Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

OK, kommen wir noch mal zur Eingangsfrage:

Das einzige, was alles Rollenspiel ausmacht ist, das mehrere Leute zusammen eine gemeinsame Vorstellung aufbauen. Wenn man also eine Geischichte "wie ein Rollenspiel" erzählen will, braucht man dafür mehrere Leute. Nicht mehr und nicht weniger.
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

So ich mach mal mit Unterschieden in einzelnen Genres weiter:

Unterschied 2) Horror und Happy-End: Der Horror endet in Film und Buch gerne mal mit einem tragischen Ende (sprich der Protagonist stirbt) oder einem Gegner, der gar nicht wirklich besiegt ist.
Im Rollenspiel hingegen war über lange Jahre der Sieg der Helden am Ende (wenn auch teilweise mit Opfern) mehr oder weniger vorprogrammiert, was sich sogar aufs Horror-Genre ausdehnte.
Selbst bei Spielen wie CoC (bei denen die literarische Vorlage doch eher die Nichtigkeit des Menschen suggeriert) schaffen es die Spieler am Ende doch die aktuellen Pläne des Kultes/der bösen Wesen/des Großen Alten zu durchkreuzen.
Anscheinend verlangt es die meisten Rollenspieler nach einem Erfolgserlebnis am Ende, auch wenn "Pyrrhus-Siege" zu genommen haben, findet man tragische Ende nur sehr selten und das "Happy-End" scheint immer noch dominant zu sein.

Unterschied 3) Die Schwarz-Weiß-Trennung: Ursprünglich aus dem Märchen stammend, in Fantasy und Western neue Erfolge feiernd, war dieser Effekt auch über lange Jahre im Rollenspiel jedweden Genres SEHR dominant (man möge nur an Gesinnungen denken).
Erst durch das Erstarken von "grauen Charakteren" und Antihelden (u.a. durch Cyberpunk 2020 bzw. Shadowrun) wird dies stark abgeschwächt - auch wenn das klassische Fantasy-Rollenspiel an dieser Konvention festhält.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

1of3 schrieb:
Das einzige, was alles Rollenspiel ausmacht ist, das mehrere Leute zusammen eine gemeinsame Vorstellung aufbauen. Wenn man also eine Geischichte "wie ein Rollenspiel" erzählen will, braucht man dafür mehrere Leute. Nicht mehr und nicht weniger.

Nein, siehe Computerrollenspiel und Solo-Abenteuer.

Da braucht man in beiden Fällen nur 1 Spieler und einen abstrakten Gegenüber, sind aber trotzdem Rollenspiele (wenn auch Unterformen).

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Ein einzelner Beitrag würde es ja einfacher machen Karma zu vergeben, Bücherwurm. ;)

Davon abgesehen, wollte ich mich nur noch schnell für den "Themenschwenk" bedanken, zu mehr reicht es gerade nicht, denn jetzt bin ich es der gleich weg muss. :)

mfG
bvh
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

blut_und_glas schrieb:
Ein einzelner Beitrag würde es ja einfacher machen Karma zu vergeben, Bücherwurm. ;)

Ein einzelner Beitrag würde die Sache aber noch langwieriger machen und eine komplizierte Diskussion verkomplizieren.

So, nächster Versuch der Flughafenabholung.

Vielleicht trauen sich in der Zwischenzeit ja noch mehr Leute was zu sagen? Hier gibts doch schlaue Köpfe!

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Bücherwurm schrieb:
Das eine ist abenteuerlich, das andere nicht zwingend. Alle Abenteuer sind Geschichten, aber nicht alle Geschichten sind Abenteuer.
Was genau abenteuerlich bzw. Abenteuer bedeutet: (wiki-link)Wenn sich eine Gruppe von Buchhaltern zum Grillen trifft, aber außer einem netten Abend nichts passiert, dann ist es eine Geschichte.
Wenn diese Gruppe von Buchhaltern aber in ein Dimensionstor fällt und anschließend durch einen Dschungel irrt und vor Dinosauriern wegläuft, dann ist es ein Abenteuer (und auch eine Geschichte)
Das sind doch eher akademische Unterschiede.
Gut, ich weiss jetzt, dass die letzten beiden D&D-Abende eher Geschichten waren, dass meine letzte Magus-Runde zu 95% Abenteuer erlebte und dass die Vampire-Sitzungen, die erleiden musste auch, eher als Abenteuer zu bezeichnen sind. Sowohl als Spieler als auch als SL habe ich keine Unterschiede feststellen können.
Vielleicht kannst Du mich ja mal aufklären welche großartigen Unterschiede es in der Art sie zu leiten oder erzählen ich in den letzten 10 Jahren übersehen habe.

Nebenbei: Ich muss ganz offen zugeben, dass ich von diesem Kategoresierungswahn absolut nichts halte. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kategorien sind so minimal, dass es wesentlich einfacher und vor allem sinnvoller wäre die gemeinsame Basis zu benennen als 1000 und eine Schublade zu erfinden. Bringt nichts und man verschwendet nur Zeit und Platz damit. Rollenspiele sind keine Wissenschaft, sondern nur ein Hobby. Und selbst in der Wissenschaft ist man stets bemüht nicht ständig neue Schubladen zu generieren, sondern vom Einzelfall auf den Allgemeinfall zu schließen. Nicht anders rum.
Rollenspiel sind ein nettes Hobby, aber was hier zum Großteil diskutiert wird, ist in meinen Augen nur ein Versuch eine eher belanglose Beschäftigung mehr Tiefe und intellektuellen Anspruch zu verleihen.
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Ein Merkmal, das mir auffällt, sind die Fähigkeiten, die Bücherwurm in einem eher "historischen" Kontext erwähnt hat. Genauer gesagt die Entwicklung von Fähigkeiten, dass Figuren persönliche/charakterliche Entwicklungen durchleben findet man im Rollenspiel genauso wie im Film (oder (Arzt- ;))Roman, oder, oder), das ist also nichts wirklich hervorhebenswertes - dass sich aber die Fähigkeiten einer Figur verändern, das scheint mir tatsächlich im Rollenspiel wesentlich häufiger und wichtiger zu sein.

Conan verfügt schon wenn wir ihm als Leser das erste Mal begegnen über seine pantherhafte Gewandheit, seine Stärke und Zähigkeit, und sie verändert sich ebenso wenig wie sein Geschick mit der Waffe, wenn wir ihn als Piraten oder später als König wiedertreffen.

Bei Rollenspielcharakteren hingegen erleben wir regelmäßig die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten.

mfG
bvh
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

blut_und_glas schrieb:
Bei Rollenspielcharakteren hingegen erleben wir regelmäßig die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten.
So regelmäßig ist das auch im Rollenspiel nicht. Nur weil aus der Entwicklungsgeschichte der Rollenspiele der Fähigkeitszuwachs, die Geschichte des reifenden, lernenden Charakters einen breiten Raum einnimmt, kann man das nicht generell sagen. - Auch in der Literatur lernen übrigens manche wiederkehrenden Charaktere hinzu: Domink Flandry z.B. im Sci-Fi-Genre oder Harry Flashman bei viktorianisch-historischen Romanen. Der gleich zu Beginn sehr kompetente Held erlaubt dem Autoren einfach nur sogleich anspruchsvollere Herausforderungen schildern zu können. Wenn bei Kämpfern wie Conan nur einer unter Tausend solche haarsträubenden, gewalttätigen Abenteuer in Kindheit, Jugend und jungem Erwachsenendasein überlebt, dann will man doch als Autor nicht 999 Geschichten von denen schreiben, die auf der Strecke geblieben sind (außer man möchte explizit Verlierer darstellen, was bei dem Genre, zu dem Conan, Solomon Kane und andere Robert E. Howard Charaktere gehören, nicht der Fall ist).

Mal aus dem Ärmel geschüttelt ein paar Beispiele für nicht-aufstiegs-orientierte Rollenspiele...

Traveller: Ein Rollenspiel der Frühzeit, stufenlos, mit Charakter-Lebensgeschichte und kompetenten Charakteren bereits bei Spielbeginn. Hier war (u.a. auch durch die Regeln dazu) das spätere Hinzulernen von Skills im Laufe des aktiven Spiels doch eine seltene und meist nach Jahren in magerem Zuwachs sich darstellende Ausnahme. Die Charaktere hier fingen dafür aber schon mitten in bzw. nach einer langjährigen Karriere an. Sie waren schon bei Beginn der eigentlichen Geschichte kompetent und lebenserfahren. (Ähnlich wie Conan.)

Castle Falkenstein: In dieser magischen, dampftechnologisch durchsetzten viktorianisch-angehauchten Fantasy ist ein Charakter bei Spielbeginn recht kompetent. Man fängt nicht als Lehrling, sondern als Meister an. Man kann natürlich auch seiner Fähigkeiten verbessern, aber dies muß direkt ausgespielt werden. Also kein "ich setze mal eben 200 EP in Reiten+n um" oder "ich bin gerade über eine Level-Grenze gerutscht und kann jetzt Reiten besser", sondern man hat gefälligst In-Game(!) sich einen Reitlehrer zu suchen, sich mit eifrigem Bemühen um eine Verbesserung der Reitkunst zu kümmern, sich dabei die Anerkennung der anderen Reiter aus der guten Gesellschaft zu erwerben, bevor man von sich behaupten kann "Ich bin nun ein Hervorragender Reiter".

Engel: In dieser Welt der Engel, können Engel-Charaktere eigentlich nur in drei spielbaren "Erfahrungsgraden" auftreten: Signum-geweiht, Sigil-geweiht, Scriptura-geweiht. Man kann aber bereits bei Spielbeginn mit Sigil- oder Scriptura-Engeln starten, wenn man das möchte und der Spielleiter nicht vorhat eben die übliche Entwicklungs- und Aufstiegsgeschichte zu erzählen, sondern andere Geschichten, die sogleich sehr kompetente SCs brauchen. Den Aufstieg in die nächste Weihe kann man als Spieler auch schlecht forcieren, da es von der Reife des stofflichen Körpers der Engel abhängt, ob und wann sie für die nächste Stufe der Zeichnungen bereit sind. Somit fällt die Motivation des "ich will/brauche mehr Erfahrung um den nächsten Grad zu erreichen" bei Engel nach Arkana-System flach (bei Engel nach d20 ist das wie bei D&D - somit gibt das Engel d20 nach meinem Eindruck eine andere Art der Geschichten fast schon zwangsläufig vor, da es IMMER das System ist, welches die Freiheitsgrade eines Rollenspiels kanalisiert bzw. einschränkt und man bei stufenbasierten Systemen stets mit Willen und Energie das System biegen oder gar brechen muß, um die gleichen Geschichten zu erzählen, wie in stufenlosen Systemen. Ein Problem, welches ich übrigens auch mit Traveller T20 im Vergleich zum klassischen Traveller sehe.).

In drei obigen aufgeführten Systemen haben wir es mit drei ziemlich unterschiedlichen Genres zu tun. Es werden SEHR unterschiedliche Geschichten darin erspielt. Doch aus der Perspektive der (wie ein genetischer Code des Regelsystems) ins Regelwerk eingebetteten Aufstiegs-Geschichte als DER Geschichte, die zwangsläufig JEDER Charakter erfahren MUSS, haben diese drei Beispiele eines gemeinsam: NIEMAND MUSS HINZULERNEN.

Jegliches Lernen weiterer Fähigkeiten erfolgt In-Game durch bewußtes Ausspielen des Charakters, nicht durch die Automatismen einer XP-Level-Verkettung oder ähnlicher, unvermeidbarer Aufstiegsmechaniken.

Bei den Systemen, die ich spiele, halten sich Systeme mit Level/Grad/oder sonstigen Fähigkeitsverbesserungsmechnismen die Waage mit Systemen ohne jeglichen Automatismus/Zwang zur ständigen Erfahrungssammlung. Entsprechend sind es somit auch stets sehr unterschiedliche Geschichten, die sich aus diesen System-Randbedingungen ergeben.

Die "regel"-mäßige Aufstiegs-Geschichte ist sicherlich ein wichtiger Aspekt von Rollenspielen, aber schon Gammaworld 1st Ed. (1978 ), welches mein erstes anderes Rollenspiel neben D&D war, hatte KEINE Level, KEINEN Erfahrungszugewinn durch XP, sondern nur einen Zugewinn an sozialem Rang in seiner Gemeinschaft durch XP. Im Spiel empfanden wir das damals schon erfrischend anders als die typische D&D Quest nach dem nächsten Charakter-Level. Da stufenlose, nicht-aufstiegsorientierte Rollenspiele fast so alt wie die verbreiteteren stufenabhängigen Rollenspiele sind, würde man aber m.E. etwas unterschlagen, wenn man den oben zitierten Satz so stehen ließe.
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Antalas schrieb:
Rollenspiel sind ein nettes Hobby, aber was hier zum Großteil diskutiert wird, ist in meinen Augen nur ein Versuch eine eher belanglose Beschäftigung mehr Tiefe und intellektuellen Anspruch zu verleihen.
Wenn man etwas mehr als 25 Jahre durchgehend und aktiv praktiziert, dann ist es - Hobby oder nicht - auf alle Fälle aus persönlicher Sicht nicht mehr "belanglos". Dann ist es Teil des eigenen Lebens geworden. Rollenspielen gehört zu meiner Persönlichkeit dazu. Immerhin spiele ich WEITAUS LÄNGER Rollenspiele, als ich in meinem aktuellen Beruf arbeite. Was mir an persönlichem Wert in den letzten mehr als zwei Jahrzehnten Rollenspiel erwachsen ist, das ist garnicht zu beschreiben.

Niemand macht etwas ohne Belang so lange oder so intensiv.

Aber natürlich muß nicht jedem die Beschäftigung mit Rollenspielen so viel bedeuten und sie so lange oder so intensiv begeistern. YMMV, wie man so sagt. Nur gibt es eben neben denen, bei denen nach 100 Meilen der Sprit ausgeht, auch die, die laufen und laufen und laufen... :D

Zum Punkt "Tiefe und intellektueller Anspruch": Da bin ich ganz bei Dir. Man braucht KEINE Tiefe und keinerlei wie auch immer gearteten Anspruch, um etwas so lange und so begeistert zu betreiben. Ich trinke auch schon lange und mit Begeisterung Tee. Ich kenne mich da auch ein wenig damit aus. Nur gibt es für mich neben dem offensichtlichen Genuß, den ich davon habe, keinen Anspruch oder intellektuelle Tiefe, die aus einem transzendieren der Subtilität von Tee-Geschmacksnuancen heraus ein Weg zur spirituellen Gottesschau ist.

Im Rollenspiel kann man Spaß haben. Was auch immer man als "Tiefe" oder gar als "Anspruch" versteht, ist dabei nicht zwingend notwendig und sowieso eine verdammt individuelle Geschmacksfrage.

Das hindert natürlich nicht Enthusiasten daran aufzutreten und sinngemäß zu vermitteln "mein Rollenspiel hat aber mehr Tiefe als Deines" oder "ich spiele nur mit hohem intellektuellem Anspruch". Das ist die elitäre Einstellung einzelner, welche nichts anderes ist, als eine Facette der Persönlichkeit dieser Menschen. Das ist völlig normal. Das muß man nicht nachmachen. Und man muß sich auch nicht in solche Diskussionen verstricken lassen, die letztlich nur darum gehen, wer denn nun wirklich ein "Wahrer Rollenspieler (tm)" ist. - Außer man hat zuviel Zeit und möchte noch schnell sein Zehnfinger-System auf der Tastatur etwas trainieren. ;)
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Zornhau schrieb:
So regelmäßig ist das auch im Rollenspiel nicht. Nur weil aus der Entwicklungsgeschichte der Rollenspiele der Fähigkeitszuwachs, die Geschichte des reifenden, lernenden Charakters einen breiten Raum einnimmt, kann man das nicht generell sagen. - Auch in der Literatur lernen übrigens manche wiederkehrenden Charaktere hinzu:

Stimmt natürlich beides. Dennoch habe ich den Eindruck, dass dieses Element des "Fähigkeitenzuwachses" im Rollenspiel wesentlich häufiger auftritt als in anderen (sagen wir einfach: ) Medien.

Mal aus dem Ärmel geschüttelt ein paar Beispiele für nicht-aufstiegs-orientierte Rollenspiele...

Ja, und wenn du möchtest setze ich dir auch gleich noch ein (halbes?) Dutzend weitere dazu - ich denke da können wir ein sehr lange Liste zusammentragen. ;)
Aber ich wollte die "Entwicklung" ja auch gar nicht zum generellen, zum definierenden Merkmal des Rollenspiels erheben, ohne das es sich um kein Rollenspiel mehr handeln würde.
Für bemerkenswert halte ich diesen Aspekt hingegen schon.

mfG
bvh
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

blut_und_glas schrieb:
Stimmt natürlich beides. Dennoch habe ich den Eindruck, dass dieses Element des "Fähigkeitenzuwachses" im Rollenspiel wesentlich häufiger auftritt als in anderen (sagen wir einfach: ) Medien.

Ganz sicher nicht, der "Fähigkeitenzuwachs" ist ein klassischer Teil der Heldenreise (s.a. Joseph Campbell) und findet sich daher überall - klassisch wäre der Held, der irgendwo in die Lehre geht oder mit einem Artefakt ausgestattet wird, aktueller wäre zum Beispiel die "Trainingsmontage" aus Rocky (oder Actionfilmen der 80er) - wunderbar persifliert in TA:WP.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Faszinierenderweise musste ich auch genau an diese Montage denken, als ich überlegt habe ob ich den Beitrag nun schreibe oder nicht - ich habe mich dafür entschieden, da mir der Stellenwert der Entwicklung im Rollenspiel doch noch einmal ein anderer zu sein schien.

mfG
bvh
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

blut_und_glas schrieb:
Dennoch habe ich den Eindruck, dass dieses Element des "Fähigkeitenzuwachses" im Rollenspiel wesentlich häufiger auftritt als in anderen (sagen wir einfach: ) Medien.
Über genaue Häufigkeiten kann man schlecht etwas aussagen. Auch ich meine eine "gefühlte Häufigkeit" in Richtung Entwicklungs- und Reifungs-Geschichte bei Rollenspielen zu erkennen - vor allem im Vergleich mit typischen One-Shot-Geschichten in den Medien.

Was verstehe ich unter One-Shot-Geschichten?

Das sind z.B. Bücher von einem Helden (egal wie kompetent), an deren Ende garantiert keine Fortsetzung mehr kommen wird. Oder Spielfilme, die nicht mit XYZ - Teil/Episode/Part/Take 2,3,4 etc. fortgesetzt werden. Oder eben Rollenspiel-One-Shots, bei denen die Charakter so, wie sie sind, am Ende des Szenarios nicht weitergespielt werden (z.B. weil sie alle tot sind :D).

In einer One-Shot-Geschichte "kann" es auch Entwicklung geben, aber das ist da eher die Ausnahme bzw. meist auf ein kleineres Delta zwischen Anfangs-Zustand und Endzustand beschränkt (Oh, Gott! Im Schreiben fallen mir natürlich sofort wieder Eimerweise Ausnahmen ein, doch ist dies trotz der Ausnahmen mein Bauchgefühl dazu.).

Rollenspiele, die nicht als One-Shot betrieben werden, sondern mit Charakteren, die in Kampagnen KONTINUIERLICH gespielt werden sollen, haben meinem Eindruck nach eher eine Tendenz irgendwann einmal ein gewisses Weiterentwicklungsbedürfnis der Spieler bezüglich ihrer Charaktere auszulösen.

Das habe ich bei Engel z.B. so erlebt, daß ich direkt gefragt wurde, wie lange es denn noch bis zum nächsten Aufstieg (der nächsten Weihe) dauern würde und ich meinte "so etwa zwei bis drei Jahre, warum?". Das war irgendwie nicht ganz das, was der Spieler, welcher mir so mitteilte, daß er durchaus Interesse an der Fortentwicklung seines Charakters hatte, erwartet hatte. - Er hatte aus meiner Sicht nicht davon Gebrauch gemacht, daß er In-Game durch simple Aussagen wie "Während wir jetzt eine Woche im Kloster warten, da löchere ich doch mal den Gabrieliten nach ein paar Tricks, wie ich sie im Luftkampf noch nie gelernt habe und übe diese mit ihm." seine Kampffertigkeiten hätte verbessern können. Er hätte sich nach dieser Übungszeit das einfach bloß aufschreiben müssen. Doch der Spieler war eben die Automatismen anderer Systeme gewohnt, nach denen man sich bei der Entwicklung seines Charakters eher als Konsument, denn als aktiver Gestalter wiederfindet.

Eine längere Kampagne OHNE jegliche Weiterentwicklung der Charaktere wirkt ja durchaus auch unglaubwürdig. Das ist es doch, was die typischen Endlos-Fernsehserien so unerträglich macht: 9 oder mehr Staffeln mit je 22 oder mehr Folgen und KEINE Entwicklung der Knall-Chargen-Charaktere darin!

Dasselbe gilt m.E. auch für das Rollenspiel. Wie in einer guten(!) Fernsehserie, wo sich die Charaktere weiterentwickeln, so muß für eine interessante lange Kampagne auch eine Entwicklung da sein. - Nur, muß das unbedingt bedeuten, daß der Charakter neue Fähigkeiten hinzulernt?

Nein.

Entwicklung kann auch bedeuten, daß der Charakter ohne jegliche Änderung seiner Spielwerte einfach in eine verantwortungsvolle Position hineinwächst. Daß er sich Ziele setzt und seine Umgebung beeinflußt ihm bei der Erreichung dieser Ziele zu helfen ("Ich will die rechtmäßige Herrscherfamilie wieder auf den Thron bringen!" statt "Ich will endlich meinen Attackebonus wieder erhöhen können.").

Diese Art der Charakterentwicklung erfolgt zumeist NICHT automatisch, selbst bei erfahrungsstufenorientierten Systemen mit solchen Automatismen, die einen Fähigkeitszuwachs garantieren. Und für mich ist es eben eher diese Art der Charakterentwicklung, die ich viel spannender finde - unabhängig von jeglichem System - als das reine Fähigkeiten-Hochpowern.

Es gibt auch andere Medien, in denen solche kontinuierlichen Entwicklungen eine Rolle spielen. Z.B. bei Babylon 5, der Sci-Fi-Fernsehserie, machen so einige der tragenden Charaktere Entwicklungen durch, die z.T. zu erwarten waren, z.T. durch tragische Verkettungen in ungewöhnliche und bedauernswerte Bahnen gingen. Aber so ist das Leben (in Film und Fernsehen). Auch Dominik Flandry in den Romanen von Poul Anderson fängt als Ensign Flandry eher unerfahren an und ist schwach an Fähigkeiten und - und das wiegt schwerer - auch schwach an Beziehungen und klaren Zielen. Der spätere Flandry weiß genauer, was er vom Leben will - und hat sich die Kompetenz erarbeitet, es auch zu bekommen.

Ein schicksalsgetriebener, epischer Handlungsstrang, oder ein zielbestimmter persönlicher Charakterlebenslauf haben für mich einen enormen Reiz. Im Idealfalle kann ich in einer Kampagne für jeden Charakter beides verbinden. Das ist zumindest ein inniger Wunsch bei mir.

In dieser Form gehört Entwicklung zum kontinuierlichen Rollenspiel dazu, weil man ein Epos eben nicht in einer vierstündigen One-Shot-Session befriedigend erzählen kann.

Die One-Shots sind aber für mich gleichberechtigte Vertreter der Rollenspielpraxis. Und die Einzelszenarien, die über mehrere Spielabende hinausgehen, aber dann beendet sind, ebenso.

Es sind auch nicht alle Rollenspiele auf das Kampagnenspiel ausgelegt bzw. geeignet. Andere wiederum erschließen ihre interessanten Aspekte jedoch erst durch ein dediziertes Kampagnenspiel.

Was in solchen Büchern wie z.B. den Flandry-Romanen aber vorkommt und in Rollenspielen eher seltener, ist das Überspringen der zeitlichen Lücken zwischen den unterschiedlichen Kompetenzniveaus. Man bekommt in solchen Romanserien (und manchen Film-Serien bzw. TV-Serien) die lange Übungszeit nicht explizit vorgeführt, die zwischen den einzelnen Kompetenzniveus der Charaktere liegt. So etwas wird in vielen Rollenspielen aber dann doch nicht gemacht. Man könnte sich das zwar denken, aber es ist meiner eigenen Erfahrung mit Kampagnenspiel nach zumindest unüblich (bei Midgard und bei RuneQuest hatten wir so etwas mal gemacht). Ein Beispiel: Die Charaktere fangen als typische Anfänge (1. Level oder so) an und erleben ihre ersten, kritischen Abenteuer. Dann ist in der Kampagne ein gewisser Stand erreicht, der einen Break in der kontinuierlich durchgespielten Zeit darstellt (bei z.B. 5. Level). Die Kampagne wird dann - in der Spielwelt 10 Jahre später - wieder aufgenommen und die Charaktere sind inzwischen etwas älter und erfahrener geworden (10. Level). Sie bekommen hier dann aber nicht einfach nur quantitativ angepaßte Herausforderungen, sondern müssen als z.B. Hofmagier, Hoher Priester, Feldherr auch qualitativ ganz andere Herausforderungen und Aufgabe bewältigen (vorausgesetzt, das Spielsystem ist überhaupt in der Lage dies zu erlauben - nicht alle Systeme erlauben den Charakteren solch eine verantwortliche Position auch mit Spielmechanismen gestützt zu übernehmen).

Ein schönes Beispiel für so etwas sind die Comics "Record of Lodoss War", bei denen die ersten Bände die jungen, unerfahrenen Charaktere zeigen und die späteren Bände mit Jahren Abstand dieselben Charakter (hier aber eher als Randfiguren) in verantwortungsvollen Positionen.

Ein etwas anders gelagertes Roman-Beispiel mit epischer Ausrichtung und solchen zeitlichen Unterbrechungen sind z.B. die Chroniken von Thomas Covenant, der mit großen zeitlichen Abständen immer wieder in "das Land" versetzt wird. Hier ändert sich nicht so sehr der Charakter, wie das gesamte Setting um ihn herum. Eine sehr interessante Idee auch für das Rollenspiel.

Es ist also schwierig, das Thema "Reifungs-Geschichte", "Entwicklungs-Geschichte", "Aufstiegs-Geschichte" als charakteristisch für ein Erzählen "wie im Rollenspiel" festzumachen. Solche Geschichten gehören auf alle Fälle und unbestreitbar dazu. Sie stellen auch eine (subjektiv empfundene, aber schwache) Mehrheit dar. Doch ist es so wie mit Tee oder Kaffee: Beides ist zu seiner Zeit und für sich gut. Und so gehören beide, die statischeren, aber zumeist schon kompetenten Charaktere, wie auch die Entwicklungsgeschichte vom unerfahrenen, bzw. verantwortungsschwachen Charakter zum erfahrenen, verantwortlichen Charakter zum Rollenspiel dazu. (Aber eben auch zu Film, Fernsehen, Literatur.)
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Zornhau schrieb:
Wenn man etwas mehr als 25 Jahre durchgehend und aktiv praktiziert, dann ist es - Hobby oder nicht - auf alle Fälle aus persönlicher Sicht nicht mehr "belanglos". Dann ist es Teil des eigenen Lebens geworden. Rollenspielen gehört zu meiner Persönlichkeit dazu. Immerhin spiele ich WEITAUS LÄNGER Rollenspiele, als ich in meinem aktuellen Beruf arbeite. Was mir an persönlichem Wert in den letzten mehr als zwei Jahrzehnten Rollenspiel erwachsen ist, das ist garnicht zu beschreiben.
Niemand macht etwas ohne Belang so lange oder so intensiv.
Ich verstehe was Du meinst.
Mir sind Rollenspiele ebenfalls wichtig: Ich war auf einem technischem Gymnasium, habe eine technische Ausbildung hinter mir und habe mich für einen technischen Studiengang entschieden. Und ich habe für mich festgestellt, dass Rollenspiele ein geeigneter Gegenpol zu meinem "alltäglichem Leben" sind. Etwas überspitzt dargestellt sind Rollenspiele ein Werkzeug für mich. Eine Gelegenheit mal nicht abstrakte, häufig in Muster gepresste, Gedankengängen verfolgen zu müssen.
Rollenspiele sind mir sogar so wichtig, dass peinlichst darauf achte nicht zu häufig zu spielen, da das Gefühl mal was komplett anderes als im Rest der Woche getan zu haben, nicht beliebig reproduzierbar ist.

Nur wehre ich mich dagegen dass aus einer harmlosen, aber sehr spaßigen, Freizeitbeschäftigung eine hochgeistige und ultra komplizierte Sache gemacht wird. Ich möchte niemanden an den Karren pinkeln, aber im allgemeinen habe ich regelmäßig das Gefühl, dass einige ausser Rollenspiele nichts weiter auf dem Schirm haben und durch die "Aufwertung" von Rollenspielen auch indirekt versuchen ihr eigenes Leben aufzuwerten oder interessanter zu machen.

Wenn ein Mitspieler oder noch viel schlimmer: der SL, anfängt mir etwas über cinematische Erzählstile, mir den Unterschied zwischen Abenteuern oder Geschichten erzählt oder mich aufklärt warum die WoD ein Storyteller Game und kein Rollenspiel im herkömmlichen Sinne ist, dann dauert es keine 5min bis ich den Raum und die Runde verlassen habe.
Ich möchte eine spannende Geschichte/Abenteuer erleben und daran aktiv mitwirken und keine wissenschaftliche Ausarbeitung schreiben, deren Ergebnisse in keinsterweise das Rollenspiel verbessern.
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Antalas schrieb:
Nur wehre ich mich dagegen dass aus einer harmlosen, aber sehr spaßigen, Freizeitbeschäftigung eine hochgeistige und ultra komplizierte Sache gemacht wird. Ich möchte niemanden an den Karren pinkeln, aber im allgemeinen habe ich regelmäßig das Gefühl, dass einige ausser Rollenspiele nichts weiter auf dem Schirm haben und durch die "Aufwertung" von Rollenspielen auch indirekt versuchen ihr eigenes Leben aufzuwerten oder interessanter zu machen.

Selbst wenn das einige Leute so machen wollen, so muß Du doch diesen Menschen zugestehen dies auch zu tun. "Der Willen des Menschen ist sein Himmelreich.", um mal ein oft strapaziertes Sprichwort zu zitieren.

Wenn sich jemand auf "hochgeistige und ultra komplizierte" Art und Weise mit Rollenspiel auseinandersetzen will, so darf er dies doch tun (erst recht in so einem freien Forum). Warum also muß Du hier in den Thread marschieren und erstmal rummosern?

Antalas schrieb:
Wenn ein Mitspieler oder noch viel schlimmer: der SL, anfängt mir etwas über cinematische Erzählstile, mir den Unterschied zwischen Abenteuern oder Geschichten erzählt oder mich aufklärt warum die WoD ein Storyteller Game und kein Rollenspiel im herkömmlichen Sinne ist, dann dauert es keine 5min bis ich den Raum und die Runde verlassen habe.

Genau das meine ich.
Eine Rollenspielrunde würdest Du innerhalb von 5 min verlassen, aber hier in diesem Forum, wo Dich nichts dazu zwingt diesen Thread zu lesen, zu kommentieren oder auch nur irgendwie Zeit mit ihm "zu vergeuden", kommst Du daher und legst ein Verhalten an den Tag, daß man wohl im besten Falle als "Trolling" deklarieren kann. Nur weil es Dir nicht gefällt, mußt Du doch nicht anderen die Laune verderben.
Desweiteren mag ja das Interesse einiger (weniger) darauf hindeuten, daß solche Diskussionen eben nicht in Spielrunden an der Tagesordnung sind.

Antalas schrieb:
Ich möchte eine spannende Geschichte/Abenteuer erleben und daran aktiv mitwirken und keine wissenschaftliche Ausarbeitung schreiben, deren Ergebnisse in keinsterweise das Rollenspiel verbessern.

Also zunächst mal sei in Frage gestellt, ob Diskussionen über Rollenspiel das Spiel nicht verbessern können. Das behauptest Du nämlich gerade kategorisch - erwiesenermaßen ist aber der Erfahrungs- und Wissensaustausch für so gut wie alles förderlich (das reicht vom Bowling oder Tischlern bis zum Tischlern).
Was an einer quasiwissenschaftlichen Auseinandersetzung schädlich oder schlimm sein soll, ist mir einfach unklar. Das ist doch nur ein Instrumentarium, das nützlich sein kann (aber nicht muß und sicher nicht jedermanns Geschmack ist). Keiner der Beteiligten hier wird wohl seinen ganzen Spielstil umschmeißen nur weil er hier irgendwas gelesen hat.

Wie gesagt, wem es nicht schmeckt, der muß ja in einem Forum nicht mitmachen.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

1of3 schrieb:
OK, kommen wir noch mal zur Eingangsfrage:

Das einzige, was alles Rollenspiel ausmacht ist, das mehrere Leute zusammen eine gemeinsame Vorstellung aufbauen. Wenn man also eine Geischichte "wie ein Rollenspiel" erzählen will, braucht man dafür mehrere Leute. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber ist das nicht ganz ähnlich wie in einer Kettengeschichte? Da bauen doch auch mehrere Leute eine "gemeinsame Vorstellung" auf.
Das alleine reicht glaube ich nicht, um ans Rollenspiel ranzukommen, insbesondere wenn man Spiele ranzieht, die eigentlich nur vom Spielleiter bestimmt werden und wo die Spieler halt wie die Lemminge in eine Richtung laufen müssen, da spielt man doch nur die Vorstellung einer Person nach.

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Kurz zum Thema "Entwicklungsgeschichten":

In jüngster Zeit war ich sowohl an einer Kampagne beteiligt, wo die Spieler den klassischen Weg vom unerfahrenen, unwissenden zum erfahrenen, etablierten Charakter durchlaufen haben als auch an zwei Kampagnen, bei denen sich auf dem Charakterbogen wenig getan hat (also eigentlich gar nix), aber manche der Charaktere sich deutlich verändert haben.

Spannend dabei war aber zu beobachten, daß manche der Spieler höchst konsterniert reagierten als es keine Erfahrungspunkte gab. Eigentlich hätte ich ein solches Verhalten eher von einem Spieler erwartet, der schon EXP geeicht ist, in diesem Fall war es aber vor allem eine sehr unerfahrene Spielerin, die besonderen Wert auf Werteveränderungen legte. Habt ihr da ähnliches beobachten können?

Bis dann, Bücherwurm
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

Antalas schrieb:
Ich möchte eine spannende Geschichte/Abenteuer erleben und daran aktiv mitwirken...
Das ist, die Eingangsfrage dieses Themas "Wie erzählt man eine Geschichte 'wie ein Rollenspiel' ?" mal wieder berücksichtigend, ein wichtiger Beitrag. Ich möchte darauf mal ein wenig eingehen, nachdem ich eine - bei mir nicht unübliche - Runde gedreht habe...

Wie erzählt man eine Geschichte?

Wie geht das überhaupt, das Geschichtenerzählen?

Darüber sollte man sich eventuell Klarheit verschaffen, bevor man dann die zweite, einschränkendere Bedingung "wie im Rollenspiel" auf den Lösungsraum des ersten Teils der Frage anwendet.

Ich bin kein Profi in solchen Themen wie Märchenkunde, Geschichtenerzählen, "creative writing" oder was es da auch immer geben mag. Ich sage daher einfach mal meine rein subjektiven Eindrücke, was ich meine, wie man Geschichten erzählt.

Geschichten erzählt man mit Autorität. Die Autorität des Erzählers. Diese bestimmt, was den Charakteren in der Geschichte passiert. Der Erzähler entscheidet nicht nur über die Welt, die er präsentiert, nicht nur über die Neben-Charaktere, sondern auch über das GESAMTE Geschick der Hauptcharaktere und alle ihre Handlungen! Die Charaktere in einer Geschichte haben im Normalfalle ja keinen "Vertreter", der ihren Part erzählt, der ihre fiktiven Interessen vertritt, der ihre fiktiven Gefühle empfindet und sie handeln läßt. ALLES wird vom Erzähler präsentiert.

Der Erzähler erzählt seine Geschichte aber nicht aus Selbstzweck (meistens jedenfalls). Der Erzähler erzählt die Geschichte FÜR JEMANDEN. Das können die Kinder sein, denen man ein Märchen aus dem Kopf heraus vorerzählt. Das können die Leser eines Romans sein. Das kann ein Produzent sein, der ein Drehbuch liest und sich vorstellen soll, wie dazu wohl der Film aussehen wird und wieviel mehr Geld es ihm bringen wird, als dessen Produktion wohl kosten wird.

Eine Geschichte hat auch immer ein Ziel, einen Zweck. Die meisten Geschichten dienen der Unterhaltung der Zielgruppe. Es gibt aber auch ganz andere Geschichten. Diese sollen belehrend wirken, indem z.B. moralische Fragen aufgeworfen werden und eine Auseinandersetzung bei der Zielperson mit dem Stoff angestoßen wird. Oder sie sollen jemanden diskreditieren, wie Spottgedichte, George W. Bush Bashing, Satiren, ... Oder sie sollen eine politische Botschaft vermitteln, wie in dem Film Hero oder in der TV-Serie Shoah. Geschichten sind aber auch ein Mittel um etwas zu verkaufen. Wenn z.B. in einem Vertriebsvorhaben eine Präsentation vor potentiellen zukünftigen Kunden durchgeführt wird, so MUSS diese eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte von Zuverlässigkeit, Kompetenz, Verständnis für die Sorgen und Probleme des Kunden, und vielen anderen verkaufsförderlichen Faktoren.

Daher werden ständig Geschichten erzählt. Überall auf der Welt, in den unterschiedlichsten Umfeldern.

Gemein ist diesen Geschichten stets, daß sie eine Einwegkommunikation sind. Es erzählt jemand jemand anderem etwas. Und dieser Erzähler verfolgt ein Ziel dabei. Der andere muß nicht unbedingt einer Geschichte lauschen mit einem bestimmten Ziel. Es mag auch einfache, ungerichtete Neugier im Spiel sein, oder Langeweile, oder was auch immer. In jedem Fall ist der "Konsument" einer Geschichte PASSIV.

Er "erleidet" die vom Erzähler gänzlich bestimmte Geschichte.

Diese kann dann gefallen, oder auch nicht. Es ist ein sehr weiter Bereich, in welchem Geschichten in dieser Art konsumiert werden. TV, Kino, Web, Musik, Bücher, Comics, ... Oft vermischen sich sogar die Medien, die zur Vermittlung der Geschichte eingesetzt werden.

Z.B. Pink Floyd "The Wall". Eine sehr persönliche Geschichte, die - ursprünglich - als Konzeptalbum veröffentlicht wurde. Schon da ist mehr in die Vermittlung eingeflossen. Da wurde das Cover optisch gestaltet, da wurden die Texte mitabgedruckt, da wurde die Musik mit gesprochenen Szenen und Geräuscheffekten vermengt. Das Album allein ist daher schon ein Misch-werk aus diversen Medien.

Nun gibt es aber auch einen Spielfilm dazu. Darin sind Realfilm-Elemente mit Trickfilm-Elementen vermengt, die zusätzlich zur graphischen Gestaltung, zusätzlich zu den Werkzeugen eines Drehbuchautors, eines Regisseurs, eines Kameramanns etc. die Geschichte transportieren.

Dann gibt es ja auch noch die Live-Inszenierung von The Wall (ich denke dabei an die zur Zonenöffnung erfolgte Aufführung in Berlin, die ich auch nur aus der Glotzkiste kenne). Da waren neben Spielszenen, der Musik vom Album und Trickfilmeinblendungen auch noch überdimensionale Figuren etc. beteiligt. Die Dramaturgie, mit der die Mauer aufgebaut und wieder eingerissen wurde, war ebenfalls wohlgeplantes Erzählmittel.

Man könnte jetzt die Geschichte von The Wall auch in einem Comic, einem Anime, einem Puppentrickfilm, einem Buch, einem Heftchen-Fortsetzungsroman, einem Ballet, etc. erzählen. Je nach Medium hat dabei der Erzähler (der ja nicht identisch mit dem Autor sein muß) unterschiedliche erzählerische/darstellerische Mittel zur Verfügung.

Man sieht also, daß eine Geschichte auf unterschiedliche Arten mit unterschiedlichen Mitteln erzählt werden kann.

Um auf das Besondere im Erzählen "wie im Rollenspiel" zu kommen, möchte ich hier nun ein Gedanken-Experiment durchführen.

The Wall - Das Rollenspiel um persönliche psychische Abkapselung

Wenn wir die Geschichte von The Wall als Rollenspiel erzählen wollten, dann gibt es hier ein paar Unterschiede zu den diversen anderen Darbietungsformen der The Wall Geschichte.

Der wesentlichste ist, daß es nicht mehr genau einen, allmächtigen Erzähler geben wird. Es wird einen Spielleiter und (mindestens, oder bei The Wall sogar genau) einen Spieler geben müssen.

Was wäre, wenn es nur einen Spieler gäbe?

Dann hätte der Spieler ALLE erzählerische Gewalt und es wäre nicht mehr sichergestellt, ob die Geschichte, die vom Spieler alleinbestimmt erzählt würde, überhaupt noch etwas mit The Wall zu tun hat.

Und würde der Spieler von seiner ihm nun zur Verfügung stehenden erzählerischen Gewalt freiwillig keinen Gebrauch machen, dann erzählt er eben KEINE Geschichte. Eine Geschichte gibt es nur, wenn sie auch jemand erzählt.

Und was, wenn der Spieler nun trotz seiner Uneingeschränktheit bewußt doch die ihm bekannte The Wall Geschichte (so ähnlich wie ein bekanntes vorgefertigtes Abenteuer) erzählen würde?

Dann wäre es immer noch keine Geschichte, da die Zielgruppe, der Zuhörer, der Zuschauer, der Konsument fehlt. Geschichten zu erzählen ist eine Form der Kommunikation. Ohne Empfänger macht das Senden keinen Sinn.

Aber der Spieler könnte sich diese Geschichte doch selbst erzählen?

Stimmt! Das machen Kinder z.B. durchaus. Und das ist auch eine schöne Sache. Es ist eine Kommunikation mit sich selbst, aber eine, die ich ohne irgendwelche unverdaute pseudo-kommunikationswissenschaftliche Bildung einfach mal nicht als Geschichten Erzählen im eigentlichen Sinne empfinde.

(Exkurs: Interessanterweise ist das obige Sich-selbst-Erzählen aber ein Randbereich des Geschichten Erzählens, der im Rollenspiel-Umfeld durchaus seine Berechtigung hat: im Vorbereiten von Abenteuern erzähle ich als zukünftiger Spielleiter des Abenteuers mir selbst unterschiedliche Varianten der vorbereiteten Geschichte, um teils die Handlungen der Spielercharaktere vorweg zu ahnen (ja, ich weiß, das funktioniert eh nie ;)), um teils das Gefühl einer Szene zu testen, um teils die NSCs mal in Aktion zu erleben und zu erfahren, wie sie wohl sind, wie sie sich wohl spielen, ... Als Spielleiter bin ich hier in der Autorenrolle, selbst wenn man ein Kauf-Abenteuer vorbereitet, da ich dadurch ein Gefühl für das Abenteuer bekommen kann und meine eigenen Ideen und Änderungen - zuzüglich zu den ohnehin spontan am Spielabend erfolgenden Änderungen - ausprobieren und sie einarbeiten kann.)

Nun ist zwar klar, daß ein einsamer Rollenspieler allein für sich keine Geschichte erzählen kann, was ist aber mit einem Spielleiter alleine?

Ein Spielleiter kann ein Erzähler sein, der sich des Mediums Rollenspiel bedient, um seine Geschichte zu erzählen. Aber ohne Spieler ist es kein Rollenspiel. Ein Spielleiter leitet ein Szenario. Das ist eine sehr flüchtige Art des Erzählens, so wie das Märchenerzählen. Würde er seine Geschichte aufschreiben oder auf Video aufzeichnen, so daß das Konsumieren zeitlich entkoppelt erfolgen könnte, dann wäre er ein Geschichtenerzähler. Ein Spielleiter, der aber eine Spielwelt schildert, eine Umgebung darstellt, ein paar NSCs handeln läßt, der erzählt sich selbst eine Geschichte - und nach meiner Empfindung somit nicht wirklich eine, da er mit niemandem außer sich selbst kommuniziert.

Es fehlt aber einem Spielleiter eines Rollenspiels anders als einem Märchenerzähler mit Videokamera etwas Wichtiges: Das Medium Rollenspiel ist ein interaktives Medium. Geschichten Erzählen ist aber im Kern eine gerichtete, unidirektionale Tätigkeit (ja, der Protest ist erwartet).

Jetzt wird es nämlich kompliziert.

Dem Spielleiter fehlt ein Spieler. Und selbst wenn er eine Spieler hätte, so wäre es solange kein Rollenspiel, bis nicht der Spieler auf die Schilderungen des Spielleiters reagiert hat und eine wie auch immer geartete Rückmeldung gegeben hat.

Ja, auch professionelle Geschichtenerzähler erwarten sich, vor allem bei flüchtigen Darbietungen wie z.B. bei Comedy-Shows das Feedback der Zuschauer. Diese Art der Geschichtenerzähler nimmt die Reaktion des Publikums auf und reagiert darauf. Da macht auch der Geschichtenerzähler auf einem (natürlich von meiner Unkenntnis der historischen nahöstlichen Verhältnisse romantisierten) Basar, der die Geschichten so erzählt, daß sie die Zuhörer fesseln, sie ihm weiter Geld geben und auch morgen noch vorbeikommen um zu erfahren, wie es weitergeht. Dieser Geschichtenerzähler kann direkt mit der Zuhörerreaktion arbeiten.

Bei Spielfilmen und TV-Produktionen ist viel in die Analyse des Zuschauerverhaltens und der Zuschauererwartungen investiert worden, so daß derartige professionelle Geschichten ein Optimum an demographisch relevanter Konsumentengruppe für die Werbeeinblendungen erreichen. Und auch diese Geschichten sind mit Cliffhanger-Ende versehen, daß man auch nächste Woche wieder einschaltet. Alles alte Tricks aus der Trickkiste eines jeden Fortsetzungsgeschichten erzählenden Geschichtenerzählers.

Diese Art der Feedback-Aufnahme und Anpassung der Erzählung ist aber immer noch nicht wirklich bidirektional. Die Autorität über das, was passiert, hat stets der Erzähler. Und der gibt sie zu keinem Zeitpunkt auf. Egal was das Publikum an Feedback gibt, es erzählt kein Stück der Geschichte selbst!

Das ist im Rollenspiel nach meinem Empfinden anders.

Hier stellt der Spielleiter/Erzähler die Welt, die Situation, die NSCs dar, aber ich als Spieler habe die Autorität über die Reaktionen und Aktionen meines Charakters. Ich habe - egal, ob sich ein Rollenspiel als Storytelling, oder als numbercrunching-wargaming versteht - die Autorität über meinen Charakter.

Diese Autorität der Spieler über ihre SCs ist es, was den Autoren-Prozess und die Spielvorbereitung für einen Spielleiter so chaotisch, so unsicher macht, verglichen mit der Vorbereitung für eine Lesung aus einem Buch. Im Buch steht alles fest, ich muß es nur wiedergeben. Bei einem freien Erzählen, einem freien Spinnen einer Geschichte habe ich als Erzähler immer noch die Autorität über ALLES, was darin passiert.

Im Rollenspiel machen einem Spielleiter jedoch die teilweise SEHR überraschenden (z.T. überraschend genial konstruktiven, z.T. niederschmettern asozial-zerstörerischen) Ideen eine Strich durch die (vorbereitete) Rechnung. Hier kann man dann mit seinem Improvisationstalent glänzen.

Erzählt dann ein Spielleiter überhaupt noch wirklich eine Geschichte? Kann ein Spielleiter, der nicht die ABSOLUTE Autorität über ALLES in der Geschichte hat, überhaupt als Erzähler im eigentlichen Sinne des Geschichtenerzählens betrachtet werden?

Nein. Ähm, jein. Das hängt davon ab. (Hier wird es schwammig!)

Nach meinem Empfinden kann ein Spielleiter kein Geschichtenerzähler sein. Andererseits kann er es versuchen. Das nennt man dann "gamemaster railroading" als Fachbegriff. Er kann die Freiheitsgrade der Spieler in ihrer Autorität über ihre SCs so stark einschränken, daß sie KEINE freien Handlungsoptionen mehr haben. Wie sagt Teflon-Billy bei den KotDT dann immer: "Schreibs auf, ich lese es dann morgen, wie es ausging." Und meist geht er dann.

Das Einschränken der Freiheitsgrade der Spieler wird von den meisten Spielern als nicht gut für ihren Rollenspielgenuß empfunden. Es ist zwar dies die m.E. einzige Möglichkeit des Spielleiters/Erzählers wieder die für eine echte Erzählung notwendige VOLLKOMMENE Autorität zurückzuerlangen, aber dann ist es kein Rollenspiel mehr. Dann beschneidet der Spielleiter genau die kritischen Eigenschaften, die Rollenspiel ausmachen: das freie Bestimmungsrecht der Spieler. (An dieser, meiner Meinung kann man auch ableiten, warum ich z.B. Computer-"Rollenspiele" und reine Erzählspiele wie "Münchhausen" nicht für Rollenspiele halte. Dazu gibt es aber einen anderen Thread und ich kann und will ja nicht überall gleichzeitig sein. gez. Das Foren-Displacer-Beast. :D )

Also benötigt das Geschichten Erzählen im Rollenspiel einen Spieler und einen Spielleiter um ein Rollenspiel zu sein, und kann andererseits aber kein wirkliches Geschichtenerzählen mehr sein.

Mist! (Quote: Bernd, das Brot - auch vom Tonfall her)

Nicht wirklich.

Es gibt immer noch Hoffnung (und Zwergenbrot).

Man muß ja eine Geschichte nicht nur erzählen. Man kann sie ja auch erleben!

DAS ist das eigentliche am Rollenspiel für mich. Das ERLEBEN von Geschichten, bei denen ich eine Verlängerung in der Spielwelt, meinen SC, habe und die Geschichte fast hautnah erleben kann. Und ich kann, da Erleben ja leben, ja lebendig, also dynamisch ist, sie auch BEEINFLUSSEN.

Das nicht passive, sondern aktive Erleben einer Geschichte mit der Möglichkeit sie zu beeinflussen, das ist für mich das Geschichtenerzählen "wie ein Rollenspiel". Kein Erzählen im Eigentlichen, wohlgemerkt!

Wer hat nicht schon auf Cons oder in Foren die coolen (oder weniger coolen) Geschichten von Spielern oder Spielleitern aus ihren diversen Abenteuern, Kampagnen etc. gelesen oder gehört? Die erlebten Geschichten sind es, die man nach dem eigentlichen Durchspielen dann (wieder-)erzählen kann. DAS ist das Geschichtenerzählen.

Oder, wie ich es lieber formulieren würde, das Geschichten ERSPIELEN im Rollenspiel.

Kommen wir mal zum Gedankenexperiment The Wall, das Rollenspiel zurück. Wie würde das nun aussehen?

Ein Charakter wird erschaffen. In seiner Vorgeschichte könnte er diverse körperliche und seelische traumatische Erlebnisse haben, die entweder in einer Art Präludium ausgespielt werden, oder die als nur knapp verschüttet (hinter den ersten paar Reihen von The Wall) ihm nicht bewußt zugänglich sind, und daher vom Spielleiter vorab bestimmt, ausgewürfelt, was auch immer werden.

Der Charakter (er ist in The Wall ein verkrachter Rockstar mit mehr Problemen als die psychatrische Notaufnahme einer Großstadt) wird von seinem Spieler in der ersten Spielsitzung gespielt. Der Spielleiter schildert die Welt des Charakters, das Umfeld, die NSCs und so weiter. Wie man das so im Rollenspiel von der Aufgabe des Spielleiters her kennt. Dabei ist das Ziel dieses Rollenspiel im Titel ja auch schon vorgegeben: "Persönliche psychische Abkapselung". Eben The Wall, das Rollenspiel.

Somit wird der Spielleiter dem Spieler aus Sicht des SCs wahrgenommene Situationen mit Konfliktpotential, mit Potential zur psychischen Zerrüttung als Herausforderungen präsentieren. Der Charakter hat z.B. ein Problem mit Frauen ein echte, menschliche Beziehung einzugehen. Er nimmt alle Frauen als Objekte wahr, benutzt sie und läßt sie fallen. Seine letzte Freundin fing daraufhin an Drogen zu nehmen. Als sie von dem SC fallengelassen wird, setzt sie sich den Goldenen Schuß. Aus der Revolverpresse erfährt der SC, daß sie mit Zwillingen schwanger war. Seine Kinder. Wie geht der SC damit um?

Diese Entscheidung liegt beim Spieler!

Der Spieler entscheidet sich diesen Schicksalsschlag nicht voll hinzunehmen. Der SC geht auf einen Alkoholexzess, randaliert, schlägt einen Roadie zum Krüppel.

Jetzt kommt der Spielmechanismus für die Abkapselung zum Tragen. Jeder Charakter startet auf seinem Charakterbogen mit seinen Charakteristika und Fertigkeiten und einer anfänglichen Anzahl an "Ziegeln" - z.B. kleine Tonziegel aus dem Spielwaren- und Bastelladen - welche auf den konzentrisch angeordneten Fertigkeits- und Charakteristik-Listen von außen nach innen immer mehr angebaut werden müssen, sobald der SC einen weiteren Stein für seine Mauer bekommt. Außen sind sehr komplexe Fertigkeiten, Charakteristika für soziale Interaktion und extrovertiert-orientierte Eigenschaften angeordnet. In der Mitte sind nur noch Egoismus, eigene Verletzlichkeit, Schwächen, etc. angeordnet. - Bei jeder Herausforderung steht auf dem Spiel einen oder gar mehrere Steine an die Mauer anbauen zu müssen.

Der Alkoholexzess reduziert den Zuwachs um vier Steine durch den Tod der Freundin auf nur zwei. Diese baut der Spieler an, wo noch Platz ist, wobei er sich für Breite (also auf dem Umfang) oder Tiefe (nach innen auf das Zentrum zu) entscheiden muß. Je tiefer die Steinschicht zur Mitte ragt, desto mehr Abzüge bekommt er auf alle darunter liegenden Fähigkeiten. Je mehr er vom Umfang her abgedeckt hat, desto mehr unterschiedliche Fähigkeiten leiden an seiner Abkapselung. So wird der Charakter langsam aber sicher eingeschränkter und behinderter in seinen Fähigkeiten und kann sich gegen weitere Schicksalsschläge umso schlechter wehren. Das geht solange, bis er irgendwann einmal vollständig eingemauert ist. Dann ist er Fall für die Klapse.

Aber es wäre nicht The Wall, wenn dann nicht das Drama der "Gerichtsverhandlung" kommen würde: Der Spielleiter führt in einer im Inneren der Psyche des Charakters ausgeführten Gerichtsverhandlung die einzelnen Schlüssel-NSCs der jeweiligen Herausforderungen in den "Zeugenstand" hier hat der Charakter deren vernichtenden Aussagen hinzunehmen.

Aber was kann er tun?

Nichts.

Das ist ja das schlimme.

Er bleibt für immer isoliert mit seinen Ängsten und seinen Schwächen.

Allein.

Ohne Hoffnung.

Ohne JEGLICHE Hoffnung?

(Es wäre nicht MEIN Gedanken-Experiment, wenn das so wäre. :D)

Doch. Es GIBT eine Hoffnung.

Das ist jedoch nicht Sache des Charakters, sondern des Spielers!

(Wer das Spiel Vampires - a postmodern roleplaying game von Victor Gijbers noch nicht kennt - jetzt wäre es eine gute Gelegenheit darüber mal zu lesen, es sich hier herunterzuladen und auch die "Erklärung" zu diesem Spiel, die Designer-Notes zu lesen. Es lohnt sich wirklich. Nicht nur für WoD-Spieler, doch haben es die in meinem Empfinden besonders nötig das mal zu lesen.)

Auf jeden Fall möchte ich das Gedanken-Experiment damit beenden, daß es in der alleinigen Macht des Spielers liegen wird, seinen SC von der Mauer gänzlich zu befreien, oder ihn für immer eingemauert zu lassen.

Ende des Experiments. Reagenzgläser bitte abspülen. Danke.

Man sieht aus dem obigen Experiment (hoffentlich), daß dieselbe (oder bei aller Unwägbarkeit im Rollenspiel eine ziemlich ähnliche) Geschichte, wie in The Wall, dem Konzeptalbum ERSPIELT werden kann.

Was der Spieler nachher über die Spielrunde erzählen kann, das ist dann eine der Geschichten, die mittels Rollenspielen von The Wall, das Rollenspiel erlebt werden können.

Soviel zu meiner Meinung zu diesem, wie ich finde, hochinteressanten und provokanten Thema. Ich möchte an dieser Stelle einen Beitrag zitieren, der meiner Meinung zu diesem Thema deutlich Ausdruck verleiht:
Antalas schrieb:
Ich möchte eine spannende Geschichte/Abenteuer erleben und daran aktiv mitwirken...
 
AW: Wie erzahlt man eine Geschichte "wie ein Rollenspiel"?

@Zornhau

Mannomann, das war ja wieder mal ein Totschlagpost.

Zunächst mal hast Du da mal ebenso im Vorbeigehen einige der Kerninhalte der Narratologie und der Kommunikationstheorie erkannt (da haben die meisten Leute mehr Schwierigkeiten) und das obwohl Du "kein Profi in solchen Themen wie Märchenkunde, Geschichtenerzählen, "creative writing" bist. Dafür erstmal den verdienten Respekt.

Ansonsten gebe ich Dir in weiten Teilen recht, daß man beim Rollenspiel eben zusammen eine Geschichte erzählt und das Kommunikationsgefälle (was Du Autorität nennst) deutlich abgeschwächt wird.

Aber ist das nicht schon vorher erwähnt worden? Nichts für ungut.

Bis dann, Bücherwurm
 
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