AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?
Silvermane schrieb:
Eine ungesunde Mischung aus Closet-Wargamer-Kundenkreis und der bekannten "was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht"-Einstellung bestimmer Spieler. Anders kann ich mir auch die atemberaubende Anzahl von Heartbreakern Marke "Wie AD&D/DSA, aber BESSER!" erklären, die atemberaubenderweise immer noch entwickelt werden.
Ungesund? Closet-Wargamer-Kundenkreis? Intoleranz-Unterstellungen?
Ich bin auch kein großer Freund des kompletten D&D- oder DSA-Pakets, aber so abwertend über sie zu sprechen, halte ich doch für unangemessen.
Silvermane schrieb:
Auf der Gegeseite gefragt: Wie erklärst du dir das Scheitern von Komplexitätsmonstern Marke Phoenix Command?
Falsches Genre, schlechtes Marketing, schlechtes Regelsystem.
Silvermane schrieb:
Was das ganze mit dem "ausspielen" eines fiktiven Charakters zu tun haben soll oder wie so etwas einer Handlung gegenüber förderlich ist hat sich mir allerdings nicht erschlossen, nein.
ad 1) niemand sagt, daß "Ausspielen" eine schauspielerische Leistung erfordert, auch regeltechnisch kann man einen Charakter "ausspielen".
ad 2) wenn man es schafft, die vom "Meister" gestellten kämpferischen Herausforderungen zu überwinden, ist das sehr förderlich für den Verlauf der Handlung.
Silvermane schrieb:
Sicherlich ist es eine Art von Spiel, und sicherlich fällt es wohl auch in den Dunstkreis "Rollenspiele", aber IMHO wären die Jungs im Wargamingbereich wahrscheinlich besser aufgehoben.
Der Wargaming-Bereich aus dem ja alles Rollenspiel entsprungen ist und von dem es sich entfernt hat, aber seine Wurzeln wird das RPG wohl nie ganz verlassen.
Silvermane schrieb:
Manche Leute wollen auch einfach nur alles vom System vorgekaut bekommen und dann einfach nur noch die vorverdauten Bröckchen schlucken (Hallo, L.!). Da ist so ein Supplementmonster wie DSA oder D&D natürlich ergiebiger als z.B. ein Over the Edge oder SLA, wo ich mir die Hälfte des Settings aus einer Körperöffnung meiner Wahl ziehen muß.
Da vermischt da drei Dinge miteinander, die nicht zusammengehören. Es gibt Systeme, die
a) eine komplexe Hintergrundwelt bieten (mit vielen Supplements, die mehr oder weniger sinnreich sind)
b) eine komplexe Hintergrundwelt bieten, diese aber kaum ausarbeiten (weil wenig Produkte aus welchen Gründen auch immer)
c) eine komplexe Hintergrundwelten bieten und auch noch zahlreiche Abenteuer (denn das erspart viel Arbeit).
D&D und DSA sind beides Fälle von c), die Leute wollen Abenteuer und kriegen sie auch.
Desweiteren hat jeder Verlag Interesse daran Produkte zu veröffentlichen und wird es auch tun, wenn er es sich leisten kann, gerade in Amerika. Also davon auszugehen, daß tote Systeme es anders gemacht hätten, halte ich doch für blauäugig.
Silvermane schrieb:
Und ich beobachte immer wieder eine Menge Leute, deren Charaktere überspitzt ausgedrückt im Schrank die Kleiderbügel zählen.
...
Ein Rollenspiel ist kein Film. Wir sind nicht auf ~90 Minuten begrenzt und das Ende muß nicht zwingend kurz nach dem Höhepunkt kommen.
Dann gehst Du aber davon aus, daß der Spielleiter alleine die Geschichte erzählt. Das ist aber bei Rollenspiel (und das ist eine der Besonderheiten des Rollenspiels gegenüber anderen Medien) eben nicht so - man erzählt die Geschichte zusammen.
Silvermane schrieb:
Aber sie haben ihren Spass daran, warum sollte ich sie also abwürgen und die Handlung mit der Brechstange vorantreiben?
Ganz einfach: weil sich die anderen Spieler brutal langweilen. Gutes Rollenspiel entsteht durch einen Konsens in der Erzählung (und wenn man nur der Meinung ist, das man nicht der selben Meinung ist). Wenn alle die Erbsenzählerei super finden (und das schließt den Spielleiter mit ein), dann ist ja alles in Butter, wenn aber einer die Spaßbremse macht, dann folgt der Nackenschlag.
Silvermane schrieb:
Zudem, der vergleich hinkt ein wenig, da in Sleep nichts passiert. Das Äquivalent dazu wäre wohl, wenn die Gruppe auf die Idee kommt 6 Stunden
...
gehe hingegen davon aus das Eine Gruppe von Charakteren sich zumindest mit irgendetwas beschäftigt, woraus dann eine Handlung entstehen kann/wird.
Und wenn Du das tust, dann folgst Du schon einer der elementarsten und weitreichendsten Erzählkonventionen überhaupt - soviel zu "einengend".
Silvermane schrieb:
Ich gehe nicht davon aus, das diese Handlung dramatisch, spannend oder witzig wird.
Genau das sollte man aber anstreben, denn das ist Unterhaltung. Wenn es beim Rollenspiel um "unspannende, undramatische und unwitzige" Dinge gehen würde, dann könnte man wohl auch "Buchhalter D20" spielen - und wieviele "unspannende, undramatische und unwitzige" Settings kennst Du?
Silvermane schrieb:
IMHO ist das der Kern des ganzen, nicht diese Figuren durch ein Erzählszenario zu scheuchen und ihre Handlungen mit irgendwelchen Konventionen, die meist dem Genuß des (hier nicht wirklich vorhandenen) Zuschauers dienen, einzuschränken.
Wie bereits erwähnt, sind diese Zeiten ja auch vorbei - und u.a. hat WW maßgeblich zur Idee des "Gemeinsamen Erzählens" beigetragen.
Silvermane schrieb:
ihre Handlungen mit irgendwelchen Konventionen, die meist dem Genuß des (hier nicht wirklich vorhandenen) Zuschauers dienen, einzuschränken.
Alle Beteiligten sind doch zugleich Zuschauer und Erzähler, das ist doch das Besondere!
Silvermane schrieb:
Sicherlich können Konventionen der Handlung auf die Sprünge helfen,
Nein, die Konventionen helfen der Handlung nicht auf die Sprünge, sie sind Teil der Handlung. Methoden oder Techniken können die Handlung spannender gestalten, aber das ist wohl eher eine Frage der Nomenklatur.
Silvermane schrieb:
aber diese sollten vom Spieler eingebracht werden, nicht vom Regelwerk.
Unsinn. Eine solche Forderung ist ebenso sinnig wie zu fordern, daß das Kino abgeschafft und alle Bücher verbrannt, damit man sich nur noch selbst produziertes zu Gemüte führt.
Warum sollte man nicht auf die Erfahrung und Expertise anderer zurückgreifen? Menschen haben sich Gedanken darüber gemacht, wie man Rollenspiel (ihrer Meinung nach) besser machen, sich das zumindest anzuschauen, kann wohl kaum schaden.
Bis dann, Bücherwurm