-, Karten-, etc. Spiele, und auch Tipp-Kick!) spielen kann. - Dort habe ich bei den Organisatoren vorsichtig und höflich nachgefragt, ob ich vielleicht dort auch an einem Tisch ein paar kurze Kennenlernrunden fürs Rollenspiel anbieten könnte. Die Antwort war diese hier (gekürzt; Hervorhebungen von mir):
[Anredefloskel]
über den zuständigen Dekanatsjugendreferenten der Evangelischen Jugend
im Dekanatsbezirk Neu-Ulm erreichte mich als Projektleiter der
Veranstaltung KOMM, SPIEL MIT Ihre Anfrage.
Wir erhalten derartige Anfragen immer mal wieder. Aus
inhaltlich-strukturellen Gründen wollen wir jedoch davon absehen, das Rollenspiel (auch
die Papier gebundene Form) nicht in unser Angebot mit aufzunehmen.
KOMM, SPIEL MIT ist eine reine Brett- und Kartenspiel-Veranstaltung,
welche insbesondere Kinder, Jugendliche und Familien ansprechen möchte
und dabei versucht, möglichst Gewaltverherrlichende, -unterstützende oder
-beinhaltende Spielformen auszuklammern. Es ist mir und uns bewusst,
dass es in vielen "normalen", eher harmlos anmutenden Spielen
selbstverständlich auch um Auseinandersetzungen unterschiedlichster Art geht,
doch sehen wir in einem Rollenspiel eine deutlich stärkere Unterstreichung
des Faktors "Konfliktlösung mit gewaltbesetzten Modellen".
Es tut mir Leid, wenn ich eventuell hier etwas zu vorurteilshaft oder
auch fehleinschätzend Ihr Angebot beurteile. Um dem Gesamtansehen der
Veranstaltungen willen, muss ich Ihnen leider eine Teilnahmemöglichkeit
als Anbieter bei KOMM, SPIEL MIT absagen und wäre froh für Ihr
Verständnis und Ihre Nachsicht.
[Grußfloskel]
Amt für Jugendarbeit der Evang.-Luth. Kirche in Bayern
Arbeit mit Kindern sowie Kinder- und Jugendkulturarbeit
Projektleitung KOMM, SPIEL MIT in Neu-Ulm
Da war es dann wieder. - Rollenspiel = Gewaltverherrlichung.
Scheiße!
Was macht man in solch einem Falle?
Da brauche ich nicht lange mit "Engelszungen" zu argumentieren versuchen. Auch das Erwähnen, daß etwa die Hälfte der Spiele, die letztes Mal dort angeboten wurde, mit dem TÖTEN, SCHLAGEN, Verrat, Intrige, Meuterei, etc. zu tun hatte, ist hier fruchtlos.
Und gegen solche (nicht einmal völlig unbegründeten!) Vorurteile kann auch ein noch so motivierter Verlag nichts ausrichten.
Medien stürzen sich wie die Geier auf alles, worüber man sich kraftvoll entrüsten kann. Ob Ego-Shooter, LARPer, die nicht wissen, daß der Rest der Welt NICHT MITSPIELT, oder eben
"Killerwürfelspiele".
In diesem Sinne freue ich mich immer über Presse-Artikel, in denen über Rollenspiele sachlich, interessiert und sogar manchmal begeistert berichtet wird. Solche "Außendarstellungen" sind mehr wert, wenn sie öfter kommen, von unterschiedlichen Seiten und auf unterschiedlichen Medien kommen und wenn sie von den "Rollenspiel-Offiziellen" d.h. Verlags- und Verbandsvertretern unterstützt werden.
Meinem Eindruck nach haben die Tabletop-Spieler weit weniger Nachwuchssorgen als die Rollenspieler. - Und auch die Tabletop-Spieler haben ihre Fraktionen, die einander mindestens so spinnefeind sind, wie die ARSer und die Erzählbären. - Was machen die Tabletop-Leute anders (besser?) als die Rollenspieler?
Und Tabletop-Spieler müssen sich NICHT die Gewaltverherrlichungsvorwürfe gefallen lassen, die man als Rollenspieler immer wieder zu hören bekommt. Und das, wobei doch Tabletop NUR und zwar AUSSCHLIESSLICH aus GEWALTSZENEN besteht! - Warum wird das augenscheinlich eher als "harmloses 'schachartiges' Vergnügen" akzeptiert?
Ich verstehe das nicht.