AW: Unaventurisches Rollenspiel - Was kann die SL dagegen machen?
Genereller Tipp an Spielleiter, die mit ihrer Gruppe unzufrieden sind:
Lasst die Spieler einfach machen, was sie wollen. Entweder die Gruppe hat ihren Spaß auch ohne heldenhaftes oder "aventurisches" Spiel - oder sie verliert die Lust daran.
Und welchen Tip hast Du für Spielleiter, die selbst die Lust verlieren ihren Spielern nur noch "Schlachtvieh"-NSCs, nur noch Folteropfer-NSCs, nur noch Demütigungshinnehmer-NSCs auffahren zu dürfen?
Für mich gehört immer noch dazu, daß ALLE am Spiel ihren Spaß haben.
Als Spieler will ich mich nicht über Gebühr gängeln lassen, sondern meine Entscheidungsfreiheit ausleben können. Als Spielleiter will ich mich nicht zum "Snuff-Porn"-LIeferanten für "un-heldenhaft und wir finden das gut so"-Spieler machen müssen, sondern meinen Spielern eine Bühne bauen, auf der sie die jeweiligen Spielwelten bewegen können, statt nur uninteressante und unbedeutende Alltagsödnis nacherleben zu können, oder in selbst in der jeweiligen Spielwelt als verwerflich geltenden Handlungen zu schwelgen.
Ich war auch schon mal mit Gruppen unzufrieden (ist glücklicherweise länger her). - Die Lösung: Andere Gruppe.
Ich bekomme meinen Spaß nicht daran, die Spieler in die Pfanne zu hauen, und auch nicht daran, daß ich ihnen die Spielweltbevölkerung zum Abschlachten serviere, sondern tatsächlich daran, daß ich den Spielern Herausforderungen bieten kann, die nicht einfach sind, und die ihnen eine HELDEN-Rolle auszuspielen erlauben.
Ich bin kein Rundum-Glücklich-Versorger-Spielleiter, sondern ich mache mir die Spielleiter-Arbeit vor, während und nach der Spielsitzung nur dann, wenn ich auch meinen Spaß bekomme. Für Spiel-LEIDEN ist mir einfach die Zeit zu knapp.
Jedoch habe ich den Tip an Spielleiter von Cyberdjinn oben so verstanden, daß hier propagiert wird, daß der Spielleiter eben den Spielern auch gegen sein eigenes Vergnügen - oder genauer: zu seinem eigenen MISSVERGNÜGEN - den Spielern wirklich ALLES freistellen soll.
Das sehe ich nicht so.
Dieser Thread ist zwar ein DSA-Thread, doch möchte ich hier ein Beispiel aus einem anderen Spielweltumfeld bringen: Wenn bei einer so sauberen, properen, heroischen Spielwelt wie Castle Falkenstein, wo das "Punk" im Steampunk sehr klein geschrieben wird (wenn überhaupt), die Spieler anfangen sich permanent gegen die in diesem Setting geradezu als Alleinstellungsmerkmal von hoher Bedeutung gepflegten Regeln im Umgang miteinander (Comme il faut) verhalten, dann BRICHT das das Setting. Das ist dann nicht mehr der GRUNDVEREINBARUNG der Runde: "Spielen wir doch mal Castle Falkenstein" entsprechend, sondern es wird zu etwas anderem.
Aventurien ist ein Setting, welches - meinem Eindruck nach - deutlich weitere Spanne an Spielmöglichkeiten als das Castle Falkenstein Setting erlaubt, ohne den Bereich zu verlassen, bei dem noch alle am Tisch der Meinung sind, daß sie das Rollenspiel, auf das man sich zu spielen geeinigt hatte, spielen und nicht etwas anderes.
Das ist auch eine der Stärken klassischer "Hauptrollenspiele" wie DSA, D&D, Midgard, usw.: Sie lassen sich unter Beibehaltung der innerhalb der Spielergruppe gefühlten Spielwelt-Plausibilität auf sehr unterschiedliche Art und Weise spielen.
Andere Spielwelten haben da weitaus engere Spannen, nach denen man noch das Gefühl hat, das betreffende Rollenspiel zu spielen und nicht etwa anderes, etwas, was man NICHT zu spielen gewollt hatte.
Hier gilt es einen Konsens zu finden. - Ob dieser immer aktiv und explizit erarbeitet werden muß, gar dokumentiert werden muß, möchte ich bezweifeln. - Meist ist dieser Konsens das, was sich im Rahmen einer Gruppenbildungsdynamik ohnehin einstellt.
Gibt es bei dieser Findung eines gemeinsamen Bildes der Spielwelt für die Gruppe Probleme, gibt es in Konflikt stehende Sichten darauf, was noch alles zu dem gemeinsam zu spielenden Spiel gehört, und was nicht, dann müssen diese Konflikte angegangen und gelöst werden.
Ein totales Zurücknehmen aller Wünsche und Erwartungen des Spielleiters an das gemeinsame Spiel und ein Freie-Hand-Lassen allen Spielern in einer Gruppe, die schon unter einem Konflikt leidet, LÖST NICHT die Konflikte in Gruppen, in welchen Spielleiter mit der Spielergruppe unzufrieden sind. - Im Gegenteil: Es verschleppt den Konflikt, es zementiert die Reibungspunkte im Spielvorgehen, es bereitet eigentlich nur die nächste Eskalationsstufe des Konflikts vor.
Daher halte ich von dem obigen Vorschlag für Spielleiter, die mit ihrer Gruppe nicht zufrieden sind, nicht viel.
Spielleiter, die mit ihrer Gruppe ZUFRIEDEN sind, sollten den obigen Vorschlag aber durchaus aufgreifen. In diesen Gruppen existiert ja kein bestehender Konflikt, der durch die Vorgehensweise nur noch schlimmer werden kann.