AW: Der Unterschied zwischen modernen Rollenspielen und älteren!?!!
Ich höre nun immer wieder, dass moderen Rollenspiele keine richtigen Rollenspiele sind, da sie einfach nicht komplex, kompliziert, vielschichtig oder keine richtige Ansammlung an Sozialfertigkeiten aufweisen und vieles grob behauen aussieht und mehr.
Komisch. - Also ich höre so etwas NICHT "immer wieder". Eigentlich sogar überhaupt nicht!
Modern oder "älter" - was soll das mit Regelkomplexität, "Vielschichtigkeit" oder der "Menge an Sozialfertigkeiten" zu tun haben?
BRP als "älteres" System - insbesondere in den Ausprägungen RuneQuest und Call of Cthulhu - ist ein grottensimples W%-Roll-under-System, das uralt ist und sich auch entsprechend angestaubt spielt. Aber die Regeln sind nicht besonders komplex, Vielschichtigkeit kommt eher durch das Setting (Glorantha!), und die Zahl der Sozialfertigkeiten ist eine Form des rollenspielerischen Regelsystem-Schwanzvergleichs, wo es nicht einmal Schwänze zum Vergleichen gibt!
Cortex+ als modernes System - insbesondere in den Ausprägungen Smallville und Leverage, demnächst auch Dragon Brigade und Marvel Superheroes - ist ein simples System basierend auf vergleichenden Würfen, das einige Elemente des Player Empowerments enthält, narrativ ausgerichtet ist und KEINE Fertigkeiten kennt, sondern je nach Ausprägung nur Beziehungen und moralische Werte und Tugenden (Smallville) bzw. Rollen in einer Gruppe Trickbetrüger (Leverage).
Bei beiden Systemen liegen die Kernmechaniken klar und unmißverständlich vor. Es gibt keine Notwendigkeit zur "Hirnakrobatik", um diese Regeln anwenden zu können.
Bei beiden Systemen gibt es keine Stufenanstiege, keine Erfahrungspunkte, keine ständige Bewertung der Spielleistung.
Große Unterschiede sind in der Möglichkeit zur HARTWURSTIGKEIT: BRP kann man SEHR hartwurstig, kleinkariert und buchhalterisch spielen. Cortex+ nicht. Geht einfach nicht, weil Ausrüstung nur nach "narrativer Bedeutung" überhaupt eine Rolle spielt und die Hartwurst völlig uninteressant ist.
Große Unterschiede sind in der GRANULARITÄT der Regeln: BRP ist recht feingranular in der Abwicklung kleiner Handlungssequenzen. Cortex+ erledigt einen ganzen Kampf mit zwei Würfelwürfen. Das macht den Kampf nicht weniger "vielschichtig", sondern räumt der Regelanwendung im Gameplay einfach weniger breiten Raum ein, als es bei "involvierteren" Regelsystemen der Fall ist.
Hier haben wir also zwei Rollenspiele, ein altes und ein neues (sozusagen), und beide sind simpel und beide sind ähnlich und beide sind sowas von verschieden, wie Tag und Nacht.
Warum?
Weil neuere Rollenspiele die erst so richtig mit der Forge und deren Evangelisten aufgekommenen, damals eher experimentellen Regelelemente inzwischen standardmäßig eingebaut haben.
D&D 4E ist ein regeltechnisch recht involviertes, aufwendiges, mit sich im Gameplay SEHR breitmachendem Regelmechanismus darstellendes Rollenspiel. Und in diesem sind zum Beispiel mit Action Points, Meta-Gamigen "Powers", Skill-Challenges usw. viele ehemals reinen Indie-Games der Forge-"Laboratorien" vorbehaltene Elemente in den Dinosaurier, den Methusalem der Rollenspiele eingeflossen. - Ist D&D 4E nun ein "modernes" Spiel oder doch ein "älteres"?
FATE 3 ist in unterschiedlichen Ausprägungen gerade aktuell recht beliebt, hat sich aus dem Baukasten FUDGE entwickelt und ist durch Überbetonung von Aspekten und Stunts (gegenüber dem "normaleren" FATE 2) zu einem Spiel geworden, welches sehr involviertes Metagaming das Gameplay geradezu dominieren läßt, daß man genauso weit aus dem eigentlichen in-game-Geschehen herauskatapultiert wird, wie bei den übelsten Hartwurst-Kalkulationsorgien anderer Rollenspiele klassischeren Zuschnitts.
Beide Spiele sind beeinflußt von moderneren Entwicklungen. Doch welche Einflüsse wie ins Spiel eingeflossen sind, und was sie letztlich für ein Spiel ergeben haben, ist deutlich unterschiedlich.
Moderne Spiele heißt NICHT "einfache, grobgranulare, simple" Spiele!
Aces&Eights ist eines der hartwurstigsten, detailonanierendsten Systeme, das mir je auf den Spieltisch gekommen ist. Und es ist ein "modernes" Rollenspielprodukt.
B/X-D&D bzw. Labyrinth Lord ist eines der simpelsten, grobgranularsten, eingängigsten und tödlichsten Systeme, das mir je auf den Spieltisch gekommen ist. Und es ist ein uraltes Produkt bzw. ein Retro-Klon mit fast identischer Regelumsetzung.
Aktuell erscheinende Rollenspielprodukte sind das, was ich als MODERNE Rollenspielprodukte bezeichnen würde. - Darunter fallen auch alle eher "klassischer" Regelsystemstruktur entsprechenden Neuentwicklungen wie sie jedes Jahr zuhauf erscheinen (und auch oft genug mangels Innovationstiefe zuhauf und zurecht sang- und klanglos untergehen).
Ältere Rollenspielprodukte sind solche, die FRÜHER erschienen sind, vor 5 Jahren, vor 10 Jahren, vor 20 Jahren, vor 30 Jahren. - Darunter fallen auch solche "unklassischen" Uraltsysteme wie TSRs Conan RPG, welches innovativste Regelmechanik, Heldenpunkte zum "Nacheditieren" unerwünschter Ergebnisse, und eine Art "schwebender Attributlosigkeit" eingeführt hat, die ihrer Zeit um JAHRZEHNTE voraus waren. Und darunter fallen auch solche Systeme wie Star Wars D6, simples System, KEINE Hartwurst, Action-Story hat Vorrang vor allem anderen.
Man kann eventuell ein "altbekanntes Gameplay" identifizieren. Also eines, welches der Mehrzahl bzw. den am häufigsten verbreiteten Regelsystemen vergangener Jahrzehnte entspricht. Z.B. Erfahrungspunkte, Stufen, Spielleiter spielt die Welt, die Spieler spielen nur und ausschließlich ihren Charakter, usw. Das sind gängige Gemeinsamkeiten, die aus "alten Zeiten" stammen und teilweise schon damals, häufig aber erst nach den Propaganda-Flächenbombardements der Forge-isten in neueren Produkten abgeändert wurden. - So ist z.B. die alten World of Darkness noch mit einem für narratives Spiel VÖLLIG UNGEEIGNETEN Regelsystem versehen, welches eher "klassischere" simulative Ausrichtung hat und den Begriff "Story" nur als "Fehletikettierung" verwendet, während z.B. das aktuelle HeroQuest 2.0 ausschließlich auf Story "pur" ausgerichtet ist und dort überhaupt nicht mehr simuliert wird. Solche klarer auf bestimmte Schwerpunktsetzungen eines Spiels zugeschnittenen Systeme kamen erst mit den "Rollenspiel-Laborqualzüchtungen" der Forge-Spiele auf, bei denen in Form von One-Trick-Ponys viel ausprobiert wurde (und viel unspielenswerter Müll entstand), aus dem sich aber manche Dinge als übernehmenswert in "Mainstream"-Rollenspiele wie D&D herauskristallisiert hatten.
Wer hier an Hartwurstigkeit und durch reine Quantität bedingter, scheinbarer "Vielschichtigkeit" festmachen möchte, daß ältere Rollenspiele auch nur mehrheitlich "komplexer, hochdetaillierter, vielschichtiger" wären, der ist BEKLOPPT!
Die letzte Diskussion hatte ich jetzt gestern, da ging es darum, warum DungeonSlayers nicht wirklich ein Rollenspiel ist:
*Patsch* - So hätte es sich anhören müssen, wenn Deine Hand mit hoher Geschwindigkeit und im hohen Bogen durch das Gesicht des IDIOTEN, der das behauptet hat, klatscht.
Das man bei kompletter Zerrüttung der definierenden Rollen der Spielenden, Spielleiter und Spieler, den Eindruck bekommen kann, daß es sich nicht mehr um ein Rollenspiel, sondern etwas so anderes handelt, daß es nicht mehr als Rollenspiel zu identifizieren ist, kann ich nachvollziehen. - Das sind aber Entwicklungen, die EXTREME darstellen. Extreme Übernahme von Forge-istischer Ideologie, welche den Spielleiter grundsätzlich ins Gulag verbannt sehen möchte. Mit Rollenspielen haben diese Spiele weit weniger zu tun als mit einem "Klassenkampf am Spieltisch" und mit dem verdorbenen Charakter der Forge-Wortführer.
DungeonSlayers ist ein recht klassisches Rollenspiel UND ein modernes dazu! - Das Gameplay ist klassisch, die Ausgestaltung der Regeln modern. - Hier auch nur daran zu denken, ob es denn kein Rollenspiel mehr sei, ist doch BESCHEUERT.
Es geht mir nun nicht darum, welches Lieblingsspiel man hat, sondern viel mehr darum, warum schlichte, schnell Regeln nicht Rollenspielnorm entsprechen sollen.
So etwas wie eine "Rollenspielnorm" gibt es eh nicht.
Alte Regelsysteme fingen zwar meist eher einfach gestrickt und überschaubar an, aber schon mit AD&D wurde es doch recht unübersichtlich, (unnötig!) komplex und verzettelt.
DSA fing auch mal wundervoll übersichtlich, eingängig und einstiegsfreundlich an, ist heute aber ein Monstrum und ein herausragendes Beispiel für MISSLUNGENE Regelsystemweiterentwicklung.
D&D wurde vom recht aufwendigen 3E zur 4E deutllich "handlicher" zurechtgeformt, ist aber als 4E immer noch um Größenordnungen komplexer als OD&D oder B/X-D&D.
RuneQuest 2 war schon einfacher gestrickt als das etwas ungeschickt aufgebohrte RuneQuest 3 - und das sind BEIDES ALTE Rollenspiele.
Ob ein Rollenspiel nun grobgranular oder feingranular ausgerichtet ist, stellt KEINE Eigenschaft des Herkunftsjahres dar, sondern ist eher den Zielsetzungen der Entwickler, der Absicht bestimmte Dinge im Gameplay in den Vordergrund zu rücken, geschuldet.
Daher gibt es moderne Spiele, die regeltechnisch ausgesprochen involviert, komplex und kompliziert sind. Und es gibt alte Regelsysteme wie B/X-D&D, RQ2, ZeFRS, DSA1, die ausgesprochen einfach, leichtgängig und unkompliziert sind.
Und natürlich gibt es auch moderne leichtgängige Systeme und alte Komplexitätsgebirge.
Und das Interessanteste daran:
Ob ein Regelsystem grob oder fein detailliert, leichtgängig oder schwerfällig, umfangreich oder simpel, usw. ist, sagt noch überhaupt NICHTS darüber aus, ob es etwas TAUGT!
Denn dazu gehört immer eine konkrete Spielgruppe. - Und da somit die Tauglichkeit eher an den persönlichen Vorlieben der SPIELENDEN hängt und weniger an irgendwelchen "quantitativen" Eigenschaften eines Regelsystems, ist es eh unmöglich hier klar zu sagen, welche Eigenschaftskombination das BESTE System für die Gruppe darstellt. Denn neben den quantitativen Eigenschaften (Detailgrad, Regelumfang, usw.) sind ja noch jede Menge und SEHR irrationale qualitative Eigenschaften beteiligt ("dieses Rollenspiel hat die cooleren Illustrationen", "hier kann ich endlich einen Halb-Dunkelzwergen-Ninja-Heiler-Paladin-Barden spielen", "ich mag keine Pool-Systeme", "für dieses Rollenspiel gibt es die schöneren Miniaturen", "Soziale Kampfregeln? So ein Scheiß! Nicht mit mir!", usw.).
Was mir eher beim Eingangsbeitrag aufgefallen ist: Es scheinen die SPIELER zu sein, die NICHTS NEUES ausprobieren wollen, sondern immer nur denselben alten Teebeutel ihres Altsystems, das jeder kennt, wieder aufgegossen bekommen wollen. - Und in diesem Falle der frühen Gehirnverkalkung hilft nur eines: Spieler ab ins Pflegeheim und ein paar rüstige, aufgeschlossene Senioren zu Dauerzockern zu machen, mit denen man ständig neue Regelsysteme ausprobieren kann, weil die wenigstens nicht von der Monokultur vereinnahmt worden sind, wie die Altspieler-Betonschädel, die solch einen Dünnschiß wie "DungeonSlayers ist kein Rollenspiel" von sich gegeben haben.
Nicht etwa alte oder moderne Spiele ist hier das Problem, sondern normale oder BEKLOPPTE Spieler!
Schmeiß die Knilche raus und such Dir normalere, unverdorbene Spieler und das Problem stellt sich Dir nicht mehr.