Your Story Teil2
Im ersten Teil der Rezension habe ich ja schon ziemlich viele Worte verloren. Und den Kern des Systems eigentlich besprochen.
Jetzt geht es um die Kapitel, die wichtig sind für die Zeit nach der Erschaffung von Land und Leuten.
Die Stadt steht. Die Charaktere sind gemacht und durch ihre Vorgeschichten sogar schon miteinander verknüpft. Aber wie spielt man denn nun, wie läuft Rollenspiel mit diesem sehr erzählerischen System?
Und wie genau ist die Magie eigentlich geregelt, denn Magie ist ein ziemlich wichtiger Bestandteil des Settings. Zwar kann man auch Normalsterbliche spielen und sicherlich viel Tolles mit ihnen anstellen. Aber mal ehrlich, das Spiel beruht auf Romanen um einen Magier . . .
Und die Gegner sind übernatürlich, da sollte man schon wenigstens in Teilen kontern können. Vor allem weil Technik gegenüber Magie das kleine Problem hat, gerne mal zu versagen. Magier haben entweder einen extrem hohen Verbrauch an Handys oder sie haben einfach gar keines. Mehr dazu später.
Im Kapitel Playing the Game geht es eben darum. Wie setzt man die Dinge um, die auf dem Charakterblatt stehen?
Also, wie würfelt man. Was sind shifts? (Sozusagen das Plus, was man über die notwendige Schwierigkeit hinaus würfelt.) Wie kann man bestehende Aspekte einer Szene, eines Ortes oder auch eines NSC erkennen? (Das wäre dann assessment.) Oder wie kann man den gleichen Zielen einen neuen Aspekt verpassen? (Das ist dann eine declaration.)
Und ganz wichtig: wie funktionieren Konflikte. Als Beispiel wird natürlich der Kampf genommen, das ist schließlich wohl der häufigste Konflikt, den man auswürfelt. Aber FATE bietet auch die Möglichkeit soziale oder mentale Konflikte auszutragen.
Ob man diese beiden Arten von Konflikten wirklich würfeln will, ist schon eine Frage der persönlichen Einstellung. Hat man lieber reines Rollenspiel dafür – also besonders für soziale Interaktionen. Oder will man damit Spielern, die es eben spielerisch nicht so rüberbringen können wie es ihr Charakter theoretisch können sollte, gerne die Chance geben.
Auf jeden Fall wird im Konflikt-System von FATE eines klar: man kann hier sehr taktisch vorgehen, wenn es um die Verarbeitung von Verletzungen geht. Man hat für alle drei möglichen Konfliktarten je einen Stress-Track. Dieser startet normalerweise mit zwei Punkten – ja, nur zwei. Das ist echt nicht viel. Durch bestimmte Skills kann man diese erweitern – und natürlich durch übernatürliche Kräfte.
Reicht einem der Stress-Track nicht – nimmt man also mehr Schaden als man noch absorbieren kann – dann kann man sich Konsequenzen dafür nehmen. Diese Konsequenzen funktionieren wie Aspekte, der Gegner kann sie gegen einen benutzen. Es gibt aber normalerweise nur je eine Konsequenz pro Kategorie. Diese wären mild, moderate, severe und schließlich sogar extreme.
Wenn man dieses System erstmal in seiner Ganzheit begriffen hat, wird man merken, wie taktisch man vorgehen kann um sich selbst zu retten. Oder auch um einschätzen zu können, wie man den Gegner denn gut klein kriegt.
Sollten einem alle Möglichkeiten ausgehen oder wenn man gar keine Konsequenzen nehmen möchte, kann man auch taken out wählen. Hier besteht die Gefahr, dass der Gegner sagt: okay, du bist tot. Aber das muss nicht unbedingt der Fall sein. Es bedeutet aber auf jeden Fall, dass man am Rest des Konflikts nicht mehr teilnehmen kann.
Am Ende des Konflikts verschwindet aller Stress, aber die Konsequenzen bleiben. Nicht unbedingt für ewig, aber unterschiedlich lang.
Im Ganzen betrachtet ist es ein recht dynamisches System. Die Konsequenzen erlauben es einem die Folgen des Kampfes noch auszuspielen – während man ja bei manchen Lebenspunkt-Systemen durchaus mal geneigt ist, die klaffende Wunde an der Brust zu ignorieren. Man hat ja schließlich noch die Hälfte seiner Punkte. ;o)
Außerdem verdient man sich mit Konsequenzen ja FATE-Punkte. Und mittlerweile sollte dem geneigten Leser klar sein, das man nie genug FATE-Punkte haben kann.
Andererseits beginnen aber hier im Kapitel auch ein wenig meine Probleme mit dem System. Und ich habe begonnen die Kritik einiger Spieler an FATE zu verstehen.
Denn wie sagte ein Mitspieler so schön? Warum – wenn ich einen Gegner auf die Fresse fliegen lasse – hat der Gegner dann den Aspekt „Auf die Fresse geflogen“ und liegt nicht einfach auf der Fresse?
Hatte man anfangs das Gefühl, dass Aspekte schwammig sein können und hat gelernt gute Aspekte zu bauen, fängt das nächste Problem an. Es ist schon komisch, dass ein so erzählerisches Spiel, welches eine Situation eher lieber mit Worten beschreibt (Beispiel: die Lagerhalle ist „Voller Schatten“) dann doch so formularisch zu wirken beginnt. Denn ganz ehrlich: ist es nicht viel klarer, wenn der Spielleiter sagt, dass die Lagerhalle dunkel und voller Schatten ist. Und das Verstecken um 2 erleichtert, dafür visuelle Wahrnehmung um 2 erschwert sind? Hier muss der Spieler nämlich dran denken: hat die Lagerhalle einen Aspekt? Und wenn ich etwas tue, dann muss ich die Aspekte taggen (erstmalig und kostenlos) oder invoken (kostet die wertvollen FATE-Punkte).
Natürlich bieten diese Szenen- oder Ort-Aspekte auch viele Möglichkeiten sie einzusetzen. Natürlich kann der kluge Spieler neue Aspekte hinzufügen. Trotzdem ist es nicht so eingängig und einfach umzusetzen – das hört sich nämlich einfacher an als es dann in der Anwendung wirklich ist. Und hier spreche ich tatsächlich aus Spielerfahrung, denn ich darf derzeit bei einer DFRPG-Runde mitspielen.
Für manche Spieler ist es einfach auch schwierig, dieses Prinzip umzusetzen. Weder weil sie blöd sind noch weil sie sich verweigern. Es mag sein, dass es einem manchmal einfach nicht eingeht.
Ich würde auch sagen, dass dem Spielleiter dabei viel Verantwortung zufällt. Er muss sich Aspekte ausdenken, er muss sie unter Kontrolle halten, er muss sie dem Spieler ermöglichen . . . Ich finde das keinen so ganz einfache Aufgabe.
Kurzum, in Playing the Game wird einem klar, wie abstrakt das System ist. Oder zumindest mir geht es so.
Damit, also mit der Abstraktion einher geht viel Gutes und einiges, was nicht so einfach und vielleicht nicht für jedermann geeignet ist.
Aber bevor ich weiter urteile, erstmal weiter im Text.
Living with the Magic beschäftigt sich damit, wie diese alternative von Magie durchdrungene Welt funktioniert. Und reißt mich damit aus meinen Überlegungen, wie man die Regeln denn im Spiel umsetzt. Aber auf gute Weise, denn hier begeistert mich wieder die erschaffene Welt.
Man bekommt erklärt, was es heißt ein Wizard zu sein. Wizards und andere magiebegabte Figuren können nicht nur ihre Sinne anders einsetzen – sie können The Sight benutzen um die Wahrheit hinter den Dingen zu sehen. Was nicht unbedingt immer eine gute Idee ist. Sie können ihrem Gegenüber in die Augen sehen und damit dessen Seele erkennen (auch Soulgaze genannt).
Und sie haben wie bereits erwähnt, ernsthafte Probleme mit Technik. Technik hat nämlich die Angewohnheit durch Magie außer Gefecht gesetzt zu werden. Damit meine ich nicht mal ein kurzes Versagen, sondern wirkliches Kaputt-gehen. Das kann auch beim Zaubern passieren oder man kann es mit Absicht einsetzen.
Während mancher Spielleiter bei Vampire alle Hebel in Bewegung setzen musste, um den Spielern zu verklickern, dass nein, hier in dieser Stadt kein Handy-Empfang und Internet in fast keinem Haushalt zu finden sind, ist es im Dresdenverse einfach automatisch für einen Magier ein Problem sein Handy lange Zeit benutzen zu können.
Für manche Spielleiter und Gruppen mag die moderne Kommunikationstechnik kein Problem sein, aber mal ganz ehrlich, ohne E-Mail, ohne Handy und ohne Wikipedia müssen die Charaktere sich manchmal doch ein wenig mehr anstrengen.
Nicht zu vergessen sind die Gesetze der Magie. Sieben Stück an der Zahl decken sie alles ab, was einem zur Planung eines Plots doch einen Strich durch die Rechnung machen könnte bzw. sie bieten den Spielern die Möglichkeit verbotene Schranken zu durchbrechen und dafür aber die Konsequenzen tragen zu müssen.
Jim Butcher hat diese Regeln sicherlich aufgestellt, um damit eine Welt zu bauen, in der seine Detektivgeschichten noch funktionieren. Was wäre es öde, wenn der Detektiv einfach mal schnell zaubert um das Geständnis zu erwirken oder gar in der Zeit zurück zu reisen um den Mord zu verhindern.
Diese Gesetze funktionieren aber eben auch wunderbar fürs Rollenspiel.
Bricht man die Gesetzte, hat man den Weißen Rat am Hals. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die hacken einem so schnell den Kopf ab, so schnell kann man gar nicht schauen.
Dabei gelten die Gesetze eigentlich nur für Sterbliche – oder? Die Interpretation dieser Gesetzte kann auch sehr interessant sein. Und steht damit übrigens wiederum absolut im Gegensatz zu den Unseelie Accords – ein anderes, sehr wörtlich zu nehmendes Gesetz der übernatürlichen Welt.
Aber was sind die Gesetze denn nun?
Töte niemanden – kann schwierig werden, wenn man sich viel in Kämpfe stürzt. Aber es ist doch okay einen Ghoul zu verbrennen, oder?
Verwandle nie jemand anderen – klingt relativ simpel, aber man kann auf die Idee schonmal kommen.
Dringe nie in den Geist eines anderen – ja, genau, lies nicht die Gedanken um rauszufinden, was der Bösewicht als nächstes vorhat. So verführerisch.
Beeinflusse nie einen anderen – bringe deine beste Freundin nicht dazu, sich endlich von ihrer Drogenabhänigkeit abzuwenden. Das kann nicht absehbare Folgen haben.
Greife nie jenseits der Grenzen des Lebens – du solltest deinen Liebsten lieber in seinem Grab lassen . . . das haben uns schon die meisten Horrorfilme gezeigt und die Lektion sollte man sich gut merken.
Schwimme nicht gegen den Strom der Zeit – oh, Zeitmagie. Wie verlockend gerade du bist, wenn man mit Magie doch alles anstellen kann.
Suche nie Wissen und Macht von jenseits der Äußeren Tore – es gibt Dinge jenseits von Himmel und Hölle und dem Nevernever. Und sie gehören nicht in unsere Welt. Punkt.
Wohlgemerkt gelten diese Gesetze für die Nutzung von Magie! Wehe jemanden mit einem Windstoß vom Hochhaus – nee nee nee. Gib ihm einen soliden Tritt, wodurch er das Gleichgewicht verliert und runterstürzt: okay.
Die Gesetze sind logisch erklärt und im Weltenbau verankert. Und sie ergeben nicht nur aus Regel- und Erzählersicht Sinn. Sie bieten auch die Möglichkeit die Charaktere zu testen, zu verführen und Spielern die Erfahrung näher zu bringen, dass jede Wahl auch Auswirkungen mit sich bringt. Und dass man diese Auswirkungen auch meist selbst verantworten muss.
Man merkt vielleicht: diese Art von Setting, diesen Welthintergrund liebe ich. Anders, aber grundsätzlich auf den gleichen Prinzipien basierend habe ich auch schon Welten gebaut oder zumindest Gruppen geleitet. Hier steckt Drama drin.
Und ich werde schon wieder so wortreich . . .
Und dabei sind wir jetzt erst auf Seite 247 angelangt. Und damit beim Kapitel Spellcasting, das mit über 50 Seiten wohl das dickste Kapitel ausmacht.
Wie auch schon mal erwähnt, das Setting dreht sich schließlich ursprünglich um einen Wizard. Dementsprechend ist die Magie wichtig. Und Wizards sind wohl auch die mächtigsten Charaktere . . .
Es wird nun ausführlich erklärt, was Evocation und was Thaumaturgy ist. Während man mit Evocation spontan zaubern kann, bietet Thaumaturgy die nicht nur sicherere und längere Version, sondern auch die mit noch mehr Möglichkeiten.
Mit Evocation kannst du im Hier und Jetzt was reissen. Mit Thaumaturgy kannst du fast schon Berge versetzen.
Es gibt noch die Möglichkeit, sich „sponsorn“ zu lassen. D.h. Man bekommt die gleichen Möglichkeiten von anderen Mächten verliehen, begibt sich damit aber in deren Schuld und muss dann auch mal in den sauren Apfel beissen und ihrem Willen folgen. Wenn man sich da mit Dämonen einlässt . . . kann es interessant werden.
Um Magie zu wirken sind eigentlich drei Fähigkeiten wichtig: Conviction (glaubt man an das, was man kann?), Discipline (beherrscht man die beschworenen Energien auch?) und Lore (weiß man genug, um das Ritual richtig zu bauen?).
Eigentlich ist es auch recht einfach. Man erhält mentalen Stress fürs Zaubern mit Evocation, und umso höher die Kraft ist, die man kontrollieren möchte, um so mehr Stress gibt es. Man würfelt auf Discipline und fertig. Schafft man den Wurf nicht, kann es Backlash und Fallout geben, was entweder einem selbst und/oder seiner Umgebung nicht gut tut. Bei Thaumgaturgy kann es das auch geben, aber hier hat man mehr Zeit zur Vorbereitung und man kann die Gefahr verringern. Wenn das dann natürlich schief geht . . . mmh, ich bin gespannt, was meine Mitspieler noch so anstellen werden.
Meistens habe ich ein Probleme mit freien Magiesystemen. Und zwar, dass es so schwierig ist, sich a) vorzustellen, was man eigentlich machen will ( die Möglichkeiten, all vielen die Möglichkeiten!), b) sich zu einigen, wie es geht und c) die Folgen abzuschätzen.
Es ist nicht so, dass ich freie Magie nicht mag. Richtig gemacht kann sie viel besser eine Atmosphäre des Magischen verbreiten als ein System, dass dich mit Sprüchen sowohl in deiner Phantasie als auch in deinen Optionen einschränkt. Aber sie ist eben auch schwerer in passende Regeln zu bringen.
Hier finde ich den Rahmen gut gemacht. Zusammen mit den Gesetzen der Magie und allem anderen finde ich es nicht nur durchdacht sondern auch als Spieler reizvoll. Auch bieten sie am Ende Beispiel-Sprüche, Rituale und Fokus-Gegenstände an denen man sich orientieren kann. Denn auch den Autoren ist es klar, dass es nicht so einfach ist vom Effekt, den man erzielen will auf die richtige Methode zu schließen.
Und genau hier sehe ich aber den kleinen Haken – auch im tatsächlichen Spiel schon erlebt: man muss sich erstmal damit zurecht finden.
Und Schockschwerenot, man muss kreativ sein. Ja, Kreativität wird im Rollenspiel doch eigentlich immer verlangt oder gefordert. Nur das Level und der Rahmen sind unterschiedlich, nicht wahr? ;o)
Bis hierhin waren alle Kapitel auch interessant für die Spieler – sogar sehr interessant. Denn um in FATE effektiv zu spielen, sollte man die Umstände der Regeln und der Welt kennen. Das ist etwas, das mir sehr aufgefallen ist. Auch gerade in Bezug auf die Aspekte. Entweder man hat ein unglaublich adaptives Hirn oder man kennt sich einfach aus. Man weiß, was man mit der Magie und den Manövern und den resultierenden Aspekten am effektivsten anstellen kann, um eine spannende Geschichte zu erzählen. Oder zumindest, um viele FATE-Punkte zu kassieren und seinen Charakter richtig cool in Szene zu setzen.
In Running the Game und Building Scenarios geht es hauptsächlich darum, was der Spielleiter zu tun hat und wie er die Regeln benutzen kann um eine richtig interessante Geschichte für seine Spieler zu kreieren.
Es werden eigentlich alle wichtigen Elemente angesprochen. Und es steht viel Wichtiges drin, das der Spielleiter sich gut merken sollte. Nicht zu Letzt zum Beispiel, dass die Spielercharaktere die Helden sind, nicht die NSCs.
Dennoch bin ich im Vergleich zu anderen Systemen nicht so begeistert von den “Spielleiter-Tipps“. Wie man Szenarien aufbaut ist sicherlich gerade für einen Anfänger – und besonders dann für einen der mit FATE anfängt! – wichtig und die Methode ist auch gar nicht schlecht. Dennoch muss ich sagen, dass dieses Kapitel für mich eigentlich das schwächste des Buches ist. Ich kann nicht genau greifen, an was es liegt. Mir kommt immer wieder der Begriff „zu formularisch“ in den Sinn, aber ich weiß ehrlich nicht ob das zutrifft.
Vielleicht muss man die beiden Spielleiter-Kapitel auch noch ein- oder zweimal durchlesen. Wie man sowieso einiges im Regelwerk nochmal durchlesen muss um es richtig zu begreifen.
Abschließend gibt es ein Kapitel über eine erschaffene Stadt: Baltimore. Bereits im Kapitel über die Stadt-Erschaffung wurde Baltimore als Beispiel genommen. Passend also, dass sie am Ende komplett präsentiert wird.
Witzigerweise heißt das Kapitel Nevermore Baltimore – eine Anspielung auf Edgar Allen Poe, der in Baltimore lebte und die Geschichte vom Raben Nimmermehr geschrieben hat, die wohl zumindest vom Titel her den meisten bekannt sein dürfte.
Und übrigens gibt es Nevermore Baltimore als Probekapitel auf der Homepage des Systems zum Herunterzuladen – für diejenigen, die sich einen Eindruck verschaffen wollen.
Ein eigenes Stadt-Szenario am Ende des Grundregelwerks zu präsentieren – welches zugleich eben nicht die Stadt des Namensgebers Harry Dresden ist – rundet das Buch wirklich ab. Denn nachdem man nun weiß, wie das System und die Welt funktionieren, kann man sogar gleich los spielen. Man müsste nicht mal unbedingt Charaktere erschaffen, denn drei der Charaktere aus Baltimore sind so gemacht, dass sie sich gut für eine Gruppe von drei Spielern eignen.
Und ja, ich finde Baltimore eine interessante Stadt. Natürlich müsste man sich noch ein wenig mehr mit der tatsächlichen Stadt beschäftigen, um das Gefühl zu bekommen, sie wirklich zu kennen. Aber das was an übernatürlichen Themen und Motiven geboten wird, macht es auf jeden Fall eine Überlegung wert.
Ganz am Ende stehen übrigens noch ein Glossar und ein Index, die ich nicht verschweigen sollte. Es werden nochmal alle wichtigen Begriffe kurz erläutert und gleich auf die richtige Stelle im Regelwerk verwiesen. Der Index ist ausführlich und umfangreich, er gilt zugleich auch für Our World.
Theoretisch, wenn man möchte, kann man jetzt also loslegen ohne Our World zu lesen, geschweige denn zu kaufen. Natürlich gibt es doch noch einiges, was für Our World spricht. Das Buch ist damit keineswegs überflüssig.
Aber allein die Tatsache, dass das Regelwerk alles bietet um sofort und unabhängig von weiteren Einkäufen einzusteigen, ist ein toller und fairer Schachzug den Fans gegenüber. Ich finde wirklich, das Evil Hat Productions – die ohnehin sehr Fan-freundlich und kommunikativ sind – damit etwas Kluges und Richtiges gemacht haben.
Und benötigen Spieler das Buch auch oder reicht es, wenn der Spielleiter eins hat? Natürlich reicht es, aber gerade die Feinheiten zu Aspekten und Stunts und der Magie macht es schon lohnenswert für Spieler.
Endgültiges Fazit zu Your Story:
Ich bin begeistert von dieser Umsetzung des FATE 3.0-Systems.
Auch wenn ich meine Vorbehalte habe – die vielleicht daher kommen, dass mein Hirn sich weigert alle Elemente von Aspekten richtig zu begreifen.
Die Präsentation ist natürlich üppig – ein eigentlich so einfach wirkendes System benötigt viel Erklärung. Und ich glaube schon, dass man es mehr als einmal lesen muss, um alle Feinheiten zu verstehen.
Andererseits verstehen es die Macher den Spielern auch Freiheiten zu gewähren. Man hat nicht das Gefühl, dass man bei nicht genauer Einhaltung einen Fehler macht.
Wem würde ich also das System ans Herz legen?
Indie-RPG-begeisterten Spielern ist FATE und damit das DFRPG sicher ans Herz zu legen. Jemand, der ein gutes Urban Fantasy-Setting sucht mit dem er eine interessante Stadt erschaffen kann, in dem seine Spieler als Helden kämpfen oder auch als machtgierige Magier ihre Menschlichkeit verspielen können, sei es auch ans Herz gelegt.
Man muss sich auf jeden Fall darauf einlassen seinen Spielern mehr Einfluss auf und mehr Wissen über die Welt zuzugestehen, als es vielleicht in anderen Rollenspiel-Systemen der Fall ist. Denn ohne das kann man keine tolle Geschichte in Kooperation mit allen Spielern am Tisch erzählen. Und man kann damit rechnen, ansonsten misstrauische Spieler um sich zu haben – denn das Gefühl, der Spielleiter und damit seine NSCs hätten grundsätzlich einen unendlichen Pool an FATE-Punkten ist nur eines der Dinge, die schief gehen können.
Vielleicht brauchen Spielleiter und Spieler bei FATE viel mehr Vertrauen auf und in einander als sonst. Das finde ich aber ein gute Sache, denn bisher hat Vertrauen auf beiden Seiten in meiner Erfahrung meist zu den besten Spielabenden geführt.
Mein Respekt allen Rollenspiel-Einsteigern, die sich gleich mit FATE und dem DFRPG auseinandersetzen. Es wäre aber nicht das erste System, das ich einem Anfänger empfehlen würde – besonders dann nicht, wenn der oder die Anfänger sich damit allein und ohne „erfahrene“ Spieler daran wagen.
Wer glaubt, dass dieses System mit den scheinbar wenigen Werten auf dem Charakterblatt ein einfaches und sehr schnelles Spiel ist, den würde ich warnen. Es ist abstrakter als es sich anhört und aus Erfahrung muss ich sagen: manchmal leite und spiele ich gerne ein System, in dem Dunkelheit einfach eine Erschwernis gibt. Egal ob man vorher den Aspekt rausgefunden hat oder ob man noch genug FATE-Punkte hat um auch von ihm zu profitieren.
Es kommt einfach darauf an, was man selbst und auch die Spieler von einer Rollenspiel-Sitzung erwarten. Worum geht es ihnen? So gut FATE auch ist, es ist nicht für jedermann – und das soll keinerlei Wertung über „jedermann“ sein.
Das wäre ein schöner Schlusssatz – dennoch kann ich mir eines nicht verkneifen, ich wusste nur nicht wohin ich es vorher stecken hätte sollen: Warum hat der eigentlich echt stylische und übersichtliche Charakterbogen keinen Platz um das Aussehen der Figur zu beschreiben?
Mag auch wieder eine Eigenheit meinerseits sein – und es fällt mir natürlich nicht nur beim DFRPG auf, aber ich will meine Haar- und Augenfarbe und alles Drum und Dran auch aufschreiben können. Das gehört für mich genauso dazu wie mein Lieblingsaspekt „Ich habe Recht“.
Teil 3 mit Our World kommt in den nächsten Tagen
Titel: The Dresden Files Roleplaying Game – Your Story
Art: Grundregelwerk
Regeln: Fate 3.0
Sprache: Englisch
Verlag: Evil Hat Productions
Publikationsjahr: 2010
Autoren: Leonard Balsera, Jim Butcher, Genevieve Cogman, Rob Donoghue, Fred Hicks, Kenneth Hite, Ryan Macklin, Chad Underkoffler, Clark Valentine
Illustrationen: farbig
Umfang: 416 Seiten
Bindung: Hardcover und/oder pdf
Preis: 39,95€ für Printausgabe und pdf, ca. 20€ für das pdf
Rezensent: Irene Strauß
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