Ich kann die Frage eigentlich nicht guten Gewissens mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Prinzipiell denke ich, dass jeder NPC spieltechnisch abgebildet werden muss, sobald die Werte für die Spieler/den SL/das Spiel Relevanz besitzen. Wenn das also alle NPCs miteinschließt, dann sollten sie auch alle spieltechnisch abgebildet werden. Ansonsten müssen sie das eben nicht. Das ist eine sehr allgemein gehaltene Richtlinie, welche jede Gruppe nach gusto für sich definieren kann. Da die Varianz hier aufgrund des unterschiedlichen Geschmacks vermutlich vielschichtig und situationsbedingt ausfällt, halte ich ein striktes „Ja“ oder „Nein“ schlicht für zu starr, als das es problemlos für alle Spiele gleichermaßen anwendbar wäre.
Essentiell sind die Frage nach der Relevanz in Verbindung mit der von der Gruppe gewünschten Herausforderung. Wenn ein NPC auftaucht und irgendwie Relevanz hat – als Gegner, Verbündeter usw -, sollte er auch mehr oder weniger spieltechnisch abgebildet sein - je mehr Relevanz, um so detailierter. (Während ein schlichter Konzernsoldat als nicht mehr dient, als ein kurzes Hindernis und daher auch nicht wirklich mehr braucht, als Attribute und Fertigkeiten, die ihn als Hindernis abbilden, fühlt es sich für mich richtig an, die schurkische, immer wiederkehrende Nemesis der Gruppe durchaus detailiert - am besten wie ein Charakter -, abzubilden, um ihm/ihr die notwendige Tiefe zu verleihen. Genauso verhält es sich mit den Verbündeten.) Generell sollten Herausforderung jeder Art – ob nun positiv oder negativ -, also detailierter gestaltet werden, je relevanter sie sind.
Besondere Fälle, die zusätzlich Erwähnung finden sollten, sehe ich in den (von White Wolf getauften) „Extras“ und....nennen wir sie spontan mal „Ultras“. Hier sind Werte generell eher irrelevant für die Gruppe, weil sie keine wirkliche Herausforderung darstellen (sollen). (Die „Extras“ sind zu leicht zu schlagen, die „Ultras“ hingegen überhaupt nicht.)
Extras
Ich erinnere mich an den Shadowrun „Asphalt Dschungel“, wo ein typischer Bürger Attribute und den Skill „Beruf: 3“ besaß und eigentlich nicht viel mehr. In meiner Gruppe ist es nicht notwendig, dass ein solcher nur am Rande auftretender NPC komplexer gestaltet ist. Wird der NPC wichtiger, kann man ihn/sie nachträglich immer noch entsprechend ausarbeiten. Bestimmte Systeme (wie 7th Sea oder die neueren White Wolf Produkte haben auf dem Gedanken basierend Regeln für „Extras“, die sind ebenfalls weitaus weniger komplex, als die eigentliche Charaktererschaffung und haben weniger hohe Relevanz bereits regeltechnisch vorweg genommen. Gerade die „Extras“ alle korrekt anhand der Spielregeln zu gestalten würde einem über kurz oder lang den Verstand rauben und sind die Mühe gar nicht wert, weil ihre Relevanz in Verbindung mit ihrem Herausforderungsgrad schlicht nicht signifikant ist. Hier reicht meiner Erfahrung nach ein sehr einfaches Template-Gerüst aus, um sie erfolgreich und problemlos einsetzen zu können.
Ultras
Ähnlich sieht es auch bei sehr starken NPCs aus, wo die Relevanz, welche Werte der NPC im Detail hat, schlicht aufgrund der Unnahbarkeit der Figur für die Charaktere wenig bis gar nicht vorhanden ist. In L5R fallen mir hier spontan die elementaren Drachen ein, welche im Klappentext der ersten Edition noch als Kreaturen zusammen gefasst wurden, die einen Sterblichen innerhalb einer Millisekunde per Gedankenkraft komplett auseinanderpuzzlen und wieder zusammensetzen können, ohne, dass der Sterbliche selbst das überhaupt mitbekommt. Sicherlich kann man „Ultras“ Werte geben – und sollte es definitiv tun, sobald sie tatsächlich greifbar Relevanz für die Gruppe bekommen; in einem Kampf, beispielsweise -, aber allgemein gesprochen halte ich das für nicht notwendig, weil das Machtpotentual nach oben hin irgendwann ohnehin nur durch die Phantasie eine Einschränkung findet. Ob man dann vorher bereits Werte ausgetüftelt hat, welche den NPC für die Gruppe effektiv nicht schlagbar machen, oder das einfach spontan handwedelt, lässt sich denke ich nur durch die darin investierten Zeit unterscheiden, die man zu opfern bereit gewesen ist. Hier sei jedoch erwähnt, dass „Ultras“ nur sehr, sehr spärlich eingesetzt werden sollten – wenn überhaupt. Da kann es ganz bestimmt nicht schaden, so etwas vorher mit der Gruppe abzuchecken, weil solche machtvollen NPCs viel zu beliebt bei bestimmten SLs sind, um auf die Kacke zu hauen und viel zu sehr von Spielern gehasst werden, die unter solchen Sls gespielt haben. Im Zweifel - wenn man die Gruppe z.B. nicht gut genug kennt -, halte ich es für besser, da auch mit Werten als Backup um die Ecke zu kommen.
Alles andere wäre unhöflich.