Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Pyromancer

Kainskind
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blut_und_glas schrieb:
Hin und wieder frage ich mich, warum man eigentlich oft so bemüht darum ist Geschichten im Rollenspiel wie einen (guten) Film, ein Buch, eine Fernsehserie oder ein Kasperletheater zu erzählen... ...anstatt wie ein Rollenspiel.

Ja, wie? Was unterscheidet eine Rollenspiel-Geschichte von einer Film-Geschichte, einer Fernsehserien-Geschichte oder einer Buch-Geschichte?
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Da wäre ich erstmal vorsichtig:

Mit Vokabular wie "Erzählen" und "Geschichte" engst Du die Formen des Rollenspiels schon massiv ein.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Zum einen das - aber nehmen wir Rollenspiel (und Bücher, Comics, Filme, ...) für diese Diskussion doch ruhig einmal als eine Form des Geschichtenerzählens an, damit wir eine Grundlage haben, von der wir ausgehen können.

mfG
bvh
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Ich vermute was uns BUG hier sagen will ist, warum man denn von vorneherein versucht etwas in ein Schema zu zwängen anstatt die Dinge erst mal passieren zu lassen, wie sie eben passieren.

Der Definition nach umfaßt "wie ein Rollenspiel erzählen" ohnehin jedwege mögliche Art und Erzählweise, die am Spieltisch vorkommen kann.


Wir sind einen langen Weg gegangen, um überflüssige, einengende Regelkonventionen in RPG-Systemen loszuwerden. Warum also bürden wir uns jetzt überflüssige, einengende Erzählkonventionen auf?

-Silver
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Silvermane schrieb:
Wir sind einen langen Weg gegangen, um überflüssige, einengende Regelkonventionen in RPG-Systemen loszuwerden. Warum also bürden wir uns jetzt überflüssige, einengende Erzählkonventionen auf?

ad 1) zunächst die Frage "wer ist "Wir"?". Die Gesamtheit aller Rollenspieler? Wie erklärst Du dann den Erfolg von sehr komplexen Spielen wie D&D?
Es scheint also durchaus Leute zu geben, die Wert auf ein ausgeprägtes Regelkonstrukt legen.

ad 2) zu Deiner Frage: Erzählkonventionen werden eingesetzt, weil sie funktionieren.
Warum verkaufen sich Arztromane millionenfach jeden Monat, obwohl nur ungefähr 4 Geschichten (IIRC genaue Zahl weiß ich gerade nicht, aber auf jeden Fall einstellig) erzählt werden und sich eigentlich nur Namen und Krankheiten unterscheiden? Ganz einfach, weil Millionen Menschen genau das wollen.
Wenn die Menschen wirklich Freiheit wollten, dann bräuchten sie weder Genres, noch Regeln, noch irgendwelche Rollenspielbücher.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Erzählkonventionen findet man überall, angefangen beim Märchen über den Hollywoodfilm bis zum Arztroman, der Versuch ihnen zu entkommen, treibt dann so Auswüchse wie manche Filme von Andy Warhol.

Bei "Sleep" zum Beispiel nimmt er einen Menschen 6 Stunden lang beim Schlafen auf.
Gibt es da eine Erzählkonvention? Nein, einziges Zugeständnis ist das serielle Ablaufen des Films.
Wird da überhaupt was erzählt? Naja, jemand schläft halt.
Das wiederum führt aber nur dazu, daß die ganze Sache gräßlich langweilig ist und niemand, der bei Sinnen ist, sich die ganzen 6 Stunden antut.

Der Bruch mit einzelnen Erzählkonventionen aber oder zumindest der kreative Umgang mit Ihnen kann höchst reizvoll sein (beispielsweise bei Memento), wird aber zwangsläufig dafür sorgen, daß der Film einigen (meist auch vielen) Menschen nicht gefällt oder sie ihn schlichtweg nicht verstehen.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

zunächst die Frage "wer ist "Wir"?".

Ich und mein Dunstkreis. Nicht mehr, nicht weniger.


Wie erklärst Du dann den Erfolg von sehr komplexen Spielen wie D&D?

Eine ungesunde Mischung aus Closet-Wargamer-Kundenkreis und der bekannten "was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht"-Einstellung bestimmer Spieler. Anders kann ich mir auch die atemberaubende Anzahl von Heartbreakern Marke "Wie AD&D/DSA, aber BESSER!" erklären, die atemberaubenderweise immer noch entwickelt werden.

Auf der Gegeseite gefragt: Wie erklärst du dir das Scheitern von Komplexitätsmonstern Marke Phoenix Command? Die Grundregeln hinter D&D sind nicht besonders schwierig, es ist die schiere Menge an Optionen die die Sache (größtenteils unnötig) verkompliziert. Aber so wie einige Leute Schlösser knacken als Hobby betreiben gibt es wohl auch genug Rollenspieler, die gerne "Systeme knacken" spielen und innerhalb des Regelwerkes durch konsequente, wenn auch kreative auslegung der Regelmechanismen vorbei am gesunden Menschenverstand einen unkaputtbaren Supercharakter bauen.

Was das ganze mit dem "ausspielen" eines fiktiven Charakters zu tun haben soll oder wie so etwas einer Handlung gegenüber förderlich ist hat sich mir allerdings nicht erschlossen, nein. Sicherlich ist es eine Art von Spiel, und sicherlich fällt es wohl auch in den Dunstkreis "Rollenspiele", aber IMHO wären die Jungs im Wargamingbereich wahrscheinlich besser aufgehoben.

Manche Leute wollen auch einfach nur alles vom System vorgekaut bekommen und dann einfach nur noch die vorverdauten Bröckchen schlucken (Hallo, L.!). Da ist so ein Supplementmonster wie DSA oder D&D natürlich ergiebiger als z.B. ein Over the Edge oder SLA, wo ich mir die Hälfte des Settings aus einer Körperöffnung meiner Wahl ziehen muß.

Bei "Sleep" zum Beispiel nimmt er einen Menschen 6 Stunden lang beim Schlafen auf.
Gibt es da eine Erzählkonvention? Nein, einziges Zugeständnis ist das serielle Ablaufen des Films.

Und ich beobachte immer wieder eine Menge Leute, deren Charaktere überspitzt ausgedrückt im Schrank die Kleiderbügel zählen. Aber sie haben ihren Spass daran, warum sollte ich sie also abwürgen und die Handlung mit der Brechstange vorantreiben? Ein Rollenspiel ist kein Film. Wir sind nicht auf ~90 Minuten begrenzt und das Ende muß nicht zwingend kurz nach dem Höhepunkt kommen.

Zudem, der vergleich hinkt ein wenig, da in Sleep nichts passiert. Das Äquivalent dazu wäre wohl, wenn die Gruppe auf die Idee kommt 6 Stunden Schlaf auszuspielen ("Graubart der Zwerg dreht sich von rechts nach links und murmelt etwas..." "Was denn?" "Hmm...."Graschrumbl..." "Ah!"). Ich gehe hingegen davon aus das Eine Gruppe von Charakteren sich zumindest mit irgendetwas beschäftigt, woraus dann eine Handlung entstehen kann/wird.
Ich gehe nicht davon aus, das diese Handlung dramatisch, spannend oder witzig wird. Aber es passiert zumindest etwas, die Figuren interagieren mit ihrer Umwelt. IMHO ist das der Kern des ganzen, nicht diese Figuren durch ein Erzählszenario zu scheuchen und ihre Handlungen mit irgendwelchen Konventionen, die meist dem Genuß des (hier nicht wirklich vorhandenen) Zuschauers dienen, einzuschränken.

Sicherlich können Konventionen der Handlung auf die Sprünge helfen, aber diese sollten vom Spieler eingebracht werden, nicht vom Regelwerk.

-Silver
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Wahrscheinlich versucht man eine geschichte im rollenspeil so wie etwas anderes zu erzählen, damit man etwas hat woran man sich anlehnen kann. Damit man ne orientierung hat wie es den gehen könnte...wo hört man den schon mal nen rollenspiel?

und wozu regelbücher, na ja wären keine da mit den grundlegenden kramm würde man sich doch ständig darüber im unreinen sein wies den nun funktionieren soll und wer denn nun recht hat. und so umfangreich sind die d&d bücher eigentlich gar nicht...
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Pyromancer schrieb:
Was unterscheidet eine Rollenspiel-Geschichte von einer Film-Geschichte, einer Fernsehserien-Geschichte oder einer Buch-Geschichte?
Wenn wir mal von der Interaktivität absehen:
Rollenspielgeschichten/Abenteuer sind in ihrer Erzählweise wesentlich limitierter als Bücher. Zum einen weil der Mensch ein Sichttier ist, das am meisten Informationen über die Augen aufnehmen kann. Die Aufnahmefähigkeit über die akustische Informationen liegt bei knapp 1/3 der Augen. Bei einem Buch ist es wesentlich einfacher Informationen im Subtext oder bestimmte Stimmungen wahrzunehmen. Bestimmte Passagen können bei Bedarf noch mal gelesen werden. Bei Rollenspielen muss der SL versuchen Informationen, Subtexte und die Stimmung für die Spieler greifbar zumachen - Und er hat dafür nur eine Chance!
Der Autor eines Buches feilt stellenweise monatelang an bestimmten Absätzen und kann sie so perfektionieren, dass einem aufmerksamen Leser die Situation möglichst klar vor Augen erscheint.
Ein Autor muss sich keine Gedanken darum machen, ob eine Gruppe von 5 oder 6 Leuten in der Lage ist der Handlung gleichzeitig folgen zu können. Auch muss er nicht im Extremfall 5 oder 6 verschiedene Geschmäcker und Vorlieben bedienen.

Rollenspiele sind in ihrer Erzählweise auf Grund der Spontanität und der Gruppendynamik wesentlich limitierter als es Geschichten sind.

@An die Wortakrobaten:
Bitte erklärt mir mal bitte den genauen Unterschied zwischen "Geschichten" und "Abenteuern" im RSP-Bereich und erzählt mir dabei nicht das eines davon von WW erfunden wurde. Wie stelle ich in einer neuen Runde fest, ob ich gerade an einer Geschichte oder an einem Abenteuer teilnehme?
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Silvermane schrieb:
Und ich beobachte immer wieder eine Menge Leute, deren Charaktere überspitzt ausgedrückt im Schrank die Kleiderbügel zählen. Aber sie haben ihren Spass daran, warum sollte ich sie also abwürgen und die Handlung mit der Brechstange vorantreiben? Ein Rollenspiel ist kein Film. Wir sind nicht auf ~90 Minuten begrenzt und das Ende muß nicht zwingend kurz nach dem Höhepunkt kommen.

Wir sind zwar nicht auf 90 Minuten begrenzt, aber auf 3-5 Stunden (je nach Spielrunde). Und wenn in der Zeit "die Charaktere kaufen ein", "die Charaktere führen unwichtige Gespräche mit NSCs" und "die Charaktere laufen durch die Wildnis und erschlagen Monster" passiert, dann ist das zumindest für mich ziemlich unbefriedigend.
Ich ziehe es vor, wenn nicht nur "etwas passiert", sondern wenn "etwas wichtiges passiert".
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Silvermane schrieb:
Eine ungesunde Mischung aus Closet-Wargamer-Kundenkreis und der bekannten "was der Bauer nicht kennt, frißt er nicht"-Einstellung bestimmer Spieler. Anders kann ich mir auch die atemberaubende Anzahl von Heartbreakern Marke "Wie AD&D/DSA, aber BESSER!" erklären, die atemberaubenderweise immer noch entwickelt werden.

Ungesund? Closet-Wargamer-Kundenkreis? Intoleranz-Unterstellungen?

Ich bin auch kein großer Freund des kompletten D&D- oder DSA-Pakets, aber so abwertend über sie zu sprechen, halte ich doch für unangemessen.

Silvermane schrieb:
Auf der Gegeseite gefragt: Wie erklärst du dir das Scheitern von Komplexitätsmonstern Marke Phoenix Command?

Falsches Genre, schlechtes Marketing, schlechtes Regelsystem.

Silvermane schrieb:
Was das ganze mit dem "ausspielen" eines fiktiven Charakters zu tun haben soll oder wie so etwas einer Handlung gegenüber förderlich ist hat sich mir allerdings nicht erschlossen, nein.

ad 1) niemand sagt, daß "Ausspielen" eine schauspielerische Leistung erfordert, auch regeltechnisch kann man einen Charakter "ausspielen".

ad 2) wenn man es schafft, die vom "Meister" gestellten kämpferischen Herausforderungen zu überwinden, ist das sehr förderlich für den Verlauf der Handlung.

Silvermane schrieb:
Sicherlich ist es eine Art von Spiel, und sicherlich fällt es wohl auch in den Dunstkreis "Rollenspiele", aber IMHO wären die Jungs im Wargamingbereich wahrscheinlich besser aufgehoben.

Der Wargaming-Bereich aus dem ja alles Rollenspiel entsprungen ist und von dem es sich entfernt hat, aber seine Wurzeln wird das RPG wohl nie ganz verlassen.

Silvermane schrieb:
Manche Leute wollen auch einfach nur alles vom System vorgekaut bekommen und dann einfach nur noch die vorverdauten Bröckchen schlucken (Hallo, L.!). Da ist so ein Supplementmonster wie DSA oder D&D natürlich ergiebiger als z.B. ein Over the Edge oder SLA, wo ich mir die Hälfte des Settings aus einer Körperöffnung meiner Wahl ziehen muß.

Da vermischt da drei Dinge miteinander, die nicht zusammengehören. Es gibt Systeme, die
a) eine komplexe Hintergrundwelt bieten (mit vielen Supplements, die mehr oder weniger sinnreich sind)
b) eine komplexe Hintergrundwelt bieten, diese aber kaum ausarbeiten (weil wenig Produkte aus welchen Gründen auch immer)
c) eine komplexe Hintergrundwelten bieten und auch noch zahlreiche Abenteuer (denn das erspart viel Arbeit).

D&D und DSA sind beides Fälle von c), die Leute wollen Abenteuer und kriegen sie auch.

Desweiteren hat jeder Verlag Interesse daran Produkte zu veröffentlichen und wird es auch tun, wenn er es sich leisten kann, gerade in Amerika. Also davon auszugehen, daß tote Systeme es anders gemacht hätten, halte ich doch für blauäugig.

Silvermane schrieb:
Und ich beobachte immer wieder eine Menge Leute, deren Charaktere überspitzt ausgedrückt im Schrank die Kleiderbügel zählen.
...
Ein Rollenspiel ist kein Film. Wir sind nicht auf ~90 Minuten begrenzt und das Ende muß nicht zwingend kurz nach dem Höhepunkt kommen.

Dann gehst Du aber davon aus, daß der Spielleiter alleine die Geschichte erzählt. Das ist aber bei Rollenspiel (und das ist eine der Besonderheiten des Rollenspiels gegenüber anderen Medien) eben nicht so - man erzählt die Geschichte zusammen.

Silvermane schrieb:
Aber sie haben ihren Spass daran, warum sollte ich sie also abwürgen und die Handlung mit der Brechstange vorantreiben?

Ganz einfach: weil sich die anderen Spieler brutal langweilen. Gutes Rollenspiel entsteht durch einen Konsens in der Erzählung (und wenn man nur der Meinung ist, das man nicht der selben Meinung ist). Wenn alle die Erbsenzählerei super finden (und das schließt den Spielleiter mit ein), dann ist ja alles in Butter, wenn aber einer die Spaßbremse macht, dann folgt der Nackenschlag.

Silvermane schrieb:
Zudem, der vergleich hinkt ein wenig, da in Sleep nichts passiert. Das Äquivalent dazu wäre wohl, wenn die Gruppe auf die Idee kommt 6 Stunden
...
gehe hingegen davon aus das Eine Gruppe von Charakteren sich zumindest mit irgendetwas beschäftigt, woraus dann eine Handlung entstehen kann/wird.

Und wenn Du das tust, dann folgst Du schon einer der elementarsten und weitreichendsten Erzählkonventionen überhaupt - soviel zu "einengend".

Silvermane schrieb:
Ich gehe nicht davon aus, das diese Handlung dramatisch, spannend oder witzig wird.

Genau das sollte man aber anstreben, denn das ist Unterhaltung. Wenn es beim Rollenspiel um "unspannende, undramatische und unwitzige" Dinge gehen würde, dann könnte man wohl auch "Buchhalter D20" spielen - und wieviele "unspannende, undramatische und unwitzige" Settings kennst Du?

Silvermane schrieb:
IMHO ist das der Kern des ganzen, nicht diese Figuren durch ein Erzählszenario zu scheuchen und ihre Handlungen mit irgendwelchen Konventionen, die meist dem Genuß des (hier nicht wirklich vorhandenen) Zuschauers dienen, einzuschränken.

Wie bereits erwähnt, sind diese Zeiten ja auch vorbei - und u.a. hat WW maßgeblich zur Idee des "Gemeinsamen Erzählens" beigetragen.

Silvermane schrieb:
ihre Handlungen mit irgendwelchen Konventionen, die meist dem Genuß des (hier nicht wirklich vorhandenen) Zuschauers dienen, einzuschränken.

Alle Beteiligten sind doch zugleich Zuschauer und Erzähler, das ist doch das Besondere!

Silvermane schrieb:
Sicherlich können Konventionen der Handlung auf die Sprünge helfen,

Nein, die Konventionen helfen der Handlung nicht auf die Sprünge, sie sind Teil der Handlung. Methoden oder Techniken können die Handlung spannender gestalten, aber das ist wohl eher eine Frage der Nomenklatur.

Silvermane schrieb:
aber diese sollten vom Spieler eingebracht werden, nicht vom Regelwerk.

Unsinn. Eine solche Forderung ist ebenso sinnig wie zu fordern, daß das Kino abgeschafft und alle Bücher verbrannt, damit man sich nur noch selbst produziertes zu Gemüte führt.
Warum sollte man nicht auf die Erfahrung und Expertise anderer zurückgreifen? Menschen haben sich Gedanken darüber gemacht, wie man Rollenspiel (ihrer Meinung nach) besser machen, sich das zumindest anzuschauen, kann wohl kaum schaden.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Antalas schrieb:
Bei Rollenspielen muss der SL versuchen Informationen, Subtexte und die Stimmung für die Spieler greifbar zumachen - Und er hat dafür nur eine Chance!

Eine Chance bei jedem Spieler, in den meisten Runden unterhalten sich die Spieler ja gelegentlich und können sich gegenseitig austauschen

Antalas schrieb:
Der Autor eines Buches feilt stellenweise monatelang an bestimmten Absätzen und kann sie so perfektionieren, dass einem aufmerksamen Leser die Situation möglichst klar vor Augen erscheint.

Wenn das überhaupt in seinem Interesse liegt, die meisten Bücher der Unterhaltungsliteratur dienen ja üblicherweise nicht dazu möglichst realistische oder detailgenaue Schilderungen zu bieten, sondern zu unterhalten.

Aber was ganz anderes: Wieviele Autoren kennst Du denn die das so machen? So etwas können sich nur die allerwenigsten leisten und selbst die haben (zumindest heutzutage) nicht wirklich Lust dazu monatelang an Kleinigkeiten herumzudoktorn.

Antalas schrieb:
Ein Autor muss sich keine Gedanken darum machen, ob eine Gruppe von 5 oder 6 Leuten in der Lage ist der Handlung gleichzeitig folgen zu können. Auch muss er nicht im Extremfall 5 oder 6 verschiedene Geschmäcker und Vorlieben bedienen.

Huh? Nur weil ein Spielleiter eine kleinere Rezipientengruppe als einige Autoren hat, heißt das ja noch lange nicht, daß seine Abenteuer nicht deutlich mehr Menschen gefallen würden. Ich sehe da keine Einschränkung, im Gegenteil der Spielleiter kann doch viel stärker auf seine "Zielgruppe" eingehen, als es Buchautor jemals können wird (außer er schreibt ein Buch für ein paar Freunde).

Antalas schrieb:
Rollenspiele sind in ihrer Erzählweise auf Grund der Spontanität und der Gruppendynamik wesentlich limitierter als es Geschichten sind.

Dafür würde Dir jeder Narratologe ins Kreuz springen: Eine Buch hat exakt eine Erzählung. Das Rollenspiel aber entwickelt sich im Laufe des Spielabends aufgrund der Interaktion aller Beteiligter.
Wenn man 2 verschiedene Spielgruppen 1 vorgegebenes Abenteuer spielen läßt, dann wird es reihenweise Abweichungen und Varianten geben, auch wenn am Ende (vielleicht) ein ähnliches Ergebnis steht.
Wenn man 2 Menschen ein Buch lesen läßt, ändert das am Buch gar nichts, weder am Anfang, noch an der Mitte, noch am Ende. Vielleicht gefallen den Leuten unterschiedliche Dinge oder auch ihre Inhaltsangaben wären verschieden, aber das Buch bleibt gleich. Das nenne ich mal Begrenztheit.

Antalas schrieb:
@An die Wortakrobaten:
Bitte erklärt mir mal bitte den genauen Unterschied zwischen "Geschichten" und "Abenteuern" im RSP-Bereich

Das eine ist abenteuerlich, das andere nicht zwingend. Alle Abenteuer sind Geschichten, aber nicht alle Geschichten sind Abenteuer.
Was genau abenteuerlich bzw. Abenteuer bedeutet:

Wikipedia schrieb:
Als Abenteuer (v. lat.: adventura = Ereignis; mittelhochdt.: aventiure) wird eine risikoreiche Unternehmung als auch ein Erlebnis bezeichnet, welches sich meist stark vom Alltag unterscheidet.

Wenn sich eine Gruppe von Buchhaltern zum Grillen trifft, aber außer einem netten Abend nichts passiert, dann ist es eine Geschichte.
Wenn diese Gruppe von Buchhaltern aber in ein Dimensionstor fällt und anschließend durch einen Dschungel irrt und vor Dinosauriern wegläuft, dann ist es ein Abenteuer (und auch eine Geschichte).

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Silvermane schrieb:
Ich vermute was uns BUG hier sagen will ist, warum man denn von vorneherein versucht etwas in ein Schema zu zwängen anstatt die Dinge erst mal passieren zu lassen, wie sie eben passieren.

Das auch ein wenig, aber ich stelle mir auch eine sehr viel konkretere Frage, nämlich ob das Rollenspiel nicht auch bestimmte "eigene" Methoden und Konventionen entwickelt hat (oder entwickeln könnte?).

Bücherwurm schrieb:
Erzählkonventionen findet man überall, angefangen beim Märchen über den Hollywoodfilm bis zum Arztroman

Aber welche findet man beim Rollenspiel? Mehr noch: Gibt es Erzählkonventionen, die dem Rollenspiel besonders zu eigen sind?

Oder gibt es im Rollenspiel tatsächlich nur das, was aus anderen Bereichen eingeschleppt wurd? Gibt es nur Märchen-Rollenspiel, und Arztroman-Rollenspiel, und cinematisches Rollenspiel? Hat sich da tatsächlich in der dreißigjährigen (das ist jung, ich weiss) Geschichte des Rollenspiels gar nichts entwickelt? Gar nichts von dem man sagen könnte "das ist etwas, wie es typisch für Rollenspiel ist", "das ist etwas, was man im Rollenspiel häufig, in anderen Formen eher selten findet"?

mfG
bvh
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

@Bug

Was hier vorliegt, ist glaube ich eher eine Verwirrung der Begrifflichkeiten, denn es sind bereits Dinge erwähnt worden, die nur dem Rollenspiel zu eigen sind.

Ich definier mal ein paar Begriffe (auf Grundlage der Wikipedia, da auf diese jeder zugreifen kann):


Genre:
Wikipedia schrieb:
Unter Genre [ˈʒɑ̃ʀ] versteht man eine Typologie, mit der Kunstwerke, Musik und Literatur, aber auch Filme, sowie Computer- und Videospiele nach dem räumlichen und zeitlichen Bezug des künstlerischen Inhalts eingeteilt werden.

Der Arztroman ist also ein Genre ebenso wie das Märchen. Das Rollenspiel aber ist kein Genre, sondern ein Medium.

Medium
Wikipedia schrieb:
Medien sind Kommunikationsmittel der Menschen. Weitere bekannte Definitionen bezeichnen Medien als:
* "Vermittlungsträger von Informationen" (Horn/Kerner)

Das Rollenspiel ist ein Medium, ebenso wie Fernsehen, Film oder literarische Texte. Das spannende beim Rollenspiel aber ist die Interaktivität und das Verschwimmen der Rollen von Sender und Empfänger.

Konvention:
Wikipedia schrieb:
Eine Konvention (lat. conventio = Übereinkunft, Zusammenkunft) ist eine nicht formal festgeschriebene Regel, die von einer Gruppe von Menschen aufgrund eines Konsens eingehalten wird. Die Übereinkunft kann stillschweigend zustande gekommen oder auch ausgehandelt worden sein.

Genres können Konventionen mit sich bringen, müssen sie aber nicht. Medien bringen durch ihre Form zwangsläufig Konventionen mit sich. Bei beidem kann man diese aber auch (mehr oder weniger) absichtlich brechen.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Nach dem das aus dem Wege ist, können wir uns mal beim dem Rollenspiel im allgemeinen widmen, eine nähere Untersuchung der Genres lassen wir der Einfachheit halber mal zunächst außen vor.

---

Wie bereits in
http://www.blutschwerter.info/showthread.php?t=12858
festgestellt, zeichnet sich das Rollenspiel durch die folgenden beiden Konventionen aus (hier in verkürzter Form dargestellt):

- die Beteiligten schlüpfen in eine Rolle und stellt diese in einer fiktiven Welt dar.
---> wichtig ist hierbei aber, daß die Beteiligten zugleich Sender und Empfänger sind (nicht wie beim Theater wo die Schauspieler nur einen Text wiedergeben und daher Teil des Mediums sind)

- man unterscheidet zwischen Spielern und Spielleitern
---> hier muß man sich nun die Frage stellen, was für Auswirkungen hat diese Unterscheidung, wo wir dann auch schon bei den Konventionen wären

In den Frühphase des Rollenspiels war der Hauptsender der Spielleiter - er bereitet ein Abenteuer vor, er stellt die Welt und alle NSCs dar, er entscheidet in Regelfragen -, die Spieler hingegen haben vor allem empfangen und dann nur in den Bahnen des Abenteuers reagiert - sprich man muß in den Dungeon rein, da drin hatte man nicht wirklich viel Wahl sondern folgt nur einem vorgegeben Baumdiagramm.

Jetzt kommen wir zum großen Umbruch in dieser Konvention. Sozusagen der Wechsel vom Abenteuer zur Geschichte. WW hat damals eine Sache populär gemacht, die eigentlich auf der Hand liegt, nämlich das Gleichgewicht zwischen Spielleiter und Spieler zu verschieben, anstatt immer nur das zu machen, was sich die SL vorher überlegt hat, wurden die Spiele aus dem Hause WW massiv durch die Interessen der Spieler getrieben (sprich v.a. durch Intrigen).
Ob das neu ist, wage ich mal zu bezweifeln, eine solche Entwicklung liegt auf der Hand, aber WW hat das ganze einfach populär gemacht und als Geniestreich verkauft. Wirklich neu war dabei eher das Marketing, die Aufmachung und der große Schwerpunkt auf diesem Verwischen der Sender-Empfänger-Grenzen.
Aus diesem Grunde sind zum Beispiel Abenteuerbände für WW viel weniger wichtig als für andere Rollenspiele, denn in vielen Runden muß nichts dramatisches passieren, damit ein Spiel in Gang kommt.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Ein Nachtrag noch:

Der beschriebene Einschnitt markiert wohl auch den Wechsel vom "Plot-getriebenen" Spiel zum "Charakter-getriebenen" Spiel.

Beim erstgenannten sind die Charaktere (mit ihrem Hintergrund und ihren Eigenschaften) nebensächlich wichtiger sind ihre Fähigkeiten (bei AD&D beispielsweise braucht man etwas Krieger-artiges und etwas Heiler-artiges, alles andere ist nebensächlich aber nützlich gerade Dieb oder Magier). Ob der Krieger aus Cormyr kommt und der Sohn eines Schmieds ist, ist nebensächlich.
Den Plot denkt sich natürlich der Spielleiter aus, wobei gekaufte Abenteuer natürlich problemlos zu integrieren sind.

Beim zweitgenannten hingegen bieten die Charaktere Aufhänger für Handlung.
Der Krieger aus Cormyr mag zum Beispiel treudoof sein und daher wenn ein Landsmann ihn bietet das besetzte Cormyr zu befreien allzu bereit sein mitzugehen. Oder noch extremer: Die Interaktion der Charaktere sorgt für Handlung. Sprich der hinterlistige Magier hetzt den Krieger gegen die anderen auf, so daß man sie irgendwo zurückläßt.

Damit einhergehend vollzog sich auch eine andere Änderung, die Spiele wurden schlichtweg weniger Kampf-betont. Wenn man sich Spiele anschaut, die vor der Veröffentlichung von V:tM erschienen, spielte die kriegerische Auseinandersetzung eine große Rolle (was man allein schon an der Anzahl Waffen ablesen konnte, die da geboten wurden).
V:tM hingegen bietet eine Handvoll Waffen und ein äußerst bescheidenes Kampfsystem, das langsam und schwerfällig ist. Hat das dem Spiel aber einen Abbruch getan? Nein, schlichtweg weil der Kampf weniger wichtig war in vielen Spielrunden, stattdessen spielte plötzlich das hinterlistige Politik machen eine gewaltige Rolle.
Achtung! Vermutung!: Das mag einer der Gründe sein, warum viel mehr Frauen angefangen haben Rollenspiel zu betreiben. Vorher war Rollenspiel vor allem eine Männerdomäne. Allein schon das Konzept das Vampirs scheinen viele Frauen spannend zu finden (soweit ich das aus meinem Bekanntenkreis und Uni-Umfeld beurteilen kann), aber wenn es nur ums Kloppen gegangen wäre, dann wären viele Frauen wohl nicht dabei geblieben.
Das kann man auch recht deutlich in vielen Live-Rollenspielen miterleben, bei Vampire wimmelt es vor Damen (naja so 40% im Durchschnitt behaupte ich mal), bei Fantasy-Lives hingegen, sieht das schon ganz anders aus.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Bücherwurm schrieb:
Was hier vorliegt, ist glaube ich eher eine Verwirrung der Begrifflichkeiten,

Da erliegst du dann hoffentlich einem Irrglauben. ;)

Mein "Problem" (Anführungszeichen beachten) liegt nicht in einer Verwirrung von Genre und Medium. Auch nicht in der Ignoranz bezüglich der Interaktivität des Rollenspiels als einem besonders hervorhebenswerten Merkmal.

Vielmehr geht es mir um die Frage, ob Rollenspiel (von der Interaktivität einmal abgesehen) keine Besonderheiten aufweist, was die Art und Weise und den Inhalt der "erzählten Geschichten" angeht.
Diese Frage stelle ich mir regelmäßig dann, wenn über das gezielte Nachahmen anderer Medien (beziehungsweise der Umsetzung bestimmter Genres in bestimmten Medien) durch Rollenspiel gesprochen wird - so wie es auch bei der ursprünglichen Diskussion hier (cinematisches Erzählen) der Fall war.

mfG
bvh
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

blut_und_glas schrieb:
Vielmehr geht es mir um die Frage, ob Rollenspiel (von der Interaktivität einmal abgesehen) keine Besonderheiten aufweist, was die Art und Weise und den Inhalt der "erzählten Geschichten" angeht.

Auch wenn ich der Meinung bin, das dies etwas am Thema des Threads vorbeigeht, können wir diese "Can o' Worms" gerne aufmachen, aber Genres auch noch hineinzuziehen, macht die Sache nicht zwingend leichter ;-)

Ich muß aber gleich weg, also erst später was von mir dazu.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

So, Flug hat Verspätung, da mal wieder eine vorgeschlagene Herangehensweise von mir.

Als Vorsatz:
Über Genres kann man wunderbar streiten, ich setze hier meine durch Skundärliteratur und Studium gestützte Definition an.

Im Rollenspiel findet man vor allem ein Übergenre - nämlich das Phantastische. Das Phantastische Genre zeichnet sich in dieser Definition zunächst einmal nur durch durch die Anwesenheit von Dingen aus, die außerhalb unserer Realität liegen (sprich meist magisches, übernatürliches oder überwissenschaftliches).

Das Phantastische Genre unterteilt sich in drei Untergenres:
- die Fantasy (bei der es Magie gibt),
- die Sci-Fi (bei der es überlegene Technologie oder Außerirdische gibt) und
- der Horror (bei dem das Bedrohliche [oft Übernatürliche] in die normale Welt einbricht).

Die Grenzen hierbei (wie bei allen Genres) sind natürlich fließend und nicht zwingend toll auseinander zu halten.

Andere Genres, die man gelegentlich im Rollenspielbereich findet, die aber sehr oft mit einem der o.g. Genres verquickt werden sind:
- der Abenteuerfilm (der teilweise kaum von der Fantasy zu trennen ist)
- der Historienfilm (ebenfalls in der Fantasy mit ihrem Quasimittelalter, gerne aber auch mit dem Horror) - Kriegsfilm und Western könnte man hier ausgliedern, macht die Sache aber noch unübersichtlicher.
sowie die
- Komödie (insbesondere mit der Parodie).

Soweit so gemeinplatzig.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Wenden wir uns jetzt Besonderheiten von Rollenspielgenres im Kontrast zu in anderen Medien gebräuchlichen Eigenschaften des Genres zu.

Für den ersten Unterschied muß man gar nicht lange suchen, der ist nämlich durch das Rollenspiel vorausgesetzt:

Unterschied 1) Die Gruppe: die aller meisten Filme und Genres haben 1 Hauptcharaktere (seltener auch 2, aber viel mehr wird mehr als schwierig und äußerst selten). Selbst wenn es eine "Posse" gibt (wie im klasssischen Western zum Beispiel üblich), gibt es doch immer einen klaren Anführer, dem auch die Narration folgt.

Beim Rollenspiel hingegen gibt es üblicherweise 4 bis 6 Hauptcharaktere, die gerne auch mal demokratisch über Dinge entscheiden. So etwas ist in fast allen anderen Erzählformen und Genres undenkbar.

Bis dann, Bücherwurm
 
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