Als wir uns daran gesetzt haben
Wege der Vereinigungen tatsächlich vom Aprilscherz zu einem vollwertigen DSA-Produkt zu machen, war uns klar, dass wir damit ein relativ heißes Eisen anfassen. Wie erwartet haben wir aus verschiedenen Richtungen, teils heftige Kritik erhalten, zu der wir in diesem Artikel Stellung nehmen wollen. Dass wir dies bisher nicht prominent getan haben, liegt nicht daran, dass uns die Meinung der Leser und Fans nicht wichtig wäre oder uns die angesprochenen Themen nicht betreffen. Doch vieles betrifft den ganzen Verlag und musste miteinander besprochen werden. Etwas unter dem der Verlagsbetrieb natürlich nicht leiden darf, denn wir haben alle Hände voll zu tun. Auch erhalten wir unser Feedback nicht nur durch die gängigen Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter und Co., sondern auch in Form zahlreicher E-Mails und direkter Kontakte etwa auf Conventions. Was öffentlich sichtbar ist, ist also nicht die einzige Grundlage, auf der wir die Stimmung der Community einschätzen und was gerade prominent durch die Medien geht ist nicht das Einzige, was es zu besprechen gab.
Bei allem Fokus auf der negativen Kritik in diesem Artikel wollen wir auch das Lob und die Unterstützung, die wir für Wege der Vereinigungen aus diversen Quellen erhalten haben nicht vergessen.
Im Wissen, dass man bei einem Buch über Sex jede Menge falsch machen kann, haben wir viele der Regeln und Formulierungen im Buch bereits bei der Erstellung in großem Detail diskutiert. Wobei zum Beispiel Fragen aufkamen, was denn eine männliche von einer weiblichen Brust unterscheidet und wie man Verbalerotik in Regeln gießt. Eine wichtige Prämisse für den Band war, dass wir niemanden bloßstellen oder dafür bestrafen wollten, was er gut findet und wie er (oder sie) ist. Wo immer möglich, haben wir bei Themen, die reale Menschen betreffen, Autoren schreiben lassen, die ein persönliches Interesse daran haben – etwa bei der gleichgeschlechtlichen Liebe. So, dass sie ihre Lebenswirklichkeit und ihre gelebte Erfahrungen nach Aventurien einbringen konnten. Dabei hatten wir am Ende eine Autorenriege, die aus mehr Frauen als Männern bestand und gerade was Sexualität und Geschlechtsidentität angeht, zu einer der vielfältigsten gehört, die je an einem DAS-Buch gearbeitet hat. Ein Bild, das sich auch in anderen Bereichen der Herstellung, wie Spieltest und Lektorat fortsetzt.
Auch bei der Formulierung der Regeltexte haben wir auf inklusive Sprache geachtet, etwa „Personen mit Penis“ statt schlicht immer nur „Männer“ zu schreiben und damit der Vielfalt Aventuriens, unserer Spielerschaft und der realen Welt Rechnung zu tragen. Es war uns außerdem wichtig, nicht nur die gängigsten Vorlieben und Schönheitsideale zu bedienen, was uns unserer Meinung nach auch gut gelungen ist. Auch bei den Illustrationen sollten alle etwas finden können, was ihnen gefällt. Im
Making of zu Wege der Vereinigungen von Art Direktorin Nadine Schäkel könnt ihr mehr zu den Illustrationen lesen und erfahren, welche Hintergedanken sie dabei hatte. Bei der Ausgestaltung der Bebilderung hat dann oftmals die persönliche ästhetische Vorliebe dazu geführt, dass wir nun einen Überschuss an Frauen und wenig Penisse zeigen. Was sicherlich keine Quotengleichheit erfüllt, aber nicht bedeutet, dass nur heterosexuell männliche Vorlieben oder gar das bewusste Ausschließen von Elementen eine Rolle spielten.
Während von der einen Seite beklagt wurde, Wege der Vereinigungen sei noch nicht divers genug, wurden wir aus der anderen Richtung aber auch für die progressive und, wie wir finden, menschenfreundliche Linie, die wir mit dem Buch und als Verlag eingeschlagen haben heftig kritisiert.
Ein Kritikpunkt, der uns sprachlos zurückließ war, dass Teile unserer Fans sich so etwas wünschen, war der Widerstand gegen die die Entscheidung, sexuelle Gewalt nicht in Regeln zu gießen. Eine Entscheidung zu der wir weiterhin stehen. Das Schwarze Auge soll unserer Meinung nach nicht dazu dienen, dieses Thema auszugestalten und gerade Wege der Vereinigungen sehen wir als sexpositives Buch, das euch beim Lesen und uns beim Schreiben Freude bereiten soll. Beim Thema „sexuelle Gewalt“ wäre weder das eine, noch das andere gegeben. Aus diesem Grund haben wir sie bei den Regeln außen vorgelassen und sind dort, wo sexuelle Gewalt im Hintergrund vorkommt, nicht ins Detail gegangen.
Es gibt im Kurzgeschichtenband
Fesseln der Lust eine Geschichte, die sich diesem Thema annimmt.
Amir und die Piraten bedient dieses Thema als Anspielung auf Piratenromane in denen, literaturhistorisch, oft junge Frauen in den Harem eines Seeräubers entführt wurden. In unserer Kurzgeschichte brechen wir bewusst mit dieser Konvention denn mit Amir Honak ist der verführte Entführte diesmal ein Mann in einer Machtposition. Die Phantasie des gefährlichen Liebhabers, bei dem die Grenzen des Einvernehmlichen verschwimmen bleibt. Ein Motiv, das man unter anderem bei 50 Shades of Grey auch heute noch in der Erotikliteratur findet. Die Geschichte ist aber auch inneraventurisch nur eine Fantasie, denn bei Amir und die Piraten handelt es sich um einen inneraventurischen Erotiktext. Diesen präsentieren wir nicht ohne vorweggestellte Inhaltswarnung, Leser werden also im Vorwort von Fesseln der Lust auf den Inhalt hingewiesen und Hörerinnen des Hörbuchs ebenfalls zuvor gewarnt. Denn uns war wichtig, auch wenn in der Geschichte die Grenzen der Einvernehmlichkeit verschwimmen, euch die Wahl zu lassen, ob ihr euch mit dem Inhalt beschäftigen wollt.
Einvernehmlichkeit zwischen Spielern und zwischen Charakteren ist auch das Kernelement unserer Regeln zum Sex und fester Teil der Mechanik. Auch dies war uns wichtig und auch hinter dieser Entscheidung stehen wir, trotz Kritik von Lesern, die sich dadurch bevormundet fühlen. Uns liegt die emotionale Sicherheit der Spieler, die unsere Regeln tatsächlich benutzen, sehr am Herzen.
Auf den Covern von
Sinnestaumel & Begierde und
Intrigenspiel & Leidenschaft zeigen wir jeweils ein gleichgeschlechtliches Paar und weitere werden in den Büchern auf Illustrationen dargestellt und beschrieben. Hierfür wurden wir unter anderem in den sozialen Medien stark kritisiert und teilweise auch persönlich beleidigt. Doch auch in diesem Fall stehen wir absolut zu der Gestaltung der Bücher, denn sie spiegelt unser Aventurien wieder, in dem alle sexuellen Orientierungen einen Platz haben. Gleichberechtigung war schon im ersten DAS-Regelwerk aus den 80er Jahren ein Teil des Spiels und wir gestalten alle unsere Bücher, darunter auch Wege der Vereinigungen, in dieser Tradition. Dazu gehört es für uns auch, zu zeigen, dass es in Aventurien mehr als eine Form der Liebe und mehr als zwei Geschlechterrollen gibt und diesen Themen Platz in unseren Büchern einzuräumen.
Selbst für die Gleichstellung von Männern und Frauen in Wege der Vereinigungen oder dafür, das Buch überhaupt umzusetzen haben wir Kritik erfahren. Ein Buch über Sex im Rollenspiel erschien vielen wie ein unnötiger Tabubruch. Doch die Sexualität eines Helden kann viel über seine Motivation aussagen. Sexualität prägt jede Gesellschaft und beinahe jede soziale Interaktion, nicht nur in Aventurien.
Ein weiterer Kritikpunkt war die Wiedergabe von faulen Klischees in der Tabelle zur Penisgröße. Die Aussage, dass Waldmenschen einen größeren Penis haben, wurde von uns nicht ausreichend reflektiert und ohne böse Absicht verwendet. Dabei nimmt die ganze Tabelle, auch wenn sie gerade die gesamte Diskussion um Wege der Vereinigungen bestimmt,, lediglich einige Zeilen in einem 240-seitigen Buch, an dem zahlreiche Autoren mit Herzblut beteiligt waren. Die gesamte Tabelle ist letztlich ein Überbleibsel aus dem Beginn als Aprilscherz und selbst nur ein Witz. Das Schwarze Auge ist ja durchaus als regellastiges Spiel mit zu vielen unnützen Modifikatoren verschrien. Dieses Bild wollten wir aufgreifen und haben deswegen in der Persiflage auch absurde Modifikatoren in die Tabelle zur Penisgröße untergebracht. Dabei haben wir uns bei wenigen Zahlen unnötiger Weise von einem billigen Klischee reiten lassen.
Wege der Vereinigungen befindet sich bereits im Druck, doch in der PDF Version des Buchs werden wir die Tabelle durch einen anderen Kasten ersetzen, damit sie unserem Anliegen mit Wege der Vereinigungen nicht weiter im Wege steht. Wir werden uns etwas anderes einfallen lassen.
Was uns bei allen Kontroversen um Wege der Vereinigungen wichtig ist, ist bei allen unterschiedlichen Meinungen, die Menschen hinter den Büchern und Bildschirmen nicht zu vergessen und Diskussionen zuzulassen. Nur so können wir die konstruktive Kritik erhalten, die uns hilft, unsere Produkte zu verbessern und eure Meinungen zu verstehen. Gerade auf Kritik, die ohne Rezeption der betroffenen Werke vorgebracht wird können wir allerdings nur schwerlich sinnvoll reagieren.
Wie ihr sicherlich aus dem Artikel lesen konntet, sind unsere Werte als Menschen und als Firma progressiv, menschenfreundlich und liberal. Wir stehen entschieden gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie und sehen für nichts davon einen Platz in unserer Gesellschaft. Gerade darum trifft uns Kritik, die uns diese Werte aufgrund vorgefasster Meinungen und Dogmen abspricht, auch persönlich. Sie schadet dem eigentlichen gemeinsamen Anliegen einer toleranten Gesellschaft und einem dazu passenden Rollenspiel.
Das Schwarze Auge hat viele Fans mit ebenso vielen Geschichten und Ansichten, die uns alle willkommen sind. Einzig Intoleranz und Hass werden wir nicht dulden und wir bitten euch, zu respektieren, wenn wir zu unseren Entscheidungen stehen. Bei einem kontroversen Buch wie Wege der Vereinigungen ist es nur natürlich, dass viele Emotionen im Spiel sind und jeder Fehler auffällt – und Fehler hat es sicherlich gegeben, auch wenn wir vom Buch als Ganzes überzeugt sind.
Darum entschuldigen wir uns bei allen von euch, die wir mit Wege der Vereinigungen in irgendeiner Form verletzt haben. Die war niemals unsere Absicht. Wir werden aus den Kontroversen mit geschärftem Blick und größerem Problembewusstsein hervorgehen und in Zukunft noch stärker darauf achten, dass die Fehler aus Wege der Vereinigungen sich nicht wiederholen.
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