AW: Warum ich mit RAW und Abenteuerspiel im RPG nichts anfangen kann
Beispiel: Drei SCs, ein Pilot und zwei Operatives schweben in einem Hubschrauber über einem Wald. Unter ihnen liegt eine Person die gerettet werden soll. Operative 1 beginnt sich abzuseilen, Operative 2 bedient die Seilwinde und ist selbst mit einem Seil gesichert, während der Pilot den Heli, knapp über den Bäumen ruhig hält. Der Pilot würfelt und patzt. Also müsste jetzt folgendes passieren: Durch den missglückten Wurf hätte der Heckrotor einen Baum getroffen, was zum Absturz des Helikopters und dem Tod aller Beteiligten führt.
Es "müßte" hier nur der Absturz passieren, wenn das Regelwerk vorsieht, daß ein kritischer Fehler in solch einem Falle mit dem Absturz endet.
Solche Regelwerke gibt es tatsächlich.
Es gibt aber auch Regelwerke, die zum einen für eine solche STANDARD-Situation ohnehin keinen Wurf erfordern, weil es einfach mit der normalen, zu erwartenden Kompetenz des Piloten bereits abgedeckt ist (KARMA aus Everway). Nur wenn es außergewöhnliche Umstände gibt, wie z.B. starker Wind oder eine eh schon beschädigte Maschine, dann ist möglicherweise ein Wurf notwendig.
Dann gibt es Regelwerke, in denen es GRADUELLE UNTERSCHIEDE bei kritischen Fehlern gibt. Regelwerke, bei denen Kritische Fehler von NSCs z.B. mit Spielleiter-Bennies "weggekauft" werden können, wenn es dem Spielleiter hier und jetzt nicht reinpaßt, daß eine Routine-Mission zu Black Hawk Down wird.
Und was heißt schon Absturz? Wie ist das regeltechnisch umgesetzt? Hat der Pilot nun alle paar Meter Höhenverlust eine Chance sein Fluggerät wieder unter Kontrolle zu bringen? - Ein kritischer Fehler muß ja nicht "Ihr seid nun alle tot." bedeuten, oder?
Die GOLDENE REGEL sagt jetzt: Der Pilot hat zwar gepatzt, aber das hat in dieser nicht so dramatischen Szene keinen starken Einfluss.
Wenn die Szene NICHT DRAMATISCH sein SOLLTE, warum mußte denn dann überhaupt gewürfelt werden? - Da liegt doch eigentlich das Problem: Wer für jeden Routine-Scheiß die Würfel zückt, wo doch die allermeisten Regelsysteme genau das NICHT wollen (siehe Take 10, Take 20 bei D20, siehe 15%-Regelung bei UA), der darf sich nicht wundern, wenn er als Spielleiter einer an sich UNWICHTIGEN Szene allein durch den Wurf und die damit verbundene Eskalationsmöglichkeit zu einer ERHÖHTEN WICHTIGKEIT verhilft.
Wer als Spielleiter nicht mit den Konsequenzen eines für Routine-Aufgaben angeordneten Wurfes, also eines Schicksalsentscheides, leben möchte, der hätte sich das eben VORHER überlegen sollen, wie sehr in dieser Situation das Schicksal (FATE nach Everway) wichtiger als die Vorerfahrung der Charaktere (KARMA nach Everway) sein soll.
Was Du hier an "Goldener Regel" beschreibst, ist ein "bug fixing", nach einem KRITISCHEN FEHLER DES SPIELLEITERS.
Es gibt aber Konsequenzen.
Die gibt es immer. - Jedoch: Was, wenn der Pilot den von Dir angeordneten Wurf einfach NORMAL nicht schafft, statt ihn KRITISCH zu verfehlen?
Konsequenzen, wie die von Dir beschriebene "mildere" Komplikation können natürlich auch bei einem Kritischen Fehler passieren. Aber wie stufst Du dann die Erfolge und Mißerfolge hinsichtlich ihrer Konsequenzen ab? Was passiert be einem Kritischen Mißerfolg im UNTERSCHIED zu einem normalen, einfachen Mißerfolg? Und was wäre bei einem normalen Erfolg oder gar bei einem Kritischen Erfolg passiert?
Klar hat das alles Konsequenzen, aber wenn man schon die Würfel BEFRAGT, dann sollten die Konsequenzen auch qualitativ angemessen unterschiedlich ausfallen. - Und da kann halt bei Regelsystemen, die Kritische Fehler zulassen, auch ein angeordneter Routine-Wurf voll in die Hose gehen.
Die Goldene Regel verschiebt in bestimmten Szenen die Gewichtung von "Katastrophe" zu "Komplikation" die jetzt zusätzlich gelöst werden muss.
Die Goldene Regel schwächt den Kritischen Mißerfolg zu einem Einfachen Mißerfolg ab, WENN ES DEM SPIELLEITER PASST.
KEIN SPIELER kann sich dafür SELBST entscheiden, beim nächsten Wurf auf eine Fertigkeit, wo er einen Kritischen Fehler baut, dem Spielleiter zu sagen: "also, das paßt mir gerade nicht in den Plan, daß ich hier so daneben gelangt habe. Sagen wir doch einfach, ich habe DOCH Erfolg gehabt, ja?" - Oder läßt Du das Deine Spieler auch ständig entscheiden, je nachdem, ob ihnen ein Scheitern in ihr "Charakterkonzept" paßt oder nicht?
In dieser hochdramatischen Szene geht es dann ums Ganze! Dann wird nicht nach der Goldenen Regel gewichtet.
DOCH! Wird es!
Warum?
Weil DU, als Spielleiter, hier ENTSCHIEDEN hast, daß allein aus DEINEN GRÜNDEN ausnahmsweise mal die ganze Strenge der Regeln in dieser Szene angewandt werden soll, während das bei der anderen Szene halt nicht der Fall war.
Dieses totale Aufweichen jeglichen für einen Spieler verläßlichen Rahmens der Regelgültigkeit IST DIE GOLDENE REGEL!
Woher sollen denn die Spieler NUN wissen, daß es diesmal ernst ist, während bei allen Szenen vorher jeder granatenmäßige Kritische Fehler vom Spielleiter "glattgebügelt" wurde? - Kündigst Du die Gültigkeit und Anwendungsstrenge der Regeln vor jeder Szene explizit an, oder bleiben die Spieler da ständig im Dunkelen?
Noch einmal was zu dem Beispiel: In Regelsystemen wie Deadlands, Savage Worlds und anderen hat auch der Spielleiter im Regelwerk VORGESEHENE und EINGEBAUTE Möglichkeiten ein ihm nicht genehmes Ergebnis eines Wurfes (durch Fate-Chips oder Bennies) möglicherweise zu ändern. Und die Spieler haben hier DIESELBE MÖGLICHKEIT, was das Ändern von Würfen IHRES Charakters anbetrifft.
Das ist bei strenger Anwendung der Regeln, ohne jegliche "Goldene Regel" in diesen Regelsystemen möglich.
Daher muß sich auch ein Spielleiter, der unsinnigerweise überhaupt für Routine-Aufgaben hat würfeln lassen, sich nicht ärgern, wenn mal etwas für seine NSCs nicht so läuft, wie er es gedacht hat. Das Regelwerk REGELT das nämlich dann. - Nur wird er diese Nachwürfel-Möglichkeit dann eben später im Szenario nicht mehr in der Anzahl zur Verfügung haben, wie vor dem unsinnigen Wurf des Piloten. Und das ist auch gut so. Denn seinen Spielern geht es ja ähnlich: wenn sie ihre Nachwürfel-Resourcen zu früh verheizen, dann wird es gen Ende des Szenarios eben automatisch härter für sie. - Und das OHNE EINGRIFF des Spielleiters in die Regelgültigkeit!
Noch etwas zum Beispiel: Angenommen, der Pilot MUSS aus regeltechnischen Gründen tatsächlich IMMER bei solchen Abseilaktionen einen Wurf machen. Angenommen der fällt kritisch ins Wasser. Angenommen das Regelsystem stellt keine regeltechnische Auffangmöglichkeit (Bennies etc.) zur Verfügung. -
Warum dann nicht DOCH eine Black Hawk Down Absturzsequenz mit hektischen Versuchen des Piloten eine Notlandung mit möglichst wenig verletzten Operatives hinzubekommen spielen?