Rollenspieltheorie Warum Versagen notwendig ist

Wulfhelm schrieb:
Na und? Wenn für mich "Gefangennahme" das Konzept des Charakters eher zerstört als "Verletzung", dann ist das nun mal so. Hatte ich schon mal, das Beispiel. Und ist in Fantasy-Welten im Übrigen auch nicht unbedingt selten. Von einem ehrenhaften Krieger kannst Du nicht immer erwarten, dass er sich würdelos gefangennehmen lässt, um die eigene Haut zu retten.

Dann wird er während der Gefangennahme eben würdevoll von hinten niedergestreckt ... boah meine Güte.

n den wenigen Kaufabenteuern, in denen ich das bisher erleben durfte, war diese Phase ziemlich lang. Bei meinem Lieblingsbeispiel "Unter dem Nordlicht" umfasst sie im Grunde das ganze Abenteuer.

Kaufabenteuer sind meistens Rotz ... das liegt aber auch an ihrer Machart. Es ist unmöglich alle Eventualitäten abzudecken. Ergo muss es einen Plan geben, in welche Richtung das ganze laufen sollte. Ein guter SL leitet sowas nicht 1:1 nach Buch ... er passt das Dingen an die Umstände der Gruppe an.


Ich sehe übrigens immer noch nicht den Sinn einer solchen Übung. Was genau bringt das?

Es handelt sich schlicht um nen Opener, damit die Spieler was zu tun haben, die Feinde klar sind, Ziele gesteckt werden und ne ungefähre Richtung vorgegeben wird.
Darüber hinaus kann Cpt. Honour noch daran arbeiten seinen Ruf wieder herzustellen, weil ihm ein einziges Mal ein Fehler unterlaufen ist. ... noch ne Motivation - yay.
 
@ Arleccino

Nun ja, ich würde eine längere Charaktergeschichte nicht abwürgen, aber in dem Falle dann doch darum bitten, dass am Ende eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte in Stichworten erfolgt. Aus genau dem gleichen Grunde, aus dem ich auch "Mund aufmachen reicht" für Quatsch halte: Damit ich und der Spieler einen Fixpunkt haben, auf den wir uns beziehen können. Ich selber kann mir nämlich nicht immer merken, ob mir der Spieler in der ersten Sitzung erzählt hat, ob sein Charakter eine jüngere oder eine ältere Schwester hat oder so etwas.
 
Dann wird er während der Gefangennahme eben würdevoll von hinten niedergestreckt
Und wenn das die Regeln nicht hergeben, was sie oft nicht tun? Dann werden die auch noch gebeugt? Abgesehen davon: wenn die Gefangennahme an sich entehrend ist, dann spielt das keine Rolle.

Es handelt sich schlicht um nen Opener, damit die Spieler was zu tun haben, die Feinde klar sind, Ziele gesteckt werden und ne ungefähre Richtung vorgegeben wird.
Da kann ich mir unendlich viele andere Möglichkeiten vorstellen, die ohne player disempowerment funktionieren. Also brauche ich diesen Mist nicht.

Aber wenn das so funktioniert, sollte es ja mit Giovannis Methode, Rache zu nehmen, ohnehin kein Problem geben.
 
Arlecchino schrieb:
Ich habe schon phantastische Geschichten gelesen, die in erster und oft auch in einziger Linie dazu dienten, dem Charakter Hintergrund und tiefe zu verleihen.

Sowas mag es durchaus geben ... aber trotzdem definiert sich der Charakter eher über das was am Tisch passiert. Alles andere ist doch nur schmückendes Beiwerk und grundsätzlich irrelevant.

Es gibt Menschen, die können das besser in kurzen umgangssprachlichen Sätzen ausdrücken und brechen sich dafür einen ab, 'nen vernünftigen Satz aufs Papier zu bringen. Und es gibt Menschen, die können sich schriftlich besser ausdrücken als mündlich.

Geht es denn um Ausdruck? Es geht darum ein Konzept zu vermitteln. Leute, die sich verbal so überhaupt nicht auszudrücken wissen ... haben die nicht ein ernsthaftes Problem an einer Pen & Paper Runde überhaupt zu partizipieren?


Der Unwille, das zu lesen oder auch nur anzuerkennen, vor allem mit dem Verweis auf die Selbstbeweihräucherung klingt irgendwie nach Neid. Ich hab das jetzt schon öfters in, vor allem Internet-, Diskussionen erlebt bis zum Grad, wo Spielleiter regelrechte Hasstiraden auf die bloße Idee einer schriftlich verfassten Geschichte reagieren. "Belästige mich bloß nicht mit mehr als mit einer halben Seite!" spricht doch schon für eine Vorverurteilung. Vielleicht schreibt der Spieler so phantastisch, dass du regelrecht hineingesogen wirst? Vielleicht bietet dir die Schriftsprache einen Zugang zum Charakter und zur allgemeinen Spielwelt wie nichts anderes und wie es ein paar mündliche, salope ausgedrückte Sätze es niemals könnten?

Vielleicht hat der SL auch schon genug mit Vorbereitung mit mit Ausarbeitung seiner Ideen zu tun? Vielleicht hat er Familie, hat er nen Job, n Studium? Vielleicht hat er nicht Zeit und Laune sich auch noch 10 Seiten Text durchzulesen, wenn er vor allem Spielen möchte und es ein paar Sätze zur Figur auch getan hätten. Charaktere entstehen doch sowieso zumeist in Absprache mit den SLs ... wozu dann diese noch verschriftlichen. Spiele, in denen Spieler ihre Charaktere komplett selbst bauen und vom SL durchgewunken werden, weil die Crunchteile einfach sitzen ... da brauchts auch keine Meterware Text. Vielleicht möchte der Spieler sich einfach mitteilen auf schriftlichem Weg ... aber vielleicht sollte er akzeptieren, dass das nicht jeder SL voll toll findet. Vor allem, weil eben die wenigsten Spieler wirklich gute Schreiber sind. Das hat seltenheitswert, auch wenn der Spieler das möglicherweise anders sieht, weil seine Freundin das mal so gesagt hat. ;)
 
@ Arleccino

Nun ja, ich würde eine längere Charaktergeschichte nicht abwürgen, aber in dem Falle dann doch darum bitten, dass am Ende eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte in Stichworten erfolgt. Aus genau dem gleichen Grunde, aus dem ich auch "Mund aufmachen reicht" für Quatsch halte: Damit ich und der Spieler einen Fixpunkt haben, auf den wir uns beziehen können. Ich selber kann mir nämlich nicht immer merken, ob mir der Spieler in der ersten Sitzung erzählt hat, ob sein Charakter eine jüngere oder eine ältere Schwester hat oder so etwas.

Klar, nix gegen Stichpunkte. Ich halte die mündliche Abklärung eben für genauso wichtig. Ich würde von Jemanden, der da einfach keine Lust drauf hat, niemals verlangen, überhaupt was aufzuschreiben. Genausowenig würde ich es aber Jemandem madig machen, der drauf steht. Ich würde ihn auch nicht "einfach machen lassen, solange er mich damit in Ruhe lässt". Das wäre für mich wie nicht zuzuhören, wenn er etwas über seinen Charakter erzählt oder gar beschreibt.

Ich hatte mal einen Spieler in der Runde, der regelmäßig laut geseufzt hat, wenn sich Jemand für fünf Sekunden Mühe mit der Beschreibung des Innenlebens seines Charakters gegeben hat. Kann ich nicht mit umgehen, ist für mich respektlos. Und es wäre nun wirklich nicht so, als würden wir nur stundenlang mit der Friedenspfeife ums Lagerfeuer sitzen, in unsere Öko-Baumwollpullover gehüllt und uns lyrische Geschichten erzählen. Aber es gehört alles dazu, unter anderem auch die Fähigkeit gespannt und mit großen Augen zuzuhören, wenn es um etwas geht, das nicht den eigenen Charakter oder die unmittelbare Handlung betrifft. Aber auch damit bin ich in Foren schon auf heftigen Widerstand gestoßen, für Einige ist es sogar völlig normal, komplett abzuschalten und was völlig anderes zu machen, solange sie nicht dran sind. So Jemand würde seine wertvolle Lebenszeit natürlich auch nie damit verschwenden, irgendwelche lächerlichen Geschichtchen der anderen Mitspieler über ihre "Pet"-Charaktere zu lesen.
 
Wulfhelm schrieb:
Und wenn das die Regeln nicht hergeben, was sie oft nicht tun? Dann werden die auch noch gebeugt? Abgesehen davon: wenn die Gefangennahme an sich entehrend ist, dann spielt das keine Rolle.

Und wieviele Filme, Spiele und Romane, ja sogar Songtexte greifen das Konzept des Entehrten Kriegers auf? Zuletzt ja wohl ganz groß "Dishonored" (wie passend) ... ich mein das fängt ja quasi damit an, dass man eines Verbrechens beschuldigt wird, welches man nicht begangen hat. Kannste als Spieler nix gegen tun ... danach formst du die Welt.

Was die Regeln angeht: Es kommt aber selten vor, dass die das nicht hergeben. Wenn ich nen Pedanten als Spieler am Tisch sitzen habe, dann kannst du davon ausgehen, dass ich als SL ne völlig kohärente Lösung finde, die absolut wasserdicht ist, wenn ich will, dass Dinge geschehen. Muss es denn aber zum gegenseitigen Schwanzvergleich kommen frag ich mich?
 
Arlecchino schrieb:
Aber auch damit bin ich in Foren schon auf heftigen Widerstand gestoßen, für Einige ist es sogar völlig normal, komplett abzuschalten und was völlig anderes zu machen, solange sie nicht dran sind. So Jemand würde seine wertvolle Lebenszeit natürlich auch nie damit verschwenden, irgendwelche lächerlichen Geschichtchen der anderen Mitspieler über ihre "Pet"-Charaktere zu lesen.

Wir hatten mal nen Spieler, der seinen Nintendo DS rausgeholt hat, wenn er nicht dran war. Der hätte Geschichten gelesen (und diese vermutlich zerrissen, weil er sich für nen begnadeten Schreiber hielt). Aber auch ohne totalen Mangel an sozialer Kompetenz bei der Ausübung eines Hobbies aufzuweisen, können Spieler durchaus mal nichts mit verschriftlichten Hintergrundgeschichten anfangen (dürfen). Obwohl sie wirklich engagiert mitspielen.
Es wird als respektlos bezeichnet, wenn die Verschriftlichung nicht honoriert wird. Schon mal in den Sinn gekommen, dass es respektlos sein könnte, wenn man jemandem etwas aufdrängen will, was er partout nicht möchte, vor allem wenn er es vorher angekündigt hat?
 
Sowas mag es durchaus geben ... aber trotzdem definiert sich der Charakter eher über das was am Tisch passiert. Alles andere ist doch nur schmückendes Beiwerk und grundsätzlich irrelevant.

Irrelevant? Nein, sorry. Für mich nicht. Nichts daran ist irrelevant. Ich sag auch zu Jemandem, der mir außerhalb der Spielrunde was über seine Ideen zum Charakter oder zu kommenden Runden erzählt nicht "yaddayaddayadda! Erzähls am Tisch, alles außerhalb davon interessiert mich nicht!". Es kann schmückendes Beiwerk sein, muss es aber lange nicht. Oft ist es sogar essentiell, teilweise Aufhänger für ganze, gespielte Geschichten manchmal auch Anstoß für gegenseitige Inspiration. Ich hab schon oft erlebt, dass Spieler mit Charakteren strauchelten, bis sie ihre Hintergründe durch diese Art der Kontemplation ergründeten und dann am Tisch regelrecht aufblühten. Wenn man das durch Nichtachtung oder sogar Abwertung gleich im Keim erstickt, bringt man sich vielleicht um gute Erfahrungen.

Ich plädiere dafür, die individuellen Talente der Spieler zu peilen und entsprechend zu honorieren, sie darin zu unterstützen, sowohl als SL, als auch als Mitspieler, ihren Spaß zu haben. Du schließt das bei schriftlichen Talenten aus, weil is ja nur Unsinn, den keiner braucht. Ich habe schon gesagt, dass ich es Niemandem aufdrücken würde, der keinen Bock drauf hat. Du wertest es aber schon im Vorfeld ab. Irgendwie erscheint mir mein Ansatz liberaler. Ich geh ja nun jetzt nicht hin und befehle irgendwelchen SLs, sich seitenweise Charaktergeschichten durchzulesen, weil ich das für "besseres Rollenspiel" halte. Ich bin auch nicht derjenige, der hier frank und frei postuliert, schriftliche Ergüsse seien nur Ausdruck narzisstischer Wesenszüge und prinzipiell irrelevant.

Der Charakter definiert sich für mich darüber, wie der Spieler ihn darstellt, was er über ihn denkt. Das was am Tisch passiert ist mit Sicherheit der Mittelpunkt, für mich aber auch ein Teil des Ganzen. Der Kreis definiert sich auch nicht nur über seinen Mittelpunkt.

Geht es denn um Ausdruck? Es geht darum ein Konzept zu vermitteln. Leute, die sich verbal so überhaupt nicht auszudrücken wissen ... haben die nicht ein ernsthaftes Problem an einer Pen & Paper Runde überhaupt zu partizipieren?

Worum es geht ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es gibt auch Spielleiter, die mehr wollen, als ein kurzes Konzept, oder die mehr auch zu würdigen wissen. Oder die es ihren Spielern frei lassen, ob sie ihre Charaktere lieber im Vorfeld, oder im Spiel definieren und ausgestalten. Du tust so, als würde die mündliche Unfähigkeit einher gehen mit dem Versuch, sich schriftlich auszudrücken. Ich habe das lediglich gegenüber gestellt um meinen Punkt deutlich zu machen: das ich keine der beiden Ausdrucksformen für überlegen halte. Das ist wie Menschen beizubringen, dass nur hard skills in Mathe und Informatik zählen und sie sich mit so einem unnützen Schwachsinn wie Kunst oder Philosophie nicht auseinander zu setzen brauchen. Ist, gesellschaftlich gesehen, für viele auch nur "nettes Beiwerk aber eigentlich irrelevant" und auch hier sehe ich das fundamental anders.

Für einige SLs mag es darum gehen, einfach nur ein Konzept kurz zu umreißen, ich hab auch schon erlebt, dass sie dann drängen, alles andere im Spiel zu ergründen. Ich kenne aber auch Spieler, die ohne ein gut durchdachtes Konzept nicht ohne Weiteres einsteigen können und die im Spiel dann nur rumstolpern, weil sie sich nicht genug Gedanken darüber gemacht haben, wie ihr Charakter tickt. Einigen hilft das Schreiben. Sie müssen es vielleicht aber auch nicht mal aufschreiben, aber sie können es eben nicht "on the fly" und im Spiel machen, wie es oft hier in Foren wie diesen als "natürlich" und "so gehört sich das im Rollenspiel" definiert wird. Hältst du solche Spieler für benachteiligt oder sogar schlechter?

Vielleicht hat der SL auch schon genug mit Vorbereitung mit mit Ausarbeitung seiner Ideen zu tun? Vielleicht hat er Familie, hat er nen Job, n Studium? Vielleicht hat er nicht Zeit und Laune sich auch noch 10 Seiten Text durchzulesen, wenn er vor allem Spielen möchte und es ein paar Sätze zur Figur auch getan hätten. Charaktere entstehen doch sowieso zumeist in Absprache mit den SLs ... wozu dann diese noch verschriftlichen. Spiele, in denen Spieler ihre Charaktere komplett selbst bauen und vom SL durchgewunken werden, weil die Crunchteile einfach sitzen ... da brauchts auch keine Meterware Text. Vielleicht möchte der Spieler sich einfach mitteilen auf schriftlichem Weg ... aber vielleicht sollte er akzeptieren, dass das nicht jeder SL voll toll findet. Vor allem, weil eben die wenigsten Spieler wirklich gute Schreiber sind. Das hat seltenheitswert, auch wenn der Spieler das möglicherweise anders sieht, weil seine Freundin das mal so gesagt hat. ;)

Du gehst von einer sehr einseitigen Perspektive aus. Aber ingesamt hat das alles doch mit dem Willen zur Investition in das Hobby und zum Zeitaufwand zu tun. Genauso gut können Spieler argumentieren, die nicht einsehen, sich irgendein Regelwerk durchzulesen, sie haben schließlich besseres mit ihrer Zeit zu tun und überhaupt schon genug um die Ohren, Regeln kann auch der SL auslegen. Genauso kann sich Jemand weigern, den Spielhintergrund zu lesen, er wirds schon im Spiel erfahren. Es könnte auch sein, dass Jemand lieber an seiner Doplomarbeit schreibt, wenn die anderen am Tisch dran sind, weil das ist für ihn ja irrelevant. Wie gesagt, hat das alles für mich persönlich viel mit dem Respekt für meinen Mitspieler und mit meinem eigenen Interesse in sein Wirken und seine Person, sowie seine Ideen zu tun.

Wenn ich finde, dass es Zeitverschwendung ist, mich für irgendeinen Teil der Freizeitgestaltung oder dafür, was meine Mitspieler so treiben zu interessieren, dann ist das mein gutes Recht. Ich persönlich würde in dem Fall eher dazu raten, Prioritäten zu setzen. Es ist allerdings auch etwas anderes, wenn man sagt "Ich find gut, dass du was geschrieben hast. Ich hab nur leider so viel zu tun, dass ich es nicht lesen kann. Kannst du mit mir drüber sprechen, damit ich weiß, was du dir vorgestellt hast?" oder "Sorry, deine Selbstbeweihräucherung da kannst du dir in den Arsch stecken. Oder deine Freundin lesen lassen, die geht ja sogar davon aus, dass du das ganz toll kannst. Sag mir mal jetzt, wie du dir deinen Charakter vorstellst und wir legen los - und bitte fass dich kurz, ja? Sonst dauert mir das alles zu lange. Denn, um ehrlich zu sein, interessiert hier auch Niemanden der ganze Scheiß, den du dir in deiner Freizeit ausdenkst."

Du behauptest auch einfach mal, dass es seltenheitswert hat. Von den Spielerinnen und Spielern meiner Gruppen bisher waren gute 50% herausragende Schreiber. Einige davon publizieren, ein paar haben damit erst angefangen, nachdem sie sich im Rollenspiel durch Übung ihre Sporen verdient haben. "Nur weil die Freundin das gesagt hat" ist allerdings ziemlich abfällig. Und es klingt wieder nach dem angesprochenen Neid. Wie siehts denn mit anderen nicht-crunchigen Talenten aus? Schauspielerei und Darstellung der Rolle? Phantasie in der Ausgestaltung von Welt, Abenteuern und NSCs beim SL? Nervt sowas auch, sind das auch alles nur Selbstdarsteller mit Minderwerigkeitskomplexen oder 'nem falschen Selbstverständnis?

Am Rande muss ich da gerade an ein Gespräch von vor einer Woche denken. Ich traf mich mit ein paar alten Kumpels aus einer älteren Runde, davon erzählte einer, dass ein Bekannter, der mit uns gespielt hatte, nun in England als Schauspieler an einigen renommierten Theatern beschäftigt ist. Der Dialog ging so:

Ich: "Ernsthaft? Irgendwie cool, oder? Ich fand, dass er schon in den Runden immer ziemlich gut gespielt hat. Das Talent kann er jetzt wohl ausbauen."

Er: "Ja :rolleyes:. Hat sich ja schon am Tisch immer aufgespielt wie der größte Method Actor. Boah war das nervig. Jetzt wird er für sein Schmierentheater auch noch bestätigt, ekelhaft."

Schon mal in den Sinn gekommen, dass es respektlos sein könnte, wenn man jemandem etwas aufdrängen will, was er partout nicht möchte, vor allem wenn er es vorher angekündigt hat?

Wer drängt denn wem etwas auf?

Von dürfen hab übrigens zumindest ich nicht gesprochen. Was Spieler oder Spielleiter dürfen oder nicht beurteile ich nicht. Wenn Jemand mit schriftlichen Erzeugnissen nix anfangen kann, kann ers halt nicht. Ich geb nur meinen Senf dazu, die pauschal irgendeinem Stereotyp zuzuschieben und argumentiere, warum man sich mit dieser Einstellung durchaus täuschen kann. Zwischen "hey, urteilt diesen Teil des Hobbys doch nicht so pauschal ab!" und "lest gefälligst alle Geschichten und wenn ihr das nicht macht, seid ihr doof!" besteht doch wohl ein himmelweiter Unterschied.

Wer was wie letztlich hält ist mir doch egal. Ich bin der Letzte, der irgendwem in seinen Spielstil reinredet, dann könnte ich auch gleich anfangen, Capslock für besonders wichtige Hervorhebungen zu benutzen.
 
LVA Landesvollzugsanstalt sprich landläufig Gefängnis

Also nochmals mein Postulat oder Annahme: Kein Mensch reagiert positiv auf ihm negativ widerfahrende Umstände und je nach "Hintergrund" reagiert der Mensch. Also postuliere ich, Chars reagieren auch so. Ihr und ich haben "normale" Hintergründe, also wehren wir uns im Rahmen der Gestetze. Mein Heilerchar bringt auch nicht einfach Leute um. Nehmt im RL Gangsmitglieder, die haben einen anderen Umgang mit Waffen, Menschen und Tötung dieser. Genau dies postuliere ich für meinen Meuchelemörder oder den Vampir mit Menschlichkeit 2 , die bringen jemand schon mal um weil er ihnen doof kommt
 
ok, ok korrekt wäre mein Char sinnt auf Rache. Die Gefangenahme ist für mich eine Form von linken nicht seitens des SL sondern von "Auftrageber" und als Char möchte ich ihm (den Auftrageber nicht dem SL), wenn char kann eine reinwürgen. Dies Reaktion halte ich für sehr normal. Die meisten Menschen halten, wenn man sie sinnbildlich auf die linke Wange schlägt nicht auch noch die Rechte hin.
Danke für die Klarstellung. Dennoch reden wir hier von verschiedenen Dingen - oder du hast dich zuvor ziemlich missverständlich ausgedrückt.

Die Ausgangslage war die, dass ein SL in einem stärker gerailroadeten Abenteuer einen Ausgangspunkt für ein Abenteuer braucht. Er möchte dazu deinen SC in Gefangenschaft geraten lassen und bittet dich, das mitzumachen, damit es eben wie geplant läuft.

Hier kannst du natürlich auch sagen: "Ne, find ich doof. Ich will meinen SC einfach so spielen können, wie der halt ist - und der würde jetzt versuchen selbst wieder abzuhauen. Also, lieber SL, überleg dir bitte nen anderen Aufhänger für dein Abenteuer."
Das ist das, was wir (z.B. ich) meinen, wenn wir sagen, dass man das doch einfach ehrlich abklären soll.

So wie ich dich verstehe (korrigiere mich falls falsch), sagst du aber:
"Mein SC soll jetzt der Loser sein, damit die anderen als Helden dastehen können? Er soll sich erniedrigen lassen und ich soll dabei zusehen, bloß weil ihr das so cool findet? Pah... nicht mit mir - ich lass ihn einfach alleine abhauen oder geh dabei drauf. Und wenn ich euch damit die Spielsitzung versaue, dann habt ihrs verdient, ihr Idioten!"

Kurz: Du versaust den Mitspielern hintenrum den Abend, weil du es dem SL übel nimmst, dass deinem SC etwas schlechtes passiert - statt dass du einfach offen und ehrlich vornerum dein Problem mit den anderen klärst.

Ich weiß nicht, wenn ich einen gut geschriebenen Text lese habe ich nicht ständig einen selbstverliebten Pseudoatur vor dem geistigen Auge, der sich einen darauf runterholt, dass er "ja soo toll" schreiben kann. Ich find eher geil, wenn ich literarisches oder gar lyrisches Talent lese und lasse mich davon berauschen und inspirieren. Mit ein Grund, warum ich den Hintergrund bei Vampire (hauptsächlich Dark Ages) so herausragend finde.
Lyrisches Talent bei Charakterbeschreibungen? Selbst bei meinen Toreador-NSCs bleibe ich in der Regel bei Prosa... ;)
 
Lyrisches Talent bei Charakterbeschreibungen? Selbst bei meinen Toreador-NSCs bleibe ich in der Regel bei Prosa...

Mit "lyrischem Talent" meine ich die Fähigkeit, mit Umschreibungen und Metaphern umzugehen und seine Mitspieler, mich eingeschlossen, durch die Bildsprache seiner Worte in die Atmosphäre zu ziehen.

Ich meine damit nicht, dass er in Versen spricht. Oder einen albernen Federhut trägt und jeden Satz mit "oh holde Maid" beginnt.. ;)
 
Mit "lyrischem Talent" meine ich die Fähigkeit, mit Umschreibungen und Metaphern umzugehen und seine Mitspieler, mich eingeschlossen, durch die Bildsprache seiner Worte in die Atmosphäre zu ziehen.
Sollte das nicht schonmal mindestens jeder gute SL können?

Ich meine damit nicht, dass er in Versen spricht. Oder einen albernen Federhut trägt und jeden Satz mit "oh holde Maid" beginnt.. ;)
Sollte das nicht jeder wirklich richtig gute SL können? :cool:
 
LVA Landesvollzugsanstalt sprich landläufig Gefängnis

Also nochmals mein Postulat oder Annahme: Kein Mensch reagiert positiv auf ihm negativ widerfahrende Umstände und je nach "Hintergrund" reagiert der Mensch. Also postuliere ich, Chars reagieren auch so. Ihr und ich haben "normale" Hintergründe, also wehren wir uns im Rahmen der Gestetze. Mein Heilerchar bringt auch nicht einfach Leute um. Nehmt im RL Gangsmitglieder, die haben einen anderen Umgang mit Waffen, Menschen und Tötung dieser. Genau dies postuliere ich für meinen Meuchelemörder oder den Vampir mit Menschlichkeit 2 , die bringen jemand schon mal um weil er ihnen doof kommt

Oder auch "JVA" genannt, von allen die damit zu tun haben. Und vom Schild das außen dran steht. (Wobei Google mich gerade davon überzeugt, das in Mannheim ein Ding steht, das sich tatsächlich als "Landesvollzugsanstalt" bezeichnet. Wer darin sitzt - ich weiß es nicht? Die Justiz vollzieht da anscheinend nichts... ;-) )

Aber in der Sache würde so einigen eine Probebohrung in der Realität nicht schaden. Die bizarr aggressive Reaktion der meisten Rollenspieler auf so eine Situation entsteht aus der Unkenntnis der tatsächlichen, realen Konsequenzen - und den Regelsystemen die so was zumeist nicht abbilden können. Justin Achilli war es glaube ich, der mal gesagt hat das ein "realistisches Kampfsystem" daraus besteht das dich jemand schlägt, du zu Boden gehst "and then the kicking starts".

Um zu den geistig gesünderen Mitpostern zurückzukehren - Wulfhelm hat das angesprochen - es geht u.U. gegen die Regeln des Spiels. Das ist in der Tat häufig richtig. Savage Worlds, das Spiel der Freaks, ist ein gutes Beispiel: Es gibt keine Situation, in der man einen Charakter mit vorgehaltener Pistole (der Klassiker unter den Raubüberfällen) ordentlich bedrohen könnte - man ist trotz aller Boni die sich noch irgendwie ergeben können auf die Gnade der Schadenswürfel angewiesen (bei denen dank explodierender Würfel quasi alles rauskommen kann). Natürlich kann man in dieser Situation die "Konsequenzen" entsprechend abschätzen.

Zudem: Der Spieler(!) empfindet keine Schmerzen, der Spieler(!) empfindet keine Todesangst. Der typische Rollenspieler ist mit einer Filmdiät aus Actionfilmen großgezogen worden, war während seiner Wehrdienstzeit bei der Deppentruppe, hat da ein wenig auf Scheiben geballert und für ihn sind Waffen ein großer Witz. Das ist, je nach Setting, ja sogar ganz wunderbar. (Niemand nervt so sehr, wie jemand der bei Feng Shui von Realismus plappert). Daraus entsteht aber dann die Situation, dass man den Helden spielen will - etwas das selbst harte "Gangmitglieder" nicht tun wenn man eine Pistole auf sie richtet. Nun soll Rollenspiel ja auch nicht gerade dazu dienen Leute zu mehr Furcht vor Waffen zu erziehen ("Wir sehen jetzt Dia 21-35 - Schussverletzungen bei aufgesetzten Schüssen!") sondern in aller erster Linie Spaß machen.

Der Plot "Helden brechen aus Gefangenschaft aus" ist ein Klassiker aus Film und Geschichte. Man muss die Helden nur erst mal in diese Gefangenschaft reinbekommen. Das geht naturgemäß nicht, wenn John Wayne and Friends sich jedesmal den "Final Stand" liefern, nach dem sie entweder tot oder frei sind. Das KANN man mal machen, aus dramatischen Gründen finde ich persönlich es schöner wenn es mit "tot" endet - aber dann doch bitte für den richtigen Anlass.

An dieser Stelle braucht der Spieler ein wenig Popkulturkompetenz: "Verbrechen das ich nicht begangen habe? Ich lasse mich verhaften, breche aus dem Gefängnis aus und beweise meine Unschuld! (Oder helfen denen, denen niemand sonst mehr hilft!)". "Triviales Verbrechen zu Beginn meiner Karriere? Ich kämpf mich frei!", "Meisterverbrechen, als Krönung der Karriere, das ich aus gutem Grund begangen habe? Go out in a blaze of glory!"

Um den Sack hier auch wieder zuzumachen:

Die Mischung aus blödem Regelkern, mangelnder Kenntnis der Beteiligten über Realismus und "Tropes" - gepaart mit der Tatsache das manche Leute "Sieg oder Tod!" auch bei geklautem Käse für dramatisch angemessen halten sorgt für die dumme Situation, das man mit einigen Leuten das klassische "Helden wurden gefangen genommen" Szenario nicht spielen kann.

Dabei gibt's da für Traveller sogar ein ziemlich gutes...
 
Da kann ich mir unendlich viele andere Möglichkeiten vorstellen, die ohne player disempowerment funktionieren. Also brauche ich diesen Mist nicht.

Verstehe ich das richtig? Gefangennahme als Aufhänger einer Story ist Mist, wenn der Charakter es nicht verhindern kann, da dem Spieler die Macht genommen wird?

Irgendwie hab ich da Szenen vor dem Auge, bei denen sich SC durch die gesandte Übermacht an Verhaftenden metzeln, sämtliche auf sie angelegten Armbrüste ignorierend, während die Zauber ihnen um die Ohren fliegen, nur damit sie der Gefangennahme entkommen, weil sich ergeben und vielleicht einen Ausbruch wagen ja sowas von nicht geht. Nur damit sie die Tollen sind und ihre Spieler die Kontrolle behalten.

Irgendwie ist das doch die andere Seite des Würfeldrehens. Die Spieler drehen sich ihre Weltsicht so, daß ihre Charaktere immer gewinnen, egal was die Umstände oder der gesunde Menschenverstand (TM) sagen. Ansonsten ist es schlecht?
 
Und wieviele Filme, Spiele und Romane, ja sogar Songtexte greifen das Konzept des Entehrten Kriegers auf?
Hier zeigt sich wieder einmal der Kern des Problems: Spielleiter, die eine Geschichte schreiben wollen und glauben, die SCs könnten sie als Charaktere in dieser Geschichte verwenden.
Wie ich schon ganz früh in diesem Thread erwähnte: So entstehen keine guten Geschichten. Sondern schlechte.
 
Dabei gibt's da für Traveller sogar ein ziemlich gutes...
"Gefängniswelt" würde ich nur verwenden, wenn es entweder
a) ein One-shot ist oder
b) sich ohne Forcierung (weil die Spieler Mist gebaut haben) eine Inhaftierung aus der Kampagne ergibt und man das aus dem Hut ziehen kann, um die Geschichte zu handhaben.
 
b) sich ohne Forcierung (weil die Spieler Mist gebaut haben) eine Inhaftierung aus der Kampagne ergibt und man das aus dem Hut ziehen kann, um die Geschichte zu handhaben.

Wo ist der Unterschied zwischen einer vorgeschobenen Inhaftierung und einer begründeten Inhaftierung? Ergibt sich doch beides schlüssig aus der Welt...

"Die Stadtwache verhaftet die Spieler, weil sie den Magistraten ermordet haben."

und

"Die Stadtwache verhaftet die Spieler, weil der Magistrat es ihnen befohlen hat um die Abenteurer auszuschalten."

ist doch beides gleich logisch... Oder... kann es sein, dass die Spieler auch rebellieren wenn sie zu Recht verhaftet werden sollen und dass dein Argument ein Strohmann ist?
 
So entstehen keine guten Geschichten. Sondern schlechte.

Die besten Geschichten entstehen, wenn sowohl SL als auch die Spieler Verständnis für "narrative Kausalität" haben. In guten Runden bringen sich die Spieler ganz von selbst in Schwierigkeiten. In schlechten Runden versuchen sie zu "gewinnen".

Aber da sind wir wieder beim Thema "Vertrauen am Spieltisch".
 
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