AW: Ist Rollenspiel ein überholtes Hobby?
Madpoet schrieb:
Generell währ es für die Einsteigerfreundlichkeit von Rollenspielen die Regelwerke genau so gestallten das sie mehrer Detailgrade haben.
Ist ist genau so wie vor Zwanzig Jahren :
Neueinsteiger lassen sich durch dicke Regelwerke abschrecken.
Ähm, vor über 20 Jahren schon hatte Midgard diese Unterscheidung in die notwendigen, aber bestimmte (selten auftretende oder sehr detaillierte) Situationen eben nur sehr grob abbildende Regeln, und die (nach - am besten gemeinsamem - Beschluß der Spielergruppe ganz oder teilweise zu verwendenden) "Fortgeschrittenen"-Regeln.
Und D&D gab es in einem einfachen Basic-Set (und später dann, wenn man geblickt hatte, wie das so läuft, auch die Expert- und folgenden Sets). Und nicht nur das: Mit D&D und parallel dazu AD&D gab es ein einfacheres Regelsystem zum Einstieg (und dabeibleiben) und als paralleles Angebot ein komplizierteres Regelsystem zum "Aufstieg" (eben das "advanced" in AD&D).
Ich hatte mit D&D Basic-Set angefangen und als wir mit dem Expert-Set fortfahren wollten, hatte unser D&D-Spielleiter vorgeschlagen, daß wir doch zum AD&D-Regelsystem wechseln sollen, was wir auch getan haben. Das war dann auch kein Problem mehr, da jeder dann schon die grundsätzlichen Verfahrensweisen bei D&D/AD&D kannte.
Solche einfachen Einstiegsregelsysteme können aber m.E. nicht einen wesentlichen Einfluß auf Rollenspieleinsteiger haben. Ich habe den Eindruck, daß der Einfluß der Regelkomplexität in solchen Diskussionen überschätzt wird.
Komplexe Regeln im Alleingang sich spielfertig zurechtzulesen - ja, das ist schon eine Herausforderung.
Aber heute muß sich dieser kaum noch jemand ALLEIN stellen. Heute gibt es genug Leute, die schon mal Rollenspiele gespielt haben (jetzt mal tendenziell Pen&Paper-Rollenspiele gemeint). Und die für einen Spieler zu verarbeitende und zu beherrschende Regelkomplexität von manchen Computerrollenspielen ist auch in Bereichen gelandet, die mit einem P&P-Rollenspiel mithalten können.
Es ist doch aber so, daß junge Leute einfach ALLES schneller lernen, als Alte Säcke (tm).
Wenn ich sehe, wie lange ich für ein Computerspiel (meist hier nicht ComputerROLLENspiel, sondern andere z.B. Flugsimulatoren) brauche, die mir Kumpels, die weniger als halb so alt sind wie ich, binnen kürzester Zeit besser draufhaben, dann denke ich, wird sich ein junger Mensch nicht von einem komplexen Regelwerk am Spielen hindern lassen.
Von einem unverständlichen, einem schlecht aufbereiteten, einem untauglichen Regelwerk schon eher.
Wenn ich mir die - hier in diesem Thread und in vielen anderen aufgebrachte - Aussage, daß die meisten angehenden Rollenspieler durch schon aktive Rollenspieler "angefixt" werden, dann sind letztere ja genau die Richtigen, um auch noch so komplexe Regelwerke zu erklären und Proberunden zu leiten etc.
Daher ist das Herumreiten auf einfachen, noch einfacheren, so einfachen, daß man es garnicht mehr finden kann Systemen nicht sinnvoll.
Meine Erfahrung ist sogar die, daß ein SEHR simpel auftretendes System (z.B. HeroQuest (ja, das Rollenspiel ist damit gemeint, nicht das Brettspiel) oder auch Risus) in der Anwendung weit mehr Erfahrung und Souveränität beim Spielleiter (und auch den Spielern) vorraussetzt, als andere stärker regulierende und regelaufwändigere Rollenspielsysteme. - Bei "Leichtgewichten" fallen ja stets dieselben Fragen, dieselben Problemstellungen in einer Rollenspielrunde an. Der Unterschied ist nur, zu welchem Teil die Gesamtheit dieser Fragen und Problemstellungen in dem jeweiligen Regelsystem geregelt ist, und wieviel davon der ungeregelten, angenommenen, ja geradezu vorausgesetzten Urteilskraft aller Spielenden überlassen wird.
Leichgewichte sind m.E. eher etwas für "Fortgeschrittene" Rollenspieler mit etwas mehr Erfahrung im Hinterkopf, die ihnen die notwendige Urteilskraft erst ermöglicht.
Klar können komplexe, umfangreichen Crunch enthaltende Regelwerke einen abschrecken. Aber - wie gesagt - auch Computerspiele können da mithalten und haben noch keinen abgeschreckt. - Wenn man etwas spielen will, dann kommt man durch noch so komplexes Regelwerk durch (außer man hat ein untaugliches Regelwerk, welches einen zur Aufgabe zwingt).
Gegen "mehrstufige" Komplexität innerhalb desselben Regelwerks habe ich erst einmal nichts einzuwenden. Das existiert sogar eigentlich sehr oft in Form von Optionalregeln, Fortgeschrittenenregeln, Sonderregeln und sonstigen Regelerweiterungen/-alternativen, sowie Hausregeln. Natürlich in unterschiedlicher Ausprägung je nach Rollenspiel.
Aber in welchem Falle haben diese abgestuften Regeln je geholfen einem Spieler den Einstieg in ein Regelsystem auf so entscheidende Weise zu erleichtern, daß man es als einen kritischen Erfolgsfaktor eines (auch) auf Einsteiger ausgerichteten Rollenspiels ansehen müßte? - Mir ist keiner bekannt.
Ich kenne Rollenspieleinsteiger in vielen, sehr unterschiedlich komplexen und unterschiedlich verständlichen Systemen. - Ich kann mich da an Keine und Keinen erinnern, bei denen die Regelkomplexität nicht durch die aufgeschlossene und hilfsbereite Gruppe aufgefangen und nur sehr dosiert weitergegeben wurde.
In einer miteinander freundschaftlich umgehenden Gruppe unterstützen die erfahreneren Spieler die Neuen. Und sie erklären die notwendigen "Handgriffe" in einer Detailtiefe, daß der Neuling nicht gleich glasige Augen bekommt, sondern sich erst einmal auf das Spielen seines Charakters einlassen kann. Das Regelwerk kommt so nach und nach. So war es bislang immer der Fall.
Klar, das geht wieder von den vorher existierenden "Knowhow-Trägern" aus. Aber ist heute denn ein Einstieg ohne jeglichen Kontakt zu anderen, die mit Rollenspielen schon mal in Kontakt geraten sind, denn wirklich so verbreitet, daß sich das merkbar auf die Anzahl an Rollenspieleinsteigern auswirkt?