AW: Was ist das Besondere an Plot-Point-Kampagnen?
Klingt wie eine Kunst, so eine Kampagne zu entwickeln.
Eine gewisse Kunst mag das schon sein. Es ist sicher leichter eine typische NICHT-Plotpoint-Kampagne auf die "Eisenbahn" zu setzen und keinerlei Rücksichten auf Spielerbedürfnisse, auf Anpaßbarkeit, zeitliche Variationsmöglichkeiten usw. zu nehmen.
Evernight war ja z.B. eine solche "klassische" Kampagne. Die erste und die LETZTE, die Pinnacle herausgebracht hat.
Da Plot-Point-Kampagnen bei der Klientel, die sich für Savage Worlds sehr begeistern kann, besonders attraktiv sind, kamen ja auch die Wünsche im Wunschzettel-Thread auf, falls Evernight übersetzt werden sollte, daraus doch eine Plot-Point-Kampagne zu machen.
Es hat schon seinen Grund, warum bei den Savage Setting Projekten das eigentliche Setting oft schon lange steht, aber die Plot-Point-Kampagne noch lange Zeit des Ringens braucht, bis sie fertig ist. - Siehe die (an sich exzellente) PP-Kampagne in Sundered Skies: Das Setting gibt es sogar aus Zeiten vor Savage Worlds 1st Ed., aber die PP-Kampagne auszuarbeiten hat einiges an Zeit gebraucht.
Aus meinen eigenen Erfahrungen mit selbsterstellten Settings (seit D&D Basic Set) kann ich sagen, daß es leicht ist, einfach eine Spielwelt zusammenzuzimmern, die halbwegs statisch, verläßlich und als "Spielfläche" dienen soll für einzelne, nicht an den Grundfesten der Spielwelt ruckelnde Abenteuer oder Kampagnen im "Dauerstrom"-Stil, die keinen Höhepunkt und kein Ende haben, sondern einfach über 8, 9, 12 Jahre auf derselben Welt einfach weiterlaufen.
Ein Savage Setting hat eine Spielwelt mit KONKRETER BEDROHUNGSSITUATION. Eine Art "Kicker" für die gesamte Welt. - Es MUSS etwas geschehen, ansonsten geht alles den Bach runter! Man kann es NICHT aussitzen.
Und in diese Spannungszone kommen zu Beginn der PP-Kampagne die SCs. Ob und wie stark sie sich damit auseinandersetzen, ist in der PP-Kampagne jedoch frei gestellt. Es wird nur JEDEM Spieler/Charakter bewußt, DASS es eine solche Bedrohungssituation für die gesamte Welt gibt (Überranntwerden durch Untote, Absaufen im steigenden Wasser, Alieninvasion, Verschwinden des Sonnenlichts, usw.).
Für Plot-Point-Kampagnen gelten eigentlich alle üblichen Empfehlungen für GUTES Kampagnen-Design. - Zu schade, daß diese Empfehlungen bei vielen, insbesondere deutschen Kauf-Kampagnen keiner der Autoren berücksichtigen wollte. - Plot-Point-Kampagnen funktionieren aber NUR, wenn sie berücksichtigt werden. Das macht PP-Kampagnen anspruchsvoll für den Autoren, während sie für die Spielleiter und Spieler besonders leicht und locker von der Hand gehend wirken sollen.
Das Leicht ist oftmals das am Schwersten zu erreichende.
Ich finde aber: sehr schade, weil ich es an sich auch mag, wenn eine Spielwelt sich weiterentwickelt und neue Möglichkeiten eröffnet werden.
Dieser Versuch das mit Shaintar zu machen, wird SCHEITERN.
Bei Savage Worlds VERLIEBEN sich die Spieler in die Leichtigkeit des Umgangs mit den Regeln und in die FFF-Sichtweise auf Kampagnen, Abenteuer, Charakterentwicklung usw.
Sie verlieben sich NICHT in Spielwelten, wie man sich in Glorantha, Aventurien, Midgard als Spielwelten verlieben kann und der WELT treu bleibt, auch wenn sich die Regeln ändern.
Man bleibt bei SW dem Regelsystem treu, und will WILDE WELTEN (Plural!) erleben!
Nach einer Kampagne das Buch in den Schrank zu verbannen, finde ich doof.
Ein Kampagnen-Band ist ein großes Abenteuer. Hat man das durchgespielt, dann ist es durch. - Was ist daran "doof"? Wie oft nimmst Du mit DENSELBEN Spielern DASSELBE Abenteuer in die Hand?
Die Savage Settings weisen aufgrund der hohen Setting-Wechselbereitschaft der Spieler auch nur das für das Spielen der Plot-Points und Savage Tales notwendige Minimum an Settingbeschreibung auf. - Und das ist gut so.
Spielleiter, die ihre eigene Auslegung der Spielwelt machen wollen, die haben bei wenig Information, bei grobgranularer Information leichter die Möglichkeit IHRE Spielweltsicht als "Trapping" auf dem knappen Fluff der Savage Settings anzubringen, als wenn jedes Plumpsklo DSA-typisch mit GPS-Daten verzeichnet ist.
Man muß noch nicht einmal viel Arbeit dafür reinstecken, sondern kann WÄHREND DES SPIELS mit seinen Ausschmückungen seinen Beschreibungen der knapp geschilderten Spielwelt mehr PLASTIZITÄT verleihen.
Die deutsche "Krankheit" des DSA-Beschreibungs-Overkills ist so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was man bei einem Savage Worlds geeigneten Setting braucht.
Daher tun sich ja auch Conversions so schwer die alles erstickende, aber UNWESENTLICHE Detailfülle bei solchen "überspezifizierten" Settings erst einmal wegzuschneiden, um an den KERN des Settings für eine Conversion heranzukommen.
Bei Aventurien muß man eine ganze Menge wegschneiden, dagegen ist Dawning Star wirklich saftiges, gehaltvolles Material pur (man muß nur die D20-Angaben durch SW-Angaben ersetzen). - So ein Setting wie Dawning Star REGT AN, während Settings wie auch Shaintar ERSTICKEN.
Shaintar wird an der Absicht von S.P. Fannon zugrunde gehen eine Art "Savage Forgotten Realms" zu stricken. - Das ist zu dick aufgetragen um die immer wieder auf der Suche nach NEUEN WELTEN befindlichen Savages lange genug zu halten. - Und die PP-Kampagne LÖST KEINES der Kernprobleme des Settings. Da hat man als Spieler und Spielleiter das Gefühl, daß man künstlich GEBREMST wird, werden SOLL. - Eben weil der Autor mehr und mehr und mehr zu seiner Welt schreiben will.
Es wäre wirklich tragisch, wenn deutsche Savage Settings zu einer Art "Aventurien für Arme" verkämen, statt WELTEN ZU ERSCHÜTTERN.
Das gehört zwar in den Wunschzettel, aber hier ist es auch gut aufgehoben, meine ich:
Ich wünsche mir, daß deutsche Savage-Setting-Autoren NICHT an ihren Spielwelten KLEBEN, sondern mit den Welten Bedrohungszenarien aufstellen und diese in PP-Kampagnen LÖSEN lassen.
Der Savage bindet sich an das Explorative, an das Erkunden neuer Welten mit leichtem (Regel-)Gepäck. - Er bindet sich NICHT an das schwerfällige Vermessen und katasteramtliche Dokumentieren von nur einem Setting.