AW: Begeistert mich von Savage Worlds!
So, ich bin jetzt durch mit der Quickstartversion, und ich bin nicht gerade begeistert.
...
baut obendrein einige Fehler von denen ich gehofft hätte, sie nie mehr in einem Spiel aus dem 21. Jahrhundert sehen zu müssen:
Nur weil Deine Laufleistung variiert, ist dies noch lange kein Fehler. Das hat das Geschmäckle der schmiedeschen Besserwisser. Schluck's runter oder erzähl's Deinem Friseur.
- Vermischung von relevanten und irrelevanten Werten in der gleichen Liste. Warum soll ich Punkte auf einen Gambling-Skill verschwenden mit dem ich gelegentlich - wenn es dem SL gerade schön passt - was interessantes machen kann, wenn ich die gleichen Punkte auch in Shooting stecken könnte womit ich mechanisch klar geregelt Figuren aus dem Spiel befördern kann?
In wie weit ist Gambling nicht relevant? Savage Worlds bietet eine sehr knappe Auswahl an Skills. Diese ist für die "generische" Anwendungsmöglichkeit soweit zusammengestrichen worden, daß man noch eine ganze Menge machen kann, ohne settingspezifische, neue Skills einzuführen. Die Charakterindividualisierung findet eh nicht über Skills, sondern über Edges statt.
Zu Gambling: bei Deadlands:Reloaded und bei 50 Fathoms ist das ein enorm wichtiger Skill. Zugegeben - bei DL:R ist Shooting noch wichtiger, bei 50 Fathoms hingegen Boating. Aber wo ist da das Problem?
In Evernight braucht so gut wie keiner Riding, Gambling, Boating, Driving, Piloting, Investigation usw. - In 50 Fathoms ist Riding völlig überflüssig.
Diese Skill-Liste ist nie als die für alle und jede Genres vollständig zu verwendende Liste gedacht gewesen. Es MUSS sogar eine Auswahl getroffen werden, weil sonst eben im Inselreich von 50F Leute mit Punkten in Riding herumlaufen, die diesen Skill NIE anwenden werden.
Man sagt als Faustregel, ob ein Skill in einem Setting Verwendung finden sollte bzw. ob man einen neuen Skill für ein Setting einführen soll, daß dieser mindestens jede zweite Sitzung verwendet werden sollte. Sicheres Anzeichen für einen neuen Skill ist, wenn man ihn in JEDER Sitzung wirklich brauchen wird.
So ist z.B. in Evernight, welches zwar ein paar "schreckliche" Szenen hat, aber nicht ein Horror-Setting ist, auch der Guts-Skill überflüssig, weshalb die meisten mir bekannten EN-Runden die vielleicht jede fünfte Sitzung fälligen Guts-Checks mit einem Spirit-Check ersetzt haben, da es eben nicht so wichtig ist. Hingegen bei Deadlands ist der Guts-Check fast so häufig wie das Shooting (vor allem kommt man dort meist erst zum ballern, wenn man vorher sein Frühstück bei sich behalten konnte
).
NIEMAND spielt Savage Worlds OHNE SETTING.
Im GRW wird auf die Anpassungshandgriffe, die (meist) der Spielleiter zur "Erschließung" des Settings tun sollte, näher eingegangen. Dazu gehört die Auswahl an zulässigen Edges, Hindrances, Skills, Powers und Gegenständen. Das macht man in JEDEM Setting so.
Oft definieren die Spielleiter noch die settingspezifischen Trappings nicht nur für die Powers, sondern auch für die Skills, Edges und Hindrances. So ist die Hindrance "Code of Honor" in Evernight etwas anderes als in Deadlands oder in Babylon 5. Spieltechnisch unterscheidet sie sich nicht, sondern eben nur über das Trapping.
- Redundanz zwischen Vorteilen/Edges und anderen Werteklassen. Warum zur Hölle verschwendet man wertvollen Platz mit einem Vorteil wie "Scholar", der schon durch die Möglichkeit der Fertigkeitenerhöhung abgedeckt wird?
Weil dieser Vorteil eben NICHT durch eine reine Werteerhöhung abgedeckt wird, weil dieser Vorteil zusätzlich zur Werteerhöhung wirkt, und weil dies ein Professional Edge ist, welches sich nicht jeder, der sich seine Skills einfach hochschraubt "leisten" kann und wird. Der Effekt von +2 ist hier nicht wie die in D20 so häufigen Feats mit +2 auf irgendeinen Skill zu sehen - in D20 umgerechnet wäre der Effekt mit einer +10 auf die betreffenden Knowledge-Skills zu vergleichen. Und das ist ein ECHTER Vorteil. Vor allem: anders als nur den Skill zu erhöhen sorgt ein "flacher" Bonus dafür, daß die Erreichung des Zielwerts 4 weit weniger dem Zufall überlassen bleibt, als dies bei der Erhöhung des Skills der Fall wäre - der Effekt von Scholar ist der, daß der Charakter sich bei allen "normal-schwierigen" Fragen ziemlich sicher auskennt, während ein Nicht-Scholar selbst mit höheren Skill-Werten hier eine größere Chance hat, es eben doch nicht zu wissen. Ich konnte den Effekt in meiner DL:R-Runde schon deutlich bemerken, wo die Verrückte Wissenschaftlerin als Scholar weit zuverlässiger Erfolge zeitigt, als der Huckster oder die Nonne mit ihren jeweiligen Knowledge-Skills, die z.T. inzwischen höher sind als die der Wissenschaftlerin.
Zudem: Edges in Savage Worlds BRECHEN die Regeln. Das ist ein wesentliches Entwurfskonzept bei Savage Worlds.
In wie weit ist dies beim Professional Edge "Scholar" der Fall? Ein Skill kann bis maximal auf den Wert d12 erhöht werden. Höher geht nicht. NIE. - Wie könnte man dann auf höhere Kompetenz als normal kommen? Es gibt Legendary Edges (also mit recht harter Zugangsbeschränkung, vor allem weil auch der Skilll oder das Attribut bereits auf d12 sein muss), die +1, +2 oder +2 und d10 als Wild Die für genau einen Skill (oder Attribut) ermöglichen. Doch bis in den Legendary Rank ist es eh weit, und schon diese Legendary Edges, die ja den Rahmen des Normalen sprengen sollen, brechen die Regeln, daß es maximal bis d12 geht und daß der Wild Die ein d6 ist. - Für Knowledge-Skill jedoch gibt es die Möglichkeit schon weit früher (als Novice Edge!) die +2 für zwei Knowledge-Skills zu bekommen. Eben durch das Scholar Edge. Das bricht ebenfalls die Regel, daß ein Skill nur bis d12 geht und gibt dem Charakter (bei Mindestvorraussetzung d8 in den Knowledge Skills) eben d8+2, d10+2 oder d12+2. Und das ist schon ein merkbarer Effekt, der nicht als "Dreingabe" wirkt, sondern ein echter Vorteil ist.
- Nachteile/Hindrances als Einweg-Punktebringer. Das Resultat sind in einer Wettbewerbssituation Drückeberger die bei der Charaktererschaffung möglichst viele Punkte abgreifen und dann darauf setzen im Spiel nicht ihre Nachteile bedienen zu müssen, oder, wenn sie dann doch dazu gezwungen werden, unmotiviert sind.
Da ist die knappe Test Drive Regel zu knapp. Genau wie in Deadlands sind die Nachteile in Savage Worlds nicht nur Punktelieferanten bei der Charaktererschaffung, sondern beständige(!) Lieferanten für Bennies im laufenden Spiel. Und das ist sogar ein sehr gerne von den Spielern wahrgenommener Effekt. Ich habe sowohl bei Deadlands, wo es Fate Chips für ausgespielte Nachteile gibt, wie auch bei Savage Worlds ein reges "Anspielen" der Nachteile erlebt, die für z.T. sehr weitreichende, interessante Komplikationen im Spiel gesorgt haben. Dafür gibt es Bennies. Nicht immer, aber immer öfter. Mein Eindruck zu den Hindrances in Savage Worlds: durch die Bennie-Feedback-Möglichkeit hat man richtig LUST darauf die Schwächen seines Charakters auszuspielen. Weit mehr, als wenn man plötzlich mehr Erfahrung bekommen hätte, nur weil man seine Nachteile ausgespielt hat.
Im GRW steht es so schon drin und so war es auch schon bei Deadlands: Es wird NIEMAND GEZWUNGEN seine Nachteile auszuspielen. Der Spielleiter hat - außer bei offensichtlichen Nachteilen, wie fehlendem Arm - KEINEN regeltechnischen Hebel die Nachteilsausspielung zu erzwingen. Er kann nur durch Belohnen mit Bennies ein Klima schaffen, wo es Spaß macht seine Nachteile auszuleben, aber er kann keinen Zwang ausüben. - Noch genauer: im GRW wird das Auswählen von Nachteilen ohne die Absicht sie je auszuspielen durch den Spieler absolut gut geheißen. Klar kann man das machen. Dazu sind sie ja da, daß der Spieler mehr Optionen bei Charaktererschaffung hat, seinen Charakter aufzupowern, cooler zu machen, etc. Wenn er nun seine Nachteile nicht spielen mag, dann ist das auch aus Sicht der Autoren voll OK. Dann nutzt er eine Quelle für Bennies eben nicht und muß mit - vermutlich - weniger nachströmenden Bennies klarkommen. Ist auch in Ordnung, da es ja nicht nur für Nachteilsausspielung Bennies gibt, sondern auch aus anderen Gründen.
Das finde ich an Savage Worlds auch als eine sehr reife Einstellung: man versucht nicht die Spieler zu gängeln oder den Spielleiter als Erzieher mit zusätzlichen Machtausübungsinstrumenten zu versehen. Es ist so, daß man bei Savage Worlds dazu angehalten ist als Spielleiter erst einmal zu allem, was die Spieler wollen "JA!" zu sagen, sich dann zu überlegen, ob dies regeltechnisch abgewickelt werden muß, falls ja die entsprechende Regel zu bemühen, falls nein, dann die Konsequenzen aus dem Tun der SCs zu schildern. - Einfacher geht es kaum noch.
Und das ist etwas, was ich auch als Spieler sehr zu schätzen weiß, was mir aber als Spielleiter auch sehr viel gibt. Ich überrasche meinen Spielleiter bzw. lasse mich von meinen Spielern überraschen. Querdenken explizit erwünscht! Und es gibt auch noch Bennies dafür! Die kann man anfassen! Und die helfen einem, wenn einem etwas besonders wichtig ist.
- Ziellose XP. Ich hasse die kommunistische "Jedem das gleiche"-XP-Schöpfkelle, denn damit verschenkt man eine Gelegenheit erwünschtes Spielerverhalten zu belohnen.
In Savage Worlds belohnt man mit Bennies (und der - nach GRW - vorhanden Chance(!) auf zusätzliche XP, falls denn je ein paar Bennies übrigbleiben sollten). Man treibt die Gruppenkompetenzentwicklung mittels XP-Vergabe voran. Das ist ein Unterschied zu den Regelsystemen, bei denen Erfahrung und Belohnung nicht unterschieden werden können.
Belohnen möchte ich IM LAUFENDEN SPIEL und zwar MIT DIREKTER AUSWIRKUNG AUF DAS LAUFENDE SPIEL. Das geht mit XP nicht. Da sind die Auswirkungen nur diskret bei den Level Up Schritten. Bennies hingegen kann ich bekommen und sie noch in derselben Minute wieder ausgeben. Ich sehe SOFORT den Spieleffekt der Bennie-Vergabe.
Auch im alten Deadlands Classic 1st Ed. war es ja schon so, daß die Bounty Points im Laufe des Abenteuers in einen gemeinsamen Pool der Posse gesammelt wurden, und dann am Ende der Sitzung gleichmäßig auf alle aufgeteilt wurden, während die individuell erspielten Fate Chips eben INDIVIDUELLE Belohnungen waren, die der Spieler im Spiel direkt einsetzen kann, oder die er in Bounty Points umtauschen kann. Das Umtauschen ist, wie auch das Vermeiden von Wunden, bei Savage Worlds jetzt nicht mehr die sichere, die 100% Sache, sondern dem Zufall unterworfen (eben dem Wurf auf Umsetzen von Bennies in XP und dem Soak-Roll).
Die gleichmäßige Vergabe von 2-3 XP (im Normalfalle, selten mal bloß 1 und auch selten mal 4 oder gar 5) für alle Gruppenmitglieder ist ja auch längst nicht so "kommunistisch" wie sich das vielleicht liest. In anderen Rollenspielen bekommen die Charakter für das Szenario 2000 XP plus noch 100 bis 300 für "gutes Rollenspiel" plus noch für den einen 80 XP für eine gute Idee, und für den anderen 100 XP für eine Szene, die sehr stark aus seiner Vorgeschichte heraus gespielt wurde. Man summiere auf, teile durch 1000 und runde. Heraus kommt: 2 XP vielleicht 3 XP. Und dieses "vielleicht 3 XP" ist das "vielleicht" des Wurfes auf Umsetzung von unverbrauchten Bennies.
Die großen Zahlenwerte für Erfahrungspunkte bei anderen Rollenspielen sind nur scheinbar genauer, scheinbar "gerechter". Sie haben unterm Strich an Effekt dasselbe, wie 1-5 XP bei Savage Worlds.
Da waren noch andere Dinge die mir mißfallen haben, aber das waren die erschlagendsten KO-Kriterien für mich gegen SW. Schade drum, das heißt nämlich dass ich mich erneut auf die Suche nach einem guten ARS begeben darf.
Und Tschüß! - Du brauchst wirklich was anderes. Ich nicht. So ist das eben.
Und zum "Abenteuer Rollenspiel" (nachdem ja inzwischen jemand so nett war, diesen Begriff zu erläutern): Du wirst eher verstanden, wenn Du nicht ständig Begriffe verwendest, die nur in Deinem eigenen, engen Kreis verstanden werden. Je mehr Menschen man potentiell adressiert, je unterschiedlicher deren Vorgeschichte, deren Vorerfahrungen sind, desto eher sollte man keine "unerklärten" Vokabeln, die zu Fehlinterpretation Anlaß geben, verwenden, sondern sie entweder stets(!) erklären, oder sie einfach weglassen und das sagen, was man sagen will, so daß es alle verstehen.
Noch was zum "Abenteuer Rollenspiel", bei dem der Wettbewerb unter den Spielteilnehmern im Vordergrund stehen soll: Das ist bei Savage Worlds nach meiner inzwischen mehrjährigen Spielerfahrung überhaupt nicht der Fall. Das war aber schon anno 1979 bei D&D nicht der Fall. Wettbewerb gibt es zwischen Spielern sogar extrem selten. Wenn ich das will, dann spiele ich ein Brettspiel, aber kein Rollenspiel. Klar kann man gegeneinander spielen (auch in Savage Worlds, wo wir zu Sylvester die Savage Tale "Through the Cathode Ray Tube" gespielt haben, was tatsächlich ein "Jeder-gegen-jeden"-Szenario ist), aber Wettbewerb im Sinne von "Ich habe vor Euch allen den nächsten Level Up geschafft!" kenne ich nicht beim Rollenspiel. Und zwar wirklich garnicht. Nicht in den letzten 26 Jahren.
Zum Erzählspiel in der Form "Der Dienstleistungs-SL railroadet einen durch eine stimmungsvolle und künstlerisch wertvolle Story": das kenne ich hingegen schon. Das gibt es. Das war nie mein Ding, aber es gibt Leute, die die Fahrt genießen und Blumen pflücken wollen, und dann ist das eine gute Sache.
Zu thematischen Rollenspielen, wie sie von der Schmiede im Dutzend billiger ausgestoßen werden: Genau. Das sind die Dinger, die so verkopft sind, daß sie eh kaum jemand spielt, der nicht selbst Autoren-Allüren hat. Letztlich sind das nichts anderes als Prototypen, um bestimmte Aspekte unnatürlich zu überhöhen, ohne auf die eigentlichen Bedürfnisse von Spielern irgendwas außer noch mehr Jargon-Spam zu geben.
Alle drei treffen so überhaupt nicht auf Savage Worlds zu.
Wenn Du also ein "Abenteuer Rollenspiel" suchst, dann such woanders. In Savage Worlds erlebt man Abenteuer, man spielt Szenarien, man kann danach eine Geschichte erzählen, wie es sich zutrug, und das Thema ist dort Fast! Furious! Fun!. - Und das ist mein Cheesy-Bacon-XXL für den richtigen Männer-Rollenspiel-Hunger. Weine woanders über nichterfüllte "Theorie-Ästhetik", hier braucht man keine Taschentücher.