AW: Wie ist "Engel" eigentlich untergegangen?
Die Arkana-Karten stellen nur Spielmaterial dar. Es gibt KEIN Arkana-REGELSYSTEM, daher auch die von mir verwendete Schreibweise Arkana-"System".
Wenn man mit der Erwartung ein Regelsystem vorzufinden, an das Arkana-"System" herantritt, dann ist es tatsächlich WERTLOS. Es erfüllt KEINERLEI Funktionen eines Regelsystems, es ist zu nichts dergleichen zu gebrauchen.
Wie die Karten eingesetzt werden, Limitierungen, Quantitäten, Konsequenzen, Lösung von in Konflikt stehenden Sichten/Erwartungen mehrerer Spieler, usw. - aber auch Handlungsbogen, Strukturierung des Spannungsbogens, Dramaturgie, Protagonisten-Rolle, usw. - ALL DAS ist NICHT geregelt bei Engel.
Als Erzählspiel versagt Engel nach Arkana-"System", weil eben keinerlei UNTERSTÜTZUNG welcher Art auch immer für das Erzählspiel gegeben wird. Erzählrechte, Abstecken von Szenen, usw. - alles das gibt es im Arkana-"System" NICHT.
Engel taugt aber auch nicht für einen Ansatz der eher die Welt als solche plausibel simulieren lassen möchte, da KEINERLEI Quantitäten angegeben werden und auch die Qualitäten keine WIRKUNG haben. - Welchen EFFEKT hat den nun eine Stärke eines Charakters wie "Entwaffnendes Kampfgeschick"? Was soll man mit dieser Qualität des Charakters anfangen? Welche Limitierungen gibt es dafür? Wie oft, wie schnell, wie wirkungsvoll kommt es zum Tragen? - ALLES unklar!
Vom spielerischen Gesichtspunkt hat Engel nichts zu bieten. Mit spielerisch ist gemeint, daß man hier - neben oder in Ergänzung zu dem, was in der Spielwelt passiert, auf der Meta-Ebene des SPIELS mit SPIELREGELN und SPIELMATERIAL sich als Spieler aktiv beteiligen kann. - Es ist ja nicht einmal klar, WER überhaupt die Arkana-Karten ziehen darf, und WER sie interpretieren darf, und was passiert, wenn man mit einer Interpretation NICHT EINVERSTANDEN ist.
Die Arkana-Karten sind ein Spielzeug. Wie auch ein Würfel ohne jegliches Regelsystem dazu zunächst einmal nur ein Spielzeug ist. - Statt mit Arkana-Karten könnte man Engel auch mit einem Münzenwurf, einem "Magic-8-Ball" oder irgendwas anderem, einen hochgradig interpretierbaren Zufallseinfluß einbringenden Spielzeug spielen. Der Unterschied im EFFEKT für das Spiel wäre marginal.
Everway ist ja die Vorlage für Engel. Aber im Unterschied zu Engel, gibt es bei Everway REGELN, die KLARE Aussagen über Quantitäten, Qualitäten, Erzählrechte, Entscheidungsfindungen, Konflikte, und Dramaturgie machen. - Alles das, was Everway zu einem ROLLENSPIEL mit kartenbasiertem Regelsystem macht, weist Engel NICHT auf.
Nur die Karten.
Kein System.
Und da man aber im Spiel IMMER eine Welt als Hintergrund, als Bühne, sowie Charaktere, UND ein System braucht, ist bei Engel das System einzig und allein die Gruppendynamik der jeweiligen Spielgruppe. Diese ERSCHAFFT vom ersten Treffen an die Regeln (meist unausgesprochen) und damit die Limitierungen und Ansprüche jedes Einzelnen. Die Gruppe regelt die Konflikte, kommuniziert die Erwartungen und HARMONISIERT diese, so daß allen in der Gruppe klar ist, was sie erwarten können, und was nicht.
Und daher gehen Con-Runden so oft in die Hose, weil hier eben das Regelsystem als kleinster gemeinsamer Nenner einer ad hoc zusammengewürfelten Gruppe FEHLT. - So sitzen dann wildfremde Leute zusammen, es laufen die Gruppenbildungsprozesse, inklusive der Herausforderung einzelner hinsichtlich ihres Platzes in der Gruppe. Diese Krisen MILDERT ein von allen VORAB akzeptiertes Regelsystem soweit ab, als daß es eine gruppenexterne(!) Konsensbasis darstellt, die NICHT Gegenstand der Gruppenbildungs-Krisen wird.
Ohne dies, stürzen manche Gruppen in die Krise, aus der sie NICHT gefestigt und "eingespielt" hervorgehen, sondern eben "auseinandergespielt" und "zerrüttet". Dann zerfällt die Runde, einzelne Spieler gehen schon von selbst, es kommt kein produktiver Austausch mehr zustande. Das Spiel ist im Arsch.
Das kann bei JEDER Engel-Runde passieren, jedoch ist die Chance, daß es bei Leuten passiert, die sich bereits vorher gut kennen, geringer als bei wildfremden Con-Mitspielern.
Daher laufen auch häusliche Runden oder Runden im Verein, wo sich die Spieler auch schon alle kennen, im Schnitt einfach besser ab, als Con-Runden. - Engel nach Arkana-"System" ist eben völlig regellos und ERZWINGT von der Gruppe, daß sie sich das System, nach dem sie spielt, SELBST schafft. Und das überfordert eine eh unter Streß (Con!) gebildete Gruppe leichter als es eine entspannter zustande gekommene Gruppe überfordert.