Ich unterstelle jetzt einfach mal das man sich darüber relativ einig ist.
Damit kann
ich arbeiten. Hoffen wir mal, dass es dabei bleibt.
Die interessante Frage ist daher doch ist der Sexismus in Videospielen immanent ?
Gehört es also einfach dazu um die Spiele dann auch an den "Mann" zu bringen ? Ist es also einfach
logisch für einen Entwickler sich der Thematik zu bedienen oder aber passiert es einfach weil die Gesellschaft genau so tickt ?
Es an den "Mann" zu bringen würde ja implizieren, dass die Hauptzielgruppe immer noch dem alten Klischeemuster entspricht. Ist aber schon lange nicht mehr so. Ich glaube hier im Thread wurde es auch schon ein paar Mal angeführt, sonst findet man auch im Internet recht schnell Zahlen, die das Gegenteil belegen. Deswegen ist die Debatte auch wichtig, weil ein nicht geringer Teil der Industrie und der Tradition im Videospieldesign Mustern folgt, die von Vorgestern sind und teilweise gezielt darauf ausgerichtet sind, eben auch nur diese gestrige Zielgruppe anzusprechen. Insofern ist es ein Spiegel unserer Zeit, der schon gehörig angestaubt ist und nur noch ein verzerrtes Bild liefert.
Leute die sich hinstellen und versuchen diese inhärenten Mechanismen zu analysieren haben unterschiedliche Meinungen. Übertrieben wird auf allen Seiten, vom her- bis zum wegreden. Darum gehts auch überhaupt nicht. Auch nicht darum, dass es auch einer Frau gefallen kann, eine klassisch männlich zentrierte Geschichte zu erspielen und zu erleben. Es geht vielmehr darum, sich der Altlasten bewusst zu werden und zu versuchen, sich dem tatsächlichen Markt anzupassen. Da wird es aber schon schwierig, weil es genug Leute gibt, die da revisionistisch reinreden. Das geht von der "Frauen sind ja eigentlich nur casual gamer" bis hin zur "aber es gibt doch auch Spiele für Frauen" Argumentation, die entweder völlig falsch (Ersteres) oder völlig am Ziel vorbei schießt (Letzteres). Dabei ist sogar erstmal zweitrangig, ob sich Jemand von großen, wabbelnden Möpsen bei Dead or Alive "offended" fühlt, sondern wer davon angesprochen wird - im großen Bild. Und warum. Und warum weibliche Protagonisten immer noch ein Problem darstellen, auch wenn sich schon Einiges tut.
Der von Rocky benannte Nebenschauplatz im Shitstorm um "unethische Programmiererinnen die sich hochschlafen" bis hin zum "unethischen Agendajournalismus" ist im Grunde der Trampelpfad, auf dem sich das Abwasser der auf das Medium bezogenen Debatte ergießt, weil eine nicht geringe Zahl von Menschen beschlossen hat, dass die, die versuchen das Medium zu analysieren im Grunde einen Krieg gegen sie anzetteln und "die Spielerschaft" als Gesamtes diffarmieren wollen. Dabei geht es auch darum nicht. Ich würde mal behaupten "die Spielerschaft" ist ein höchst fiktionales Gerüst. Um herauszufinden, wie groß der Zusammenhalt in der "großen Familie" ist, empfehle ich eine Runde LoL oder vergleichbare kompetitive Multiplayer.
Aber wir kommen dem Kern der Sache näher. Es wird gemeinhin angenommen, dass es der Analyse des Mediums darum geht, dem Konsumenten eine Motivation oder Ideologie zu unterstellen ("waaas? Bin ich etwa ein Sexist, nur weil ich Tomb Raider spiele und die Frau dicke Titten hat?!"). Dabei handelt es sich vielmehr um eine kritische Auseinandersetzung mit den Mechanismen, die weit davor einsetzen: bei der Produktion. Und da sind wir wieder bei der "Gesellschaft die einfach so tickt" oder beim Markt, der angeblich einfordert. Es steht außer Frage, dass sich einige Dinge immer verkaufen werden, es bleibt aber zu hinterfragen, ob und warum man sich diesem Prinzip beugen sollte, was widerum in direkter Linie mit dem selbst gesetzten Anspruch an das Medium und an das eigene Produkt zu tun hat. So wie es progressive Studios gibt, die das wirtschaftliche Risiko auf sich nehmen, das immer noch mit dem Bruch klassischer Rollenmuster in Verbindung steht, gibt es natürlich auch immer noch genug konservative Elemente auf der Entscheidungsebene, die das alles für Mumpitz und Hippiegewäsch halten. Das vermischt sich dann mit der öffentlichen Wahrnehmung des Klischees (pickelige, männliche Teenager mit Sex- und Gewaltphantasien) und der dementsprechend öffentlichen Rezeption der Auseinandersetzung und wird zum Chaos.
Hier im Thread wurden aber bereits einige Sachen gesammelt, die einen guten Blick darauf gewähren, unter anderem die Ansprachen von Bioware-Entwicklern und ähnlichen Leuten aus der Industrie, denen das Problem bewusst ist, dass das Medium immer noch nicht so recht aus dem dunklen Loch des basement dwellers herauszukommen wagt, obwohl es - rein wirtschaftlich - schon längst im hellen Licht der Mitte der Gesellschaft angelangt ist. Ich glaube dieses Paradox führt auch letztlich dazu, dass sich so viele darüber wundern, warum man sich jetzt auch noch bei Videospielen mit ethischen und moralischen Fragen auseinandersetzt - obwohl man das in der Mitte der Gesellschaft mit so gut wie allem tut. Granted, das geht einigen Menschen natürlich schon prinzipiell auf den Sack. Die wollen aber eh lieber, dass alles so bleibt wie es ist, jeder seine Ecke zum spielen hat und klare Grenzen gesetzt sind, an denen man sich festhalten kann, wenn man unsicher über sich selbst wird.