AW: Warum ich mit RAW und Abenteuerspiel im RPG nichts anfangen kann
Wir waren doch erst vor einer halben Seite bei der Erkenntnis angelangt dass Stimmung, Charakterzüge etc auch für ARS wichtig sind - aber eben nicht als Hauptsache.
Wenn ich dazu den Threadtitel anschaue:
Warum ich mit RAW und Abenteuerspiel im RPG nichts anfangen kann
..., dann könnte es doch sein, daß der Threadersteller eben Charakterzüge und Stimmung einfach mehr Gewicht beimessen mag, als dies die ARS-Gewichtung derselben bieten kann.
Somit ist, wenn man sich - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - Elemente des Rollenspielens anschaut: Gemeinsames Spielerleben, Konflikte, Stimmung, Gewinnen, Risiko, Einfühlen in den Charakter, kulturbezogene Sicht einnehmen, Action, Spannung, Reibereien unter den Spielenden, Teamgeist, Aufstieg, Erfolg, entspanntes Spielen, Pizza-Essen, Würfeln, Geschichten, ... eine erhebliche Menge an "Gewichtungsmöglichkeiten" vorhanden.
Man hat hier ein enorm vieldimensionales Optimierungsproblem, wollte man auch nur für SICH eine wirklich optimale Gewichtung feststellen - geschweige denn, daß es hier wahrscheinlich wäre ein auf genau diese optimale Gewichtung aller Faktoren passendes Rollenspiel zu finden.
ARS ist nur eine Untermenge all der möglichenen "Einstellungen". Diese Untermenge ist zwar immer noch breit genug um unterschiedliche Auffassungen, was ARS denn sein soll, zuzulassen (und immer noch im Konsens zu bleiben, daß es sich um ARS handelt - siehe Skyrocks, Myrmidons und Settembrinis Auffassungen von ARS: für mich deutlich unterschiedlich, aber für einander immer noch als ARS akzeptiert).
In dem vieldimensionalen Raum der Rollenspielelemente und deren Gewichtungen hat man nun sein (zumindest theoretisch mögliches) Optimum, einen "Wohlfühlbereich", einen "Toleranzbereich" und einen Bereich, in dem man sich im Spiel sehr unwohl fühlen würde.
Was ich hier sehe sind Reduktionen dieses kaum beherrschbaren Raums auf nur sehr wenige Elemente, über die dann mit Vehemenz gesprochen/diskutiert/ schon nicht mehr diskutiert wird.
Aber solche Reduktionen - das weiß man ja aus allen erdenklichen anderen Themenbereichen - sind IMMER und VON GRUND AUF
FALSCH.
Um EIN Element diskutieren und optimieren zu können vernachlässigt man zwangsläufig andere, ignoriert deren Einfluß und trifft Annahmen, die aber von den komplexeren realen Verhältnissen weit weg sind.
Das ist als Modell ja noch ganz nett, wird aber ständig von der Praxis als verkehrt erwiesen.
Wenn ich ein Rollenspiel spiele, dessen Regelsystem ich eigentlich grottenschlecht finde, wo es aber die netten Leute in der Gruppe sind, die zotigen Gags, die jedem einen Zwechfellriß verpassen und die leckere Pizza, da spiele ich dann eben DOCH SEHR GERNE.
Und ich kann das mir "vom Kopf her" coolste und tollste Rollenspiel spielen wollen, doch kann mir das Umfeld (auf einem Con mit zu hoher Hintergrundlautstärke und betrunkenen "Mitspielern") jeden Spaß verderben.
Welche "Theorie" faßt denn diese Elemente, diese Faktoren, diese Randbedingungen, die ja GANZ UNABSTREITBAR einen EINFLUSS auf den SPIELSPASS haben, in eine formelle Behandlung?
Warum soll denn der Wettbewerb zwischen den Spielern oder die Stimmungsausrichtung der Schilderungen als nur wenige oder gar EINZELNE Einflußfaktoren auf den GEFÜHLTEN Spielspaß so viel wichtiger sein, wie z.B. ein geeignet großer Tisch für Miniaturen-Systeme oder ein Nichtraucher-Spielzimmer oder das gemeinsame Leuchten in den Augen bei einem fesselnden Spielmoment?
Ich meine, daß man ohnehin nie ALLE spielspaßrelevanten Einflußfaktoren in eine Optimierungsbetrachtung einbeziehen kann.
Da das nicht geht, SOLLTEN diejenigen, die eine reduzierte (= falsche) Betrachtung zu welchen Zwecken auch immer verwenden, sich darüber im Klaren sein, daß sie damit noch nicht einmal IHR EIGENES Spiel wirklich erfassen können.
Diese grundsätzliche Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit gepaart mit dem fehlenden Bewußtsein für das, was JEDE Modellvorstellung tatsächlich mit der Spielrealität zu tun haben KANN, führt zu solchen sehr seltsamen (und aufgrund hohen persönlichen Engagements und persönlicher Empfindlichkeit auch sehr emotional geladenen) Diskussions-"Zirkeln".
Ein ganz ähnliches Verhalten kann man in Börsen-Foren erleben. - Dort gibt es zwei miteinander völlig unvereinbare Sichtweisen auf ein Unternehmen und seinen Wert bzw. die Wertentwicklung: die Fundamentaldaten bzw. die Technische Analyse.
Vertreter der Fundamentaldaten-Sicht schauen vornehmlich auf die Bilanz.
Vertreter der Technischen Analyse schauen vornehmlich auf den Kursverlauf.
Das betrachtete Unternehmen ist immer DASSELBE.
Die Aussagen beider Seiten zu ein und demselben Unternehmen weichen sogar schon im Groben oft völlig voneinander ab.
Vertreter der einen Sicht sagen, die Vertreter der anderen Sicht haben Unrecht und keine Ahnung und seien scheißdämlich. Und umgekehrt.
Kommt das irgendwie bekannt vor?
Dachte ich mir.
Wann immer man etwas Komplexes betrachtet, so wird man es nie vollauf erfassen und in seiner Gänze beurteilen können.
Das ist auch nicht schlimm, da es manchmal schon ausreicht "in die grobe Richtung zu zielen" um ein halbwegs passendes Resultat zu erhalten.
Wenn man alle Rollenspielprodukte (alte, neue, existierende und mögliche) und Rollenspiel-Spielweisen (erzählend, stimmungsmalend, action-betont, taktisch, etc.) anschaut, dann wird man sich schwer tun alles zu erfassen.
Da aber jeder neben seinem Punkt des Optimalen einen mehr oder weniger breiten "Wohlfühlbereich" hat, reichen oft Einschätzungen nach wenigen Kriterien, nach einer stark gefilterten Sicht, nach einer mit einer anderen Sicht eventuell völlig unvereinbaren Sicht auf das Ganze für eine persönliche Entscheidung aus.
So hilft es manchmal schon, wenn man erwähnt, daß ein Regelsystem stark taktisch und miniaturenorientiert ist, um eine Auswahl durch einen potentiellen Interessenten zu unterstützen. - Das heißt aber nicht, daß jeder, der Taktik im Rollenspiel mag, nun mit genau diesem Produkt glücklich wird, oder daß jemand, der keine Taktik mag, dieses Produkt verabscheut. Dazu gibt es noch viel zu viele andere Faktoren, die Einfluß haben können.
Es ist nicht mehr als ein Schuß ins Blaue in einer Richtung, in der man "ein gutes Gefühl" hat.
Hier nun mit dem Anspruch einer an sich unmöglichen EXAKTHEIT das Bessere Rollenspiel (analog die besserer Rollenspiel-Spielweise) herausfinden zu wollen, KANN nur SCHEITERN.
Das geht nicht.
Man kann eigentlich guten Gewissens nur sagen:
Schaut, ihr anderen Leute, ICH mag DIESES Spiel und ich mag es AUF DIESE WEISE spielen. Damit komme ICH klar, und damit kommen MEINE MITSPIELER klar.
Nur durch solche rein persönlichen Aussagen ist man unversucht von einer unmöglichen Absolutheit der Behauptungen.
Der Threadersteller hat geschrieben: "Warum ich mit RAW und Abenteuerspiel im RPG nichts anfangen kann".
Wunderbar. Das ist SEINE persönliche Ansicht. Die hat er nun einmal. Und er hielt es für notwendig sie anderen Leuten in diesem Thread vorzustellen.
Zu diskutieren gab es eigentlich nichts, außer der Tatsache, daß er "Reizbegriffe" etwas anders verwandt hatte, als sie gängigerweise verstanden werden.
Somit konnte man nach Begriffs- und Bedeutungsklärungen eigentlich nur noch Statements in der Art "Ja, mir ist jetzt klar, warum DU mit RAW und Abenteuerspiel nichts anfangen kannst, und ICH kann mit <xyz> und <jkl> nichts anfangen, dafür aber mit <abc>." abgeben.
Komisch, daß trotzdem das Ansichten-Ringelreihn begonnen hat.
Aber so kann's gehen...