AW: Das Erste Gefecht
Nachdem über die Feiertage hier recht viel passiert ist, möchte ich nicht in endlose, schlecht lesbare Zitatorgien verfallen, sondern zu diversen Punkten, die hier angesprochen wurden, meinen Weißwurstsenf dazugeben...
In manchen Beiträgen kommt zum Ausdruck, daß die Rollenverteilung bzw. die Zuständigkeitsverteilung zwischen Spielleiter und Spieler nicht klar genug herausgearbeitet ist. - Wenn Fragen nach dem "und was macht man als Spieler/Spielleiter nun?" kommen, dann sollte man sich das nicht nur mal so als vages Bauchgefühl überlegt haben, sondern man sollte VOR JEGLICHER SYSTEMDISKUSSION schon SEHR GENAU wissen, was ein Spieler und was ein Spielleiter an Zuständigkeiten, an Einflußmöglichkeiten, an Spielmöglichkeiten haben soll.
Mir kommt - trotz des nicht so konservativen Ansatzes - die Systemidee als (für mich enttäuschend) schwer konservatives, handlungsorientiertes, minimalistisch auftretendes System daher, welches nicht im Geringsten in der Lage ist die ursprünglich aufgeworfene Frage "Was bringt einen Engel dazu seinen Bruder zu töten?" irgendwie im AKTIVEN Spielen zu beantworten.
Dabei gibt es (innovative!) Rollenspielsysteme, die sich solchen oder zumindest ähnlichen Fragen stellen und diese in Regeln betten, die fokussiert auf das Erspielen des Kerninhalts sind.
Das vorgeschlagene W12-roll-under-Minimal-System mit One-Use-Mächten (gute alte RuneQuest-Divine-Magic - vor allem durch die Verbindung mit der spirituellen Essenz des Engels: eben wie im alten RuneQuest) ist rein HANDLUNGSORIENTIERT.
Nichts, aber auch garnichts am System ZIELT auf die Kernfrage des Ersten Gefechtes.
Und deshalb fragen sich hier einige - zur Recht, wie ich finde - was sie eigentlich spielen sollen, was der Spielleiter hier zu tun hat, etc. - Das sind typische Fragen, die aus der Erwartungshaltung nach einem konventionellen, handlungsorientierten Würfelsystem herrühren.
Ich könnte mir - wenn schon an der, wie ich finde, künstlichen Zweiteilung der "Runden" in Handlungsrunde und Rückblendenrunde festgehalten werden soll - vorstellen, daß man mehr um ERZÄHLRECHTE würfelt, denn um schnöden Handlungserfolg. The Pool, InSpectres, etc. geben da gute Beispiele, auf denen man hier aufbauen könnte. - Z.B. könnte in einer Handlungsrunde das Erzählen einer schweren Niederlage für den SC erwürfelt worden sein. Je schwerer die Niederlage, oder eher: je extremer das Ergebnis, desto mehr Erzählelemente, desto mehr Screen-Time hat dieser Spieler für die zugehörige Rückblendenrunde, um dort den Grund zu erspielen, warum er hier so extrem gehandelt hat, warum er so schwer scheitern mußte, warum er so unbarmherzig siegen mußte.
Und was die One-Use-Mächte anbetrifft: ich finde es eher langweilig, wenn man sie einfach einsetzt und dann verliert. Ich finde, es sollte bei Hinzunahme einer Macht in einem Konflikt in der Handlungsrunde (oder der Rückblenden-Runde - warum gibt es eigentlich dafür keine überzeugenden Mächte, die Engel schon im Vorfeld gegeneinander - mit entsprechenden späteren Konsequenzen - hätten einsetzen können?) eine Änderung oder Erweiterung des Konfliktziels um diese Macht herum geben können. (DitV-ähnlich: wer eskaliert und eine Macht/Waffe/etc. einsetzt riskiert mehr - in JEDER Richtung, in der dieser Konflikt ausgehen könnte.)
Es sollte möglich sein anderen Engeln Mächte zu entreißen, sie spirituell, sie in ihrer Essenz zu verstümmeln. Etwas, das SEHR grausam ist und durch nichts zu rechtfertigen. Etwas das aber TROTZDEM gemacht wird, je näher das Erste Gefecht seinem unweigerlichen Ende im Bruch des Himmels und im Sturz der Gefallenen zustreben wird. - Was bringt einen Engel dazu seinem Bruder diese Grausamkeit anzutun?
Zu den Engeln als SCs: Wie stehen die Engel-SCs zu Engel-NSCs?
Mir erscheint die Tödlichkeit des Regelsystems für beide Arten von Engeln, SCs und NSCs, gleich hoch. Ist das so gewollt? - Sollen nicht die Spieler-Engel mehr Raum zum Erzählen ihrer Geschichte bekommen können? Soll wirklich ein glücklicher Würfelwurf den gerade angekratzten Grund für das Erste Gefecht aus SC-Sicht abrupt beenden können?
Ich finde nicht, daß das dem Fokus "Das Erste Gefecht" wirklich dienlich wäre, wenn die SCs so schnell abkratzen wie bei Teenie-Splatter-Horror-Settings. Sie brauchen ein ins System eingebautes "Airbag"-System (Göttliche Gnade, Force Points/Dark Side Points, ... ), welches ein - vor allem für den Spieler!!! - verfrühtes Ausscheiden verhindern hilft.
Da wäre wiederum das Verlegen der Entscheidungskompetenz über den Charaktertod auf den Spieler und das Aufsetzen eines konflikt- aber nicht konventionell handlungsorientierten Regelsystems hier sehr zu empfehlen.
Was mir weiters wenig behagt, ist die starre Struktur von Handlungsrunde und Rückblendenrunde. Das muss nicht so sein. Man könnte die Zeitabfolge der Szenen durch die beteiligten Spieler selbst frei festlegen lassen (Universalis hat - obschon kein Rollenspiel mehr - für solche Aspekte gewisse Regelideen beizusteuern). Warum soll ein Spieler nicht zwei oder drei Rückblenden ausspielen dürfen, bevor er die zwangsläufigen Konsequenzen der Resultate dieser Konflikte im eigentlichen Gefecht schildert?
Da wären wir schon wieder bei der Frage, was ein Spieler und - und das wird jetzt so langsam WIRKLICH mal konkreter zu beschreiben sein - was dann überhaupt noch der Spielleiter (so man ihn noch braucht) TUN kann. Daran kränkelt die gesamte Idee des Ersten Gefechts schon von Beginn an. Hier braucht es mal etwas Griffiges, etwas Konkretes. Am Besten ein kurzes Spielbeispiel (wie fiktiv und aus dem Handgelenk auch immer) in der Art:
SL: Abezeriel Du siehst wie Dein treuer Bruder und Mitengel De'E'Effiel sich mit einem Schwert im Sturzflug auf Dich zubewegt. Er schaut Dich mit grimmiger Entschlossenheit an und Du weißt: "Dies ist bitterer Ernst." - Was machst Du?
Spieler: Ich kann das garnicht glauben. Das passiert nicht. Ich ziehe meine Erinnerung, als wir GEMEINSAM die Schönheiten der Schöpfung erkundeten und miteinander lachend die Geschöpfe unseres VATERS beobachteten, heran. Ich zwinge De'E'Effiel in diese Erinnerung zurück. - Es geht jetzt darum, ob Abezeriel das, wie er selbst, zeitlose Engelswesen De'E'Effiel aus dem letzten Gefecht in die Zeit DAVOR mitnehmen kann, wo beide in Frieden miteinander auskamen, um rechtzeitig vor dem tödlichen Schlag seines Bruders alles auszuräumen, daß es garnicht dazu kam, daß er von ihm angegriffen wurde/werden wird.
So etwas z.B. wäre ein Konflikt, der - bei Gewinnen der Erzählrechte durch den Spieler - eine Rückblende auslösen würde, in der beide Engel ihre Vorgeschichte in den wesentlichen Bereichen ausspielen könnten, wo beide ihre Konflikte ausleben könnten, die später zu einem Angriff des einen Bruders auf den anderen führen werden (oder auch nicht). Am Ende einer solchen Rückblende trifft dann der tödliche Hieb des einen Engels, oder es fliegen gar De'E'Effiel UND Abezeriel GEMEINSAM gegen anderen Engel ihre Angriffe. - Das wäre alles beim Einleiten des Konfliktes noch völlig offen.
Was diese Konflikte zwischen den Engeln anbetrifft:
Wer sagt denn, daß es NUR ZWEI Fraktionen unter den Engel geben darf? Es könnten auch mehrere sein. Alle kämpfen um die Vorherrschaft, weil sie WISSEN, daß sie das Richtige tun. Es wird nur eine herrschen können, es wird nur eine fallen dürfen (denn dies ist eine GNADE des Herrn) und der Rest wird vergehen. Wessen Fraktion wird übrigbleiben? - Das könnte den Grundkonflikt entlang unterschiedlicherer Linien ausrichten, die auch gewisse Bündnisse, Zerwürfnisse, Lager, Verrat etc. beinhalten können.
Sind eigentlich alle SC-Engel auf derselben Seite?
Ich hoffe nicht.
Ich hoffe sogar sehr, daß alle SC-Engel zunächst einmal auf ihrer eigenen(!) Seite sind und die Konflikte nicht ausschließlich mit NSC-Engeln ausgetragen werden müssen (was bei der Fragestellung nach dem Grund, warum man seinen Bruder töten will, eine zu distanzierte Konfliktlage - wie immer bei NSCs - darstellen würde). - Es wäre wesentlich gehaltvoller, wenn die Entscheidungen, die Resultate der Konflikte zwischen den SC-Engeln herausgespielt werden würden. Da fiebert jeder Spieler mit, weil er ja tatsächlich mit seinem SC von einem anderen SC direkt betroffen ist und nicht nur gegen einen grauen, namenlosen NSC antritt. - Dabei bliebe wieder die Frage nach der Aufgabe des Spielleiters offen...
Ich habe hier - mehr Brainstorm-artig - meine aktuellen Eindrücke zu den letzten Entwicklungen zu "Das Erste Gefecht" notiert.
Ich würde gerne statt Listen von Mächten, statt Würfelmechanismen, statt Kampfsystem lieber die von mir auch oben im Text gestellten Fragen beantwortet sehen wollen:
- Was sollen die Spieler tun?
- Was soll der Spielleiter tun?
- Braucht es überhaupt noch einen Spielleiter?
- In wie weit kann ein handlungsorientiertes System (wie das vorgestellte) überhaupt die Kernfrage zum Ersten Gefecht in-game beantworten helfen?
- Warum kein konflikt- bzw. szenen- oder erzählrechte-orientiertes System (die in meinen Augen diese Kernfrage überhaupt erst erspielbar erscheinen lassen)?
- Warum die starre Rundentrennung?
- Welchen Zweck hat diese starre Rundentrennung im Hinblick auf das Ziel der Beantwortung der Frage "Was bringt einen Engel dazu seinen Bruder zu töten?"
- Soll diese Frage vom Spielleiter letztlich "erzählt" werden?
- Wie weit geht der Einfluß, die Einflußmöglichkeit des Spielers hierbei wirklich?
- Was bleibt dann noch zu spielen übrig?
Diese und andere Fragen sollten WIRKLICH vor weiteren unverständlichen und von der Grundidee wegführenden Diskussionen mal KONKRET geklärt werden.