Angenommen ich greife jemanden an (Paradigma steht noch) und ziehe die Karte "Verrat", dann erleide ich nicht nur eine direkte negative Rückkopplung aus meinem Angriff (was vollkommen okay ist), sondern ich muss/soll dann hier die Perspektive wechseln. Der Rückschlag steht nun im Dienste der Story (das Paradigma beginnt zu kippen). Der Charakter stellt vielleicht fest, dass seine Waffe manipuliert wurde (und jetzt kippt das Paradigma vollends), seine Mudda gönnte ihm den erfolgreichen Feldzug einfach nicht, weil sie wusste sein Sieg bedeutet, dass ihr Sohn zum Lohne die holde Tochter des Grafen ehelichen würde. Daher feilte sie seine Waffe an.
Seine Mudda meint es ja nur gut, aber nach dem Tod seines Vaters, war sie von dem Gedanken besessen den armen Jüngling auf Schritt und Tritt bemuddan zu müssen.
So, jetzt hat der Spieler auch alle seine Aspekte ins Spiel eingebracht. Die Story klopft ihm links und das Drama rechts auf die Schulter. Seinen Charakter hat er dafür aber verraten und verkauft. Der wollte nämlich sein wohlverdientes Spotlight haben, hatte fest die holde Maid am Ende seiner Queste im Blick und von seiner Muddas Schmatzern hatte er schon seit 13 Sommern die Nase voll.
Er wollte doch einfach nur agieren, alle Schmerzen und Entbehrungen hinnehmen, aber immer sein Ziel im Auge behalten. Tolles Buch. Aber schlechtes Spiel!
Was Du hier konstruierst, ist in KEINER Form eines Rollenspiels - egal mit oder ohne Karten, egal mit oder ohne "Gummi-Punkte", egal mit oder ohne Empowerment irgendwo ein Problem.
Wenn der obige Charakter in einem hart-simulativen Regelsystem jemanden mit seiner Waffe angreift, dann kann auch dort vorher und von ihm unbemerkt(!) jemand die Waffe unbrauchbar gemacht haben. Durch einen heimlich hinter dem Schirm ausgeführten entsprechenden Handlungswurf eines NSCs zum Beispiel. Oder durch einen Rettungswurf gegen Waffenbruch, den die Waffe - unbemerkterweise, weil der Spieler nicht angesagt hatte, daß sein Charakter nach dem letzten Kampf explizit die Waffe überprüft - nicht geschafft hatte.
Im Simulationssystem wurde also der FAKT, daß die Waffe den Charakter im entscheidenden Moment im Stich läßt, über die dortigen Mittel eingeführt und tritt nur erst in dieser betreffenden Situation OFFEN zutage. Aber vorhanden war die Unbrauchbarkeit der Waffe als Fakt eben schon vorher! Und dieser Fakt löscht halt nun einmal die Wünsche für Deinen Charakter aus, da er ja bereits eingeführt und nachträglich nicht mehr zu ändern ist.
In einem eher wettkampforientierten System wolltest DU, FÜR DEINEN Charakter den Erfolg zur rechten Zeit haben. Du entscheidest Dich für einen Angriff, machst den Angtiffswurf und ... würfelst einen Kritischen Fehler! Die Tabelle für kritische Fehler ergibt für Deinen Waffentyp und einen Wurf auf der Tabelle, daß Deine Waffe unbrauchbar ist.
Auch hier bekommst du den FAKT, daß die Waffe unbrauchbar ist, serviert. Auch hier GEGEN Deine Wünsche für Deinen Charakter.
In einem dramaturgisch orientierten System ist der KONFLIKT einer, der zum Spannungsbogenende erfolgt, sogar eventuell den Höhepunkt des Spannungsbogens betrifft. In diesem System ist es dann so, daß Du zwar auch einen Wurf machst, dieser aber deutlich ERLEICHTERT ist, weil Dein Charakter ja nach dramaturgischer Entscheidung im Endkampf Deinem Wunsch nach Spotlight und Heldenerfolg eher glänzen können soll. - Nur, auch hier wird gewürfelt und mit Pech hast Du eine Vollständige Niederlage erwürfelt, hast keine Heldenpunkte mehr, diese noch abzumildern und mußt nun die Konsequenzen schlucken. Dein Charakter hat zwar im spannendsten Moment den Kampf gegen den Schurken aufgenommen, aber seine Waffe zerschellt an der findigen Verteidigung des finessenreichen Finsterlings. Nun ist er der Gnade des Schurken ausgeliefert, welcher Deinen Charakter "für immer" in ein finsteres Verlies sperren läßt, während er selbst die Hochzeitsfeierlichkeiten mit Prinzessin Buttercup arrangieren geht. - Fortsetzung folgt als "Aus dunkelsten Tiefen - Der Held schlägt zurück".
In einem kartenbasierten System sind ALLE oben geschilderten Fakten, die umsorgende Mutter, der Bösewicht, die Waffe, der Wille des Charakters ein Held zu werden, usw. natürlich jederzeit präsent. Nun entscheidet der Spieler den Schurken anzugreifen und zieht "Die Mylady - Aufrechte Bedeutung: Verrat". Was nun?
Nun überlegt sich der Spieler, wie die Situation unter dem "Situationsaspekt Verrat" ausgehen könnte. Dabei kann er diesen "Aspekt" ähnlich wie in Fate, aber ohne dafür Ressourcen auszugeben, zum Vorteil oder zum Nachteil seines Charakters wirken lassen.
Beispiele:
- Mit einem Aufschrei stürze ich mich auf den Gegner, jage ihm meinen Degen mit all dem angestauten Haß entgegen, den er sich verdient hat. Doch mein Angriff, mein Blick, meine Körperhaltung verrieten meine Absicht und mit Leichtigkeit pariert er und stürzt mit meiner geliebten Elspeth durch eine Geheimtüre in das undurchsichtige Labyrinth unter seinem Schloßgemäuer.
- Mit einem Mit einem Aufschrei stürze ich mich auf den Gegner, jage ihm meinen Degen mit all dem angestauten Haß entgegen, den er sich verdient hat. Nichts verriet meine Absicht vorzeitig, so daß dem Gegner nur noch ein letzter Verzweiflungsakt übrig blieb, um nicht sein schwarzes Herz durchbohrt zu bekommen: Er zieht meine geliebte Elspeth in die tödliche Bahn meiner Klinge. Entsetzt blicken mich ihre himmelblauen Augen, die jeden Moment brechen können, wie ein waidwundes Reh an. Meiner Hand entfährt die Klinge, immer noch im Herzen meiner Geliebten steckt sie und der Griff weist mich anklagend als ihren Mörder aus.
- Mit einem Aufschrei stürze ich mich auf den Gegner, jage ihm meinen Degen mit all dem angstauten Haß entgegen, den er sich verdient hat. Doch wird meine Klinge abgeschmettert von dem blitzflinken Rapier Jagos, meines treuen Dieners und Begleiters durch alle Härten und Abenteuer. "Tut mir leid, mein Herr! Aber in diesem Falle kann ich es nicht zulassen, daß Ihr meinen eigentlichen Herrn und Meister durchbohrt. Ihr habt hoffentlich Verständnis dafür." sagt er mir mit entschuldigender Miene.
- Mit einem Aufschrei stürze ich mich auf den Gegner, jage ihm meinen Degen mit all dem angstauten Haß entgegen, den er sich verdient hat. Diesen Stoß kann nichts mehr aufhalten! Doch im Moment, als ich mit starker Opposition meine Klinge in sein Herz drängen möchte, bricht mit einem scharfen Klirren wie von einer Höllenglocke mein treues Rapier am Parierdolch des Gegners ab. Für einem Moment stehe ich perplex da, nicht ganz fassend, daß mich der treue Stahl, dem mein Vater im letzten Krieg sein Leben verdankte, in dieser Lage im Stich gelassen hat, da kommt schon der Schmerz in meiner Seite. Der Hundsfott hat mir im Moment der Ablenkung seine verderbte Klinge in den Leib gestoßen. Mir werden die Knie weich und ich sehe durch einen Schleier aus Tränen wie meine geliebte Elspeth vor Entsetzen ohnmächtig wird. Das höhnische Grinsen des Schurken, wie er seinen dünnen Oberlippenbart glattstreicht und mir die Klinge auf die Brust setzt, ist das letzte, was ich sehe, bevor auch ich in die Schwärze der Ohnmacht entschwinde.
- Mit einem Aufschrei stürze ich mich auf den Gegner, jage ihm meinen Degen mit all dem angstauten Haß entgegen, den er sich verdient hat. Diesen Stoß kann nichts mehr aufhalten! Doch ist er der bessere Fechter! Mein rechtschaffener Zorn ist seiner kühlen, überlegten Boshaftigkeit seiner wohlbemessenen Fechttechnik nicht gewachsen. Doch ehe er das Blatt wenden und mich zurückdrängen kann, greift sich meine geliebte Elspeth ein Herz, zieht ihren Kamm aus ihrem goldseidenen Haar und stößt ihrem Entführer die spitzen Nadeln ins Genick. Ha! Damit hatte er nicht gerechnet. Die Blöße, die er sich gibt, nutze ich beherzt aus und treibe ihm meine Klinge bis an den Korb durch den Leib. Sein Blick bricht und er sinkt zu Boden, während ich schon Elspeth in meine Arme schließe.
Ich finde eine Karte mit "Verrat" alles andere als das "Spotlight raubend". - Eher im Gegenteil!