AW: Warum sind Superheldenrollenspiele so unpopulär?
Bei diesem Trend frage ich mich, warum Superheldenrollenspiele weiterhin so unpopulär sind, wo sie doch eigentlich alles bieten, was man angesichts des Trends erwarten würde, und auch strukturell dem Rollenspiel genau in die Hände spielen:
Ja, kinda... Not. Superhelden zwingen einen recht direkt in klare Rollen, sind schwer zu balancen, bieten wenig Raum für Wachstum und wenn man sie dann auch noch in positivem, klassischen Superhelden-Licht betrachtet sind sie auch noch enorm langweilig.
Leicht zu erfassen. Man nehme unsere heutige Welt, rühre Leute mit Spandexkostümen und kühlen Kräften rein, und voilà, fertig. Irgendeinen Comic gelesen oder zumindest einen der neueren Superheldenfilme aus den 00ern angeschaut hat wohl jeder.
Ja, aber die sehen ja ganz nett aus... Aber... Man hat schnell genug davon. Nimm Spiderman. Da war schnell die Luft raus. Wobei Spidey noch auf nem Powerlevel ist, das vertretbar und zu leiten wäre. Der Zugang ist ja nett, nur könnte man mir als Spieler nicht erklären, warum es für meinen Charakter logisch ist, in bunten Strumpfhosen mit Schlüfern drüber rumzurennen.
Fest eingebautes Gruppenkonzept. Manche Gruppen sind eher ein zusammengewürfelter Haufen (Avengers, Justice League), andere haben ein stärkeres gemeinsames Thema (X-Men, Fantastic Four), aber auf jeden Fall ist bereits etabliert, dass sich Superhelden häufig in Gruppen zusammenschließen und zusammenarbeiten, um ihre Ziele zu erreichen; es kommt also dem üblichen Rollenspielformat entgegen.
Ja, nur kinda... Not. Außer der Tatsache dass sie eben so zusammengeschrieben wurden gibt es ja keinen wirklichen Grund für die Helden zusammen zu arbeiten. Man braucht genauso einen Grund zusammen zu arbeiten, wie mit jedem anderen Typ von Spielercharakter auch. Und wieder: Wenn man's in Vanillaform macht, ist das höchstens einen Abend lang spannend. Gritty isn't dead yet.
Klar erkennbare Corestory. Schurken führen ihre Schurkerei der Woche durch, und die Helden treten auf den Plan, um sie zu vereiteln und einmal mehr den Tag zu retten. Nach Wunsch kann das ganze noch mit mehr oder minder Seifenoper angereichert werden, aber man hat auf jeden Fal seine Basis um was zu tun und Abenteuer zu erleben, anstatt sinnlos durch NYC oder Gotham City zu gurken.
Und warum soll das etwas gutes sein? Das klingt für mich eher repetetiv. Und wenn ich Batman wäre, würde ich dem Joker nach seinem dritten Ausbruch aus Arkham einfach ins Gesicht schießen.
Breiter und vielseitiger Hintergrund. Comics scheren sich nicht um Kontinuität oder Einheitlichkeit, und so hat man eine breite Auswahl an Ursprüngen, Hintergründen und Schauplätzen, von Fantasy (Thor) über Pulp (Batman) bis Sci-Fi (Iron Man). Damit machen es Superheldenrollenspiele eigentlich leicht, verschiedene Spielerpräferenzen unter einen Hut zu bekommen.
Gerade diese wüsten Crossover wirkten doch schon immer dämlich und an den Haaren herbeigezogen - und um Batman und Superman(Iron Man, Thor) auf ein Powerniveau zu prügeln, muss der Spielleiter schon an vieeeeelen Rädchen drehen.
Spieler als Macher. Man darf coole Sachen machen und sich mit den Schwergewichten des Settings anlegen, anstatt vorgelesen zu bekommen, wie andere coole Sachen machen, während man vor den Schwergewichten des Settings kuscht - damit liegt das ganze voll im Trend weg vom Storytelling, hin zu pro-aktiven, mündigen Spielern, die auch wirklich eine Rolle spielen. (Außer ein kanonverliebter SL tanzt den Spielern mit Wolverine oder was auch immer für einen Lieblings-Pet-NSC auf der Nase rum, aber das Risiko hat jedes Rollenspiel.)
Tschuldigung, aber was du da beschreibst ist für mich Storytelling und so wird jede Runde mit mir als Spielleiter in jedem System aussehen. Spieler als Opfer des Metaplots ist keine Domäne, der einzig ein Superhelden-Rollenspiel entkommen würde. Dann wiederum gibt es doch so shiny sparkly Spiele schon: Exalted und Scion. Und wegen mir Aberrant. Und alle drei machen nicht wirklich Aussagen zur Moralität, da gibt es auch die von dir so abgelehnten Grautöne, die für die meisten Menschen eigentlich bloß Tiefe und somit Unterhaltungswert bedeuten.
Episodische Fortsetzungsgeschichte als Normalfall. Manche Linien sind vielleicht episodischer und resetten sich regelmäßig, andere setzen mehr auf Kontinuität und fortlaufende Handlungsbögen, aber mit einer regulären Rollenspielkampagne kann man auf jeden Fall nicht neben der Spur liegen wenn man das Genre emulieren will.
Episoden. Ja. Wir nennen sie 'Spielabende', aber gut. Ist das nicht etwas, das im Rollenspiel ohnehin schon passiert, bzw. im Zweifelsfalle genau nichts mit dem verwendeten System zu tun hat?
Wie kommt es dann, dass Superheldenrollenspiele weiterhin ein Schattendasein fristen? Lediglich "Necessary Evil" und "Mutants&Mastermind" haben eine beschränkte Popularität, und das scheint eher daher zu kommen dass sie die SW- bzw. d20-Spielerschaft abgrasen.
Weil sie nicht gut gemacht sind?
Als spezielles Problem am Genre sehe ich eigentlich nur, dass Europäer generell Problem haben das amerikanische Heldenbild zu verdauen, aber andererseits hält die fehlende Frontier- und Western-Mentalität den regulären Rollo auch nicht davon ab, D&D-artige Spiele zu zocken. Ich sehe das also nicht als ausschlaggebend, zumal das Problem auch in den USA selbst besteht.
Wir haben das Problem, dass wir nicht glauben, dass ein Typ mit unbegrenzter Macht á la Superman anfangen würde, alte Omas über die Straße zu fliegen. Sie würden vermutlich in Polen einfallen, oder so. Deswegen sind europäische Superheldencomics 'Watchmen' und amerikanische Superheldencomics 'Superman'. Mit ausnahmen in beiden Fällen, natürlich.
Aber wir Europäer trauen Superhelden nicht. 'Cuz who's watchin' the watchers?
Was hält denn euch ganz konkret von Superhelden ab? Wo seht ihr noch die Ursachen?
Siehe oben. Ich hätte prinzipiell nichts dagegen, würde es aber eher im Sinne von Mutanten anspielen, also mehr Heroes oder spätere X-Men, als tatsächliche Superheldencomics im klassischen Stile. Den kollabierenden Alltag eines Mutanten auszuspielen, unterbrochen durch Crimefighting oder Crimecommiting, könnte ich mir allerdings interessant vorstellen.