AW: George R. R. Martin
Ich kenne ja George R.R. Martin von seinen Sci-Fi-Romanen und - mehr noch - seinen Kurzgeschichten, die in so gut wie jeder Sci-Fi-Kurzgeschichtensammlung der damals noch zahlreichen deutschen Taschenbuchverlage mit Sci-Fi-und-Fantasy-Taschenbuchprogrammen auftauchten.
Seine Geschichten waren inhaltlich und sprachlich mittel. Durchschnitt. Nichts Besonderes. Nicht besonders gut, nicht so schlecht, daß man sich den Namen als Warnzeichen merken müßte.
Dann verschwand er in der Versenkung.
War einfach aus dem Sci-Fi-Umfeld abgetaucht und es kamen nur noch alte Sachen von ihm, die ich schon aus meiner Schulzeit kannte.
Mit seiner Westeros-BRIKETT-Fantasy-Roman-Serie tauchte er unerwartet wieder auf.
Und ich habe da erst einmal nichts darauf gegeben, weil ich nicht noch einen mittelmäßigen Autoren, der so-la-la-Sci-Fi schreiben konnte, beim so-la-la-Fantasy-Schreiben zusehen wollte. - Vor allem scheint man ihm das Maß für knackige Geschichten herausoperiert zu haben. George R.R. Martin war in VIELEN Kurzgeschichtenbänden vertreten, weil er pointiert eine - zwar nicht geniale, aber eben auch nicht schlechte - Kurzgeschichte präsentieren konnte.
Und nun Briketts.
Die ersten drei waren erschienen, da ist er so langsam durch die vor Harry-Potter-artiger Verzückung in Lobeshymnen ausbrechenden Teilnehmer diverser Foren wieder in meine Aufmerksamkeit gelangt, daß ich mir die Anschaffung seiner Bücher ernsthaft überlegt hatte.
Dann habe ich dem alten George aber doch nicht so weit getraut, daß ich ihm mein härtest erarbeitetes Vermögen und meine immer knapper werdende Lebenszeit in den Rachen schieben wollte und wartete auf eine Billigstausgabe des ersten Bandes. - Und die habe ich gelesen.
Tja. Drei-minus, wie man so sagt.
Kürzen, Straffen, Eindampfen, das Fett rauslassen, Kürzen, auf den Punkt bringen, Kürzen, und dann Straffen.
Ich konnte die ganzen Jubelschreie und Hosianna-Rufe der Westeros-Fans ÜBERHAUPT NICHT NACHVOLLZIEHEN.
Caroline Janice Cherryh hat schon glaubwürdigere und fesselndere Fantasy-Welten entwickelt, die TROTZ Brikett-Volumens kein Wort Kürzung vertragen hätten, weil ALLES daran wichtig war.
Ich war ziemlich enttäuscht. Die weiteren Bände habe ich mir gespart und abermals - um wieder mal al-dente-Fantasy zu lesen - meine Fritz Leiber Sammelbände hergenommen. Bei den Geschichten wird kein Wort verschwendet, keine Seiten werden geschunden, nichts Überflüssiges stehengelassen.
Neuere Autoren können das auch. Jim Butcher z.B., den man gefälligst von Harry Dresden kennen sollte (oder sich schämen, daß man ihn nicht kennt!). Mit seiner Codex Alera Serie, die auf 6 Bücher ausgelegt ist, von denen 4 bereits erschienen sind, zeigt er, daß er sehr glaubwürdige, in sich schlüssige und spannende Fantasy schreiben kann und dabei die schriftstellerischen Handwerks-Glanzlichter, die Harry Dresden zu einem MUST READ machen, auch im Fantasy-Genre setzen kann.
Ganz anders George R.R. Martin. - Seine Schreibe ist die gleiche "Mittelklasse" von vor 25, 30 Jahren. Nur hat er vergessen, wie man Schluß macht. Wie man etwas auf den Punkt bringt.
Ich kann die Begeisterung um die Westeros-Romane nicht nachvollziehen. - Und das liegt nicht am Alter (immerhin ist George R.R. Martin ja auch nicht gerade einer der "Jungen Wilden" der Fantasy-Literatur.
Sein Umschwenken auf Fantasy kann ich mir hingegen gut erklären. Fantasy war im US-Markt der 70er und anfangs der 80er einfach kein Genre, daß gute Verkaufszahlen erbrachte. Daher schrieben so gut wie alle Autoren Sci-Fi oder Science Fantasy. Erst mit den Achtzigern - im Rahmen des Erfolgs der Dragonlance-Schwülstigkeit - da kamen die neueren US-Fantasy-Epen wie die exzellenten Romane von Donaldson zum "Whitegold Bearer" auf. Und ab da ging es Schlag auf Schlag. Mit dem Aufkommen von Cyberpunk in der Sci-Fi-Literatur verkam die "normale" Sci-Fi zu einem Randgebiet. Dann starb Cyberpunk seinen verdienten Tod an Altersschwäche. Und übrig blieb die aktuelle Fantasy-Soße, mit der die meisten mäßig begabten und auch einige der begabteren Autoren ihre Ideen garnieren, damit sie verkaufbar werden.
Und so auch ein Autor wie George R.R. Martin, der ja auch von irgendetwas leben möchte. - Und er schreibt ja auch NICHT SCHLECHT! Aber leider eben auch nicht gut genug, daß es meine Lesezeit wert wäre.