Gefangen in der Gruft der Königin war auf der RPC bereits ein Verkaufsschlager und kommt bald auch in den Handel und wird über den F-Shop ausgeliefert.
Um die Neugier weiter zu schüren gibt Autorin Jeanette Marsteller euch noch einen weitere Teaser in Form einer Kurzgeschichte.
Die Königsklinge
von Jeanette Marsteller
Mutlos drückte er ihre kalte, kraftlose Hand. Sie so zu sehen, schwach und ohne Lebenswillen, schmerzte sein Herz wie der Stich einer Biene.
„Grämst du dich meinetwegen?“ Fragte sie mit brüchiger Stimme und versuchte zu lächeln.
Auch jetzt noch sorgt sie sich mehr um andere als um sich selbst, dachte er halb erfreut, halb bedauernd. Vorsichtig drückte er ihre Hand etwas fester, fast so, als wolle er sich selbst versichern, dass sie noch bei ihm war, und schüttelte den Kopf.
„Nein, Liebste. Ich dachte nur gerade an alte Tage … an die Tage von Eisen und Blut, als wir nahmen, was unser war, und die verfluchten Söhne Bosparans in die lieblose Einöde zurückschickten, die sie ausgespuckt hatte.“
Für einen Moment hielt er inne und studierte ihr Gesicht. Er dachte daran, wie es damals ausgesehen hatte, so glatt und ebenmäßig, gleichzeitig voller Entschlossenheit und Güte. Jetzt hatten sich tiefe Furchen in ihre einstige Schönheit gegraben, doch die Wärme ihres Herzens konnte er noch immer in ihren Augen erkennen. Auch jetzt, auf ihrem Sterbebett, konnte es für ihn keine schönere Frau geben. Keine, für die er mehr Bewunderung aufbrachte. Keine wie sie – seine Königin.
„Weißt du noch, wie wir bei War’Hunk stritten? Drei Tage und Nächte wollte der Regen nicht aufhören, und wir wateten bis zu den Knien in Schlamm und Blut. Ich fand dich in der Schlacht, von Kopf bis Fuß voller Dreck, und der Regen hatte lange Rinnen auf deine Wangen gezeichnet, so als hättest du ein Meer aus Tränen geweint. Dich aber konnte nichts schrecken, nicht einmal diese unheiligen Raubkatzen aus den finstersten Niederhöllen, welche die Bosparaner dir entgegen schleuderten.“
Seine Königin nickte, und ein leichtes Lächeln kam auf ihre schmalen Lippen. „Und du hast jeden Soldaten gefällt, der zu mir vordringen wollte. Die Bosparaner hatte ihre Legionäre, ich aber hatte dich. Meinen
Nurbadi.“
Ihr letztes Wort war kaum hörbar, fast schon gehaucht, aber in seinem Herzen entfachte es ein Feuer.
Erneut setzte ihre schwache Stimme an: „Thayan, ich …“
Er unterbrach sie mit einer sanften, aber bestimmten Geste und drückte einen Kuss auf den Rücken ihrer Hand. „Spare dir deine Kräfte, meine Königin.“
„Wozu?“ Entgegnete sie mit einem traurigen Lächeln. „Es ist vorbei, der Weg ist abgeschritten, und die Tage des Kampfes sind vorüber. Wir haben unseren Kindern Frieden gegeben, du und ich. Unsere Zeit ist vorbei, und Mokoscha nimmt mich nun zu sich.“
Thayan wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Er konnte es an ihren Augen sehen, die fast jeglichen Glanz eingebüßt hatten, er konnte es am brüchigen Klang ihrer Stimme hören, aber vor allem konnte er es tief in seiner Seele spüren. Er war ihr Nurbadi, ihr Leibwächter, ihr König und erster Krieger, und doch blieb ihm jetzt nichts mehr übrig, als in ihren letzten Augenblicken tatenlos an Hashandrus Seite zu sitzen. Der Schmerz über diese Erkenntnis drohte, ihn zu übermannen, und wie aus alter Gewohnheit griff er zu der Klinge an seiner Seite.
„Du alter Narr“, lachte seine Königin leise. „Du kannst den Tod nicht mit einer Waffe bezwingen.“
Für einen Moment rümpfte er über ihren Spott die Nase und hob den Säbel ins tanzende Licht der Feuerschalen, wie um sich selbst zu versichern, dass er es doch konnte. Dass er den Tod besiegen konnte. Denn war dies nicht
Anscharon, die Klinge des weisen Herrschers, der Säbel des größten aller Krieger?
„Diese Klinge hat den Al’Hani immer gut gedient“, murmelte er gedankenverloren.
„DU hast den Al’Hani immer gut gedient“, widersprach Hashandru. „Du hast mir immer gut gedient. Lass die Klinge nun sinken. Du brauchst sie nicht mehr. Andere werden kommen, um sie zu führen.“
Thayan sah sie an und schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Ihre Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Noch ist sie ein Teil von mir, und mit allem, was ich bin, diene ich dir. In diesem Leben wie im nächsten.“
Ihr schmaler Mund verzog sich zu etwas, das ein Lächeln hätte sein können, doch es war so erfüllt von Wehmut und Traurigkeit, dass man es kaum als Ausdruck der Freude sehen konnte. Langsam, so als koste sie diese Bewegung unendlich viel Mühe, hob Hashandru ihre Hand und berührte seine Wange.
„Mein Nurbadi“, flüsterte sie, und in jeder Silbe schwangen tausend Erinnerungen mit. Erinnerungen an den Tag, an dem sie sich zum ersten Mal begegneten, ohne zu ahnen, welchen Weg sie gemeinsam gehen würden. Erinnerungen an ihre erste gemeinsame Schlacht, und wie alle Furcht von ihnen abgefallen war, als sie Rücken an Rücken einer Übermacht gegenüberstanden. Erinnerungen an all die glücklichen Tage und auch die unglücklichen, an politische Grabenkämpfe, Verrat, verlorene Freunde, ihre gemeinsamen Kinder … Es gab so viel, auf das sie zurückblicken konnten, doch jetzt, am Ende ihrer Tage, begann all das zu verblassen. Nur ein Gefühl blieb klar und leuchtend hell in Hashandrus Herz zurück. „Ich werde dich immer lieben. In diesem Leben wie im nächsten.“
Es wurde still. Tränen drohten, sich ihren Weg in Thayans Augen zu erkämpfen, als er ihre Hand ergriff und fest an seine Wange presste. Er konnte sie nicht gehen lassen, er durfte nicht, er wollte nicht … und dann spürte er es. Spürte, wie langsam alle Kraft aus ihrer Hand wich, und er sah, wie der liebevolle Glanz ihre Augen verließ. Langsam, ganz langsam, legte er ihre Hand zurück in ihren Schoß. Seine eigenen Hände zitterten.
Sie durften nicht zittern, nicht jetzt. Er schloss seinen Griff fester um das Heft der Königsklinge und hielt sie erneut ins Licht. Die Symbole der Inschrift schienen vor seinen Augen im flackernden Fackelschein zu tanzen, und doch konnte er sie klar und deutlich lesen. Jedes einzelne Wort darauf war ihm in Mark und Bein übergegangen, seitdem man
Anscharon vor so vielen Jahren in seine Hände gelegt hatte.
„Mein alter Freund“, flüsterte er so, als könne die Klinge ihn hören. „Deine Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Ein letztes Mal musst du mir dienen, denn ich bin Thayan omer Agnitha, Nurbadi der großen Königin Hashandru. Ich lebe, um ihr zu dienen, und ich habe geschworen, ihr nie von der Seite zu weichen.“
Die Klinge blitze im Fackelschein auf, als er ihre Spitze vorsichtig gegen seine Brust drückte, dort, wo einst sein Herz gewesen war. Das Herz, das ihr gehört hatte – seiner Frau, seiner Geliebten, seiner Heldin, seiner Königin.
Er sah sie noch einmal an, sah den Frieden in ihrem Gesicht und lächelte.
Dann stach er zu.
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