Zornhau
Freßt NAPALM!
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- 18. März 2004
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Das "Auskosten" der Zerbrechlichkeit hört sich für mich nicht an einem angenehmen, dem Spieler Freude bereitenden Spielelement an.In dem speziellen Fall empfinde ich das auch als wichtig für das Spielerlebnis. Die Spieler sollen die Sterblichkeit ihrer Jäger schon ein wenig auskosten und realisieren, wie zerbrechlich sie eigentlich sind.
Ist es doch nicht eher so, daß hohe Sterblichkeit, die sich ja besonders gut "auskosten" läßt, eher zu einem größeren ABSTAND des Spielers von seinem Charakter führt?
Wenn ich in Labyrinth Lord mit einem Anfänger-SC mit mageren 3 Hitpoints rumlaufe, dann koste ich dessen Zerbrechlichkeit ja die gesamte Zeit - nur SCHMECKT es halt nicht so toll, dieses "Auskosten", wenn nach einem Treffer der Charakter TOT ist. - Daher hänge ich bei solch hoher Charakter-Zerbrechlichkeit nicht so sehr am Charakter, damit es nicht so schmerzt, wenn mal wieder einer meiner SCs draufgeht.
Wenn das "Auskosten" der Zerbrechlichkeit nicht auf so schmalem Bereich wie dem schnellen und häufigen Charaktertod erfolgt, sondern der Charakter wochenlang aufs Krankenbett geschickt wird, dann ist dieses "Auskosten" für mich sogar noch schlimmer! - Einen neuen Charakter kann man in Minutenschnelle ins Spiel bringen und der Spieler am Spieltisch kann SOFORT weiterspielen. - Einen Charakter durch mangelnde Transportfähigkeit, mangelnde Mobilität, lange Heilungszeiten für längere Zeit ans Bett zu fesseln, kann bedeuten, daß der SPIELER letztlich gezwungen ist "auszusetzen".
Und das halte ich für die am WENIGSTEN wünschenswerte Art "im Spiel aber doch nicht IM Spiel" zu bleiben.
Klar, man kann klassische "Fenster zum Hof"-Geschichten spielen. Und man kann statt sich im Büro, im Wohnzimmer eines SCs oder sonstwo zu treffen, auch Besprechungen unter den SCs am Krankenbett stattfinden lassen. Aber das ist trotzdem ÖDE für den Spieler, der ja die Anfahrt zur Spielsitzung, die Spielzeit, usw. investiert, nur damit er dann rumsitzen darf.
Schlimmer wird es noch, wenn sein Charakter der etwas mental eingeschränkte "Mann fürs Grobe" ist, dessen "Ding" im Spiel eigentlich die zupackende, physische Aktion darstellt. - In Leverage kann man problemlos einen Mastermind-Charakter im Rollstuhl an den "Jobs" teilnehmen lassen, und man wird hier KEINERLEI Einschränkung eines solchen Charakters erleben. Wäre aber der Hitter langzeitig gehandicapt, dann kann er seine Rolle im Team einfach nicht mehr ausfüllen - und man muß OHNE ihn (in game) und damit effektiv OHNE den SPIELER weiterspielen.
Das ist zum Beispiel etwas, was sich die Entwickler von sehr kampflastigen militärischen Rollenspielen einmal überlegen sollten: Wenn man "realistische" Verwundungsregeln und Heilungszeiten zugrunde legt, dann verlieren die Spieler OFT ihre Charaktere komplett (durch Tod oder so schlimme Verstümmelung, daß der Charakter nicht mehr dienstfähig ist) oder für längere Zeit (in welcher der Charakter in ein Feldlazarett oder auf Heimaturlaub gesandt wird - raus aus der SC-Gruppe ist er aber damit auch für längere Zeit). - Eine Lösung ist die cinematische: Die SCs sind HELDEN, zäher, härter im Nehmen, schwerer zu töten oder auch nur längerfristig zu verletzen als die Normalbewohner der Spielwelt. - Das führt zwar einerseits zu nicht gerade realistischen Heilungszeiten, aber dafür bleibt eben die SC-Gruppe als Team beisammen und jeder Spieler kann sich wieder komplett in seinen Charakter einfühlen und ihn ohne Unterbrechung weiterspielen.
Interessant ist das "Vorspulen" der Zeit als Lösung. - Hier kommt bei mir immer die Plausibilitätsfrage auf: Warum sollten denn die Gegenspieler, die NSCs, solange "abwarten und Tee trinken", bis die SCs wieder "arbeitsfähig" geschrieben werden? - Natürlich NICHT! Sie sollten die Gelegenheit nutzen, so es wirklich heftige Spannungen mit den SCs gibt, diese noch im Krankenhaus umzulegen, oder deren Behausungen gründlichst zu filzen, ggf. als Signal noch niederzubrennen usw. - Die SCs zeigen eine Schwäche und INTELLIGENTE, plausibel gespielte NSCs WERDEN diese nicht ungenutzt lassen!
Ich finde es immer seltsam, daß gerade auch bei noch so auf "realistische" Verwundungs- und Heilungsregeln pochenden Runden, sozusagen "die ganze Welt den Atem anhält", sobald ein - aus Sicht der Spielwelt sehr unbedeutender - Spielercharakter mal für ein paar Wochen oder Monate zur Heilung ausfällt. - Da klappt dann gleich die gesamte Spielwelt die Bürgersteige hoch und hängt das "Geschlossen"-Schild auf? Seltsam.
Auch eine Lösung, aber wirklich? Das Spielen eines ANDEREN Charakters. - Klar, man kann im "Troupe Play" immer gleich ein ganzes Bündel an eigenen Spielercharakteren parat haben, so daß der Verlust des einen (auf Zeit) nicht die Mitspielmöglichkeit nimmt. Aber wie sieht es da mit der Charakterdarstellung, der Nähe zum Charakter aus? Spielt man seinen "Klon #4" tatsächlich (außer in Paranoia) genau so intensiv wie seinen "Hauptcharakter"?
Und das waren jetzt ein paar Lösungsansätze für langwierige Aussetzer durch Heilungszeiten:
- Heilung beschleunigen (Realismus komplett des Saales verweisen), Charakter schneller in Spielweltzeit wieder fit
- Zeit in der Spielwelt vorspulen (die NSCs fallen in "Dornröschenschlaf" bis alle SCs wieder können), Charakter zwar langsam in Spielweltzeit, aber schnell in Spielzeit am Spieltisch wieder fit.
- Ersatzcharakter spielen (bis der Haupt-SC wieder einsatzfähig ist), Charakter braucht immer noch lange Spielweltzeit, aber Ersatzcharakter ist verzögerungsfrei, sofort einsetzbar.
Und wie war das jetzt mit den "Aussetzern" durch:
- Geiselnahme
- Festnahme und Einsperren in Gefängnissen
- Versklavung
von Spielercharakteren im Spiel?
Wäre da nicht auch das Spielen von Ersatzcharakteren möglich, solange der Haupt-SC seine (meist ja VERDIENTE!) Strafe im Knast absitzt?
Wäre da nicht auch möglich, einfach die Spielweltzeit die Strafdauer über vorzuspulen?
Könnte man nicht auch im Rahmen des Ausspielens von z.B. Haftstrafen die Spielzeit verkürzen, indem man nur "wochenweise" die Zeit im Knast abhandelt (wie ja in manchen Szenarien, in welchen die SCs tatsächlich für länger im Knast verweilen müssen)?
Es geht ja zum einen darum dem SPIELER das weitere aktive Mitspielen zu gewährleisten.
Zum anderen geht es darum die Spielwelt halbwegs glaubwürdig zu halten.
Und dann erst geht es darum, was der Charakter vielleicht bevorzugen würde.
Ich habe bei Deadlands Classic und Reloaded schon OFT SCs in den Knast gesperrt. Wer sich in einer friedlichen Westernstadt aufführt wie ein Outlaw, der wird auch so behandelt. Und wer einfach unbescholtene Bürger umlegt, der kommt in den Knast, wartet wochen- und monatelang auf den Richter, bekommt im Prozess eine Chance seinen Hals zu retten, und wird ggf. für seine Tat gehängt.
Ich finde es vom Standpunkt des Spielleiters, dessen "Charakter" die Spielwelt ist, nämlich auch alles andere als wünschenswert, wenn ich den Spielern nur "Zielscheiben" statt NSCs mit Familie, Gefühlen, Interessen und eben einem fiktiven Leben vorsetzen darf. Und wer einfach so Leute umlegt, wer sich als Gesetzesbrecher, blutrünstiger Mörder und Schlimmeres in der Spielwelt darstellt, auf den reagiert die Spielwelt entsprechend. - Das ist etwas, was offenbar manche Spieler(typen) gerne ignorieren. Die wähnen sich im nächsten besten "Ego-Shooter", statt in einer um Lebendigkeitsdarstellung durch den SL bemühten Spielwelt. Und dann wird rumgejammert, daß der Charakter, der wirklich unmotiviert "einfach so" einen Barkeeper erschossen hat, dann letztlich "aussetzen" muß, weil er im Knast auf den Richter wartet und ihn die Mit-SCs, um nicht auch noch auf Steckbriefen zu landen, auch nicht bei einem Ausbruchsversuch unterstützen wollen.
Solche Arten der innerhalb der Spielwelt logischen, folgerichtigen Reaktion auf die totale Handlungsfreiheit der Spieler mittels ihrer Charaktere müssen die Spieler meines Erachtens eben auch bedenken, BEVOR sie anfangen die Bemühungen des SLs ihnen eine plastische Welt darzubieten mit stiefelbewehrten Füßen zu treten.
So sehr mich heilungsbedingte Wartezeiten stören, so wenig bin ich bereit bei VOM SPIELER SELBST direkt provizierten HAFTZEITEN Abstriche zu machen, vorzuspulen, Ersatzcharaktere zuzulassen.
Und das aus einem ganz klaren, ganz persönlichen Grund: Wer seinen Charakter wie einen asozialen Massengewalttäter agieren läßt, der VERSAUT MIR den Spaß die Welt und ihre Bewohner darzustellen. Und damit VERWIRKT er bei mir alle Nachsicht.
Solche Spieler, die ich eher aus Con-Runden-Erfahrung erleben mußte, dürfen dann gerne den Spieltisch verlassen, denn auf die kann ich gerne verzichten!
Ich erwarte einfach, daß sich ein Spieler auf die Spielwelt und die darin gängigen Verhaltensregeln einläßt. In den allermeisten Spielwelten ist das Umbringen hilfloser, unagressiver Passanten KEIN akzeptables Verhalten! Soviel "Sozialkompetenz" aus der realen Welt ins Spiel zu inferieren erwarte ich tatsächlich von jedem Spieler. Und wenn durch solche In-Game-Aktionen eben auch In-Game-Antworten wie eine Verhaftung, Verhöre, Verhandlungen, Verurteilungen, Vollzug folgen, dann gibt es bei mir KEINE Abkürzungen.