Rund um Bücher "Sprachzensur" und Rassismus in Literatur und der Umgang damit.

Jeder der seine Weltsicht als die richtige ansieht, damit missionieren geht und seine Sicht als objektiv besser verkauft.
Das eine richtig gibt es nicht.
Mir sind nur die eher freundlichen Leute die inkludieren lieber als die Spalter/Abgrenzer, wohl wissend das die freundlichen Leute von der linken Seite des politischen Spektrums ab und an genauso verbohrt und verblendet sein können wie die von der rechten Seite des politischen Spektrums. Und im Extremfall genauso schlimm sind wie die von der rechten Seite.

Es gibt sicher Länder die bohren das Dicke Brett und agieren strategisch und nicht nur tagespolitisch.
Finde ich auch legitim das Länder und Bündnisse von Ländern ihre Interessen verfolgen solange nicht die Interessen ihrer Nachbarn und Handelspartner unter die Räder geraten.
Die ganze "Werte" Debatte ist leider nur an der Oberfläche etwas das wirklich geführt wird.
Die großen Mitspieler scheißen auf ihre Werte wenn sie ihren Interessen signifikant im Wege stehen.

Ich sehe keine Verschwörungen zur, uiuiui, Gedankenkontrolle.

Ich bin inzwischen Zyniker und, in maßen, Realist geworden wenn es um Nachrichten geht.
 
Sry nochmal wegen der ganzen Verwirrung, die ich gestiftet habe.
Ja, ich bin "neu im Board", hing in der Diskussion zeitlich ein gehöriges Maß zurück und hatte den Eindruck Ihr beiden würdet Euch gleich im übertragenen Sinn an die Kehle springen.

Na, wer sagt es denn, so scheinen wir uns am Ende doch noch getroffen zu haben. ;)

Achtung! Damit nicht schon wieder alles durcheinander gerät:
Die folgenden Angaben beziehen sich auf Post #1101 (Kowalski, Heute um 18:24 Uhr) und sind natürlich wie immer ohne Gewehr, oder so ähnlich.

Den genannten Punkten stimme auch ich im wesentlichen zu.

Umsetzung

Zu 1) Wie gut gelungen oder misslungen die vorgenommene Überarbeitung ist und ob eine buchstabengetreue Widergabe weniger verfälscht, als eine in ihren ursprünglichen Sinne, darüber lässt sich in der Tat streiten.

Hierzu siehe auch die Punkte Probleme 1) und 4)

In den Punkten 2) und 3) teile ich Deine Einschätzung, dass die Überarbeitung vermutlich weder bei der Erziehung von Kindern von besonderem Nutzen ist, noch etwas wesentliches an bestehenden Verhältnissen ändert.

So wie ich die ganze Sache verstanden habe, war keiner der beiden genannten Punkte Anforderung oder gar Zielsetzung einer Überarbeitung, die lediglich eine (vermeintlich harmlose *hust*) Anpassung an veränderte Sprachgewohnheiten darstellt.

Sprich die Aktualisierung war weder als erzieherische noch als politische Maßnahme gedacht. (nachträgliche Instrumentalisierung zur gezielten Verbreitung politischer Ansichten nicht ausgeschlossen ;))

Hier sehe ich keinen Skandal, wenn ein niemals vorhandenes Ziel am Ende nicht erreicht wird.

Eine mögliche Kontraproduktivität im in 2) genannten erzieherischen Sinne sehe auch ich.
Würde als nicht Buchstabentreue, sondern sinngemäße Beibehaltung des Inhalts predigender Fundamentalist an dieser Stelle aber zumindest anmerken wollen, dass sich die Wortwahl im Original voraussichtlich ebenfalls nicht an ihrem erzieherischen Wert orientierte.

Probleme

Bei Problem 1) treffen wir uns bei Punkt Umsetzung 1) wieder.

Wie gut gelungen, oder wie sehr missglückt die Aktion "Überarbeitung zu einem "verständlicheren und widerspruchsärmeren" Text" gelungen ist und wie sehr er durch Durchführen oder Unterlassen einer Aktualisierung verfälscht wird, ist sicher eine Streitfrage.

Meine Sicht der Dinge habe ich versucht Dir darzulegen.
Ich sage weder das es die "richtige" Sicht ist, noch dass es die "falsche" ist.
Es ist lediglich eine mögliche, eine von vielen.

Skandalös und problematisch sind unterschiedliche Ansichten m.E. nicht, im Gegenteil gerade sie machen das Leben interessant.

Bei Problem 2) stimme ich Dir zu. In meinen Augen schrammt es nicht nur an Zensur vorbei, es ist Zensur!

Die Schwierigkeit vor der wir bei einem urheberrechtlich geschützten Werk stehen ist die, dass wir es - Aktualisierung oder nicht - in jedem Falle mit Zensur zu tun haben. Eine freie Kontrolle darüber, welche Information uns präsentiert wird, ist uns hier zwar nicht durch staatliche Vorgaben genommen, so aber durch die Monopolstellung des Rechteinhabers entzogen.

Zu Problem 3) Ja, dass Worte in ihrem Kontext zu lesen sind und nicht für sich alleine stehen, das sehe ich genauso.

Aus diesem Grund hatte ich das Gegenbeispiel "Neger" und "Nigger" in "The Adventures of Tom Sawyer" gebracht.
Der "Negerkönig" in Pipi Langstrumpf hingegen steht, wenn ich mich richtig erinnere, in einer recht langen Aufzählung von Titeln wie "Seeräuberkapitän, ......, Epraim Langstrumpf" recht isoliert.

Bitte nicht schlagen, wenn ich da schon wieder etwas durcheinander gebracht habe, wie bei dem König, den Pipis Vater nicht nur kennt, sondern der er auch ist.
Ein Buch habe ich leider nicht zur Hand. :(

Zu Problem 4) Ich glaube hier reden wir noch immer aneinander vorbei.

Warum unterstellt man das es negativ gemeint war?

Ausgangspunkt meiner gesamten Überlegungen zu Für und Wider einer Überarbeitung des Begriffs "Negerkönig" war nicht die Unterstellung , dass "... es negativ gemeint war", sondern im Gegenteil!! (zwei Ausrufezeichen - vielleicht liegt hier die Wurzel des Übels bereits zweier gefüllter Seiten), die Unterstellung, dass es nicht!! (nochmal zwei Ausrufezeichen - zur Sicherheit) "... negativ gemeint war", die ich durch Indizien, wie angebliche Äußerungen der Autorin gedeckt sah.

Genau in dem Widerspruch einer zur damaligen Zeit durchaus positiv interpretierbaren Belegung des Wortes "Neger" und einer eindeutig negativen in heutigen Tagen, habe ich eine potentiell größere Verfälschung des Werkes bei Nicht-Überarbeitung gesehen, als bei einer Aktualisierung.

Sollte hingegen die Unterstellung dass es bereits in der ursprünglichen Version "... negativ gemeint war" stimmen, so nehme ich alles zurück und behaupte das Gegenteil! In diesem Falle sehe auch ich eine drastische Verfälschung des ursprünglichen Werkes.

politische Lager

Ja, Ideologien sind Brillen, durch die Blicke wenn nicht getrübt oder verstellt, so doch gefärbt werden können.

In meinen Augen handelt es sich bei dem konkreten Fall des "Negerkönigs" in Pipi Langstrumpf im wesentlichen um ein sprachliches Problem und nicht um ein politisches.
Was wir in politischem Sinne als dringend notwendige "Entschärfung" oder massiven Eingriff der "Gedankenpolizei" daran wahrnehmen sind Spiegelbilder der vielen Brillen, die wir alle tragen.
 
Es ist kein großer Skandal, nur ist es Schade das hier der scheinbar einfache Weg gewählt wird den Neger verschwinden zu lassen.
Und wir sehen ja, die Leute stören sich dran. Nicht viele, aber einige.

Bevor man was macht sollte man sich vor Augen führen wie das auf andere wirkt. Auf die gleicher Gesinnung. Auf die der entgegen gesetzten. Und auf die neutralen.

Badische Zeitung zeigt das ganz gut, lustig ist das die dann wohl auch in einer Verbrennungsanlage landen. Tut Papier bei uns oft auch.
Badische Zeitung schrieb:
Gleichzeitig gab die Gemeinde aber zu, dass auch Bücher entsorgt würden, in denen "veraltete Ausdrücke, die als rassistisch aufgefasst werden können, vorkommen

Pippi Langstrumpf ist nur ein Symptom, es ist keineswegs eine vollständige Auflistung der Reinigungsaktion...

Badische Zeitung schrieb:
"Die Gemeinde versucht das abzutun, in dem sie sagt: So machen wir das mit allen Büchern, die aussortiert werden. Aber hier tut man es aus ideologischen Gründen, weil Botkyrka interkulturelle Richtlinien eingeführt hat", erwiderte Josefsson. "Die Nazis haben marxistische Literatur verbrannt, weil sie sie unbequem fanden. Hier tut man es aus anderen Gründen." Man könne doch nicht die gesamte alte Weltliteratur, in der solche Begriffe vorkommen, entsorgen oder nachträglich gemäß der neu erlassenen Richtlinien abändern, so Josefsson. Man müsse vielmehr kritisch darüber diskutieren, wie und warum bestimmte Sichtweisen und Ausdrücke vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeit entstanden sind.

Da sind besorgte Bürger die sich denken sie wissen schon was besser für alle ist.
Das die zeitliche Nähe der interkulturellen Richtlinien und der Entsorgung schon deutlich ist, und generell dieses Verhalten deutlich macht das man sich Freiheiten herausnimmt zu bestimmen welche Bücher lesenswert sind und welche nicht.
Wo ist der kategorische Unterschied zu Bibelchristen die Evolutionstheorie-Bücher aus Bibliotheken verbannen? Es mag zwar ein qualitativer sein, aber wer sagt einem das das so bleibt?
Wieso ist das eine in Ordnung und das andere nicht? Die herangehensweise ist die gleiche. Einige wenige Personen vereinbaren was gut und was schlecht für den Rest ist und verändern das Bücherangebot.
Warum Diskussionen scheuen?

dass sich die Wortwahl im Original voraussichtlich ebenfalls nicht an ihrem erzieherischen Wert orientierte.
Lindgren sagte ja das sie das 1970 anders geschrieben hätte. Aber sie ist nicht aufgestanden und hat ihre Bücher geändert. Das hat man erst nach ihrem Tode gemacht.
Ich verstehe nicht wieso man ein Buch nicht als Dokument der Zeitgeschichte unredigiert lassen kann?
Anne Franks Tagebücher werden doch auch nicht umgeschrieben.
Oder die Werke von Bertold Brecht.

Ich sehe das schon prinzipiell. Wenn man keine Zensur und Verfälschung will, dann darf man Änderungen ganz vorsichtig machen und ich weiss nicht ob ich dieses Prädikat hier platzieren kann.
Wäre es ein offensichtlicher Fehler/Irrtum dann denke ich das Lindgren den Text nachträglich hätte ändern lassen.

tl;dr:
Der Trugschluss ist: Zensoren sind immer die "Anderen".
Manchmal ist es aber leider das eigene politische Lager, man "Selbst".
Und das lehne ich, egal aus welchem Lager kommend, aus Prinzip ab
 
Bei Büchern ist es ja tatsächlich so, dass man dort auf Inhalte trifft, die man vielleicht gar nicht haben wollte, als man das Buch gekauft hat. Da stehen ja auch keine expliziten Altersangaben drauf. Gerade bei Büchern, die auch als Vorlesebücher fungieren, muss/will man da manchmal während des Vorlesens improvisieren.

Das wäre ja auch Zensur.

Den Neger hätte ich vermutlich erklärt, wenn ich ihn vorgelesen hätte. Einfach so, dass ich nach dem Vorlesen gesagt hätte, dass man das heute nicht mehr sagt, weil es mehrheitlich negativ belegt ist...

Auch Spielecover von damals würde man heute nicht mehr herausgeben (Blackfacing, Rollenbilder). Die haben sich über die Jahre auch von selbst angepasst.

Insofern darf man eigentlich gegen gewachsene Anpassungen nichts sagen.

Originale sollte man meiner Meinung aber nicht grundsätzlich verurteilen oder gar verbieten oder aus dem Verkehr ziehen. Da kann man dann besser den geschichtlichen Kontext herausstellen.
 
3.) Der Beobachtete Effekt "einzelne Wörter" werden ausgetauscht ist ein Resultat natürlicher Alterung.
Aber genau hier ist der Punkt, wo Du meiner Meinung nach völlig falsch liegst. Es ist eben kein Prozess natürlicher Alterung, sondern eine von außen erzwungene Änderung. Sprache wandelt sich, ja. Aber hier hat sich die Sprache nicht gewandelt, sie wurde gewandelt, denn da kamen ein paar Leute und haben erklärt, das darf man so nicht sagen. Und ich hoffe, dass es das ebenso scheitern wird, wie die Wortexperimente Gesichtserker und Beitunke...
Wenn jemand heutzutage Hermann Löns Wehrwolf lesen würde, dann wundert er sich ggf über die überkommene Sprache. Nebenbei gesagt käme wohl niemand auf die Idee, dass man das Wort Dirne nun durch junge Frau/junges Mädel ersetzt werden müsse, da Dirne unserer Tage negativ besetzt ist. Und dabei hat sich hier die Wortbedeutung tatsächlich gewandelt. Und ebenso sollte es mit Worten wie Neger und Zigeuner sein. Wenn es sich in der Sprache, durch die Nutzung durchsetzt, dass man da was anderes sagt, ok, dann ist das halt so. Aber es von außen aufzuzwingen ist nicht nur falsch, es wird meines Erachtens auch nicht funktionieren.
 
Ich sehe keine Verschwörungen zur, uiuiui, Gedankenkontrolle.
Klingt aber so, wenn du von "Umerziehung" schreibst.


Die "Negerprinzessinen"-Debatte kann man neben einer Aberziehung des Gebrauchs des Wortes "Neger" nämlich auch deutlich anders interpretieren - und so tun das die meisten hier im Thread auch, nämlich:
Das Wort "Neger" ist heute negativ besetzt und hat deshalb heute eine andere Bedeutung als zur Zeit als das Buch geschrieben wurde. Damals ware "Neger" einfach die Standardbezeichnung für Schwarze und die "Negerprinzessin" war ein Mädchen, dass sich voller stolz als Mitglied einer Gruppe sah, die fremdartig und exotisch war.

Jerome Boateng ist heutzutage weder besonders fremdartig, noch exotisch und wenn jemand ihn als "Neger" bezeichnet kommt er entweder aus dem bairischen Sprachraum (wo das Wort im Dialekt auch heute noch recht flapsig und wertneutral benutzt wird) und hofft drauf nicht missverstanden zu werden oder will abfällig über ihn reden.

Betrachtet man Pippi Langstrumpf als historisches Werk, stimme ich dir zu, dass eine Zensur albern, unnötig und unangemessen ist. Wir wissen was gemeint war und können hier nicht einfach die Sprachgeschichte umschreiben.

Betrachtet man Pippi Langstrumpf aber als Kinderbuch, das immer wieder neu aufgelegt als zeitlos modern verbreitet werden soll, dann ist es verständlich, dass die Sprache, dort wo sie für heutige Zeitgenossen missverständlich ist, modernisiert wird um die ursprüngliche Bedeutung zu unterstützen. Als stolze Selbstbezeichnung fände ich es zwar heute auch cool, wenn Pippi sich als "Negerprinzessin" bezeichnet. Andereseits klingt dies für mich im Kontext unseres modernen Sprachgebrauchs, dann eher nach "me and my niggas", d.h. erhält eine provokante Anti-Rassismus-Ebene, die im Werk so ursprünglich nie enthalten war.
Ja, ich stimme dir zu, dass "Südsee" die Sache nicht besser macht und sehe es eher als einen kläglichen Versuch an, das Klischee vom exotischen wilden freien "Neger" auf die exotische Südsee zu verlagern.

Das Problem ist aber ein anderes: Man schreibt heute keine Bücher mehr, in denen Weiße gemeinsam mit mehr oder weniger edlen Wilden exotisch freie Abenteuer erleben (und das meist als Anführer). Der ganze Kontext lässt sich nicht kindgerecht modernisieren, so lange wir Pippi nicht in ein Fantasy-Land oder auf einen anderen Planeten schicken.

Du siehst, wir sind da sogar recht nah beieinander.


Bei aller berechtigter Kritik finde ich es aber eher albern hier über Umerziehung zu schimpfen. Wozu wollen DIE denn erziehen, wozu uns nicht auch Pippi Langstrumpf "erziehen" wollte. Ich könnte dich ja verstehen, wenn Pippi Langstrumpf ein Werk wäre, das die Überlegenheit der weißen Rasse propagieren würde, aber wir haben es hier mit einem freiheitlichen, anarchistischem, feministischem Kinderbuch zu tun, das als Traumberufe "Pirat" oder "Neger" präsentiert und von letzterem will man die Bezeichnung ändern, weil damit nie "Mensch mit schwarzer Hautfarbe" gemeint sein sollte, sondern "edler Wilder".
Das ist kein UMerziehung - die Typen, die zwanghaft dieses Wort umschreiben wollen, wollen ganz im Gegenteil sogar zum selben Weltbild erziehen, insb. auch weiterhin den exotistischen Unterton ins 21. Jahrhundert mitschleppen. Das ist ideologisch keinen Milimeter moderner. Ich weiß nicht, wo du da eine Umerziehung siehst.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist kein UMerziehung - die Typen, die zwanghaft dieses Wort umschreiben wollen, wollen ganz im Gegenteil sogar zum selben Weltbild erziehen, insb. auch weiterhin den exotistischen Unterton ins 21. Jahrhundert mitschleppen.
Ob das für alle derjenigen gilt, ist aber eine Frage und keine Feststellung. Insbesondere, wenn man möglicherweise diese Pippi-Debatte auch stellvertretend für andere Namenssubstitute führt.

Ich finde Kowalskis Position daher nicht so abwegig.
Ich habe das Thema ja eben damals auch eröffnet, weil es eben (bei mir) auch direkt einen ersten Beißreflex auslöste.

Und die Kritik, dass man hier mit der Streichung von "Neger" eben gerade auch die Erklärung des Begriffs, seine damalige und heutige Verwendung, verhindert, muss man sich in dem Zusammenhang wohl auch gefallen lassen.
Den "Neger" drin zu lassen, könnte ja auch eine Chance gewesen sein, den Begriff erst recht ins richtige Licht zu rücken.
 
Originale sollte man meiner Meinung aber nicht grundsätzlich verurteilen oder gar verbieten oder aus dem Verkehr ziehen.

Ganz und gar auf Deiner Seite!

Sowohl eine generelle Verurteilung von Originalen, als auch ein einzig dem Zweck der Beseitigung dienendes aus dem Verkehr ziehen, halte auch ich für bedenklich.
Im Falle eines echten Verbots könnten sogar essentielle Grundrechte, die uns vor staatlicher Gewalt schützen sollen, verletzt sein und es müsste von Fall zu Fall sehr genau geprüft werden, ob Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz überhaupt anwendbar ist.

Mein Eindruck ist jedoch der, dass im konkreten Fall keine der genannten Ängste eine reale Grundlage hat.

Ein Verlag entscheidet sich eine überarbeitete Neuauflage herauszugeben. Bibliotheken misten nach und nach alte und defekte Exemplare aus und ersetzen sie durch eine neue Version, das ist ein ganz normaler und natürlicher Vorgang.

Vorschriften und Gesetze, deren Zielsetzung es ist, ein solches Vorgehen gewaltsam zu erzwingen wurden nicht erlassen.

Auf irgend eine Art und Weise müssen alte Bücher entsorgt werden, soviel sollte offensichtlich sein.
Einen echten Skandal daran, dass sie in diesem Zuge verbrannt werden, sehe ich einzig darin, dass sie nicht dem Recycling-Kreislauf zugeführt wurden. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ob das für alle derjenigen gilt, ist aber eine Frage und keine Feststellung. Insbesondere, wenn man möglicherweise diese Pippi-Debatte auch stellvertretend für andere Namenssubstitute führt.

Ich finde Kowalskis Position daher nicht so abwegig.
Ich habe das Thema ja eben damals auch eröffnet, weil es eben (bei mir) auch direkt einen ersten Beißreflex auslöste.

Und die Kritik, dass man hier mit der Streichung von "Neger" eben gerade auch die Erklärung des Begriffs, seine damalige und heutige Verwendung, verhindert, muss man sich in dem Zusammenhang wohl auch gefallen lassen.
Den "Neger" drin zu lassen, könnte ja auch eine Chance gewesen sein, den Begriff erst recht ins richtige Licht zu rücken.
Bei mir hat es ja auch einen Beißreflex ausgelöst.
Aber noch mehr Beißreflexe löst bei mir das Äußern von Umerziehungsängsten aus, nur weil in EINEM Kinderbuch EIN Wort verändert wird.

...ich glaub ja eh, dass hinter der Änderung eigentlich die Tourismus-Lobby der Südsee steckt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Problem ist aber ein anderes: Man schreibt heute keine Bücher mehr, in denen Weiße gemeinsam mit mehr oder weniger edlen Wilden exotisch freie Abenteuer erleben (und das meist als Anführer). Der ganze Kontext lässt sich nicht kindgerecht modernisieren, so lange wir Pippi nicht in ein Fantasy-Land oder auf einen anderen Planeten schicken.
In diesem Falle wäre vielleicht sogar schon eine Nacherzählung oder Pippi-Langstrumpf-Pastiches erwägenswert.
 
Das mit der Chance zum "ins rechte Licht rücken" hatte ich ursprünglich auch mal gesagt.
Nach längerem Nachdenken und auch Gesprächen mit einer Erzieherin in einem Kindergarten, sehe ich das inzwischen anders.

Was willst du denn erklären?
Damals war das Wort nicht negativ besetzt? Jein.
Ja, das WORT war nicht negativ besetzt, aber der "Neger" ansich war in den Augen der Gesellschaft dafür ein primitiver Wilder. Darum geht es doch überhaupt bei der Bezeichnung als "Negerprinzessin".
Astrid Lidgren wollte uns damals mit dem Wort doch nicht klar machen, dass Pippi sowas wie die Adoptivtochter von Barack Obama sei, sondern sie wollte uns damit sagen, dass Pippi gemeinsam mit einer Horde Eingeborener, mit Knochen im Haar und Tellern in der Lippe, durch den Urwald gerannt ist und mit Speeren exotische Tiere gejagt hat. Sie ist die Urwaldprinzessin. (<- mMn wenigstens besser als "Südsee")

Aus diesem Grund bin ich ja der Meinung, man sollte das Wort "Neger" behalten. Es geht hier nicht um Schwarze. Es geht hier um den Neger, so wie er als Exot früher in Geschichten vorkam.
Was willst du da erklären?


Ich sehe hier keine Umerziehung, sondern den verzweifelten Versuch eine Geschichte die einst als progressiv wahrgenommen wurde und für damalige Verhältnisse ein sehr positives Bild von Schwarzen zeichnete in eine Zeit zu retten, wo die Geschichte spürbar Klischees mitschleppt, die ziemlich veraltet sind und heutzutage eher abgelehnt werden.
"Pippi Langstrumpf" als Pflichtlektüre für die 8. Klasse um anhand dessen den gesellschaftlichen Wandel zu diskutieren, wäre da ne gute Idee - aber erklär das mal beim Vorlesen in zwei Sätzen einem Vorschulkind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eben keine Erklärung. Einfach einen anderen Autor andere Geschichten mit dem gleichen Charakter erzählen lassen (ähnlich wie Sprague de Camp mit Conan) und "heikle" Inhalte nicht mehr bringen.
 
Eben keine Erklärung. Einfach einen anderen Autor andere Geschichten mit dem gleichen Charakter erzählen lassen (ähnlich wie Sprague de Camp mit Conan) und "heikle" Inhalte nicht mehr bringen.
Klar - kann man machen.

Aber Schneewittchen wird auch seit Generationen erzählt und hierbei häufig das der Foltertod der bösen Stiefmutter weggelassen. Weil man gute traditionelle Geschichten halt gerne weitererzählt.
 
Ich sehe hier keine Umerziehung, sondern den verzweifelten Versuch eine Geschichte die einst als progressiv wahrgenommen wurde und für damalige Verhältnisse ein sehr positives Bild von Schwarzen zeichnete in eine Zeit zu retten, wo die Geschichte spürbar Klischees mitschleppt, die ziemlich veraltet sind und heutzutage eher abgelehnt werden.
"Pippi Langstrumpf" als Pflichtlektüre für die 8. Klasse um anhand dessen den gesellschaftlichen Wandel zu diskutieren, wäre da ne gute Idee - aber erklär das mal beim Vorlesen in zwei Sätzen einem Vorschulkind.

Dann muss man Pippi Langstrumpf halt ganz weglassen weil die Geschichte anachronistische Weltbilder transportiert.
Wenn eine Geschichte anfängt aus der Zeit zu fallen, dann ist das halt so.
Dann muss man Alternativgeschichten suchen oder sogar schreiben die eine ähnliche Botschaft für heute transportieren.

Keine Ahnung, Peppa die mit einem MakerBot ihre Turnschuhe ausdruckt und auf den Konsum pfeift. Die auf Kohlekraftwerksschornsteine klettert und da Regenbogenfahnen wegen ihrer zwei Mamis und ihrem Trans-Bruder und ihren zwei Opis mütterlicherseits aufhängt. Und am Wochenende mit Putins Enkeln auf eine virtuelle Bärenfotosafari geht.
Stärke, Nonkonformität, Respektlosigkeit für Autoritäten, die suche nach intelligenten oder auch nur abenteuerlichen Alternativen. Jemand der, in den Augen des Mainstreams, gefährlich und unmöglich lebt.

Wenn man mal davon absieht das die beiden Hauptfiguren männlich sind ist Captain Fantastic ein Film der so ein bisschen in die Richtung geht. Halt nicht für unter 12-Jährige geeignet.


Bei aller berechtigter Kritik finde ich es aber eher albern hier über Umerziehung zu schimpfen. Wozu wollen DIE denn erziehen, wozu uns nicht auch Pippi Langstrumpf "erziehen" wollte. Ich könnte dich ja verstehen, wenn Pippi Langstrumpf ein Werk wäre, das die Überlegenheit der weißen Rasse propagieren würde, aber wir haben es hier mit einem freiheitlichen, anarchistischem, feministischem Kinderbuch zu tun, das als Traumberufe "Pirat" oder "Neger" präsentiert und von letzterem will man die Bezeichnung ändern, weil damit nie "Mensch mit schwarzer Hautfarbe" gemeint sein sollte, sondern "edler Wilder".
Das ist kein UMerziehung - die Typen, die zwanghaft dieses Wort umschreiben wollen, wollen ganz im Gegenteil sogar zum selben Weltbild erziehen, insb. auch weiterhin den exotistischen Unterton ins 21. Jahrhundert mitschleppen. Das ist ideologisch keinen Milimeter moderner. Ich weiß nicht, wo du da eine Umerziehung siehst.

Wie gesagt, ein zwanghaftes ins Heute rüber retten ist meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt.
Dann ist es halt heute keine Geschichte mehr für Vorschulkinder.
Dann kann man das Wegretuschieren von "Neger" auch sein lassen.

Ich bringe heute Kids auch nicht Basic oder Assembler bei, das nützt denen weniger als wenn sie was passenderes wie Java, Python oder php lernen würden.
Aber Könige, Prinzessinen, Prinzessinen, Königreiche, kann man durchaus auch als anachronistische Figuren betrachten.
Warum ist es da in Ordnung das absolute Herrscher die zum Teil für Millionen von Toten zuständig waren, Bauern unterdrückten, etc., für Kinder als erstrebenswerte Archetypen in Ordnung sind?
Oder Hänsel und Gretel noch "erlaubt" sind. Vielleicht fühlen sich irgendwelche Neuheiden, zu Recht, als Hexer verunglimpft???

Fällt es nicht auf das man mit mehrererlei Maß misst?
Mir schon.

Deswegen sage ich ja das diese ganze Aktion ziemlich nach Schildbürgerstreich aussieht. Wie mit Säcken Licht in ein Gebäude tragen.
Vergebliche Liebesmüh.
 
Zuletzt bearbeitet:
Pippi Langstrumpf ist im Moment noch Privateigentum der Erbengemeinschaft Astrid Lindgrens, insofern können sie mit dem Text tun und lassen was sie wollen, zumindest bis es 2072 gemeinfrei wird und jeder mit den Büchern machen kann, was er will (wie etwa eine politisch inkorrekte Negerkönig-Edition für Kaltduscher und Ohne-warmen-Strickpulli-Kurz-Zur-Tanke-Geher, die keine Angst vor bösen Wörtern haben, rausbringen).

Ob es besonders respektvoll vor dem historischen Text und dessen Kontext ist, ihn einfach umzuschreiben und das Original effektiv zu vernichten, ist eine andere Frage. Ich würde mit meinem Geldbeutel abstimmen und gezielt nur noch unverhunzte gebrauchte Bücher kaufen.
 
Zurück
Oben Unten