AW: Wie Böse muss die WoD sein? Die Frage nach der Subtilität und Ambivalenz
Nachdem die Eingangsfrage ja eine ganz gefährliche, nämlich nach Gut und Böse, ist, möchte ich hier meine Meinung zu Vampire im Besonderen geben.
Agroschim schrieb:
Der Sinn der ganzen WoD wäre ja in Frage gestellt wenn es gute Vampire gäbe. Der Konflikt böse sein zu müssen, ohne böse sein zu wollen, ist der essentielle Bestandteil des Spiels. Ich mag Vampire nicht, ich spiele leiber Sengoku.
Meine Einstellung zum bewußten Spielen von Monstern hat sich seit V:tM damals herauskam bis heute nicht wesentlich geändert: für mich sind solche Vampire zwangsläufig so weit nicht-menschlich (und zwar an sich und grundsätzlich), daß sie Menschen zu reinen Objekten degradieren. Und genau dies ist ausreichend um nach meiner Definition für "böse" die 100%-Marke zu erreichen.
Siehe dazu auch:
Vampires - a postmodern roleplaying game von Victor Gijbers welches es
hier herunterzuladen gibt. Bitte zuerst das Rollenspiel und erst DANACH die "Erklärung" zu diesem Spiel, die
Designer-Notes lesen.
Es lohnt sich mal diesen sehr fokussierten Blickwinkel auf Vampire kennenzulernen. Ich erwarte zwar nicht, daß überzeugte Vampire-Spieler hier eine Offenbarung erleben werden, aber für mich ist die WoD mit ihren Vampiren - egal ob alte oder neue WoD - von meinem Gut/Böse-Empfinden nicht so weit weg von "Vampires". In der WoD wird die Kernaktivität des Vampirs - das Konsumieren seines menschlichen Viehs - gerne mit Euphemismen belegt und an den Rand der spielerischen Wahrnehmung gedrängt. Kein Wunder - die Vampire-Gesellschaft hat ja in V:tM auch genug mit sich selbst zu tun, daß für die einzigen ECHTEN, fühlenden Charaktere, nämlich die Menschen, von denen sie sich ernähren, keine "Screen-Time" mehr bleibt. Dieses Verdrängen des BÖSEN Handelns eines JEDEN Vampirs in der WoD ist für mich der Hauptpunkt, aus dem ich mich nicht für V:tM begeistern konnte.
Mir kommt das komisch vor, wenn ich ein entmenschlichtes Monstrum spiele und dann aber in einer Art parallelen Gesellschaft anderer ebensolcher Monstren ausschließlich menschliche Problemstellungen und menschliche Konflikte erleben kann.
Die Probleme innerhalb von V:tM könnten m.E. genauso gut - wie ja hier auch schon gesagt - von Menschen mit anderen Menschen erlebt werden. Der Vampir ist hier nur ein Kostüm, welches die Verletzlichkeit und die Sterblichkeit des Charakters mindern hilft. Wenn man dieselben Geschichten mit Geheimgesellschaften, organisiertem Verbrechen, Mafia-Familien, etc. durchspielen würde, dann wären die Kraftverhältnisse in diesen Gesellschaften auch nicht anders, als es bei V:tM der Fall ist. Nur die Charaktere wären viel leichter zu töten.
In soweit ist für mich der Versuch Vampire mit "Subtilität" oder "Ambivalenz" zu spielen grundsätzlich verfehlt. Wer Menschen als minderwertig herabsetzt und sie als Vieh konsumiert, bei dem brauche ich doch keine Subtilität mehr zu suchen.
"Vampires" ist für mich so, wie V:tM eigentlich unter Ausspielen der Verhaltensweisen von untoten Vampir-Monstern nur funktionieren KANN. In V:tM werden die Monster aber stets im Spiel vermenschlicht, statt sich um die Entmenschlichung der Charaktere zu kümmern. Eine wirklich ausgespielte un- bzw. nicht-mehr-menschliche Persönlichkeit ist andererseits meines Erachtens für den Spieler auch kaum erträglich (siehe Vampires).
Daher wäre also eine WoD mit Vampiren, die so "böse" sind, wie sie es von der Setting-Prämisse her sein müßten, kaum noch spielbar.
Ich weiß, daß sich wohl der eine oder die andere durch meine Meinung provoziert fühlen mag. Daher bitte ich darum, daß Ihr Euch die Regeln zu "Vampires" mal durchlest (10 Seiten, wenig Text). Nett wäre, wenn Ihr Euch nach der Lektüre kurz mal überlegt warum Ihr in Euren V:tM-Runden das nicht so ausspielt, wie es dieses knappe Vampire-Rollenspiel vorexerziert. Nur die Gründe des "Warum?" ganz für Euch selbst. Und dann wäre es nett, wenn Ihr die Erläuterungen des Autors (habe ich oben auch verlinkt) lesen würdet (3 Seiten), damit Ihr wißt, was er eigentlich im Sinne hatte.
Mein Ansinnen war nicht (vordergründig) zu provozieren. Ich wollte eine andere Sichtweise geben, die Ihr vielleicht noch nicht so oft erfahren habt.