Ich finde die Priester-Regeln im BoL-Grundregelwerk deutlich zu schwach für die Abbildung von "Zauberpriestern" vieler Fantasy-Settings. Die alten Regeln der BoL Revised Edition sahen folgende Möglichkeiten vor:
Wundermacht kanalisieren (BoL revised edition p. 51)
Ein Priester (oder Druide) kann die göttlichen Mächte, welche die Zwanzig Götter (bzw. die Dunklen Götter) ihm gewähren, kanalisieren. Er kann dies nur begrenzt oft: seinen Rang als Priester + 1 (also Rang 0 einmal, Rang 3 viermal). Hat er diese Anzahl an Wundern gewirkt, so muß er in einen Tempel seiner Gottheit zurückkehren und dort langwierige Rituale der Reinigung und des Opferns vornehmen. Diese sind so langwierig, daß sie nur ZWISCHEN den Abenteuern erfolgen können (in der "Downtime", in welcher auch Alchemisten ihre Präparate anfertigen usw.).
Der Spieler beschreibt, was für Wirkungen, was für Effekte das Wunder erzeugen soll. Man nutzt die Magier-Zauber-Ordnungen, um die Macht eines solchen Wunders im Groben einzustufen. Mit dieser Einstufung in eine bestimmte Ordnung ist auch der für diese Ordnung übliche Modifikator für den Handlungswurf das Wunder zu wirken aufgrund der Schwierigkeit festgelegt.
Der Priester muß sich aber weder um Arkane Macht Punkte noch um die Zaubervoraussetzungen (!) scheren. Der Gott selbst stellt all die notwendige Macht zur Verfügung, der Priester ist nur das Werkzeug, das Gefäß, diese Macht zu kanalisieren.
Ein Priester kann nur Wunder einer Größenordnung wirken, die kleiner seines Rangs als Priester sind. Priester 0 also nur "Gebrauchswunder" wie auch Priester 1, Priester 2 bis zur 1. Ordnung, Priester 3 bis zur 2. Ordnung und Priester 4 bis zur 3. Ordnung.
Zum Wunderwirken ist ein Handlungswurf notwendig. 2W6 + Rang als Priester + Modifikator je nach Ordnung des Wunders (+1 beim Wunderwirken an einem Heiligen Ort des jeweiligen Gottes, im Tempel oder dergleichen). Bei Wundern direkt im Themenbereich der Domäne darf der Priester noch einen Gaben-Würfel benutzen, bei grenzwertigen Wundereffekten gibt es diesen Gaben-Würfel nicht. Ein Priester kann NIEMALS ein Wunder GEGEN die Interessen, gegen die Domäne seiner Gottheit wirken! - Ist das Ergebnis 9 oder mehr, dann tritt das Wunder ein. Bei einem Fehlschlag konnte der Priester die göttliche Macht nicht durch sich hindurch leiten. Bei einem Katastrophale Fehlschlag hat der Priester irgendwie seinen Gott verärgert und wird von diesem bestraft. Die Strafe folgt der Natur des jeweiligen Gottes, ist abhängig von der Ordnung des Wunders, welches zu Wirken versucht wurde, und erfordert längeres, aktives Büßen des Priesters, um wieder mit seinem Gott ins Reine zu kommen.
Soviel zu der Regelung VOR der Legendary Edition, welche die Basis für die deutsche BoL-Ausgabe war.
Diese alte Regelung hatte massive Probleme: Die Priester waren ÜBERMÄCHTIG! Durch den Wegfall aller Zaubervoraussetzungen, aller Ritualanforderungen konnte ein Priester 4 mal "einfach so" ein Wunder 3. Ordnung wirken. Zwar nur einmal pro Abenteuer, aber wirklich in JEDEM Abenteuer! - Das konnte nicht einmal ein Magier, da die Ritualanforderungen oft mehrere Abenteuer für sich erforderten, bis er alles Notwendige für einen Zauber 3. Ordnung beisammen hatte.
Daher wurde diese Priester-Regel deutlich abgeändert und massiv abgeschwächt. - Für manche BoL-Freunde und für manche mit BoL zu spielende Settings ZU SEHR abgeschwächt.
Priester können für 2 Schicksalspunkte ein Wunder der 1. Ordnung , für 3 eins der 2. Ordnung und mit 4 eins der 3. Ordnung mit Verlust von einem permanenten SP herbeiführen.
Wie handhabst Du denn die Priester-Wunder für 1 Schicksalspunkt? So wie im BoL-Regelwerk, wo sie nur einen kurzzeitigen Effekt in Form eines Gaben- (Segen) oder Schwäche-(Fluch)Würfels erzeugen können?
Ritualvoraussetzungen
Wenn ein Priester 2 Schicksalspunkte einsetzt, muß er dann noch irgendwelche Ritualanforderungen wie bei den Zauberern beachten?
Was, wenn er 3 Schicksalspunkte einsetzt, um ein Wunder 2. Ordnung zu wirken?
Und was, wenn er 4 Schicksalspunkte einsetzt, um ein erderschütterndes Wunder 3. Ordnung zu wirken?
Gerade bei den Zaubern/Wundern höherer Ordnung sind es ja die EINMALIGEN, SELTENEN und SCHWER ZU ERREICHENDEN Ritualanforderungen, die dem ständigen "Herumzaubern" von übermächtigen magischen Effekten ein Limit setzen. - Wie ist das mit priesterlichen Wundern der 3. Ordnung?
Kann ein Priester 5 heute mal kurz eine Stadt in einem Vulkanausbruch vergehen lassen (kostet ihn 4 Schicksalspunkte, davon einen permanent) und nach ein wenig Beten, um die Punkte wieder zu regenerieren, läßt er an dergleichen Stelle eine Goldene Stadt voller Rechtgläubiger (tm) materialisieren. Kostet ihn 4 Stunden im Tempel und das Abhalten eines Gottesdienstes. - Somit kann er die Vernichtung einer sündhaften Stadt durch Vulkanfeuer plus das Wiederauferstehen als geläuterte Metropole der Rechtgläubigen an einem Tag locker hinbekommen.
Ein Zauberer könnte das NIEMALS!
Dazu sind die Anforderungen für einen Zauber 3. Ordnung so schwer zu erfüllen, daß es meist gleich mehrere(!) Abenteuer braucht, um überhaupt einmal die Voraussetzungen zu schaffen einen Zauber 3. Ordnung zu versuchen!
Wenn die Priester OHNE dieselben rituellen Anforderungen ihre Wunder wirken können, dann halte ich das für extrem unausgewogen. Dann ist halt nicht der Magier, sondern der Priester der ÜBER-Charakter. - Bedenke mal: Ein Wunder 2. Ordnung ist z.B. das Heraufbeschwören eines untergegangenen Schiffes samt untoter Besatzung, welches man dann als Transportmittel und Kriegsgerät nutzen kann - für unbestimmte Zeit! Und dabei verliert der Priester nicht einmal permanent irgendwas, sondern er geht 3 Stunden in den Tempel und kann gleich noch ein Schiff heraufbeschwören!
Die Ritualvoraussetzungen für die Zauber sollten wirklich in gleicher Form für die Priester gelten, ansonsten kippt das Machtgefüge massiv in Richtung Priester und man ist wieder dort, wo man vor der Legendary Edition war: Bei den übermächtigen Priestern.
Permanenter Verlust von Schicksalspunkten
Ein Erz-Magier hat 15 oder mehr Punkte Arkane Macht. Wenn er einen davon permanent durch einen Zauber 3. Ordnung verliert, dann kann er diesen Verlust auf ein Attribut "abwälzen", wodurch er gebrechlicher, gestörter, generell degenerierter wird. UND er bekommt die anderen AM-Punkte erst nach einem MONAT wieder zurück.
Ein Priester bekommt seine Schicksalspunkte nach ein paar Stunden im Tempel wieder!
Kann ein Priester den permanenten Verlust eines Schicksalspunktes irgendwie "abwälzen"? Auf seine Attribute vielleicht?
Beim Magier ist das permanente Reduzieren gewollt, da dies - zusammen mit den Ritualanforderungen (siehe oben) ein Gegengewicht zur ansonsten vorhandenen Übermacht der Magier darstellt.
Was ist mit den Priestern? - Sind die Schicksalspunkte, die für ein Wunder 2. oder 3. Ordnung eingesetzt wurden, dann auch für einen MONAT nicht mehr regenerierbar?
Und, bei permanentem Verlust, wie kommt ein Hoher Priester mit Priester 5 wieder an seine vollen Schicksalspunkte heran?
Noch ein Punkt: Ein Priester sollte ja nur die Wundermacht der Gottheit kanalisieren können. Somit KANN ein Priester NIEMALS ein Wunder wirken, mit dem seine Gottheit NICHT einverstanden wäre!
Warum also der Verlust der göttlichen Gnade in Form von Schicksalspunkten? Der Priester ist doch nur das Werkzeug des Gottes und handelt ja niemals "eigensüchtig", denn sonst würde das Wunder überhaupt nicht möglich sein. Also ist für mich nicht ersichtlich, wieso ihn der Gott auch noch mit dem Verlust eines Schicksalspunktes BESTRAFT, wo sich der Priester doch stets im Rahmen seines Dienstes für die Gottheit treu und gläubig verhalten hat.
Wie gesagt, bei Magiern ist das mit der Korruption, dem Degenerieren durch die ungute Magie so gewollt und durchaus stimmig. - Aber ein Priester (der nicht gleichzeitig auch Magier ist) kann NIE ein Wunder mittels göttlicher Macht GEGEN DEN WILLEN der Gottheit wirken. Geht einfach nicht.
Grenzwertige Wunder mag es geben. Wie ich in einem Beispiel in einem anderen Beitrag schilderte: Eine Wissenbewahrungsgottheit kann selbst nicht direkt heilen, könnte aber das Wissen um Heilkunst in ihrer Domäne haben und somit dem Priester nicht Heilungswunder, sondern die "wundersame Erkenntnis" über eine eher weltlich-medizinische Heilungsmethode gewähren. Das sind Grenzbereiche, die durchaus vertretbar sind. Aber wenn die Wissensbewahrungsgottheit z.B. zum Einäschern des Gesamtbestandes einer uralten Biblitothek angerufen würde (Wunder 2. Ordnung, bei sehr großen Bibliotheken eher 3. Ordnung), dann würde der Priester dieses Wunder überhaupt nicht gewährt bekommen. (Und er würde vermutlich allein schon wegen dieses Ansinnens gegen die Kultgebote verstoßen haben und bestraft werden.)
Ich sehe nicht, daß ein Priester einen permanenten Verlust der Schicksalspunkte bei Wundern 3. Ordnung erfahren sollte.
Es muß natürlich irgendwo eine gewisse Balance gerade gegenüber den Magiern erfolgen, aber nicht durch Wegfall eines der eh schon WENIGEN (1 bis 6 !) Schicksalspunkte.
Sünden, Kult-Gebote, Kult-Tabus
Sie müssen sich natürlich auch dem Gott gefällig verhalten etc und wenn sie dies nicht tun kann es je nach schwere zu zusätzlichen Schwächen oder Rangabzug führen.
Zum einen sollte ein Priester IMMER seinem Gott gefälliges Verhalten zeigen! - Wenn er dies nicht tut, dann kann ihn der Spielleiter durchaus mit einem Schwäche-Würfel als "Fluch" belegen. In allen Situationen oder nur in bestimmten.
Hier ist man sehr im "schwammigen Terrain" des Spielleiter-Handwedelns. - Das kann funktionieren, oder man macht es etwas solider, indem man eine (aus SW bekannte) "Sünden-Tabelle" für jeden Kult, dem ein SC angehören mag, aufführt.
Darin sind die Gebote und Verbote gelistet, klar dargelegt, was als "leichtes Vergehen", als "schweres Vergehen" und als "kritisches Vergehen" gegen die Kult-Richtlinien gilt.
Hier ein Beispiel für den
Kult der Göttin der Wissensbewahrung:
Leicht - Zulassen, daß Wissen, Bücher, Schriftrollen usw. zerstört, vernichtet oder für immer verborgen werden. (Z.B. untätig zusehen, wie gefährliche Zauberbücher der Zaubererkönige für immer unter Tonnen von Stein begraben werden, daß sie niemand mehr erlangen kann.) Zulassen, daß Wissen unkorrekt, verdreht, entstellt vermittelt wird (Vermittlung von gefährlichem Halbwissen zulassen!). Jemanden, der um Unterweisung, um Belehrung bittet, abweisen. Einen offenbar gewordenen, bedeutsamen Fehler nicht korrigieren (Wisse alles besser und korrigiere jeden. Sie werden es dir danken!).
Schwer - Wichtiges Wissen absichtsvoll verbergen. Sich weigern einem Schriftunkundigen Lesen und Schreiben beizubringen.
Kritisch - Absichtsvoll bedeutendes Wissen zerstören. (Z.B. eine Biblithek niederbrennen.)
Man sieht, dieses "Sündenregister" umfaßt NORMALE, nicht-magische Handlungen! Es zielt auf das tägliche Leben des Priesters ab. Ein Priester bekommt seine risikoärmeren übernatürlichen Kräfte nicht geschenkt, sondern er richtet sein gesamtes Leben nach dem jeweiligen Gott aus!
Was für Folgen könnte ein Leichtes, Schweres, Kritisches Vergehen haben?
Meine üblichen Regelungen dazu:
Leicht - der Priester kann weiterhin Wunder wirken, jedoch ist jedes Wunder für ihn eine Größénordnung höher eingestuft (Gebrauchswunder wie 1. Ordnung, 1. Ordnung wie 2. Ordnung, usw.), was die Modifikatoren und die Vorausetzungen anbetrifft.
Schwer - der Priester erhält bei JEDEM Wurf, den er mit seiner Priester-Laufbahn macht (auch Würfe, die nicht zum Wirken von Wundern dienen) einen Schwäche-Würfel (die obigen Effekte des Leichten Vergehens kommen noch hinzu!).
Kritisch - der Priester kann KEINE Wunder mehr wirken, er erhält einen Schwäche-Würfel bei jedem Wurf, den er auf seine Priester-Laufbahn versucht, UND sein Rang als Priester wird als NEGATIVER MODIFIKATOR angewandt. UND: bei besonders rachsüchtigen Gottheiten wird der Priester nun von den Häschern seines Kultes wegen Vergehens gegen die Gottheit GESUCHT!
Niemand hat gesagt, daß es besonders leicht sei ein Priester zu sein. - Achtung! Derartige Kult-Gebotslisten sind ARBEIT. Das mache ich normalerweise nur für die Kulte, die auch ein Spielercharakter im Spiel erleben und darstellen möchte. NSC-Kultisten sind eh meist fanatisch genug, daß sie ihre Kult-Gebote nie verletzen. Und wenn doch, dann ist das ein Plot-Vehikel, z.B. indem die SCs einen in Ungnade gefallenen Priester suchen müssen. Dieser leidet dann unter den jeweiligen Nachteilen seines Vergehens gegen seine Gottheit.
Buße tun, göttliche Gnade wiedererlangen
Kann man natürlich für Buße tun um das Rückgängig zu machen.
Das ist bei mir stets (mindestens!) ein eigenständiges ABENTEUER. Manchmal mehr als eines oder ein verdammt gefährliches. Immer jedoch klar zur Förderung der Ziele der jeweiligen Gottheit ausgerichtet.
So hat die Göttin der Bewahrung des Wissens einem sündhaften Priester auferlegt die Schrifttafeln in der versunkenen Bibliothek in der Vendhis-See zu bergen. Ja, die ist unter Wasser. Ja, in diesem Binnenmeer sind jede Menge Monster. Ja, allein schon die technischen Möglichkeiten der Bergung zu realisieren ist eine enorme Anstrengung von Erfindern, Alchemisten, Magiern und sonstigen zu rekrutierenden Charakteren. - Die Götter sind weise und gerecht und legen nie menschliches Maß an, wenn sie einem Priester die Reinwaschung von seinen Sünden ermöglichen.
Sollte dabei der Rang unter 0 fallen ist der Kontakt zum Gott verloren und dann reicht einfaches Buße tun nicht mehr. Dann hilft nur noch eine außerordentliche Aufopferung des Charakters um diese wieder herzustellen.
Ich würde NIE einem Charakter einen Rang in einer vom Spieler mit Charakterresourcen teuer bezahlten Laufbahn streichen!
Siehe oben: Der Rang bleibt, kann aber bei kritischen Verstößen sogar als negativer Modifikator eingesetzt werden (das bedeutet ja, daß ein einfacher Novize (Rang 0) kaum den Zorn des Gottes auf sich zieht, aber ein Hoher Priester (Rang 5) bei absichtsvollem Handeln wider alle Interessen seines Gottes schon deutlich leiden wird)).
Für das Lemuria-Setting in BoL würde ich nichts an den Priester-Regeln ändern, denn in Sword&Sorcery sind die meisten Priester eh gleichzeitig auch Zauberer und brauchen hier nicht noch eine zusätzliche Quelle für Wunder höherer Ordnung. - In anderen Fantasy-Settings, z.B. auch Dark Sun mit den Elementar-Priestern und Druiden, ist hingegen ein Priester durchaus mächtiger als in Lemuria. Daher sollte er auch über stärkere Effekte - ähnlich wie die Preserver- und Defiler-Magier - verfügen. Somit wende ich für meine Dark-Sun-BoL-Runde die obigen Hausregeln/Settingregeln an.