AW: [28.04.08] Industriegebiet Ost - Beginn des (Gewalt)Marsches
Die Geissel der Stadt hatte ein Opfer gefunden und begann es langsam wie eine Spinne einzuwickeln. Doch Hannah hatte ein Messer, vielleicht konnte sie die Spinnweben durchtrennen.
Die Menschen machten einen kleinen Bogen um das Geschehen, ein paar blieben stehen und blickten kurz zu Hannah und Dominic. Doch es gab wichtigeres. Alkohol, Freunde, Musik, Spass, all das wartete weiter vorne. Ausserdem hatte die Ansprache begonnen.
"...muessen langsam die Dinge in die Hand nehmen. Wir koennen es nicht zulassen, das einzellne Personen alles in der Hand haben. Seien es die Richter, die ueber Tod und Leben bestimmen, oder die Direktoren der Kunstakademie, die uns eintrichtern was ihrer Meinung nach Kultur ist. Wir sind selbst..."
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Max lies die Flasche fallen und eilte sofort zur Stelle. Es mochte ein Wunder sein, dass er den Schrei ueberhaupt gehoert und identifiziert hatte. Aber vielleicht lag dies daran, dass er deutlich hoeren konnte, dass da das Tier schrie und nicht nur ein gewoehnlicher Mensch. Es war ein Schrei aus den Tiefen der Seele.
Kurz vorher hatte Olaf ihm noch gesagt, dass es durchausgeplant sei, mehr in der Stadt zu organisieren. Und haette der Schrei nicht ertoent, dann waere Max wohl um einiges schlauer gewesen, denn der Kerl, mit dem er gerade noch gesprochen hatte, schien einiges zu wissen.
Und als er dann auch prompt um Hilfe gefragt hatte, hatte Olaf drei seiner Skinheadkollegen zugenickt und ein paar Worte gezischt und schon waren sie auf dem Weg.
Doch in der Masse voran zu kommen war deutlich schwer, wenn man nicht in die richtige Richtung lief.
"...wirklich wir, oder sind es die, die uns taeglich mit demselben Muell im TV und der Presse passiv stellen wollen? Sie beschaeftigen uns und machen uns weiss, dass es keine Moeglichkeit gibt ausserhalb von Deutschland sucht den Superstar, oder Wer wird Millionaer, etwas zu veraendern oder seine Traeume zu erreichen! Wir haben..."
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Salem konnte sehen wie die Menschen der Stimme beachtung schenken. Er sah deutlich wie die Gesichter sich langsam veraenderten. Erst hatte er gesehen, wie eine gewisse Furcht und Betruebtheit auf den Gesichtern stand. Vielleicht lag es an dem Ort. Zumindest sagtem ihm seine Sinne, dass der Ort eine dumpfe und depressive Ausstrahlung hatte. Da wirkten die Worte wie Sonnenstrahlen im Dunkeln. Wie Wasser nach einer langen Durststrecke. Durch den krassen Gegensatz musste man sich ja geradezu zugehoerig fuehlen. Wir! Wir sehen die Ohnmacht, die dieses Gebaeude ausstrahlt. Wir sehen, wer uns daran hindert den Schutt abzutragen und ein neues schoenes Gebaeude zu errichten. Wir sehen, dass es an uns liegt etwas zu veraendern. Wir sehen, dass wir den Maechtigen jetzt zeigen muessen, wer hier wirklich die Macht besitzt.
Die Worte hallten in den Menschen wieder, wie ein Echo in einer grossen leeren Halle. Langsam begannen die Worte nicht mehr aus den Lautsprechern zu kommen, nein, sie schienen aus den Menschen zu kommen. Es war das was die Menschen wollten, auch wenn sie es bisher vielleicht noch nicht gewusst hatten.
"...darum muessen wir zu gewaltigen Mitteln greifen, um wachzuruetteln. Darum ist es an uns, denen die noch schlafen zu zeigen, was wir bereits wissen. Natuerlich bedarf es Opfer. Natuerlich wird es chaotisch sein. Aber nur aus Chaos koennen wir etwas neues, schoenes, wunderbares formen. Etwas dass..."
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Der Ravnos hatte eine erhoete Position erklommen. Nich nur war Peter in der Lage sich nun Ueberblick ueber die Massen zu schaffen, er konnte auch sehen, wie ein klitzekleiner Zug Menschen in Richtung einer Haeuserfront eilte. Doch ihm fiel noch wesentlich mehr ins Auge. Aus seiner Perspektive konnte er erblicken, wie die Vans und Autos in stragisch guten Positionen aufgestellt waren. Es wirkte ein wenig als waeren sie in einem weiten Ring um einige der provisorischen Bars, die direkt am Zaun standen, aufgestellt. So gab es fuer die Menschenmenge die Moeglichkeit sich in die Mitte zu begeben und sie wurden dort direkt von den Lautsprechern ins Kreuzfeuer genommen. Ausserdem sah er aus einem der Vans den Sprecher hervorlugen. Das Megaphon am Mund, das Gesicht war dunkel. Oder hatte er eine Kappe auf? Der Sprecher war zu weit weg um ihn genau erkennen zu koennen.
Ein weiteres Detail, dass dem Ravnos ins Auge viel, waren die diversen Menschen, die durch die Menschen liefen. Es schien als wuerden sie etwas an die Menge verteilen. Es schien als wuerden sie wie Elektronen durch die Menge schweben und dafuer sorgen, dass der Strom lief. Und es schien als wuerde der Stromfluss immer schneller. Hoffentlich hatte jemad einen guten Widerstand eingebaut, sonst brannte hier noch etwas durch.
Als einer dieser Personen etwas naeher an die Position des Ravnos trat, konnte Peter auch erkennen, was da verteilt wurde. Es schienen erst ein paar Zettel ausgeteilt zu werden. Was darauf war, sah er nicht. Dann folgte meistens eine Frage, die mit dem aushaendigen einer Schlag- oder Wurfwaffe beantwortet wurde. Einmal sah er sogar wie ein fertiger Molotovcocktail ausgehaendigt wurde. Man bewaffnete doch nicht gerade einen blinden Mob? Doch war der Mob wirklich blind?
"...und der Grund fuer unser Vorgehen. Es geht nicht darum zu nicken und zuzustimmen, es geht darum die Sache in die Hand zu nehmen. In die eigene Hand. Verantwortung zu uebernehmen. Zu zeigen dass man nicht einverstanden ist, wie Banken unser selbstverdientes Geld verschleudern. Wie Krankenhaeuser Reiche mit Luxus versorgen, waehrend die Armen wegsterben, wie Polizisten unschuldige Buerger verpruegeln, waehrend Kindermoerder davonkommen, wie TV und Presse uns mit Muell zutrichtern, wie uns die vorgekaute Kunst hingehalten wird, waehrend wahre Kuenstler Hunger leiden, wie Schulen geschlossen..."
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Hannah sah wie Max mit zwei Glatzkoepfen im Anhang ankam. Er stand hinter dem unbekannten Mann, dem sie gerade ihr Mobiletelefon etrissen hatte. Ihr Messer versteckt gezueckt sah sie eigenlich aus als haette sie die Situation unter Kontrolle. Doch Max konnte in ihrem Blick erkennen, dass etwas nicht stimmte.
Dominic spuehrte die Praesenz weiterer Personen hinter sich.
Max hatte die Gelegenheit zu zugreifen. Doch der Mann sah nicht wirklich aus, als waere er eine Bedrohung.
Wohin richtete sich die Gewalt, wenn sie kein Zielobjekt hatte?
Worin aeusserte sich das unsaegliche Beduerfniss zu helfen, etwas veraendern zu wollen?
Man musste ohnmaechtig ansehen, wie jemand verletzt war, aber kein Taeter war in Sicht? Man hoerte dem Opfer zu und richtete seine Kraft, sein ganzes Zerstoerungspotetial auf dasjenige Objekt, auf dass das Opfer mit dem Finger zeigte.
Worauf wuerde Hannah zeigen?
Worauf zeigten die Organisatoren der Demonstration?