Rund um Bücher "Sprachzensur" und Rassismus in Literatur und der Umgang damit.

Nö, Du schlüpfst halt in die Rolle einer Person, die Du nicht bist. Außerdem wird sich vermutlich niemand aufregen, wenn eine Frau sich zum Karneval als Geisha zurechtmacht.
 
Ich muss aber sagen, dass mir die Blackface-Kritik hierzulande etwas unreflektiert vorkommt. Deshalb meine Frage nach den Minstrel-Shows. Drüben in den USA wird Blackface direkt damit verbunden. Und ist deshalb auch völlig inakzeptabel. Wenn wir eine solche Tradition nicht haben, fehlt auch die Grundlage für eine derartig strenge Kritik.
Würde mir einer mit Blackface begegnen, würde ich vielleicht innerlich die Augen verdrehen (der strukturelle Rassismus ist ja nicht wegzudiskutieren), aber ihn auch nicht gleich offen als Rassisten beschimpfen. Weil er sich in der Regel vermutlich einfach nichts bei gedacht haben dürfte. Und ich ja auch sonst nicht jeden Ausdruck struktureller -ismen im Alltag geißele. Auch wenn ich besser ohne sie leben könnte.
Blackface in den USA ist halt doch nicht das Selbe wie eine lustige Negerverkleidung hier.
Was nichts daran ändert, dass die lustige Negerverkleidung eigentlich nicht lustig ist. Und ziemlich scheiße.

Aber wenn man schon Vergleiche anstellen wollte, dann wäre hierzulande der mit einer Judenverkleidung komplett mit Stern, Hakennasenprotese und Ringellöckchen angebrachter.
Wenn man sich so eine Verkleidung vorstellt, versteht man, wie offensiv für einen Amerikaner Blackface ist.
Nicht aber, wenn man sich einen Balthasar mit Schuhcreme im Gesicht vorstellt.
 
Man muss kein Schwarzer sein um einen (riesigen) Afro zu haben. oO;
Ich glaube schon.

Nö, Du schlüpfst halt in die Rolle einer Person, die Du nicht bist. Außerdem wird sich vermutlich niemand aufregen, wenn eine Frau sich zum Karneval als Geisha zurechtmacht.
Seh ich genauso.
Und ob man sich über Rassen, Stereotypen oder ViPs an Karneval lustig macht oder ihre Verkleidung als Hommage trägt. Ist von mir aus alles okay.
 
Dann lass dir mal Rockys Judenkostüm durch den Kopf gehen.

Hier gibts vermutlich nicht wirklich genug japanische Communities um das zu merken. Ein ehemaliger Klassenkamerad von mir ist allerdings mal zu Karneval als "Türke" gegangen. Komplett mit Schnauzbart und Dönerspieß. Die Reaktionen darauf waren nicht sehr positiv. Außer von den Glatzen an der Schule, die fanden das geil.

Ich bin ja immer dafür, rassistische Vorurteile mit Humor aufzuarbeiten und ihnen dadurch die Schärfe zu nehmen. Karneval bietet sich dafür allerdings nicht unbedingt an. Da gehts eher ums Saufen und weniger um Gesellschaftskritik.
 
Man muss kein Schwarzer sein um einen (riesigen) Afro zu haben. oO;
Ich glaube schon.
Du magst ja glauben was du willst. Aber die 70er und 80er haben doch etwas anderes bewiesen.
Nun und ich habe bei einer soweit eigentlich ziemlich kalkweisen, europäischen Kollegin einen beeindruckenden Afro entdeckt. Quasi der größte Naturhaar-Afro den ich bisher "live" sah. Sie trägt die Haare sogar ausserhalb des Karnevals so. @.@;
 
Und du dir dass mit dem geschichtlichen Kontext. Da ist das Judenkostüm bei uns nämlich das gleiche wie das Blackface bei den Amis.

Das bedeutet nicht, dass Afrodeutsche Blackface lustiger finden.

Und die Historie spielt da natürlich auch immer eine Rolle. Ein afrodeutscher Kumpel von mir von der Uni is auch mal als "Bayer" gegangen. Mit dickem Bierbauch und ner fake Maß in der Hand. Fanden alle lustig, vor allem als er das Ding dann auch nochmal aufm Oktoberfest getragen hat.

Wenn die Bayern jemals einer strukturell rassistischen Verfolgung oder Diskriminierung ausgesetzt worden wären, speziell durch afrikanischstämmige Menschen, wäre das vermutlich nicht so gut angekommen.
 
Das hat was mit der mittelalterlichen Weltsicht zu tun. Die hl. 3 Könige waren Vertreter der 3 Kontinente, die nach dem damaligen Verständnis eben Afrika, Europa und Asien waren.

Aber erst seit ca. dem 8. Jh.. ;) Also wie Du sagt im (Früh-)Mittelalter. Im biblischen Kontext ließt man auch von "Magiern" bzw. "Sterndeutern" (Mt. 2, 1ff.), allerdings geht man noch der aktuellen Forschungslage nicht mehr von babylonischen Astrologen, persischen Priestern oder arabischen Händlern aus. Die Magier im Mt-Evangelium sollen die heidnischen Völker repräsentieren, welche noch vor Israel zum Glauben gefunden haben und durch ihre Huldigung und Geschenkdarreichung eine endzeitliche Völkerwallfahrt vorwegnehmen.
Der "farbige" Kaspar kommt erst im 15. Jh. auf - so ist z.B. auch im Kölner Dom im Fenster Kaspar (noch) nicht "schwarz".
 
Kostüme die rassistische Klischees widerspiegeln, das heißt insbesondere die Hautfarbe umfärben, sind auch unabhängig vom BlackFace eher verschrien.
Das heißt man kommt nicht wirklich viel besser weg wenn man sich gelb (als "Chinese"/"Asiate") anmalt oder wenn man sich rot (als "Indianer") anmalt.

Wobei das im Karneval auch normalerweise, so wie ich ihn in Erinnerung hab (bin ja um 2005 aus der Eifel/Rheinland weggezogen), am ehesten noch bei Gruppen vorkommt die im Zug mitlaufen. Wo man meist drüber wegsieht. Nun und es wird auch erst thematisiert wenn es darum geht andere Ethnien darzustellen. Also gelbe Bienen, orange Sonnenblumen, braune Erdnüsse, rote Teufel etc. pp. geht alles.
Die Geisha geht durch weil man sich nicht als Japaner schminkt sondern das Makeup dazugehört.
 
Das bedeutet nicht, dass Afrodeutsche Blackface lustiger finden.

Und die Historie spielt da natürlich auch immer eine Rolle. Ein afrodeutscher Kumpel von mir von der Uni is auch mal als "Bayer" gegangen. Mit dickem Bierbauch und ner fake Maß in der Hand. Fanden alle lustig, vor allem als er das Ding dann auch nochmal aufm Oktoberfest getragen hat.

Wenn die Bayern jemals einer strukturell rassistischen Verfolgung oder Diskriminierung ausgesetzt worden wären, speziell durch afrikanischstämmige Menschen, wäre das vermutlich nicht so gut angekommen.

Und Klamptner/Polizist/Krankenschwester findet es vielleicht auch nicht lustig, dass ihre Berufsehre durch betrunkene Idioten beschmutzt wird. Ich denke bei Fasching darf man sowas mal außer acht lassen, solange es kein so offensichtlicher Fehlgriff ist wie das beschriebene Judenkostüm.
 
Aber erst seit ca. dem 8. Jh.. ;) Also wie Du sagt im (Früh-)Mittelalter. Im biblischen Kontext ließt man auch von "Magiern" bzw. "Sterndeutern" (Mt. 2, 1ff.), allerdings geht man noch der aktuellen Forschungslage nicht mehr von babylonischen Astrologen, persischen Priestern oder arabischen Händlern aus. Die Magier im Mt-Evangelium sollen die heidnischen Völker repräsentieren, welche noch vor Israel zum Glauben gefunden haben und durch ihre Huldigung und Geschenkdarreichung eine endzeitliche Völkerwallfahrt vorwegnehmen.
Der "farbige" Kaspar kommt erst im 15. Jh. auf - so ist z.B. auch im Kölner Dom im Fenster Kaspar (noch) nicht "schwarz".
Genau genommen noch deutlich später, da die Alphabetisierung gerade im FMA etwas bescheiden war, bzw die Quellenlage dazu. Und die große Bibelexegese, die zu den entsprechenden Ansichten führten liegen glaube ich so im 13.JH. Ich müsste das aber echt erst nachschlagen.
 
Swafnir schrieb:
Und Klamptner/Polizist/Krankenschwester findet es vielleicht auch nicht lustig, dass ihre Berufsehre durch betrunkene Idioten beschmutzt wird.
Erstens kann man sich seinen Beruf idR aussuchen, seine Ethnie dagegen nicht. Das macht einen riesigen Unterschied. Ob dein selbstgewählter Beruf veräppelt wird, oder deine angeborene Hautfarbe/Geschlecht etc.
Zweitens lässt sich Arles Argument " Wenn die Bayern jemals einer strukturell rassistischen Verfolgung oder Diskriminierung ausgesetzt worden wären, speziell durch afrikanischstämmige Menschen, wäre das vermutlich nicht so gut angekommen." auch hier anwenden.


Ich denke bei Fasching darf man sowas mal außer acht lassen, solange es kein so offensichtlicher Fehlgriff ist wie das beschriebene Judenkostüm.
Und ob es das ist, bestimmt wer?
Der Betroffene, möcht ich meinen.
Und da will ich gar nicht erst das Risiko eingehen.
Aus der Sicht eines Afrodeutschen könnte Blackface durchaus ein offensichtlicher Fehlgriff sein.
 
@ Wulf: Falls Du auf die legenda aurea anspielst, da wäre 13. Jh, die historia trium regnum dagegen erst im 14. Jh.

@ Allgemeine Diskussion: Wieso ist denn eine ethnische Verkleidung zwangsläufig rassistisch bzw. abwertend? Kommt es nicht auf den Kontext an und wie man sich in der Verkleidung gibt?Wie ist das wenn man sich als eine historische Figur oder Persönlichkeit verkleidet? Diskriminiert eine Cleopatra jetzt alle Ägypter oder eine Sitting Bull (oder ein Winnetou) die nordamerikanischen Ureinwohner? Es gilt natürlich zu die politischen Aussagen zu beachten, wobei da allerdings auch viel Spiel drin sein kann. Was verkörpert einer, der als Napoleon zu Fasching geht? Steht er für die blutigen, gewaltsamen Kriege oder die geschellschaftlichen Fortschritte wie den Code Civil, oder macht er sich über die Franzosen lustig? Wobei mir grade noch spontan einfällt wie wohl die Reaktionen ausfallen würden wenn sich jemand als Anton Hynkel verkleiden würde.

Es gibt sicherlich Grenzen, aber obwohl ich mit Karneval wenig bis überhaupt nichts anfangen kann kommt mir das ein wenig so vor als wenn da zuviel hineininterpretiert wird?
 
Und ob es das ist, bestimmt wer?
Der Betroffene, möcht ich meinen.
Und da will ich gar nicht erst das Risiko eingehen.
Aus der Sicht eines Afrodeutschen könnte Blackface durchaus ein offensichtlicher Fehlgriff sein.

Dann müssen wir Fasching komplett abschaffen. Irgendwer fühlt sich immer auf den Schlips getreten. Das kann man einfach nicht vermeiden. fasching ist ein Fest (das ich persönlich zwar ziemlich dämlich finde aber) dass die Vielfalt bejaht. Auf diese Vielfalt dann zu verzichten, weil es jemand falsch verstehen könnte, ist meiner Meinung nach ein großer Fehler. Und nein, den offensichtlichen Fehlgriff kann nicht der Betroffene selbst definieren. Das muss im kulturellen und geschichtlichen Kontext geschehen. Wieviele nuttige Krankenschwestern hab ich schon gesehen. Sollen wir die jetzt auch verbieten, weil sich da einige die diesen wichtigen Job ausführen, aufregen weil sie mit Prostituierten quasi gleichgestellt werden? Das war nämlich früher auch so (dass Krankenschwestern quasi mit dem horizontalen Gewerbe gleichgestellt wurden).
 
Swafnir schrieb:
Und nein, den offensichtlichen Fehlgriff kann nicht der Betroffene selbst definieren. Das muss im kulturellen und geschichtlichen Kontext geschehen.
Also soll sich der Schwatte einfach mal nicht so haben?
Wenn der Jude "sich so hat" ist das aber okay?

Und du ignorierst hartnäckig den Unterschied zwischen selbst gewählt und angeboren. Und den zwischen rassistischer Tradition der Diskriminierung und dem Mangel daran im Fall von Berufen.
Die finde ich beide aber sehr wichtig.
 
Es ist im Karneval in sofern eine Wertung als das die Hautfarbe zum Kostüm wird.
Die wiederum als solche die Tendenz hat nur in eine Richtung zu gehen.

Der Karneval ist in vielen Regionen eine Veranstaltung bei der man sich über Politik sowie Stände in gewisserweise lustig macht bzw. sie im närrischen Rahmen in Frage stellt.
Hierbei ist es durchaus ein Unterschied ob man einen Berufstand, ein Amt, ein Objekt zum Anlass des närrischen treiben, des Spotts nimmt oder ethnische bzw. rassische Merkmale sind.

Einem Polizisten sieht man nicht andauerend an das er Polizist ist. Das heißt der Polizist kann sich seiner Rolle entziehen. Wenn jemand eine bestimmte Hautfarbe hat ist das nicht möglich, sofern da eine Rolle dran geknüpft wird.
Es kann sinnvoll sein Polizeiarbeit und Polizeistrukturen zu hinterfragen bzw. überzeichnen.
Bei der Hautfarbe sehe ich nicht wie man diese sinnvoll hinterfragen bzw. überzeichnen kann.
Der Polizist kann am Karneval teilnehmen und etwas überzeichen was ihn in's Auge sticht. In dem er beispielsweise im Panzerknackerkostüm herumläuft oder als korrupter Politiker oder als Krankenschwester.
Wenn ein Schwarzer sich am Blackfacing stört wird das mit der Gegendarstellung schon schwierig. Er könnte versuchen ein WhiteFace aufzulegen und dem Bambusrock der Konkurrenz entsprechend Trachtledernde anziehen. Allerdings würde ich vermuten das er damit riskiert von Weißen zusammen geschlagen zu werden.
Zuletzt man sieht dem Polizisten nur in der Dienstzeit an das er Polizist ist.
Eine Hautfarbe bleibt einem den ganzen Tag, die ganze Woche erhalten.
Jemand mit einer unpassenden Hautfarbe wird auch eher eine ggf. relativ anhaltende, alle Lebensbereiche Erfahrung mit Rassismus gemacht haben. Wohingegen der Druck auf Polizisten eine ständige Diskriminierung zu erfahren da eher geringer ist.
 
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