AW: Heredium
Ich fände ein Heredium auf weniger als 200 Seiten gut. Wenn ich das nicht haben kann, dann sinkt mein Interesse schon einmal deutlich. Und bei über 300 dann noch einmal.
Aber das bin natürlich bloss ich.
Nicht nur Du.
Ich habe - vor allem durch die Erfahrungen mit Savage Worlds - gelernt, wie vollständig auch mit unter 150 Seiten ein generisches Regelwerk möglich ist, und wie man in ebenfalls unter 150 Seiten ein komplettes Settingpaket zusammen mit einer umfangreichen Kampagne und noch zwei Dutzend separate von der Kampagne zu spielenden Szenarien hinbekommen kann.
Das geht, das liest sich schnell, da kann man schnell mit dem Spielen loslegen, ohne gleich einen Master in Aventuristik oder so machen zu müssen.
Im Ernst, ich mag es auch kompakt, aber mein Beispiel mit Runequest zeigt auch sehr deutlich, was ich auf keinen Fall sehen will:
Ein dünnes Grundheftchen zum überteuerten Preis und unendlich viele Bände mit essentiellen Sachen zu ebenfalls überteuerten Preisen hinterher!
Was Du auf keinen Fall sehen willst, ist die für den Mongoose-Verlag übliche Geldmacherei.
Sie haben hier das Regelwerk nicht etwa auf das Wesentliche GESTRAFFT, nein, sie haben alle wesentlichen Bereiche des Regelwerks auf viele einzeln (und jedesmal überteuert) zu erwerbenden Bände VERTEILT.
Das ist etwas völlig anderes, als ein Regelwerk samt Settingbeschreibung zusammen, alles in einem Band, aber eben mit humanem Umfang abzufassen. - Mongoose LEBT davon, daß sie ALLES, was unter ihre lizenzgierigen Finger gerät, in homöopathischen Verdünnungen publizieren. Gerade die Mongoose RQ Neuerscheinungen sind klassische Mogelpackungen. Das RQ-Regelwerk KANN sehr kompakt und doch vollständig in einem Band vermittelt werden (z.B. die exzellente deutsche Ausgabe von RQ3). Aber Mongoose WILL das nicht.
Und die deutschen Rollenspielentwickler wollen augenscheinlich auch nicht den NOTWENDIGEN Arbeitsschritt des Kürzens von Überflüssigem ausführen. Man merkt, daß rein quantitative Gesichtspunkte für den Schwanzlängenvergleich unter den "Autoren" mehr zählen. "Mein Rollenspiel ist schon 780 Seiten lang, und das noch ohne Ausrüstungslisten, ohne Spruchlisten, ohne Weltbeschreibung!" *seufz*
Meines Erachtens liegt das daran, daß viele der gerne großen Autoren überhaupt nicht WISSEN, wie HART das ist, seinen unkontrollierten Autorenerguß in vom unbekannten Leser/Käufer/Rollenspieler beherrschbare Formen zu bringen. - Wer das weiß, der weiß, was es bedeutet, wenn z.B. das alte Gamma World 1st Ed. auf 59 Seiten ein komplettes, eigenständiges Regelwerk, Ausrüstungen, Rassen, Mutationen, neuartige Regelmechanismen, und eine komplette Spielwelt samt Tips für den Spielleiter, diese spielerisch zum Leben zu erwecken unterbekommen hat. Das geht. Und man braucht NICHTS SONST außer diesen knappen 59 Seiten um JAHRELANGE zu spielen.
Viel schreiben, ellenlange Ausrüstungslisten, die der tatsächlichen Differenzierungstiefe im eigentlichen Spiel überhaupt nicht gerecht werden (KEINEN im Spiel interessieren Ausrüstungsspitzfindigkeiten, die nur Varianten des immer gleichen, die lauter Wiederholungen von Werten, die sich nicht einmal spieltechnisch unterscheiden, darstellen). - Dasselbe gilt für endlose Zauberlisten, wenn es im aktiven Spiel nicht mal ein halbes Dutzend Zauber gibt, die wirklich sinnvoll sind, während der Rest nur Bleiwüste ist, die sich nicht einmal bei NSC-Zauberern finden wird, weil sie einfach ungezügelter, und unreflektierter Kreativität beim Entsinnen möglichst vielfältiger (aber für die Core Stories völlig nebensächlicher) Zauber entstanden sind.
@Skar: Wenn mir ein Regelwerk mit 200 Seiten noch 50 Seiten Ausrüstung präsentiert, dann MUSS es Scheiße sein. Soviel Ausrüstung BRAUCHT KEIN Charakter jemals. Wenn Ausrüstung so wichtig ist, dann stellt das Ausrüstungsmikromanagement sich viel zu sehr ins Rampenlicht, statt mir die Möglichkeit zu geben Abenteuerliches zu erleben. - Diese 50 Seiten sind nur etwas für Leute, die Spaß daran haben, 6 Stunden Spielzeit mit "Einkaufengehen" verbringen (ja, selbst wenn man durch Waffenläden tingelt ist das genauso langweilig wie beim Barbie-Spielen dauernd neue Klamotten anzuprobieren). - Ich finde ja schon die "Gear"-Sektion in Savage Worlds viel zu umfangreich. Optimal finde ich das bei Angel gelöst (Knife, Big Knife, Big Ass Knife - Genau die Detailtiefe, die die Abenteuer, in denen man sich dort als Charakter wiederfindet, auf die Waffeneigenschaften legen. Nämlich fast keine!). - Klar gibt es Settings, wo es zu den üblichen Komplikationen gehört, daß bestimmte Ausrüstungsdetails in den Vordergrund treten. Bei Deadlands:Hell on Earth z.B. ist die Munition gleichzeitig Währung und knappes, nützliches Gut. So nutzt dem besten Schützen eine Handvoll 9mm Pistolenmunition nichts, wenn er nur ein Sturmgewehr der US-Streitkräfte sein eigen nennt. Dort ist Munitionsknappheit ein Storyelement. In diesem Falle - und nur in diesem - finde ich das akzeptabel.
Aber generell: ALLE Elemente in einem Rollenspiel sollten auf den FOKUS des jeweiligen Rollenspiels bezogen sein. Wenn es um cinematisches Action-Kino (oder -Fernsehen) geht, wie bei Angel RPG z.B., dann ist der Fokus aller Elemente im Rollenspiel auf der Gestaltung ähnlicher Geschichten, ähnlicher Szenen, wie man sie in der Fernsehserie sehen könnte. Und da käme ein zu hoher Detaillierungsgrad bei egal welchem Bestandteil, der nicht auch in der Serie eine große Rolle spielt, nur in die Quere.
Diese Art der Fokussierung ist es, die ich von JEDEM Rollenspiel erwarte.
Auch mein momentaner Liebling, Savage Worlds, hat sie nicht überall durchgehalten (gerade auch bei der mir zu umfangreich ausgefallenen Ausrüstungsliste), doch liegt da noch - soweit mir bekannt - das höchste praktische Maß an Fokussierung für ein generisches Regelwerk vor. Für ein spezielles Regelwerk kann - und habe ich - das Angel RPG nur loben. DAS ist auf den Punkt geschrieben.
So etwas möchte ich auch einmal aus deutschen Landen sehen.
Nicht nur telefonbuchdicke Zehnfinger-Schreibmaschinen-Schreibübungen, sondern bitteschön ein Rollenspiel mit BRENNPUNKT, wo ALLES Geschriebene diesen Brennpunkt wirklich zu etwas Heißem macht, was man spielen will.
Und das geht nicht, wenn man das auf hunderten von Seiten "verdünnt".