[09.05.2008] Hämorrhagischer SCHOCK und Akute Belastungsreaktion

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Mike biss zu.
Seine neue Zähne durchdrangen gewaltsam die Haut, zerrissen Gewebe und bohrten sich schließlich in ihr Ziel, die Schlagader.
Ein Zucken durchlief den gepeinigten Körper, als sich ein Befehl des Aufbäumen gegen den Angriff auf die lebenswichtige Blutversorgung des Gehirns in ihm verbreitete, aber dieser Befehl wurde gleich wieder verworfen, war jede Form des Widerstand doch der damit verbundene Mühe nicht mehr wert.
Auch ein Teil in Mike sträubte sich gegen seine Handlung, aber ihn schreckte nicht die brutale und selbstsüchtige Gewalt, die er einem Mitmenschen antat, sondern die Nähe und Intimität zu ihm. Von der Kindheit anerzogene Ängste vor Krankheit und Sexualität stiegen in der Gestalt von Ekel vor dem ungewaschenen, nach Alkohol riechenden und vor allen fremden Mann in ihm auf, den er nun mit seinem Mund berührte um an seine Körperflüssigkeiten zu gelangen.
Sie unterlagen gegen das instinktive Verlangen nach Nahrung, dass gestern aus den Schatten seiner anderen Bedürfnisse gestiegen war um sie bis zu seinem Endgültigen Ende zu beherrschen. Auch sein Geist und sein Wille musste sich dem unterordnen.

>Hör auf oder beeile dich! Es kann jeder Zeit jemand auftauchen. Du kannst dabei gesehen werden.
>Du nährst dich von dem Leben eines anderen. Wirst du dich danach noch selbst ansehen können?
>Du scheinst ja langsam richtige auf diese schwulen Beißspielchen zu stehen. Wenn du fertig mit Saufen bist, spendierst du dann deinem neuen Lover wenigstens noch ein Abendessen?

Mikes Aufmerksamkeit und Leidenschaft galt dem Blut. Die Vitae befreite sich fordernd aus dem Gefäß, was sie zurückhalten wollte, wild und ungebändigt schoss sie ihm entgegen und drang noch heiß in seinen Mund ein. Dort strich sie ihm nun zärtlicher über die Zunge und bescherte ihm unbeschreibliche Geschmackserlebnisse, während sie zu seinem Gaumen strömte und ihn um Einlass bittend sinnlich massierte. Er ließ sie weiter und sie liebkoste seiner Kehle, auf ihrem Weg nach unten, wo sie von seinem Innersten sehnsüchtig erwartet wurde.
Endlich wurde sein Wunsch befriedigt. Ein Gefühl des Glückes breitete sich in ihm aus.
Aber der Schluck reichte natürlich noch lange nicht auch nicht der nächste und der danach. Schneller schlucken nutzte auch nichts, weil sein Mund trocken wurde. Also fing er an zu saugen und entriss dem Körper mit Gewalt das Lebenselexir, was dieser egoistischer weise für sich behalten wollte anstatt es seiner wahren Bestimmung zuzuführen und mit Mike zu teilen.
Es schmeckte anders als von Sabrina, aber immer noch viel besser als er sich noch vor Momenten vorstellen konnte. Ohne das Blut auf den Lippen zu haben, waren die Erinnerungen nur fad und farblos gewesen. Mit Sabrina war es intimer, neuer und exotisch aber auch verwirrender gewesen. Jetzt wusste er was er tat, konnte sich auf das Wesentliche konzentrieren und es richtig Genießen.
Es war einfach nur gut, was könnte daran falsch sein?

>Du kannst ihn dabei töten.
>Du benutzt dieses Wesen nur um dein Niedrigstes zu befriedigen. Was hat es getan das zu verdienen?

Aber es gefiel dem anderen doch auch. Mike hörte von ihm ein schwaches aber doch wohliges Stöhnen. Das war mehr als alles, was Mike von ihm bis jetzt gehört hatte. Es schien ihn doch auch zu gefallen. Mike wusste aus eigener Erfahrung, dass es ihm gefiel. Außerdem passten Jenny und Richard auf ihn auf, es konnte überhaupt nichts passieren. Er durfte diesen Moment nicht verderben, er durfte eigentlich überhaupt nicht mehr enden.
Aber natürlich endete er und zwar viel zu früh. Mike spürte einen leichten Griff an der Schulter, wahrscheinlich eher ein Luftzug. Gleich darauf merkte er aber wie er sich von seiner Blutquelle wegbewegte, er wurde weggezogen. Wie hatte er das verdient? So herzlos konnten die doch nicht wirklich sein? Er musste sich wehren. Aber es war zu spät. Wenn er jetzt nicht aufhörte, ließen sie ihn sicher nicht von den anderen trinken.
Sein Kopf wurde gedreht, er sah zwei Augen, das musste sein Folterer sein. Es war Richard.

>Egal wie gefährlich der ist, dass ging zu weit. Dafür musst du ihm den Arsch aufreißen.


Immer noch kniend sah Mike zu dem anderem Vampir mit seinen entblößten und vom Blut rot gefärbten Raubtier Gebiss an. Er zog hörbar die Luft in seien Lungen und öffnete seinen Rachen noch weiter. Dann lachte er los. Es war ein befreiendes, euphorisch ja fast manisches Lachen, das in einen Glucksen überging, als seine Lunge wieder leer war, er aber keine Luft mehr holen konnte.
Zu lebhaft war doch die Erringung an das gerade Erlebte. Das Gefühl des Hungers, das die ganze Zeit auf ihn, wie der Sauerstoffmangel während man beim Tauchen die Luft anhält kurz bevor man gezwungen wird zur Oberfläche zurück zukehren, gelastet hatte war viel erträglicher geworden, wie das Gefühl der Atemlosigkeit nach einem Hundertmetersprint.


Fast zärtlicher schaute er zu der am Boden liegenden Person, die er das alles zu verdanken hatte.
Aber irgendwas an ihr sah falsch aus. Der Mann sah noch ungesünder aus, als zum Zeitpunkt als Mike ihn noch für tot gehalten hatte. Er war so blass, wie alle Vampire, die Mike bis jetzt gesehen hatte. Nur um die Wunde am Hals hatte sich ein dunkler Kranz, wie ein verkehrter Heiligenschein, gebildet. Da Blut, welches nicht mehr durch die Ader gelenkt hatte sich heimlich zwischen den Zellen von Haut und Gewebe geschlichen und sich da, wo Mikes Saugen nicht hinreichte, zu einem durch die äußeren Schichten schimmernden Bluterguss gesammelt.
Auch wenn das Blut nicht mehr mit Kraft aus der Wunde sprudelte, lief es trotzdem weiter aus dem Körper zum Nacken, wo es nutzlos zu Boden tropfte.
Das Blut war wertvoll. Wenn Mike es nicht haben durfte, dann nur, weil es der andere Brauchte. Es durfte den Körper nicht weiter verlassen!

Wenn Richard ihn nicht hinderte, würde er sich wieder nach vorne beugen und probieren die Wunde mit seinen Händen zuzuhalten.

>Du bist eine Monstrosität. Du wurdest verflucht, um allen Unheil zu bringen. Du beendest das Leben, nur um weiter zu existieren und weiter zu vernichten.


Ein Teil des geraubten Blutes bahnte sich durch die Tränenkanäle wieder einen Weg an die Oberfläche.


"Was habe ich dir angetan..." schluchzte er mit dem Blick auf sein neues Opfer um dann leise mit erstickten Stimme zu flüstern: "...Sabrina?!"


Jenny hatte gesagt, dass es besser wäre sie würden getötet. Aber so sehr er es im Moment auch probierte, er konnte sich das einfach nicht wünschen.
 
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Richard ließ ihn und setzte sich neben ihn.

Seine Stimme war sanft und beruhigend. "Du musst sie Zulecken." sagte er zu ihm, als er versuchte die Wunde mit der Hand zuzuhalten. "Mike. Es ist nicht deine Schuld... Du hast dich auf uns verlassen. Mike... Er war schwach..." Richards Augen wurden blutrot... Als er neben ihm saß, mit ihm sprach... und anfing ebenfalls Tränen zu vergießen.
 
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Mike hatte den Alten getötet.

Jenny kannte den armen Mann sogar recht gut. Sie kannte sie alle, denn sie war eine von ihnen. Mit jedem Obdachlosen, jeden Penner, Landstreicher, Punk und Streuner hatte sie Stunden unter Brücken und in versteckt liegenden Bruchbuden verbracht. Sie kannte die ausgebrannten Kinder ohne Heim und Wurzeln und auch all die rettungslos verlorenen Drogenjunkies. Jeder Lebenskünstler und Außenseiter hatte sich schon mehr als einmal auf ihre Hilfe verlassen. Sie kannte sie alle, weil sie alle so waren wie sie selbst. Irgendwie verloren und an den Rand der Zivilisation gedrängt. Unverstanden und belächelt. Vergessene und fallengelassene Gestalten von denen niemand mehr etwas wissen wollte.

Dieser hier hieß Bodo, Bodo Krippke. Er war ein ehemaliger Stahlarbeiter, der vor einer halben Ewigkeit als Vorarbeiter der nördlich gelegenen Drahtzieherei gearbeitet hatte. Jene Firma die, zerfallen und verlassen seit Jahrzehnten, nun als Unterschlupf für die untote Anarchenszene herhalten musste. Krippke hatte seinen Job verloren, nachdem die Stahlindustrie in Deutschland zusammenbrach und in ihrem steilen Fall auch alle Zuliefer- und Nachbearbeitungsbetriebe mit sich riss. Das war in den Siebzigern gewesen. Bodo hatte vor Scham und Kummer das Trinken angefangen. Wie so oft trat er damit in einen Teufelskreis aus dem es kein Entrinnen mehr gab. Immer öfter betrunken begann er damit seine Frau zu schlagen. Nicht weil er ein böser Mensch gewesen war, sondern weil er ihren traurigen Blick nicht mehr ertragen konnte. Und je öfter er zuschlug, desto anklagender wurde ihr Blick. Sein Sohn verließ mit Sechzehn voller Abscheu sein Zuhause um in Duisburg zu studieren. Das letzte was Bodo von ihm gehört hatte war, dass er sein Studium als Betriebswirtschafter beendet hatte und nun einen guten Job in einer Firma für Lacke und Farben in Münster angenommen hatte. Den Namen hatte der Alte vergessen.
Gesprochen hatten sie seit Jahren nicht. Und sie würden es nun auch wohl nicht mehr…

Jenny schob ihre Zigarettenkippe in den linken Mundwinkel und stopfte ihre Hände in die Hosentasche. Eine hilflose Geste. Hunderte beruhigende Sprüche und tröstende Worte gingen ihr durch den Geist, doch keiner schien passend oder irgendwie richtig zu sein. Mike hatte einen Menschen getötet und wusste nun, dass dieser hier nicht der Letzte sein würde. Vampire tranken das Blut von Menschen und Menschen vertrugen es nun mal verdammt schlecht wenn man ihnen zuviel von ihrem Sprit abzapfte.
Was also sollte sie sagen?

„Mach dir nicht draus, er war doch eh alt und schwach?“
„Sei Stark, früher oder später wäre dieser verdammte Säufer doch sowieso gestorben?“
„Hey! Ist nur ein Penner! Hauptsache du bist satt!“
„Du bist ein Raubtier, Mike! Je eher du das akzeptierst, desto früher lernst du damit zu leben!“
„Heul nicht rum du Memme! Besser er als du!“
„Das warst nicht du, Mike! Es war das Tier und gegen das verliert man eben ab und zu!“


Das war doch alles ein Riesen Haufen Scheiße! Purer Bullshit mit Sahne!
Mike wusste was er getan hatte und ihm war mit Sicherheit bewusst, dass er einen Menschen nur deshalb getötet hatte, weil er sich nicht hatte bremsen oder zusammenreißen können. Der Alte war abgekratzt, weil er ein Opfer der Gier geworden war. Daran gab es nichts Tröstendes! Nichts was man hätte schönreden können. Dafür gab es eben keine Absolution! Nicht für diesen hier und auch nicht für all die anderen die noch folgen sollten.

Eines aber konnte Jenny ihrem neuen Kumpel schenken. Verständnis. Denn wenn ein Kainit etwas nachempfinden konnte, dann war es das Entsetzen darüber ein Raubtier zu sein, das sich ausschließlich von seiner eigenen Gattung nährte. Sicher, man konnte auch Tiere trinken! Ja klar! Und Menschen überlebten dadurch, dass sie Gras fraßen. Alles gequirlte Scheiße! Toreadorgelaber um sich den ganzen Mist irgendwie schönzureden. Vampire tranken Menschenblut –Punkt!- und ab und zu blieb es eben nicht bei den guten Vorsätzen.

Jenny schwieg also.
Sie rauchte still ihre Zigarette und blickte traurig auf ihre beiden Freunde hinab. Es gab nichts was sie sagen wollte, nichts was sie sagen konnte. Aber sie gedachte all jener die durch ihre Hand gestorben waren. Es war eine recht lange Liste, wenn man so darüber nachdachte. Viel zu lang für ein kleines Mädchen, das vor kaum mehr als zwölf Jahren gestorben war.

Doch!
Es wäre besser wenn jemand käme und unserer Existenz als Blutsauger endlich ein Ende machte! Wenn doch nur endlich jemand genügend Kraft dazu aufbrachte…
 
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Er sollte sie zulecken? Hoffentlich hatte er sich nicht verhört und es würde gleich ein Wunder geschehen. Er beugte sich wieder runter, führte wieder seinen Mund zu dem Hals, roch wieder das Blut, schmeckte es wieder und es war immer noch himmlisch. Das es mit um das Leben ihres Spenders schlecht stand, verschlechterte nicht die Qualität der Vitale. Alleine das Wissen vergällte Mike den Genuss, als er über die kleinen runden Wunden leckte, bis er kein Blut mehr schmecken konnte. Als Mike den Hals wider ansah, schien er abgesehen von dem Bluterguss makellos zu sein, die Wunden waren wie das Blut einfach weggewischt. Auch der Atem hatte aufgehört. Es schien sich der ganze Albtraum vom Anfang der Nacht zu wiederholen.
Er hielt dem Sterbenden die Nase zu und blies ihm hektisch Luft in den Mund. Konnte das nicht jemand machen, der mehr Erfahrung damit hatte? Aber er war es schließlich der die Sache verbockt hatte. Doch Mike erkannte gleich, das der Versuch wieder völlig sinnlos war.
++Na ist dein erster Zungenkuss als Schwuchtel genau so, wie du ihn dir immer vorgestellt hattest?
Er drückte noch ein paar mal mit seinem blutverschmierten Hände auf den Brustkorb, bevor er sich zurück setzte und hilflos den Mann anschaute von dem er sich genährt und den er getötet hatte und von dem er nicht mehr wusste, als dass er noch im Tod nach frischem Blut und Alkohol roch und dass er mit Jenny befreundet gewesen war.
Verdammt, natürlich war es nicht seine Schuld! Wollten nicht Richard und Jenny nicht auf ihm aufpassen, um genau dass zu verhindern?
**Deinem Gewissen fällt es wirklich leicht, Schuld bei anderen zu finden. Aber hilft es dir wirklich dein Gewissen zu erleichtern?
Wen wird Jenny die Schuld geben? Würde sie sich sogar rächen wollen?
Mike drehte sich zu der stehenden, rauchenden, in traurigen Gedanken versunkenen Vampirin um. Im Vergleich zu den beiden vor der Leiche des für sie Unbekannten sitzenden Vampiren, mit blutigen Händen, Mündern und Tränen, musste die Frau für Außenstehende fast wie unbeteiligt wirken.
##Es kann wieder ein Test oder Demonstration sein. Sie können gewollt haben, dass das geschieht.

Neben der Hilfslosigkeit lag in der Stimme auch eine gewisse Dringlichkeit vielleicht sogar eine Spur Panik. Die älteren Vampire müssten einfach etwas hilfreiches können oder wissen.

"Was machen wir jetzt?"
 
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"Der Krankenwagen... We weiß, wann er da ist? Wir... sollten es wie einen Selbstmord aussehen lassen oder Jenny? Ich... hab mit sowas wenig Erfahrung." Richard sah sie vezweifelt an. Seine Augen tränten blutig. Wie kamen sie in diese Situation?

Er stand auf und ging auf sie zu.

"Helf uns, bitte."
 
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Wie jetzt? Erst bringt ihr meinen Kumpel um die Ecke und jetzt soll ausgerechnet ich euch Absolution erteilen? Mike hat den Kerl umgebracht, daran gibt’s nix mehr schönzureden.

Jenny seufzte leise. Dann hockte sie sich hin damit sie nicht auf ihre beiden Kameraden hinabblicken musste. Sie selbst hasste es, wenn jemand so etwas machte, denn es zeugte von Überheblichkeit und fehlendem Respekt. Wenn es nach der Anarche ging, sollten alle Kainiten gleichberechtigt sein. Innerhalb und außerhalb der Camarilla. Aber das war hier und jetzt nicht das Thema. Es ging darum, dass ein unschuldiger Mensch sein Leben verloren hatte.

„Ich verstehe eure Verzweifelung, Freunde! Aber so ist das, wenn man sein Leben am Rande der Gesellschaft fristet. Als Torri zum Beispiel –nichts für ungut Richard– kann man Jahrhunderte überstehen, ohne jemals seine Beute töten zu müssen. Hier unten im Dreck kann man froh sein, wenn ein Monat vergeht ohne das etwas schief geht. Nimm mich zum Beispiel. Es ist keine zwei Tage her, dass ich im Heißhunger meinen Ghul getötet habe. Zacharii hatte zuvor meinen Geist vergewaltigt und mich nur dank einiger Freunde irgendwann wieder ausgespuckt. Als ich in dieser Nacht wieder zu mir kam war ich dermaßen hungrig, dass ich kaum mehr klar denken konnte. Wie schon bei meinem Mann zuvor kam ich erst in der folgenden Nacht mit einer Leiche in den Armen wieder zu mir. Ich habe Menschen im Kampf getötet, aber auch schon unschuldige auf dem Jahrmarkt, weil sie mir im Suff an den Arsch gegriffen haben. All dies passiert eben, wenn man sich außerhalb der wohlbehüteten Camarilla befindet. Aber ist dieses Leben deshalb falsch? Ist deine Tat deswegen falsch? Mit Sicherheit nicht! Wir sind Raubtiere die sich –ob wir das nun wollen oder nicht– vom Blut der Lebenden nähren. Menschen fressen Fleisch ohne auch nur einen Tag ihres Lebens darüber nachzudenken was für eine widerwärtige Vernichtungsmaschine dahinter steht. Wir Kainiten nehmen das Blut der Menschen. Und auch wenn das ab und an mal daneben geht, so sind wir trotzdem um ein Vielfaches besser als unsere Opfer.“

Jenny stoppte ihren Monolog und strich Richard zärtlich durchs Haar. Eine äußerst ungewöhnliche Geste der Caitiff, aber sie hatte den Eindruck als hätte er es nötiger als Mike.

„Nimm Bodo zum Beispiel! Äh so hieß der Tote..“, sie wies mit dem Finger aus seinen leblosen Körper. „Er hat sein ganzes Leben lang gesoffen. Ich kenne ihn drei Jahre lang und er war nicht ein einziges Mal nüchtern. Wusstest du dass er seine Ehefrau zweimal krankenhausreif geschlagen hat? Oder das er seinen Sohn nicht einmal gesucht hat, als dieser erfüllt vor Angst und Ekel mit Sechzehn das Elternhaus verließ? Bodo war ein Dreckskerl, der sich fast ein Jahrzehnt in Selbstmitleid gebadet hat. Hättest du ihn heute nicht getötet, wäre er wahrscheinlich irgendwann in den nächsten Wochen an seiner eigenen Kotze erstickt. Mach dich deswegen nicht fertig Mike! Nimm es hin und gewöhn dich an den Gedanken, dass er nicht der Letzte war. Solltest du etwas tun wollen, dann hilf jenen die so sind wie er. Gib ihnen Geld oder etwas zu essen. Vielleicht einen neuen Schlafsack oder auch etwas Medizin. Was immer dein Herz zur Ruhe bringt. Wenn du aber wirklich etwas machen willst, dann setz dich zu ein paar von ihnen ans Feuer und hör dir ihre Geschichten an. Auch Landstreicher haben noch Sorgen und Nöte. Sie alle haben Mal ein Leben geführt und sie wünschen sich nichts mehr als ein Ohr das ihnen zuhört und das ihnen ein Mindestmaß an Verständnis entgegenbringt.“

Wieder eine Pause in der Jenny die Reste ihrer Kippe wegschnippte.

„Was deine Frage angeht Richard! Wir lassen den Mann hier liegen. Der Rettungswagen wird ihn finden und mitnehmen. Über Krankenhaus und Sozialamt bekommt er dann eine halbwegs anständige Bestattung und ein Grab irgendwo. Viel mehr können wir auch nicht für ihn tun!“

Ihre Blicke wandten sich an Mike.

„Hüte dich davor, die Beerdigung bezahlen zu wollen. Und vergiss auch gleich wieder den ganzen anderen Mist von wegen Kränze, Grabsteine oder Kohle für die Hinterbliebenen! Bodo ist tot, weil die Umstände so beschissen sind. Zacharii tut uns und denen das an! Ohne diesen Wichser hätten wir es nicht mit halbtoten Menschen zu tun, sondern könnten aus einer wesentlich größeren Zahl wählen. Das was heute hier passiert ist, ist nicht deine Schuld! Das ist es was du dir merken musst! Du hast nicht etwa einen Unschuldigen getötet, du hast drei von ihnen gerettet! WIR haben den Rettungswagen gerufen, niemand sonst! Denkst du, das die Jungs die schon im Wasser lagen von allein wieder daraus gekommen wären? Niemals! Ohne uns hätte es sie weggespült und sie wären jämmerlich ertrunken! Weine um den Mann, wenn du musst! Sei dir aber auch darüber im Klaren, dass es ohne uns hier wahrscheinlich wesentlich schlechter ausgegangen wäre!“

Sie lächelte humorlos.

„Und jetzt wenn es recht ist, würde ich gerne etwas essen…“
 
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Richard sah sie an. Er verstand. Als sie ihm durch die Haare strich fiel die erste Träne zu Boden. Doch er weinte nicht aus Trauer. Sondern aus Mitleid zu Mike. Er war seit getsern ein Vampir. Hatte seine Geliebte getötet, sein Leben aufgegeben, war aus seiner Heimatstadt geflohen... Und ist hier auf Richard gestoßen. Richard wollte ihm helfen... Und hat doch nur Leid über Mike gebracht. Er sah Jenny mit roten, traurigen an und lächelte ein trauriges Lächeln.

Sie hatte Recht. Richard war verwirrt. Es war eine lange Nacht... Er hatte viel gefühlt... Noch mehr als sonst. Und nun stand dort diese Frau, eine Frau, die niemanden an sich heran lässt und gibt uns etwas: Liebe.

In diesem Moemnt liebte er Jenny. Wahrhaftig. Er wünschte ihr alle Sorgen nehmen zu können. Er wünschte ihr alles Gute dieser Welt. Er wünschte ihr Glück. Er wünschte ihr ein Leben.

Das tarurige Lächeln blieb bestehen. Er sah sie einige Sekunden lang an. Ein weinerlicher, sympathischer Schönling. Anne Rice wäre stolz auf ihn gewesen.

"Ich bin für dich da, Jenny." flüsterte er.

Entschlossenheit flammte in seinem Gesicht auf. Einen Bruchteil eines Augebblicks später, starrte er zu Mike. Das Blut in seinem Gesicht fing an zu trocknen.

"Mike! Wir machen einen Spaziergang."
 
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Jenny schien nicht sauer auf Mike zu sein, eher verständnisvoll und wollte sogar ihn und offensichtlich auch Richard trösten. Was sie sagte klang alles sehr vernünftig und es half aber es warf auch Fragen auf.
Ghul getötet? Torris müssen nicht töte? Die Camarilla behütet, aber nicht die am Rand? Der Zauberer hat ihren Geist vergewaltigt und ausgespuckt? Warum musste Richard getröstet werden? War er auch ein Freund von Bodo?
++Bodo, Richard, die Tussi steht auf verheulte Loser. Passt super in ihr Beuteschema, Stecher!
Begräbnis? Hinterbliebene? Den Leuten helfen, Geld geben, zuhören? Buße tun um sein Herz zu erleichtern? Hatten sie die Leute wirklich gerettet?
**Menschen töten ihre Nahrung, Vampire nicht immer. Ist ein Vampir besser, als die die er isst?
Das Leben von Bodo klang nicht so, als wäre es besonders toll, besonders wertvoll oder auch nur wichtig für den Mann gewesen. Ob es der Welt mit einem besoffenen Scheißkerl weniger, der seine Frau verprügelte und seinen eigenen Sohn vernachlässigt hatte, besser gehen würde? Aber es war ein Verdammter Unfall gewesen und Mike war noch nicht mal betrunken oder fahrlässig gewesen.
++Kannst ja mal versuchen ihm noch ne Lebensversicherung aufzuschwatzen, Aktenficker.
Aber das galt alles nicht für seine Freundin. Sie hatte was aus ihrem Leben gemacht und hätte noch viel mehr erreichen können. Ihr Tod war ein Verlust für die Welt und für ihn.

"Sabrina war was besseres als ich.", murmelte Mike, während er sich mit seinen blutigen Händen durch die blonden Haare fuhr.
Dann sprang er auf. Sein Ruf, "Fuck!!!", gefolgt von dem Scheppern einer leeren Bierdose, an der sich Mike abzureagieren versuchte, durchriss die Stille dieser unheimlichen Nacht.

Dann drehte er sich wieder zu den anderen um.
"Ja, lass uns gehen!"

Er strich sich mit den Handrücken über den Mund und fing unbewusst an dran zu lecken. Dann viel ihm auf was er tat und machte Anstalten sie an seiner Hose abzustreifen, aber entschied sich dann für sein T-Shirt mit der passenden Farbe.
Was sollte er noch zu Jenny sagen? 'Guten Appetit' klang makaber, 'Viel Glück' unpassend. Also zuckte er nur mit den Schultern,
"Bis dann.", und stapfte den Weg den sie gekommen waren zurück. Bloß weg!
 
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Richard ging ein paar Meter schweigend neben ihm her. Dann setzte er sich auf einen Bordstein. Er sah Mike mit leerem Blick an.

"Hast du noch etwas? Etwas wofür du lebst? Ein Ziel?"

Die Frage war an sich selbst gestellt... Nicht an Mike... Aber das war ihm vermutlich nicht klar.
 
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"Vampir sein ist Scheiße!" brach es aus Mike raus.
++Was, hat der Kleine schon keinen Bock mehr aufs Vampir spielen? Dann Spiel doch Pirat!
Nach einer kurzen Pause zuckte er mit den Schultern.
"Okay, ehrlich gesagt hatte ich vor nen verdammter Bulle zu werden... wie Sabrina."
Noch eine trübselige Pause.
"Tja, das kann ich mir jetzt knicken! Genau wie meine Ausbildung. Es sei denn ich finde einen Abendkurs oder so was." Und wieder hielt er innen. Dann schüttelte er sich wie vor Ekel.
"Ach Quatsch! Keine Ahnung, was macht man als Vampir so? Die ganze Nacht auf Futtersuche?"
**Keine Eltern, kein Chef, keine spießigen Philister. Bei wem probierst du dich also anzubiedern? Seit wann hat bei dir Arbeit etwas mit Leben zu tun?
Keine Arbeit, kein Geld, kein Spaß. Aber Blut war kostenlos, oder?
Wieder das Schulterzucken.
"Keine Ahnung. Ich bin nicht so gut in Philosophie."
Wenigstens redeten sie über was anderes.
 
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Richard sufzte.

"Du wirst dir etwas suchen müssen. Ein Ziel. EIn Hobby. Eine Leidenschaft. Irgendwas was dich vorantreibt. Ohne das, hällst du es nicht durch." Er sah ihn traurig an. "Du bist unsterbrlich. Und das ist nicht nur ein Fluch. Dir wurde viel genommen. Aber dir wurde auch geschenkt. Es ist eine zweite Chance. Versuch sie zu nutzen."
 
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Es vergingen nur wenige Minuten, dann trat auch Jenny wieder zu den beiden.

"Wir sollten hier verschwinden! Da es einen Toten gegeben hat, sollte uns niemand mit der Sache hier in Verbindung bringen. Das bedeutet übrigens auch, dass du dein Handy vernichten musst. Die Rettungsdienststelle kennt nun deine Nummer und wird sich möglicherweis auf die Suche danach machen. Wahrscheinlich werden die Sanitäter annehmen, dass Bodo eines natürlichen Todes gestorben ist, aber ich habe zuviel in meinem Leben mitmachen müssen, als das ich wegen sowas ein Risiko eingehe."

Jenny entzündete sich erneut eine Zigarette.
Genußvoll paffte sie zwei bis drei Züge. Dann erst wandte sie sich an Mike.

"Und alles gut bei dir? Kommst du zurecht?"
 
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Mike nickte Jenny zu als sie kam und starrte dann weiter wütend auf einen Punkt ein paar Meter vor seinen Füßen, wie als probierte er mit Gedankenkraft die Erde aufzureißen.
"Mein Handy verschrotten wird nicht reichen. Schließlich war es in Stuttgart in unserer... meiner Wohnung."
Auf Jennys Fragen an ihn Antworte er wieder mit einem Schulterzucken:
"Klar, muss ich ja wohl!"
 
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"Zerbrich die Sim. Speicher vorher alle Numern auf dem Handy. Das müsste genügen" Richard stand auf und half Mike ebenfalls auf. "Wenn du willst können wir später drüber reden, Mike." Er lächelte ihm aufmunternd zu.
 
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"SIM und Akku habe ich schon kurz nach Stuttgart ausgebaut. Aber das bringt doch nichts. Die wissen wer ich bin, die haben mein Nummernschild, Beschreibung, Kontonummer, Perso, alles."
Mike schlug Richards Hilfe zum Aufstehen aus, wenigstens war sein Körper noch unversehrt, abgesehen davon das er Tod war.
 
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"Mike? Es geht um Bodo, nicht um Sabrina." Er sah ihn skeptisch an. "Du solltest dich bald ausruhen. Es war ein harter-" er stoppte. "eine harte Nacht."
 
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Doch natürlich ging es um Sabrina. Es ging ihm die ganze Zeit um nichts anderes. Wenn sie nicht tot wäre, wäre dieser ganze Vampir Kram nicht halb so schlimm. Selbst der Tod von Bodo nicht. Wenn er dann überhaupt tot wäre. Es wäre so vieles anders.
Bodo war und würde immer ein Unbekannter bleiben. Er war Mike begegnet, ist gestorben und würde hoffentlich keine Spuren, außer schlechter Erinnerungen, in Mikes Leben hinterlassen. Ganz anders als Sabrina.
**Sabrinas Tod, hat nicht nur das Leben deiner Freundin beendet, sondern auch dein Leben wie du es kanntest.
++Ja, die Schlampe war schon was besonderes, sie war dein erstes Opfer.

Er schaute zu Richard.
"Ich ersetzte dir dein Handy oder Guthaben oder was auch immer."
Er griff sich in die Hosentasche. Geld war im Moment eindeutig, sein kleinstes Problem.
 
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"Quatsch!" Richard winkte ab.

Er fing an auf seinem Handy die Nummern auf dem Handyspeicher zu speichern. Dann zerbrach er die Simkarte.

"Geld ist nun eine deiner geringsten Sorgen. Davon brauchst du nicht mehr viel zum Leben."
 
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"Niemand weiß das du hier in der Stadt bist! Früher oder später wird man dich für tot erklären und dann hast du es überstanden. Ausweise und ähnlichen Kram brauchst du nur noch um zufällige Personenkontrollen zu überstehen. Ansonsten ist der ganze Quatsch hinfällig. Zumindest wüsste ich nicht wie man ein künstliches Leben vortäuschen sollte? Ist sicher verflucht anstrengend, alle Termine stets in die Nacht zu verlegen, findet ihr nicht? Es soll Ventrue und Toreador geben denen es gelungen ist sich in die Welt der Menschen zu vernesteln, mir wäre das aber mal voll zu anstrengend."

Wie um ihre Worte zu unterstreichen wedelte Jenny leicht übetrieben mit der Hand.

"Ein paar Bier mit den Punks, auf nen Wein mit den Pennern und auf nen Schnaps mit den Nachteulen. Für all das brauch man weder Papiere noch Kontokarten. Ich verdiene meine Kohle in der Regel nur Cash! Und wenn ich wirklich mal was brauche, dann machts mir mein Ghul. Moment, nein! Macht er nicht? Ich habe ihn getötet! Verdammt!"

Sie stockte eine Sekunde.

"Aber daran siehst du, wie lange man ohne den ganzen Rotz zurecht kommt!"
 
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Er sah sie einen Moment vollkommen entrüstet an, als sie so von ihrem toten Ghul sprach. "Jenny? Bist du noch klar? Ich merke ich hab einen sitzen. Ich werd melanchoisch..." Er sah sich um.

"Wollen wir zurück? Der Tag war lang... Und beschissen. "ch will wissen was mit Esteban ist, Scheiße!" Richard ging vor.
 
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